Fuzzy Logic an der Kläranlage Bramsche

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Fuzzy Logic an der Kläranlage Bramsche
Dipl.-Ing. Elektrotechnik(FH) Horst Backhaus
FH-Osnabrück
Albrechtstraße 30
49076 Osnabrück
Tel. Büro 0541-969-2164
Tel. Priv. 05466-503
E-Mail: [email protected]
Einleitung:
1995 begann die Zusammenarbeit der FH-Osnabrück mit der Stadt Bramsche, um die
Auslastung der Kläranlage Bramsche mittels Fuzzy Logic zu verbessern. Die Stadt Bramsche
ist eine Stadt mittlerer Größe mit ca. 32000 Einwohnern nördlich von Osnabrück. Sie ist
geprägt von einer starken mittelständischen Industrie, deren Tätigkeitsbereiche sich von der
Papierindustrie über Textilfirmen bis hin zur Kupferdrahtproduktion und
Bierhefeverarbeitung erstrecken. Durch dieses relativ große Industriespektrum ist auch das
Spektrum der Abwasserverschmutzungen sehr groß. Die Kläranlage Bramsche besitzt eine
Kapazität von 60000 Einwohnergleichwerten. Das Hauptproblem der Kläranlage war die
fehlende Pufferung und Homogenisierung des ankommenden Abwassers. So mußte die
Anlage immer mit der gerade anfallenden Abwassermenge und Qualität gefahren werden.
Dieses hatte des öfteren zur Folge, daß die Kläranlage über Tag überlastet wurde und sich
nachts im Leerlauf befand. Zur Störung der Biologie und damit zur Beeinträchtigung der
Abwasserreinigung konnte es kommen, wenn toxische Stöße durch Fehlverhalten der
einleitenden Industrien die Anlage erreichten.
Bild1: Luftaufnahme der Kläranlage Bramsche
Um die Kläranlage mit einer homogenen Abwasserqualität und Menge betreiben zu können,
wurde von der FH-Osnabrück eine Fuzzyregelung des Zulaufs entwickelt, die die
Abwassermenge und Qualität konstant hält. Dadurch kann die Biologie optimal arbeiten und
die Kapazitäten der Anlage wurden erhöht.
Zusätzlich wurde im Jahre 1996/97 eine Fuzzyregelung zur Fällmitteldosierung entwickelt,
die den Einsatz von Eisenchlorid minimieren soll. Dadurch soll eine Übersalzung des Wassers
vermieden werden. Eisenchlorid wird zur Fällung von Phosphat verwendet und wird dem
Wasser im Belebungsbecken zugesetzt.
Allgemeines:
Um während der Entwicklungsphase eine maximal Ausfallsicherheit zu haben wurde der
Fuzzyregler so konzipiert, das der Regler beim Störfall abgeschaltet und die konventionelle
Steuerung verzögerungsfrei wieder eingeschaltet werden kann. Der Fuzzyregler wurde als C Programm auf einem 80286 PC realisiert. Der Fuzzyanteil des Programms wurde mit dem
Fuzzytech-Precompiler der Firma Inform entworfen. Zur Aufnahme der Eingangswerte und
zur Ansteuerung von aktiven Elementen wie Pumpen, Ventilen etc. wurde eine in C
programmierbare Meßwerterfassungskarte der Firma Keithley eingesetzt. Mit den digitalen
Ausgängen der Karte werden Relais geschaltet die wiederum die Schütze zum Einschalten der
Pumpen und Ventile betätigen. Die Leitungen zu den Schützen können mit einem
Schlüsselschalter unterbrochen werden. Bei unterbrochenen Leitungen arbeitet nur die
konventionelle Steuerung über SPS. Über die analogen Ausgänge können noch andere
Elemente angesteuert werden. Mit den Analogen Eingängen werden die benötigten
Eingangsgrößen aufgenommen.
Als Eingangsgrößen werden im Pumpensumpf der Höhenstand, der Ph-Wert und die
Leitfähigkeit, im Mischwasserbecken der Höhenstand, und im Auslauf der Phosphatwert
aufgenommen.
Fuzzyregelung des Zulaufs:
Das Kanalnetz der Stadt Bramsche mündet in den Pumpensumpf der Kläranlage. Dort
befinden sich 4 Abwasserpumpen mit einer Förderleistung von je 350m³/h, die das Abwasser
in die Kläranlage pumpen können. Zusätzlich existieren 2 Mischwasserpumpen, die das
Abwasser in ein 2500m³ großes Mischwasserbecken pumpen können. Aus dem
Mischwasserbecken kann das Abwasser bei Bedarf über ein Ventil wieder in den
Pumpensumpf zurückgegeben werden.
Bild 2: Zulauf der Kläranlage Bramsche
Ursprünglich wurden die 4 Abwasserpumpen in Abhängigkeit von dem Höhenstand
nacheinander eingeschaltet und das Abwasser direkt in die Kläranlage gepumpt.
Erst wenn mehr als 1000m³ Abwasser pro Stunde anfielen, wurden die Mischwasserpumpen
eingeschaltet und das Mischwasserbecken befüllt. Dieses kam nur einmal im Jahr bei sehr
starkem Regen vor.
Bild 3: Profil des Zulaufs ohne Fuzzyregelung
Anhand der blauen Linie welche die Zuflußmenge in die Kläranlage anzeigt ist zu sehen, daß
früher die Zuflußmenge und damit die Belastung der Anlage stark fluktuierte.
Die rote Linie zeigt die Leitfähigkeit, die Gelbe den PH Wert und die Grüne die Temperatur
an.
Da das Mischwasserbecken fast nie benutzt wurde, entstand die Idee dieses Becken als Puffer
zur Homogenisierung des Abwassers zu benutzen.
Zu Beginn des Projektes wurde die konstant zu verarbeitende Abwassermenge auf 300m³/h
festgelegt. Durch Drosselung einer Abwasserpumpe werden konstant 300m³ Abwasser pro
Stunde in die Kläranlage gepumpt. Fällt mehr Abwasser an, greift der Fuzzyregler ein und
pumpt das Abwasser mit den Mischwasserpumpen in das Mischwasserbecken. Um dieses zu
erreichen, werden dem Fuzzyregler der Höhenstand des Pumpensumpfes und des
Mischwasserbeckens als Eingangsgrößen zugeführt.
Bild 4: Ansteuerung der Mischwasserpumpen in Abhängigkeit vom Höhenstand des Pumpensumpfes und des
PH-Wertes
Der Fuzzyregler kann über seine digitalen Ausgänge die Mischwasserpumpen ansteuern. Der
Fuzzyregler wurde als C-Programm auf einen 286'iger PC mit A/D-Wandlerkarte realisiert.
Liegt das Abwasseraufkommen jenseits der 900m³/h, wird eine zusätzliche Abwasserpumpe
eingeschaltet und die Kläranlage mit einem Durchsatz von 600m³/h gefahren. Dieses kommt
allerdings nur sehr selten vor, z.B. bei wolkenbruchartigen Regenfällen. Zusätzlich überwacht
der Fuzzyregler die Abwasserqualität anhand des PH-Wertes, der Leitfähigkeit und des CSBWertes. Erreicht nun eine toxischer Stoß die Kläranlage, so greift der Fuzzyregler ein und
pumpt das belastete Abwasser in das Mischwasserbecken wo es mit dem überschüssigen
Abwasser verdünnt wird.
Bild 5: Ansteuerung der Mischwasserpumpen in Abhängigkeit von PH-Wert und Leitfähigkeit
Das so gespeicherte Abwasser wird beim Abfallen des Abwasseraufkommens unter 300m³/h
(in der Regel nach 16 Uhr) über ein Ventil, welches vom Fuzzyregler angesteuert wird, wieder
in den Pumpensumpf zurückgegeben.
Bild 6: Ansteuerung des Ablaßventils in Abhängigkeit vom Höhenstand des Pumpensumpfes
Um ca. 4 Uhr ist bei normalen Witterungsbedingungen das Mischwasserbecken komplett
geleert.
Bild 7: Profil des Zulaufs mit Fuzzyregelung
Anhand der blauen Linie ist hier zu sehen das die Zuflußmenge zur Kläranlage durch den
Fuzzyregler annähernd konstant gehalten wurde.
Die Kläranlage kann somit 22h konstant mit 300m³/h gefahren werden. Es konnte beobachtet
werden, daß durch den Einsatz des Fuzzyreglers die Störanfälligkeit der Biologie herabgesetzt
und die Kapazität der Kläranlage vergrößert wurde.
Fuzzyregelung der Phosphatfällung:
Phosphatverbindungen regen im Wasser den Algenwuchs an und führen zur Eutrophierung
(Überdüngung) der Gewässer. Daher ist es wichtig, daß die Phosphatverbindungen in der
Kläranlage aus dem Abwasser eliminiert werden. In der Kläranlage Bramsche erfolgt die
Eliminierung mittels einer Biogenen-Dephosphatierung und einer Simultanfällung.
Bei der Simultanfällung wird dem Abwasser Eisenchlorid zugegeben, welches sich mit dem
im Abwasser befindlichen Phosphat verbindet und ausfällt (Flockenbildung).
FeCl3*6H2 O + 2 PO4
FeCl3*6H2 O + 3 H2 O
3 H + 3 HCO2
Fe PO4 + 3 Cl + 6H2 O
Fe(OH) + 3 H + 3 Cl + 6H2 O
3 CO2 + 3 H2 O
Ursprünglich erfolgte die Dosierung des Eisenchlorids manuell. Das heißt, ein Mitarbeiter der
Kläranlage stellte jeden Tag per Hand die Dosiermenge so ein, wie es der aktuelle
Phosphatwert verlangte. Schwankungen des Phosphatgehaltes wurden nicht berücksichtigt.
Um immer sicher unter den gesetzlichen Grenzwerten zu bleiben, wurde meisten viel zu hoch
dosiert und das Wasser übersalzen. In dieser Zeit wurden im Durchschnitt 22 l/h Eisenchlorid
dem Wasser zugegeben (190 Tonnen pro Jahr). Aus diesem Grunde wurde ein Fuzzyregler
entwickelt, der den Einsatz von Eisenchlorid minimieren sollte.
Bild 8: Phosphatfällung im Belebungsbecken
Der Fuzzyregler zur Phosphatfällung wurde auf dem gleichen PC realisiert wie der
Fuzzyregler zur Zulaufregelung. Als Eingangsgröße wird ihm der Phosphatwert im Auslauf
der Kläranlage zugeführt. Intern errechnet sich der Fuzzyregler die Abweichung vom Sollwert
und nimmt diese als weitere Eingangsgröße. Zur Dosierung des Eisenchlorids wird eine
Dosierpumpe über einen analogen Ausgang der A/D-Wandlerkarte angesteuert.
Befindet sich der Phosphatwert unterhalb des Sollwertes, wird eine geringe Grundmenge an
Eisenchlorid zugegeben, um einen sprunghaften Anstieg des Phosphatwertes zu verhindern.
Überschreitet der Phosphatwert den Sollwert, wird in Abhängigkeit von der Höhe der
Abweichung und des Phosphatwertes vermehrt Eisenchlorid zugegeben. Bei einem hohen
Sollwert von über 1mg/l muß etwas aggressiver reagiert werden, da die Erfahrung gezeigt hat,
das in diesem Bereich der Phosphatwert schnell wegzulaufen und außer Kontrolle zu geraten
droht.
Bild 9: Dosierung des Eisenchlorids in Abhängigkeit vom Phosphatwert und der Abweichung vom Sollwert
Durch den Einsatz des Fuzzyreglers im Bereich der Phosphatfällung konnte der Bedarf an
Eisenchlorid stark gesenkt werden. So wurde die durchschnittlich dosierte Menge an
Eisenchlorid auf 8 l/h gesenkt (70 Tonnen pro Jahr). Dieses entspricht einer Einsparung von
120 Tonnen Eisenchlorid pro Jahr, welches nicht mehr die Gewässer und den Haushalt der
Stadt Bramsche belastet.
Zukünftige Projekte an der Kläranlage Bramsche:
Aufgrund der guten Zusammenarbeit der letzten Jahre mit der Kläranlage Bramsche wird die
Zusammenarbeit zwischen FH-Osnabrück und der Kläranlage Bramsche fortgesetzt.
Für das nächste Jahr ist eine Untersuchung geplant, ob durch den Einsatz von Fuzzy Logic im
Bereich der Klär- und Fettschlammbehandlung der Ausstoß von Methangas während des
Faulprozesses im Faulturm maximiert werden kann. Die Kläranlage Bramsche verfügt über
zwei Blockheizkraftwerke (BHKW's), die das anfallende Faulgas zur Wärme und
Stromgewinnung nutzen. Der Bau eines dritten BHKW's ist geplant, wenn es möglich ist den
Ausstoß an Faulgas zu erhöhen.
Ein weiteres großes Projekt wird die Fuzzyregelung der Belebung sein, welches
wahrscheinlich im nächsten Sommer beginnen wird. Dort muß anhand von Nitrat, Nitrit,
Ammonium und Sauerstoffwerten die idealen Belüftungs- und Ruhezeiten für das
Belebungsbecken ermittelt werden, um ein optimales Klima für die Bakterien zu schaffen,
ohne gesetzliche Grenzwerte für Nitrat, Nitrit oder Ammonium zu überschreiten.
Zugehörige Unterlagen
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