Studie

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Gesellschaft für Angewandte
Wirtschaftsforschung mbH
www.gaw-mbh.at
Studie
28. November 2011
Marktwirtschaft ade – oder wie weit entfernen
wir uns von der Marktwirtschaft?
Projektleitung:
Univ.-Prof. Dr. Friedrich Schneider
Mag. Stefan Jenewein
Projektteam:
Dr. Stefan D. Haigner
Dr. Florian Wakolbinger
Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung mbH
Amraserstraße 15
6020 Innsbruck
i
Inhaltsverzeichnis
1.
2.
Einleitung und Überblick ................................................................................................................. 3
Finanzmärkte ................................................................................................................................... 6
2.1. Förderung der privaten Altersvorsorge ................................................................................... 7
2.1.1.
Ökonomische Würdigung ................................................................................................ 8
2.2. Leerverkäufe und Hochfrequenzhandel ................................................................................ 10
2.2.1.
Ökonomische Würdigung .............................................................................................. 11
2.3. Verbot von Fremdwährungskrediten .................................................................................... 12
2.3.1.
Ökonomische Würdigung .............................................................................................. 14
2.4. Alternative Lösungsansätze ................................................................................................... 16
2.4.1.
Haftung .......................................................................................................................... 18
2.4.2.
Wettbewerb und Marktmacht ...................................................................................... 18
2.4.3.
Lenkung mittels Steuern................................................................................................ 19
2.5. Banken verstaatlichen? ......................................................................................................... 22
3. Gütermärkte – Handel ................................................................................................................... 25
3.1. Glühlampen ........................................................................................................................... 25
3.1.1.
Ökonomische Würdigung .............................................................................................. 26
3.1.2.
Alternative Lösungsansätze ........................................................................................... 27
3.2. Plastiksäcke ........................................................................................................................... 28
3.2.1.
Ökonomische Würdigung .............................................................................................. 28
3.2.2.
Alternative Lösungsansätze ........................................................................................... 28
3.3. Tabakwaren ........................................................................................................................... 29
3.3.1.
Ökonomische Würdigung .............................................................................................. 29
3.3.2.
Alternative Lösungsansätze ........................................................................................... 31
4. Sicherheit in der Mobilität............................................................................................................. 33
4.1. Ökonomische Würdigung ...................................................................................................... 33
4.2. Alternative Lösungsansätze ................................................................................................... 34
5. Energie ........................................................................................................................................... 36
5.1. Ökostromgesetz .................................................................................................................... 36
5.1.1.
Ökonomische Würdigung .............................................................................................. 36
5.1.2.
Alternative Lösungsansätze ........................................................................................... 40
5.2. Biosprit und Wärmedämmung .............................................................................................. 42
5.2.1.
Biosprit: Ökonomische Würdigung ............................................................................... 42
5.2.2.
Biosprit: Alternative Lösungsansätze ............................................................................ 43
5.2.3.
Wärmedämmung: Ökonomische Würdigung ............................................................... 44
5.2.4.
Wärmedämmung: Alternative Lösungsansätze ............................................................ 45
6. Familienpolitik: Geld- versus Sachleistungen ................................................................................ 47
6.1. Ökonomische Würdigung ...................................................................................................... 48
7. Zusammenfassung ......................................................................................................................... 50
8. Literatur und Quellen .................................................................................................................... 54
8.1. Literatur ................................................................................................................................. 54
8.2. Internetquellen...................................................................................................................... 55
1
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Wirkungen von Geld- und Sachleistungen ............................................................... 48
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Zusammenfassung Regulierungen Finanzmarkt ........................................................... 24
Tabelle 2: Zusammenfassung Regulierungen Handel.................................................................... 32
Tabelle 3: Zusammenfassung Regulierungen Sicherheit in Mobilität ........................................... 35
Tabelle 4: Zusammenfassung Regulierungen Sektor Energie........................................................ 46
Tabelle 5: Zusammenfassung Regulierungen Familienpolitik ....................................................... 50
Tabelle 6: Zusammenfassung der Ergebnisse ................................................................................ 52
2
Einleitung und Überblick
1. Einleitung und Überblick
„Die zunehmende Regelungswut und
Bürokratie in unserem Land ist
inzwischen freiheitsgefährdend. Sie
Der Mensch, der bereit ist, seine Freiheit
erstickt Initiative und Innovation. Unser
aufzugeben, um Sicherheit zu gewinnen,
Land ist rechtlich verregelt, verriegelt,
wird beides verlieren. (Benjamin Franklin)
verreguliert. Dagegen helfen nach
meiner
Erfahrung
keine
Einzelmaßnahmen mehr, sondern nur ein radikales Zurückschneiden überflüssiger Normen
und überständiger Bürokratien.“ Diese Aussage stammt aus der in Augsburg im Rahmen der
Debattenreihe „Rede zur Freiheit“ der Friedrich-Naumann-Stiftung vom ehemaligen
deutschen Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit und NRW-Ministerpräsidenten
Wolfgang Clement (2011) gehaltenen Rede „Plädoyer für eine Freiheit, die der Zukunft
verpflichtet ist“. Auch wenn sich seine Aussage auf Deutschland bezieht, trifft der Kern der
Aussage wohl auch auf andere europäische Länder und damit auch Österreich zu.
Bereits im Jahr 2005 konstatierte der Vorsitzende der Monopolkommission in
Deutschland, Jürgen Basedow, anlässlich der XII. Internationalen Kartellkonferenz in Bonn
einen sinkenden Glauben an die Überlegenheit des marktwirtschaftlichen Prozesses unter
führenden europäischen Politikern: „Die politische Strahlkraft der Wettbewerbspolitik war
über Jahrzehnte hinweg groß. Die europäischen Politiker scheinen inzwischen aber andere
Wege zu gehen. Der Glaube an die Überlegenheit des marktwirtschaftlichen Prozesses sinkt;
die Furcht vor den Folgen der Globalisierung nimmt zu, damit auch die Bereitschaft, in
marktwirtschaftliche Prozesse zu Gunsten einzelner Unternehmen oder einzelner Branchen
einzugreifen. Der konzertierte Versuch von Premierminister Blair, Staatspräsident Chirac und
Bundeskanzler Schröder, in der Europäischen Kommission einen Kommissar für
Industriepolitik unter Einschluss der Wettbewerbspolitik einzusetzen, spricht insofern eine
deutliche Sprache“ (Basedow, 2005).
In vielen Wirtschaftsbereichen sind Regulierungen und staatliche Eingriffe seit vielen
Jahren bzw. Jahrzehnten Bestandteil der österreichischen wirtschaftspolitischen Realität.
Dabei wird oftmals versucht, mittels zusätzlicher staatlicher Eingriffe Bereiche, die bereits
reguliert sind oder in denen es bereits Eingriffe gibt, weiter oder schärfer zu regulieren.
Vor diesem Hintergrund werden im Zuge der vorliegenden Arbeit zunächst staatliche
Eingriffe in den Finanzmarkt ausführlich diskutiert. Denn vor allem seit der durch den
Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers vor mittlerweile knapp mehr als drei
Jahren ausgelösten Finanz- und Wirtschaftskrise finden weltweit zum Teil heftige Debatten
rund um Regulierungsmaßnahmen der Finanzmärkte statt. Obwohl – wie die vorliegende
Arbeit zeigen wird – einzelne Eingriffe mittlerweile umgesetzt sind, entsteht der Eindruck,
dass hier diskretionäre Eingriffe an der Tagesordnung stehen und grundlegende
3
Einleitung und Überblick
Regulierungen vor allem hinsichtlich der Rahmenbedingungen für die Finanzmärkte –
zumindest zum heutigen Zeitpunkt – vorwiegend in akademischen Kreisen diskutiert
werden. Die Realität spielt sich diesbezüglich im Spannungsfeld zwischen nationaler Politik
auf der einen und den Akteuren der Finanzmärkte auf der anderen Seite ab, wie dies
beispielsweise an der heftig diskutierten Finanztransaktionssteuer offensichtlich wird.
Doch auch auf den Gütermärkten, im Handel, den Energiemärkten und in der staatlichen
Transferpolitik scheinen staatliche Eingriffe zuzunehmen. Aus aktuellem Anlass sei hier die
zurzeit sowohl auf EU-Ebene als auch in den Nationalstaaten geführte Diskussion rund um
die Einführung eines verpflichtenden Notrufsenders für Kraftfahrzeuge (eCall-System) ab
2015 angeführt. Unter dem Argument der Sicherheit bei Kraftfahrzeugen werden in
regelmäßigen Abständen immer weitere Vorschriften erlassen – die Gurtenpflicht,
verpflichtende Airbag- und ESP-Systeme, verpflichtendes Fahren mit Licht auch am Tag1,
Winterreifenpflicht, das Mitführen von Apotheken über Pannendreiecke bis hin zu
Warnwesten sowie das angeführte eCall-System sind nur einige Beispiele, wie hier im Laufe
der Zeit neue und zusätzliche Vorschriften erlassen wurden.
Neben zusätzlichen staatlichen Eingriffen in bereits regulierte Bereiche greifen staatliche
Instanzen aber auch in Bereiche ein, in denen bisher keine bzw. kaum Regulierungen oder
Vorschriften zu finden waren. Als Beispiele dafür seien an dieser Stelle die
Fahrradhelmpflicht für Kinder (bis 12 Jahre), die im Zuge der 23. Novelle zur
Straßenverkehrsordnung mit 01.06.2011 in Österreich in Kraft getreten ist, oder auch die
Schihelmpflicht, die – für Nicht-Österreicher wohl kaum nachvollziehbar – von Bundesland
zu Bundesland unterschiedlich geregelt ist, angeführt.
Die Argumente, die für staatliche Eingriffe genannt werden, spannen dabei einen weiten
Bogen. Von erhöhter Sicherheit für Konsumenten über Beseitigung von – tatsächlichen oder
vermeintlichen – Verteilungsungerechtigkeiten im herrschenden System, erhöhter
Systemsicherheit im Allgemeinen, Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Arbeitsplatzsicherung,
Innovationsförderung, Wettbewerbsförderung bis hin zur Beseitigung von Marktversagen
reicht hier die Palette der Argumente und Rechtfertigungen.
Im Zuge dieser Arbeit soll bei der Analyse jeder einzelnen Maßnahme auch darauf
Bedacht genommen werden, wie diese Maßnahme motiviert wird bzw. ob diese Maßnahme
auch ökonomisch begründet werden kann. Denn rechtfertigen lassen sich letztendlich alle
Maßnahmen – die entscheidende Frage ist allerdings, ob mit dieser Maßnahme in einer
offenen, liberalen Gesellschaft die Souveränität der Individuen unverhältnismäßig
beschnitten wird und von ihr letztendlich negative Wirkungen auf das marktwirtschaftliche
System insgesamt ausgehen.
1
Vom 15.11.2005 bis 31.12.2007 mussten in Österreich alle Kraftfahrzeuge auch bei Tag mit Licht fahren –
sowohl auf Freilandstraßen als auch im Ortsgebiet. Seit 2008 müssen mehrspurige Kraftfahrzeuge bei Tag und
guter Sicht nicht mehr mit Licht fahren. Die Regelungen hinsichtlich des Fahrens mit Licht bei Tag in den
einzelnen europäischen Staaten reichen von Verpflichtungen bis hin zu Empfehlungen (WKO, 2008).
4
Einleitung und Überblick
Die vorliegende Arbeit untersucht anhand exemplarischer Staatseingriffe, ob sich unser
Wirtschaftssystem durch diese staatlichen Eingriffe von marktwirtschaftlichen Grundsätzen
entfernt. Darüber hinaus wird analysiert, ob und wie diese Maßnahmen ökonomisch
begründet werden können, ob es gegebenenfalls alternative, marktbasierte Lösungsansätze
gibt bzw. ob Staatseingriffe für den untersuchten Fall überhaupt notwendig sind.
Die Arbeit ist dabei wie folgt aufgebaut. In den Abschnitten 2 bis 6 werden
Regulierungsmaßnahmen in ausgewählten Bereichen – von den Finanzmärkten (Abschnitt 2)
über Gütermärkte und den Handel (Abschnitt 3), über Sicherheit in der Mobilität (Abschnitt
4) bis hin zum Sektor Energie (Abschnitt 5) und zur Diskussion um Geld- versus
Sachleistungen in der Familienpolitik (Abschnitt 6) – einzeln diskutiert, aus ökonomischer
Sicht einer kritischen Würdigung unterzogen und gegebenenfalls Alternativen aufgezeigt.
Abschnitt 7 fasst die Ergebnisse abschließend in kompakter Form zusammen.
5
Finanzmärkte
2. Finanzmärkte
„Ein funktionierender Kapitalmarkt […] ist für einen modernen Industrie- und
Wirtschaftsstandort unverzichtbar“, schreibt das Zentrum für Soziale Marktwirtschaft
(2011)2 auf seiner Homepage und bringt damit zum Ausdruck, was bereits seit geraumer Zeit
Erkenntnisstand in der ökonomischen Theorie ist. Es ist dies die Einsicht, dass ein
funktionierender Kapitalmarkt, wenn nicht hinreichende dann zumindest notwendige
Voraussetzung für das Funktionieren einer modernen Volkswirtschaft ist. In anderen Worten
besteht eine gewisse Komplementarität zwischen den Finanz- und Kapitalmärkten auf der
einen und der Realwirtschaft auf der anderen Seite.
Gleichzeitig wurde bis vor kurzem jedoch auch die Ansicht vertreten, dass Finanzmärkte
dem theoretischen Referenzmodell eines „perfekten Marktes“ besonders nahe kommen.
Nicht zuletzt auf Grund der enormen Zahl an Marktteilnehmern wären, so die herrschende
Meinung, Finanzmärkte im besonderen Maße in der Lage, sämtliche preisrelevante
Informationen effizient zu verarbeiten. Eine wichtige Funktion der Preise, nämlich jene,
Informationen über die Qualität der gehandelten Produkte korrekt abzubilden, schien
demzufolge im höchsten Maße gewährleistet.
Diese Sichtweise hatte weitreichende Auswirkungen auf Regulierungsbestrebungen
staatlicher Institutionen bzw. auf deren Absenz. Auf Grund der Effizienz der Finanzmärkte
sowie der teilweise mangelnden Informationen der Regulierungsbehörden
(Aufsichtsbehörden wie beispielsweise die Finanzmarktaufsicht (FMA) in Österreich), so der
Schluss, war von verzerrenden Eingriffen und den damit verbundenen negativen Effekten auf
die Finanz- und damit auch auf die Realwirtschaft Abstand zu nehmen. Der Grad der
Regulierung wurde konsequenter Weise für zumindest als ausreichend befunden. Getragen
durch dieses Paradigma kam es in den letzten zwei, drei Jahrzehnten zu – nicht
ausschließlich, aber zumindest auch ideologisch begründeten – Deregulierungen auf den
Finanzmärkten
(Devisenvorschriften,
Kapitalverkehrskontrollen,
Wechselkursbeschränkungen etc.), so dass die Finanzmärkte heute zu den am wenigsten
regulierten und global am tiefsten integrierten Märkte gezählt werden können.
Nicht zuletzt ausgelöst durch den Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers
im September 2008 sowie weiteren Erschütterungen auf den Finanzmärkten begann sich in
den letzten Jahren jedoch die Ansicht durchzusetzen, dass deregulierte Finanzmärkte auch
stark negative Effekte auf die Realwirtschaft haben können bzw. dass das Verhältnis von
Real- und Finanzmärkten in Schieflage geraten ist. Im Zuge dessen wird nun quer über alle
ideologischen Lager und über nationale Grenzen hinweg über die Rolle von Finanzmärkten
im Allgemeinen sowie deren Regulierung im Speziellen diskutiert. Im Zentrum der Diskussion
2
Helmenstein hält ähnlich fest: „Ein gut ausgebauter Kapitalmarkt ist ein essentieller Bestandteil moderner und
erfolgreicher Volkswirtschaften. Insbesondere sind der Entwicklungsgrad des Finanzsystems und die Höhe des
Wirtschaftswachstums eng miteinander verbunden. Dabei kommt Eigenkapitalmärkten wiederum eine
besondere Stellung zu, da sie im Gegensatz zu klassischen Kanälen der Fremdfinanzierung eine höhere
Risikotransformationsfähigkeit aufweisen“ (Helmenstein, 2011).
6
Finanzmärkte
steht dabei immer wieder die Frage, wie etwaige negative Auswirkungen der Finanzmärkte
auf die Realwirtschaft – in Form eines rückläufigen bzw. negativen Wirtschaftswachstums
oder in Form stark ansteigender Staatsverschuldung – vermieden werden können.
Seitens der Autoren der vorliegenden Arbeit besteht jedoch der Eindruck, dass auch die
jüngsten Ereignisse nicht zum Anlass genommen werden, die Strukturen tiefgreifend zu
überdenken, eine Verbesserung der ordnungspolitischen Rahmenbedingungen zu versuchen
und somit ein konsistentes Regelwerk und letztendlich im Sinne der Realwirtschaft
funktionsfähige Kapitalmärkte aufzubauen. Stattdessen findet die Diskussion um verschärfte
Regulierungen auf Nebenschauplätzen statt. Sie ist gekennzeichnet von Überlegungen hin zu
fallbezogenen (diskretionären) Eingriffen, ohne dass dabei die Fundamente des Systems
analysiert und diese gegebenenfalls überarbeitet werden. Als Beispiele für derartige
diskretionäre Eingriffe seien dazu in weiterer Folge die Förderung privater Altersvorsorge
sowie die in der jüngeren Vergangenheit vieldiskutierten Einschränkungen bzw. Verbote bei
Leerverkäufen, dem Hochfrequenzhandel und Fremdwährungskrediten besprochen.
2.1.
Förderung der privaten Altersvorsorge
Seit einigen Jahren bzw. wenigen Jahrzehnten wird die Sicherheit und Höhe zukünftiger
staatlicher Pensionen auch in Österreich zusehends intensiver diskutiert, wobei der
Grundtenor derartiger Debatten lautet, dass die staatlichen Pensionen in der jetzigen Höhe
nicht mehr finanzierbar seien. Begleitet werden diese Debatten mit der damit vermeintlich
zusammenhängenden stärker werdenden Notwendigkeit privater Altersvorsorge. Vor
diesem Hintergrund sind letztendlich staatlich geförderte Vorsorgeinstrumente entwickelt
worden, die diese so genannte zweite Säule der Altersvorsorge abdecken soll.3
In Österreich gibt es mittlerweile ein breites Spektrum an privaten Vorsorgeprodukten
bzw. -möglichkeiten, die staatlich gefördert werden. Abseits des Bausparens, einem der
beliebtesten geförderten Sparprodukte der Österreicherinnen, sind seitens des Staates in
jüngerer Vergangenheit verstärkt Anstrengungen unternommen worden, gezielt die private
Altersvorsorge zu fördern. Zu den ersten geförderten Produkten in diesem Marktsegment
zählten die mit 01.01.2000 eingeführten Pensionsinvestmentfonds (PIF). Dieses für die
private Pensionsvorsorge konzipierte Produkt war mit speziellen Anlagevorschriften, einer
staatlichen Prämie und steuerlichen Vorteilen verbunden. Allerdings wurden die PIFs
mangels Nachfrage nach nur kurzer Zeit eingestellt und mit 01.01.2006 in reguläre
Investmentfonds umgewandelt. Neben den hier beschriebenen PIFs wurden zu dieser Zeit
Beiträge zu einer Pensionszusatzversicherung, einer Pensionskasse und für die freiwillige
Höherversicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung staatlich gefördert.
3
Das Vorsorgesystem wird mit folgenden drei Säulen charakterisiert: Die erste Säule stellt die staatliche
Pension dar, die zweite Säule die private (staatlich geförderte) Vorsorge und die dritte Säule die betriebliche
Vorsorge.
7
Finanzmärkte
Im Jahr 2003 wurde – als Nachfolgeprodukt der PIFs – die staatlich geförderte
Zukunftsvorsorge eingeführt, die es seitdem als Versicherungs- oder als Fondskonstruktion
gibt. Auch hier kommen die Kunden unter klar geregelten Voraussetzungen in den Genuss
einer staatlichen Prämie sowie eines steuerlichen Vorteils. Die Anlagevorschriften sind bei
diesen Produkten streng reguliert, wobei neben von den Emittenten zu gewährenden
Kapitalgarantien der in den letzten Jahren aufgrund der massiven Kurseinbrüche an den
Börsen viel diskutierte Mindestanteil an Aktien am Portfolio-Mix gesetzlich geregelt ist.
2.1.1. Ökonomische Würdigung
Ökonomen begründen ein verpflichtendes staatliches Pensionssystem mit der fehlenden
Weitsichtigkeit der Individuen. Da Individuen kurzfristig denken und die Zeit nicht richtig
diskontieren, die daraus resultierenden Auswirkungen wie mangelhafte finanzielle Vorsorge
im Alter jedoch letztendlich der Staat zu tragen hat, sehen es moderne Volkswirtschaften als
ein wesentliches wirtschaftspolitisches Ziel an, ein staatliches öffentliches Pensionssystem
mit verpflichtendem Beitragszahlungscharakter zur Verfügung zu stellen.
− Öffentliche versus private Altersvorsorge
Diskussionswürdig erscheint hierbei zunächst die Frage, ob der Staat das öffentliche
Pensionssystem hinsichtlich der Höhe der Pensionen und dem Pensionsantrittsalter
derart gestalten bzw. adaptieren sollte, dass auch zukünftig Pensionen aus dem
staatlichen Pensionssystem gesichert sind. Die Alternative dazu ist, ergänzend zur
staatlichen Pension private Vorsorge mittels Regulierungen und Vorschriften zu fördern.
Letztendlich läuft diese Diskussion auf die gesellschaftspolitische Frage hinaus, ob ein
staatliches Pensionssystem auf Basis demokratisch legitimierter Entscheidungen
gestaltet oder ob es – zumindest teilweise – Marktmechanismen überantwortet werden
soll.4
Sofern ergänzend private Altersvorsorge gefördert wird, sollte aus Sicht der
Studienautoren dabei im Sinne der Souveränität der Konsumenten jedoch nicht
spezifisch festgelegt werden, welche Produkte unter welchen Umständen
förderungswürdig sind. Vielmehr sollte den Konsumenten die Wahlfreiheit hinsichtlich
der Produkte, für die sie sich entscheiden wollen, bleiben. Ob die Förderung dabei über
direkte Zuschüsse des Staates oder in Form einer Reduktion der Lohn- oder
Einkommenssteuerbemessungsgrundlage – also einer steuerlichen Absetzmöglichkeit –
ausgestaltet werden soll, kann diskutiert werden.5 Jedenfalls sollte sie unabhängig vom
gewählten Produkt sein.
Unabhängig von der Grundsatzentscheidung über öffentliche versus private Pensionen
ist die staatliche Förderung der privaten Altersvorsorge, wie sie in Österreich derzeit
ausgestaltet ist, aus folgenden Gründen kritisch zu hinterfragen.
4
Die – in Österreich seit Jahren immer wieder aufflackernde – Diskussion, das Umlageverfahren im staatlichen
Pensionssystem durch ein Kapitaldeckungsverfahren zumindest zu ergänzen, geht in eine ähnliche Richtung.
5
Das WIFO kommt in einer Studie zum Schluss, dass direkte Zuschüsse des Staates sinnvoller als steuerliche
Absetzmöglichkeiten seien (Der Standard, 2011).
8
Finanzmärkte
− Bevorzugung einzelner Industrien
Aus ökonomischer Sicht gibt es prinzipiell viele Möglichkeiten, Kriterien für die Auswahl
bestimmter förderungswürdiger Vorsorgeprodukte zu bestimmen. Die derzeitige
Regelung in Österreich scheint jedoch sehr stark der Bank- und Versicherungswirtschaft
zugute zu kommen, deren Produkte staatlich gefördert werden und ihnen ob der
Förderung eine starke Nachfrage sichern. An dieser Stelle sei an die Aussagen Basedows
(2005) in der Einleitung der vorliegenden Arbeit erinnert, dass „… die Bereitschaft, in
marktwirtschaftliche Prozesse zu Gunsten einzelner Unternehmen oder einzelner
Branchen einzugreifen, zunimmt“. Aus ökonomischer Sicht ist hier ein
wohlfahrtsschädliches Rent-Seeking zu konstatieren, indem Vertreter der
österreichischen Versicherungs- und Bankenwirtschaft primär versuchen, gesetzliche
Regelungen zu ihren Gunsten durchzusetzen.
Kritisch ist in diesem Zusammenhang auch die Marktkonzentration zu sehen. So entfallen
ca. 2/3 aller Abschlüsse im Versicherungsbereich auf lediglich fünf Anbieter, allein drei
Anbieter weisen hier einen Marktanteil von über 50% auf (FMA, 2011a).6
− Förderung des Finanzplatzes Wien
Darüber hinaus ist zu diskutieren, ob durch die Förderung der privaten Altersvorsorge
bewusst der österreichische Kapitalmarkt gefördert werden soll. Auch wenn die
ursprüngliche Regelung des verpflichtend vorgeschriebenen Aktienanteils auf dem
österreichischen Kapitalmarkt dahingehend geändert wurde, dass neben Wien nun auch
andere geringkapitalisierte Börseplätze zur Auswahl stehen7, widerspricht diese
Regelung nicht nur dem Prinzip der Wahlfreiheit der Konsumentin bzw. des Emittenten
des Vorsorgeproduktes, sondern auch der Idee des freien Wettbewerbs. Der Einfluss des
Wiener Finanzplatzes auf die Politik ist bei einer derartigen Regelung nur allzu
offensichtlich.
− Auswahl förderungswürdiger Produkte
Ökonomisch schwer zu begründen ist nicht zuletzt die Tatsache, dass private
Altersvorsorge in ausgewählte Versicherungs- und Fondsprodukte gefördert wird,
während andere Vermögensarten bzw. Produkte – wie Gold (oder andere Edelmetalle),
Immobilien, Devisen, Anleihen, Aktien oder Unternehmensbeteiligungen –
ausgenommen sind bzw. nicht gefördert werden. Selbst innerhalb der geförderten
6
Ende 2010 boten insgesamt 22 Versicherungsunternehmen und fünf Kapitalanlagegesellschaften
Prämienbegünstigte Zukunftsvorsorgeprodukte an (FMA, 2011a).
7
„Die Zukunftsvorsorge soll nicht nur die private Altersvorsorge sondern auch den österreichischen
Kapitalmarkt fördern. Im Unterschied zur bisherigen prämienbegünstigten Pensionsvorsorge müssen 40% des
veranlagten Kapitals in Aktien eines EWR-Landes, das eine Börsenkapitalisierung hat, die 30% des
Bruttoinlandsproduktes nicht übersteigt, veranlagt werden. Mit dem Budgetbegleitgesetz 2007
(BGBl. I Nr. 24/2007) wurde der Prozentsatz von 30% auf 40% angehoben. Diese Bestimmung führt
insbesondere zu Veranlagungen an der Wiener Börse aber auch zu Veranlagungen an den Börsen der neuen
Mitgliedstaaten. […] Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2009 wurde die Aktienquote auf 30% gesenkt und bei
Neuabschlüssen wird die Aktienquote in Abhängigkeit vom Lebensalter der/des Vertragsinhaberin/s in zwei
Schritten verringert (Lebenszyklusmodell)“ (BMF, 2011).
9
Finanzmärkte
Produkte können Konsumenten die Veranlagungsklassen nicht frei wählen, sondern
müssen auf die in Österreich verfügbare Produktpalette der Emittenten zurückgreifen.
Und zu guter Letzt kann das Risikoprofil aufgrund der gesetzlichen Regelung
(verpflichtender Mindestanteil an Aktien) nur in gewissen Bandbreiten ausgewählt
werden.
Die Studienautoren halten die Regelungen bezüglich der privaten Altersvorsorge für
wenig marktwirtschaftlich. Wenn man sich aus welchen Gründen seitens des Staates
entscheidet, private Altersvorsorge zu fördern, so sollte dies möglichst breit und
produktunabhängig geschehen und dabei die Souveränität der Konsumentinnen hinsichtlich
der Auswahl ihrer Vorsorge möglichst nicht beeinträchtigen.
2.2.
Leerverkäufe und Hochfrequenzhandel
Leerverkäufe, die – vermeintlich – als eine wesentliche Ursache für stark fallende Kurse
an Aktienmärkten angesehen werden, sind mittlerweile in einigen EU-Ländern8 gesetzlich
verboten, nachdem ein Verbot unmittelbar nach dem Zusammenbruch der Investmentbank
Lehman Brothers für kurze Zeit beinahe flächendeckend in Kraft war. Ob diese Maßnahme
ob der relativ einfachen Umgehungsmöglichkeiten durch Ausweichen auf andere
Finanzplätze oder durch die Innovation ähnlicher Produkte nur die Hilflosigkeit der
staatlichen Instanzen widerspiegelt, wie dies Ökonomen9 immer wieder anführen, sei
dahingestellt. Werden diese Verbote im Detail untersucht, so zeigt sich jedoch ihr
diskretionärer Charakter, da diese auf ganz spezielle Situationen in den einzelnen Staaten,
aber nicht global – auf die Rahmenbedingungen – Bezug nehmen. So ist in Österreich – für
andere Länder ließen sich ähnliche Beispiele finden – seit Herbst 2008 zwar der ungedeckte
Leerverkauf verboten, allerdings beschränkt sich dieses Verbot zum Einen auf die Finanztitel
der Erste Group, Raiffeisen International, Vienna Insurance Group sowie UNIQA und zum
Anderen ist das Verbot jeweils für sechs Monate befristet – und wurde bis dato immer
wieder verlängert.10
Ein weiteres Beispiel für diskretionäre Eingriffe in das Finanzsystem sind die zurzeit
diskutierten und mit hoher Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft in Kraft tretenden
Einschränkungen bei automatischen Handelssystemen (auch unter den Begriffen ComputerHandel, Hochfrequenzhandel, HFT – high frequency trading oder Algo-Trading bekannt).
Diese Systeme werden aufgrund ihrer automatischen Funktionsweise, die innerhalb von
Sekundenbruchteilen Handelsaufträge aufgrund eines Algorithmus geben können, für starke
Schwankungen auf den Finanzmärkten (mit)verantwortlich gemacht. Basierend auf
entsprechenden Algorithmen werden dabei Wertpapiere meist innerhalb extrem kurzer Zeit
gekauft und gleich wieder verkauft und vice versa. Regulierungsbehörden auf EU-Ebene aber
8
So sind Leerverkäufe in Frankreich, Italien, Spanien und Belgien zum Zeitpunkt der Erstellung der Arbeit
zumindest teilweise verboten. Ebenso sind in Athen – zunächst befristet – Leerverkäufe verboten.
9
Diese Überzeugung äußerste zuletzt beispielweise James Angel von der Georgetown University in
Washington, welcher auf Regulierungen spezialisiert ist (Angel, 2011).
10
Die aktuell gültige Verordnung läuft bis zum 30.11.2011 (FMA, 2011).
10
Finanzmärkte
auch in den USA fordern, dass die mit diesen Systemen arbeitenden Handelsfirmen Details
über deren Strategien bekannt geben müssen. Einige Verantwortliche gehen in diesem
Zusammenhang sogar soweit, eine Mindesthaltedauer für Wertpapiere zu fordern.11
2.2.1. Ökonomische Würdigung
Insbesondere die hier beschriebenen Regelungen wie das teilweise bereits umgesetzte
Leerverkaufsverbot bzw. die laufenden Diskussionen um die Einschränkung des
vollautomatischen Computerhandels deuten, wie bereits zu Beginn des Kapitels erwähnt,
darauf hin, dass kurzfristig implementierte diskretionäre Regelungen langfristig notwendigen
Reformen vorgezogen werden. Derartige kurzfristige Maßnahmen dürften jedoch
letztendlich nur bedingt wirksam sein und die Notwendigkeit immer weiterer Eingriffe nach
sich ziehen. Aus Sicht der Studienautoren wäre es daher ratsam, diskretionäre Eingriffe wie
die hier beschriebenen so weit wie möglich zu vermeiden und stattdessen ordnungspolitisch
starke Rahmenbedingungen zu schaffen. Die dafür notwendigen Änderungen werden weiter
unten in Abschnitt 2.4 skizziert. Neben einer Verschärfung des Haftungsrechts sowie der
Förderung von Wettbewerb zählen dabei die Vermeidung von marktbeherrschenden
Stellungen sowie die Einführung einer Finanztransaktionssteuer zu den zentralen
Maßnahmen.
EXKURS: Neue Politische Ökonomie
Während die klassische Ökonomie politische Entscheidungen in den exogenen
Datenkranz verbannte und sich diese daher einer ökonomischen Untersuchung
entzogen, versucht die Neue Politische Ökonomie, politische Handlungen anhand der
ökonomischen Methodik und ihrem entsprechenden Instrumentarium zu analysieren.
Analog zur Annahme, dass Individuen (Haushalte) ihren Nutzen und Unternehmen ihren
Gewinn maximieren, wird unterstellt, dass Politiker die Anzahl an Stimmen bzw.
Bürokraten ihre Macht versuchen zu maximieren. Damit können gerade die
Finanzmärkte ökonomisch insofern besser analysiert werden, da hier die neoklassische
Theorie allein zu kurz greift. Dies wird etwa anhand der Diskussion über die
Finanztransaktionssteuer offensichtlich. Während Politiker im Einsatz für eine derartige
Steuer noch vor wenigen Jahren keinen Nutzen (Wiederwahl) sahen, hat sich das Umfeld
in jüngster Vergangenheit stark gewandelt und der Einsatz für eine
Finanztransaktionssteuer scheint nun auch für Politiker zu deren Vorteil zu sein. Damit
kann der vermeintliche Gesinnungswandel der Politiker in den letzten Jahren aus politökonomischer Sicht erklärt werden.
Nicht abstrahiert werden darf gerade auch in der Diskussion um die Regulierung der
Finanzmärkte
von
Lobbyingaktivitäten
der
Marktakteure
oder
ihrer
Interessensvertretungen. Denn dass gerade auch Finanzunternehmen massiv Einfluss
auf politische Entscheidungsträger zu nehmen versuchen, kann nicht in Abrede gestellt
11
So beispielsweise der CDU-Europaabgeordnete Werner Langen am Dienstag, 06.09.2011 (Handelsblatt,
2011).
11
Finanzmärkte
werden. Derartiges manifestiert sich zum Beispiel daran, dass an der Konzeption für das
Rettungspaket der deutschen Bundesregierung anlässlich der aktuellen Finanz- und
Wirtschaftskrise neben Kanzleramt und Finanzministerium auch Bundesbankpräsident
Axel Weber, Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, Commerzbank-Chef Martin Blessing
und Bankenpräsident Klaus-Peter Müller mitarbeiteten (Spiegel, 2008). Eine Vielzahl an
wechselseitigen Abhängigkeiten und personellen Verflechtungen zwischen
Finanzindustrie und Politik sind leicht zu finden. Ein Blick auf die Lobbyingausgaben der
Finanzbranche zeigt ebenfalls, dass hier Politik nicht unbeeinflusst von den
Unternehmen betrieben wird. Da es in Österreich zum Zeitpunkt der Erstellung der
Studie keine verpflichtenden Transparenzregeln für Lobbyisten gibt, sind keine Zahlen
verfügbar, wie hoch die Lobbyingausgaben der Finanzbranche sind. Allerdings zeigt ein
Blick in die USA, dass sich die Lobbyingausgaben dieser Branche allein in den Jahren
2000 bis 2010 auf $ 475 Mio. mehr als verdoppelt haben (Opensecrets, 2011) und hier
massiv (direkt messbar) Einfluss auf die Politik genommen wird. Dies darf eine
ökonomische Analyse nicht außer Acht lassen.
2.3.
Verbot von Fremdwährungskrediten
Im Zuge der Aufwertung des Schweizer Franken12 ist das Thema der
Fremdwährungskredite in Österreich wieder in sämtlichen Medien des Landes diskutiert
worden. Fremdwährungskredite erfreuten sich seit den 1990er-Jahren – ausgehend von
Vorarlberger Grenzgängern in die Schweiz – in Österreich großer Beliebtheit. Zum Zeitpunkt
der Erstellung der vorliegenden Arbeit ist die Vergabe von Fremdwährungskrediten in
Österreich im Privatkundenbereich de facto verboten bzw. nur mehr unter strengen
Bedingungen zulässig. Die Entwicklung und Verbreitung dieser Finanzierungsform ist
geradezu ein Paradebeispiel dafür, wie sich anfangs vermeintlich innovative Produkte im
Laufe der Zeit als mit großen Nachteilen oder Risiken behaftet herausstellen. Ob es sich
dabei um die in Österreich beliebten Fremdwährungskredite oder die im Zuge der
Finanzkrise heftig kritisierten Credit Default Swaps handelt, ist letztendlich zweitrangig.13
Derartige Entwicklungen zeigen jedenfalls auf, dass mit diskretionären Eingriffen, die in den
meisten Fällen ohnehin erst im Nachhinein bei bereits eingetretenen Schäden vorgenommen
werden, nicht ein nachhaltiges Regulierungssystem geschaffen werden kann und es daher
entsprechend alternativer Lösungsansätze bedarf.
Fremdwährungsfinanzierungen waren in den allermeisten Fällen endfällig gestellte
Kredite, deren Rückzahlung ein so genannter Tilgungsträger (Fondsprodukt,
Versicherungsprodukt) zum Laufzeitende sicherstellen sollte. Scheinbar bzw. vermeintlich
attraktiv waren diese Finanzierungsformen im Wesentlichen aufgrund zweier Tatsachen:
12
Die Schweizerische Nationalbank hat aufgrund der Aufwertung des Schweizer Franken in der Vergangenheit
am 06.09.2011 entschieden, den Wechselkurs des Schweizer Franken zum EURO anzuheben (den Schweizer
Franken relativ zum EURO zu schwächen) bzw. einen Mindestkurs von 1,20 Franken pro EURO durchzusetzen
(SNB, 2011).
13
Die interessierte Leserin sei in diesem Zusammenhang an eine Aussage Warren Buffets Aussage erinnert, der
den Derivatehandel mit Massenvernichtungswaffen verglichen hat.
12
Finanzmärkte
Zum Einen lag das Zinsniveau (des Schweizer Franken und des Japanischen YEN) unter dem
des EURO, was geringere Zinsaufwändungen während der Laufzeit des Kredites bedeutete.
Zum Anderen wurden die Erträge der Tilgungsträger in den überwiegenden Fällen in einer
Höhe (nicht selten mit einer jährlichen erwarteten Rendite von 5% und mehr) angesetzt, die
die Rückzahlungshöhe (in Form einer monatlichen Sparleistung für den Tilgungsträger)
entsprechend gering und daher vermeintlich attraktiv erscheinen ließen. Auf den Punkt
gebracht: Viele beteiligte Akteure glaubten an den sich selbst tilgenden Kredit – geringere
Kapitalkosten (Zinsen) auf der einen Seite und gleichzeitig höhere Kapitalerträge
(Tilgungsträger) auf der anderen Seite. Was war passiert, dass diese Art der Finanzierung in
Österreich14 einen derartigen Boom erlebte und das Entsetzen über den tatsächlichen
„Misserfolg“ zur Zeit von den Kunden zwar erahnt, das wahre Ausmaß aber wohl erst zum
Ablauf der Kredite15 zu Kenntnis genommen werden wird?
Für die oben beschriebene Entwicklung können folgende ökonomischen Ursachen
genannt werden.
− Anreize auf Seiten der Finanzunternehmen
Da Finanzunternehmen bei Fremdwährungskrediten im Wesentlichen an der Provision
des Tilgungsträgers verdienen, bestanden hier entsprechende Anreize, derartige
Kreditformen zu verkaufen. Denn so handeln die Akteure im Falle eines Verkaufs eines
Fremdwährungskredites nur rational, wenn die Erträge aus einem Verkauf eines
Fremdwährungskredites über jenen eines konventionellen Kredites liegen.
− Herdenverhalten der Akteure
Etwas überspitzt formuliert, wurde Mitte der 1990er-Jahre ein Kreditnehmer in
Österreich, der sich für eine traditionelle Euro-Finanzierung seiner Wohnung und gegen
eine Fremdwährungsfinanzierung entschied, belächelt und nicht selten als verschroben
konservativ abgestempelt – wie sonst ist es zu erklären, dass in der Hochblüte dieser
Finanzierungen Kundinnen ihre laufenden Bausparkredite in Fremdwährungskredite
umschuldeten? Über das Herdenverhalten der Akteure auf den Finanzmärkten gibt es
mittlerweile unzählige Untersuchungen. Hier spielen neben rationalen oftmals auch
psychologische Überlegungen eine zentrale Rolle bei den handelnden Personen.
− Fehlende Regulierungen
Auch wenn seit jüngster Vergangenheit die österreichischen Aufsichtsbehörden wie
Finanzmarktaufsicht (FMA) oder Österreichische Nationalbank (ÖNB) aber auch
14
Ca. 1/3 aller ausständigen Forderungen der privaten Haushalte lautet auf eine Fremdwährung, wobei der
Schweizer Franken daran einen Anteil von knapp 90% aufweist (ÖNB, 2011).
15
Zurzeit liegt der Fokus des Problems auf der Kreditseite und des durch die Aufwertung der
Verschuldungswährungen angestiegenen Kreditobligos. Die allerwenigsten Akteure werfen jedoch einen Blick
auf die Tilgungsträgerseite. Dort lauern aufgrund der in den überwiegenden Fällen tatsächlich wesentlich
geringeren – als bei Kreditabschluss erwarteten – Erträgen insofern Gefahren, als die Rückzahlung der Kredite
zum vereinbarten Laufzeitende nicht gewährleistet sein wird.
13
Finanzmärkte
Konsumentenschutzvereine und Arbeiterkammer immer wieder auf die Risiken dieser
Finanzierungen hinweisen und die FMA die Vergabe derselben mittlerweile de facto
verbietet, muss darauf hingewiesen werden, dass dies zu Beginn des
Fremdwährungsbooms nicht in derart massiver Form der Fall war. Denn wie sonst ist es
zu erklären, dass beinahe die Hälfte aller im Privatbereich vergebenen
Fremdwährungskredite Europas auf Österreichische Haushalte entfallen ist?16 Da andere
Staaten wie beispielsweise Deutschland, in denen es nur in äußerst geringem Ausmaß
Fremdwährungsfinanzierungen im Privatkundenbereich gab, ohne ein Verbot von
Fremdwährungskrediten auskommen, drängt sich für Österreich die Vermutung auf, dass
hier die Aufsichtsbehörden ihre damals vorhandenen Kontrollinstrumentarien nicht
ausreichend eingesetzt haben bzw. auf Bankenseite die Kontrollinstanzen nicht im
erforderlichen Ausmaß funktionierten. Die FMA in ihrer jetzigen Form hat ihre operative
Tätigkeit vor weniger als 10 Jahren, nämlich am 01.04.2002, aufgenommen. Und obwohl
diese Behörde kraft Gesetzes weisungsfrei ist, hat es in diesen 10 Jahren immer wieder
Diskussionen um politischen Einfluss auf die FMA gegeben – so beispielsweise im Jahr
2007, als Krainer die Aussage tätigte: „Bei der Neuausrichtung der Finanzmarktaufsicht
wird es aber nicht bei kleineren Korrekturen bleiben; vielmehr wird es grundlegende
Änderungen geben, die aus einer schwachen für politische Manipulation anfälligen
Kontrollbehörde eine effiziente, starke und vor allem dem politischen Einfluss entzogene
Finanzmarktaufsicht machen wird“ (Krainer, 2007). Auch eine Studie des Zentrums für
Soziale Marktwirtschaft vom Herbst 2009 stellt fest, dass „das Zentrum einer Reform des
Kapitalmarktes eine Neuorganisation samt Entpolitisierung der Finanzmarktaufsicht sein
müsse. […] die Etablierung einer adäquaten Aufsichts- und Kapitalmarktkultur ist
allerdings nicht bzw. nur in Ansätzen gelungen“ (Zentrum für Soziale Marktwirtschaft,
2009). Abschließend halten die Autoren der vorliegenden Arbeit fest, dass es
unabdingbar ist, dass Österreich mit der FMA eine starke und über jeden politischen
Einfluss erhabene Institution notwendiger denn je benötigt.17
2.3.1. Ökonomische Würdigung
Im Folgenden wird nun untersucht, ob ein Verbot von Fremdwährungskrediten aus
ökonomischer Sicht Alternativen los ist oder ob es nicht andere, marktkonformere Lösungen
gäbe. Anhand des Beispiels der Fremdwährungsfinanzierungen und ihres jetzigen de facto
16
In Ihrem Bericht der Fremdwährungsausleihungen des österreichischen Bankensektors im ersten Halbjahr
2006 schreibt die Österreichische Nationalbank: „Der österreichische Anteil bei CHF-Ausleihungen an Ansässige
im Euroraum – der bedeutendsten Kategorie der Fremdwährungskredite in Österreich – lag im Euroraum Ende
des zweiten Quartals 2006 bei beachtlichen 43,8%. Der Anteil Österreichs bei Krediten in allen Währungen im
Euroraum lag zum Vergleich dazu nur bei rund 3%“ (ÖNB, 2006).
17
Das Zentrum für Soziale Marktwirtschaft (2011) hält in den Leitprinzipien des Kapitalmarkts und
Kapitalmarktrechts unter anderem fest: „Die herausragende Bedeutung des Kapitalmarkts für die
Gesamtwirtschaft und die Notwendigkeit einer wirkungsvollen Vollziehung der bestehenden Regelungen
verlangen die Position der FMA zu stärken und als vollständig unabhängige und nur dem Interesse des
Kapitalmarkts und dem Schutz der Anleger verpflichtete Behörde ohne jeden partei- und interessenpolitischen
Einfluss sicherzustellen. Dazu ist die organisatorische Unabhängigkeit von Politik, Lobbyisten,
Interessensgruppen, Mediengeifer und Marktunterworfenen wie auch der Nationalbank her- und
sicherzustellen, zugleich mit einem respektvollen, auf gegenseitiger Achtung und grundsätzlichen Vertrauen
gebauten Verhältnis zu den Marktteilnehmern.“
14
Finanzmärkte
Verbots zeigt sich wiederum deutlich die Problematik von diskretionären Eingriffen wie ein
Verbot derartiger Produkte. Denn Verbote werden oftmals erst dann eingeführt, wenn der
Schaden bereits eingetreten ist oder gar – und dies scheint in diesem Fall nicht
denkunmöglich – wenn der Zeitpunkt dazu der schlechtest mögliche ist. Denn wie Aktien am
Tiefpunkt ihrer Kurse gekauft werden sollten, sollten Fremdwährungskredite am
Höchstpunkt der Wechselkurse (möglichst geringer Gegenwert des Euro-Betrages in
Fremdwährung) aufgenommen werden. Dies ist zum jetzigen Zeitpunkt zumindest beim
Schweizer Franken der Fall. Daran ist sehr klar ersichtlich, dass Verbote durchaus
diskussionswürdig erscheinen.
Aus ökonomischer Sicht ist ein Verbot der Vergabe von Fremdwährungskrediten daher
nicht notwendigerweise die unmittelbare Konsequenz aus der oben beschriebenen
Entwicklung
dieser
Produktkategorie.
In
einer
empirischen
Analyse
zu
Fremdwährungskrediten in Österreich hält Cocca (2010) Folgendes fest:
„Fremdwährungskredite stellen eine besondere Kreditform dar, welche gegenüber einem
Kredit in heimischer Währung erhöhte Risiken wie auch Chancen beinhaltet. Das erhöhte
Risikoprofil begründet eine Sonderbehandlung durch den Gesetzgeber, da die finanziellen
Risiken für den Einzelnen im Verhältnis zu seinem Vermögen bei diesem Produkt bedeutend
sein können. Ein (Quasi-)Verbot von Fremdwährungskrediten, wie von verschiedenen Seiten
gefordert, lässt sich aber hieraus nicht ableiten. Auf diese Weise würde man der Gesamtheit
der Privat-Kunden den Nutzen eines Fremdwährungskredites entziehen. Das berechtige
Anliegen der Aufsichtsbehörden Privatkunden zu schützen, gleichzeitig aber auch eine
durchaus sinnvolle Produktkategorie nicht zu eliminieren, kann durch eine deutliche
Verschärfung der rechtlichen Vergabekriterien erreicht werden. Dies ist aus
ordnungspolitischer Sicht gegenüber einer a priori Diskriminierung von Privatkunden
vorzuziehen“.
Die Studienautoren erachten ein Verbot von Fremdwährungskrediten für nur sehr
bedingt mit einem marktwirtschaftlichen System in Einklang zu bringen. Vielmehr sind die
Studienautoren der Überzeugung, anstelle von Verboten auch hier durch eine
entsprechende Stärkung der Aufsichtsbehörden und der gesetzlichen Rahmenbedingungen –
wie beispielsweise dem Risikoprofil des Produktes angepasste Sicherheiten oder ähnliches –
den Kunden und Unternehmen die freie Wahl gelassen werden, für welche Art der
Finanzierung sie sich entscheiden.
Ergänzend dazu sollte idealerweise der Kenntnisstand der Konsumenten vertieft werden.
Denn gerade in Veranlagungs- und Kreditentscheidungen privater Haushalte mangelt es
oftmals an den fundamentalsten Kenntnissen, was dazu führt, dass Entscheidungen in zu
geringem Ausmaß aufgrund sachlicher Argumente und dem Abwägen von Chancen und
Risiken getroffen werden. Will man die Entscheidungsfreiheit der Mitglieder einer
Gesellschaft möglichst bewahren, müssen auch die Voraussetzungen für die freie
Entscheidungsfindung entsprechend gegeben sein – und dazu sind mündige Bürger mit
entsprechenden Grundkenntnissen unabdingbar. Angedacht werden kann dazu eine
entsprechende Grundbildung in wirtschaftlichen Kenntnissen in der schulischen
15
Finanzmärkte
Ausbildung.18 Das Zentrum für Soziale Marktwirtschaft hält im Zuge ihrer ausformulierten
Leitprinzipien des Kapitalmarktes und Kapitalmarktrechts in diesem Zusammenhang fest,
dass „… schließlich eine Verstärkung und Verbesserung des Ausbildungsstands der Anleger in
Bezug auf allgemeine Begriffe des Kapitalmarkts und der gehandelten Anlageinstrumenten
(Financial Literacy) maßgebliche Anknüpfungen bilden“ (Zentrum für Soziale
Marktwirtschaft, 2011).
2.4.
Alternative Lösungsansätze
Eine tiefgehende Analyse bezüglich der Neuordnung der Finanzmärkte kann an dieser
Stelle naturgemäß nicht geleistet werden und ist auch nicht Gegenstand der vorliegenden
Arbeit. Vielmehr soll an dieser Stelle der Grundtenor, an dem sich eine produktiv geführte
Diskussion über die (Neu)Gestaltung der Rahmenbedingungen auch zu orientieren hätte,
wiedergegeben werden. Dabei wird grundsätzlich ein Abgehen von fallbezogenen
(diskretionären) Einzelmaßnahmen angeraten um so nicht zuletzt Anreizen zu
Finanzinnovationen mit dem einzigen Ziel der Umgehung der jeweiligen Maßnahme den
Nährboden ein Stück weit zu entziehen. Anstelle von diskretionären Eingriffen sollten nach
Überzeugung der Studienautoren alternative Lösungsansätze diskutiert werden, wobei
Fragen der Haftung, des Wettbewerbs sowie der Besteuerung von Finanztransaktionen als
zentral erachtet werden.
EXKURS: Ordnungspolitik und Ökonomische Theorie der Gruppen
Nach Walter Eucken, dem Hauptvertreter des Ordoliberalismus und einem
Vordenker der Sozialen Marktwirtschaft, soll der Staat durch so genannte
konstituierende Prinzipien den Rahmen für das allgemeine Marktgeschehen vorgeben.
Ziel dieser Prinzipien ist demnach die Schaffung einer marktwirtschaftlichen Ordnung.
Ergänzend dazu sollen regulierende Prinzipien jene Mängel, die eine derartige
Wirtschaftsordnung mit sich bringt – wie etwa Marktmacht, schiefe
Einkommensverteilung oder externe Effekte – beseitigen. Als zentrale Grundsätze für die
Wirtschaftspolitik erachtet Eucken dabei einerseits die Kontrolle der wirtschaftlichen
Macht und andererseits die Gestaltung der Ordnungsformen der Wirtschaft – nicht aber
die Lenkung des Wirtschaftsprozesses selbst.19 Die Diskrepanz zwischen Ordnungspolitik
auf der einen und laufenden staatlichen Eingriffen auf der anderen Seite bringt Issing
18
Diese Forderung deckt sich mit der Einschätzung der Bevölkerung, dass Grundkenntnisse von wirtschaftlichen
Sachverhalten und Zusammenhängen im derzeitigen Schulsystem nur unzureichend vermittelt werden. So geht
aus einer repräsentativen Umfrage unter Tiroler Haushalten vom August 2011 hervor, dass mehr als 50% aller
Befragten der Ansicht sind, dass diese Bildungsinhalte in Tirols Schulen „weniger gut“ oder „nicht gut“
vermittelt werden (IMAD, 2011).
19
Die konstituierenden Prinzipien sind: funktionsfähiges Preissystem bei vollständiger Konkurrenz,
Währungsverfassung zur Stabilisierung des Geldwertes, Öffnung der Märkte, Sicherung des Privateigentums,
Vertragsfreiheit, möglichst universale persönliche Haftung sowie Konstanz der Wirtschaftspolitik. Ergänzend
dazu formulierte Eucken folgende regulierende Prinzipien: Auflösung oder Beaufsichtigung von Monopolen,
Korrektur der Einkommensverteilung nach sozialen Gesichtspunkten, Korrektur einer unzureichenden
betrieblichen Wirtschaftsrechnung und Vermeidung eines anomalen Verhaltens des Arbeitsangebotes (Eucken,
1990).
16
Finanzmärkte
(2001) in diesem Zusammenhang wie folgt auf den Punkt: „Ordnungspolitik droht im
politischen Alltag, im permanenten Drängen nach Abhilfe offenkundiger Mängel, dem
ständigen Ruf nach ad-hoc Maßnahmen erst in den Hintergrund und schließlich völlig in
Vergessenheit zu geraten. Freiheit ist immer mit Unsicherheit verbunden. Der Wunsch
nach Sicherheit, der Ruf nach staatlichem Eingreifen im Einzelfall signalisiert daher
jeweils die Bereitschaft, die Freiheit des Individuums als wichtiges Element in Wirtschaft
und Gesellschaft zurückzustellen. Eine "Verfassung der Freiheit" beschränkt sich
dagegen auf die Setzung eines für alle gültigen Rahmens. Unter dem Ausbreiten des
Wohlfahrtsstaates leidet nicht nur die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft, es bleibt
Schritt für Schritt auch ein Stück Freiheit auf der Strecke“.
Diskussionswürdig in diesem Zusammenhang scheint den Studienautoren jedoch die
Frage nach dem Zustandekommen der Regelungen innerhalb des Ordnungsrahmens.
Denn realiter sind diese Regelungen nicht exogen vorgegeben, sondern entstehen –
idealerweise – im Zuge eines demokratischen Prozesses. Ob beim Prinzip „Öffnung der
Märkte“, „Sicherung des Privateigentums“ oder „persönliche Haftung“ – de facto
werden die staatlichen Regelungen immer in der Interaktion der Marktteilnehmern mit
der Bürokratie und den Politikern geschaffen. Dies führt dazu, dass sich je nach Regelung
bestimmte Gruppen gegenüber anderen durchsetzen. So kann beispielsweise vor dem
Hintergrund nationaler Wirtschaftsstrukturen oder Industriezweige gezeigt werden, wer
sich in welchen Fällen für eine „Öffnung der Märkte“ bzw. dagegen ausspricht. Als
Beispiel für die „Sicherung des Eigentums“ sei auf die viel diskutierten Regelungen von
Patenten (Sicherung des Eigentums) in der Landwirtschaft für landwirtschaftliche und
tierische Produkte verwiesen, die wohl kaum unter Ausklammerung der Industrie und
ihrem Versuch, ihre Interessen durchzusetzen, zu verstehen sind. Und schließlich sei
hinsichtlich des Prinzips der „persönlichen Haftung“ auf die in dieser Arbeit weiter unten
diskutierte Frage der mangelnden Haftungsregelungen bei einigen Finanzmarktakteuren
verwiesen. Die angeführten Beispiele sollen den Leser daran erinnern, dass diese
Rahmenbedingungen selbst erst in einem Wettbewerb der Ideen und der
Einflussnahmen entstehen – wobei dies unmittelbar mit dem Wesen und dem
Funktionieren der Demokratie an sich im Zusammenhang steht.20
Aus theoretischer Sicht spielt neben der Frage des Zustandekommens der
Rahmenbedingungen auch die Frage nach der Rolle von Gruppen eine wesentliche Rolle.
20
An dieser Stelle sei dem interessierten Leser ein Beispiel dafür genannt, wie Rahmenbedingungen bei der
Einrichtung einer Börse in jüngster Vergangenheit zustande gekommen sind und dass diese
Rahmenbedingungen auch unter Einbezug jener Akteure aufgestellt worden sind, für deren Handeln auf der
Börse diese Regelungen ordnungspolitisch betrachtet den Rahmen bilden sollten. Es handelt sich dabei um die
Entstehung der Strombörse in Leipzig (EEX). Während Börsen theoretisch als ideale Märkte angesehen werden,
weiß man auch, dass dafür entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen. Verfolgt man die
Entwicklung der Strombörse und die Diskussionen in den letzten Jahren, so erhärtet sich der Eindruck, dass
hierbei elementare Aspekte der Rahmenbedingungen nicht berücksichtigt worden sind. Ob Börsenaufsicht,
Insiderhandel oder diverse Meldepflichten – hier scheinen die Rahmenbedingungen in zentralen Punkten von
Beginn an nicht derart gestaltet worden zu sein, dass sich innerhalb dieser Rahmenbedingungen ein effizienter
Markt bilden hätte können. Möller sprach im Jahr 2006 in diesem Zusammenhang gar von einer „Aura der
Gesetzlosigkeit“ (FAZ, 2010).
17
Finanzmärkte
In der ökonomischen Theorie gibt es divergierende Ansichten, wie das Verhalten von
Gruppen ökonomisch zu beurteilen ist. Während Olson, intellektueller Wegbereiter des
Good-Governance-Konzeptes und der Diskussion über die Rolle von Institutionen, die
Gefahr sieht, dass sich große und mächtige Gruppen aufgrund ihrer Rent-Seeking
Tätigkeiten letztendlich negativ auf das wirtschaftliche Wachstum auswirken und im
Extremfall zum Untergang einer Nation führen können, ist Becker, Nobelpreisträger für
Wirtschaftswissenschaften, der Ansicht, dass unter bestimmten Voraussetzungen der
Einfluss von Gruppen auch zu einem stärkeren Wettbewerbsprozess zwischen diesen
Gruppen führen kann und somit die gesellschaftliche Effizienz sogar gesteigert werden
könne. Zu den Voraussetzungen zählen nach Becker allerdings ein freier Zutritt zum
politischen Markt, wenig Markteintrittsbarrieren und die Beteiligung möglichst vieler
Gruppen. Ob diese Voraussetzungen bei den Akteuren auf den Finanzmärkten jedoch
erfüllt sind, darf in vielerlei Hinsicht bezweifelt werden.
2.4.1. Haftung
In Anlehnung an Walter Euckens konstituierende Prinzipien für das allgemeine
Marktgeschehen ist bei der Analyse allfälliger Regulierungen der Finanzmärkte die Frage der
Haftung in den Mittelpunkt zu stellen. Im Zuge der jüngsten Finanzkrise hat sich gezeigt, dass
Akteure im aktuellen System Anreize vorfinden, überhöhte Risiken einzugehen, da sie
allfällige Vorteile daraus lukrieren können, gleichzeitig jedoch für allfällige Nachteile nicht
haften müssen, sondern diese auf die Gesellschaft überwälzen können. Dieses Phänomen ist
unter dem Begriff moral hazard bekannt und betrifft beispielsweise Finanzinstitutionen wie
Ratingagenturen. Hier müsste der ordnungspolitische Rahmen durch verschärfte
Haftungsregelungen derart gestaltet werden, dass die zurzeit bestehenden Anreize, zu hohe
Risiken einzugehen bzw. Aktivitäten zu setzen, ohne die dafür allfällig negativen
Konsequenzen tragen zu müssen, nicht mehr weiter bestehen bzw. deutlich abgeschwächt
werden. Die handelnden Akteure müssen für ihre Handlungen jeweils die entsprechenden
Konsequenzen – und damit die Haftung – übernehmen.
2.4.2. Wettbewerb und Marktmacht
Aus der Realwirtschaft sind Institutionen, die im Sinne der regulierenden Prinzipien für
die Aufrechterhaltung des Wettbewerbs bzw. die Vermeidung von Entstehung von
Marktmacht verantwortlich sind, nicht mehr wegzudenken. So sind starke
Monopolkommissionen, Kartellämter und Wettbewerbsbehörden nicht nur auf nationaler,
sondern auch auf supranationaler bzw. internationaler Ebene zu finden. Auf Seiten der
Finanzmärkte sind an kritischen Stellen hingegen Strukturen vorzufinden, die aus
wettbewerbstheoretischer Sicht zumindest als problematisch eingestuft werden müssen. Sei
es die oligopolistische Struktur auf dem Markt der Ratings (die drei großen Ratingagenturen
besitzen einen Marktanteil von über 90%) oder auch der Markt der Finanzinstitutionen
18
Finanzmärkte
selbst.21 Hier müssten verstärkt Anstrengungen unternommen werden, für mehr
Wettbewerb zu sorgen und marktbeherrschende Stellungen aufzubrechen. Dahingehende
Überlegungen sind jedoch in den aktuellen wirtschaftspolitischen Diskussionen kaum zu
hören – die Debatte beschränkt sich diesbezüglich in Europa letzten Endes auf die
Installation einer europäischen Ratingagentur. Diese Agentur alleine wird aber wohl kaum in
der Lage sein Grundlegendes zu bewirken. Eine „Europäisierung der Rating-Agenturen hilft
nicht“, wie dies Straubhaar (2011) auf den Punkt bringt. Und Bofinger (2010) ist zwar der
Ansicht, dass die Gründung einer nicht gewinnorientierten europäischen Ratingagentur zu
einem stärkeren Wettbewerb führen kann, sieht aber letztendlich auch in einem verstärkten
Wettbewerb sowie stärkeren Haftungsregeln Ansätze zu einer Neuordnung der
Finanzmärkte.
Darüber hinaus kommt auf den Finanzmärkten mit der so genannten Systemrelevanz
bestimmter Finanzunternehmen eine weitere potenziell regulierungswürdige Dimension
hinzu. Solange Finanzunternehmen als systemrelevant eingestuft werden und sich daher im
Notfall staatlicher Unterstützung sicher sein können, bleiben Regulierungen eben dieser
Institutionen in letzter Konsequenz zahnlos. Vielmehr muss unter Berücksichtigung
wettbewerbspolitischer Gesichtspunkte der Versuch unternommen werden die Anzahl an
systemrelevanten Institutionen auf ein Mindestmaß zu reduzieren bzw. geeignete
Vorkehrungen zu treffen, damit im Krisenfall nicht die öffentliche Hand mit den damit
verbundenen negativen Auswirkungen stützend einspringen muss. Die Anreize für diese
Finanzinstitutionen, Risiken auf Kosten der Gesellschaft einzugehen, blieben diesbezüglich
ansonsten weitgehend unverändert.22
Hinsichtlich der Ungleichbehandlung von Investment- und Kommerzbanken ist darüber
hinaus eine ordnungspolitische Regulierung des Bankensystems notwendig, so dass
"too big to fail" nicht mehr vorkommen kann. Es wären daher die Investmentbanken von
den traditionellen Kommerzbanken zu trennen, wobei für die Investmentbanken die gleich
strengen Bilanzregelungen gelten sollten wie für die Kommerzbanken.
2.4.3. Lenkung mittels Steuern
Steuern gelten in der wirtschaftspoltischen Debatte seit jeher als ein staatliches
Lenkungsinstrument. Von ihnen gehen, je nach Anknüpfungspunkt und Ausgestaltung der
Steuer sowie der vorliegenden Marktkonstellation, unterschiedliche allokative und
21
Straubhaar (2011) weist darauf hin, dass letztendlich gerade auch öffentlich-rechtliche Regulierungen kräftig
zu dieser Konzentration („zementierten Marktmacht“) der Ratingagenturen beigetragen haben. „So stärken
von staatlichen Regulierungs-, Aufsichts- und Kontrollbehörden geforderte Risikoanalysen die Position der
großen Rating-Agenturen. Ihre Bewertungen werden von den hoheitlichen Finanzaufsichtsbehörden zur
Geschäftsgrundlage gemacht, wenn sie Banken und Versicherungen «Stresstests» aussetzen“ (Straubhaar,
2011).
22
Hinsichtlich der ordnungspolitischen Rahmenbedingungen der Finanzmärkte kommt sicherlich erschwerend
hinzu, dass nationale Regelungen aufgrund der globalen Dimension der Freiheit von Kapital nur bedingt wirken.
Dies darf jedoch nicht als Argument dafür verwendet werden, auf nationaler Ebene keine Anstrengungen zu
unternehmen.
19
Finanzmärkte
distributive Effekte aus. Im Zusammenhang mit Finanzmärkten ist dabei wohl die
sogenannte Finanztransaktionssteuer die prominenteste. Die Idee dazu ist mittlerweile rund
40 Jahre alt und wurde von James Tobin, Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften,
ursprünglich für Devisengeschäfte ins Spiel gebracht („Tobin-Steuer“).
Dabei ist es verblüffend, wie ähnlich die Problemstellung damals wie heute war bzw. ist.
Galt es in den 1970er Jahren, die Devisenmärkte einigermaßen zu stabilisieren und die
kurzfristigen Devisengeschäfte aufgrund ihrer negativen Auswirkungen auf Wechselkurse
und damit letztendlich die Realwirtschaft einzuschränken, so hat sich die Diskussion in den
letzten Jahren auf den gesamten Finanzmarkt ausgeweitet. Da wie dort geht es darum, die
starken Schwankungen, die durch kurzfristige Devisen- und Wertpapiergeschäfte ausgelöst
werden, zu verringern. Trotz vermuteter positiver Effekte einer Finanztransaktionssteuer auf
die Stabilität scheint es, als ob eine derartige institutionelle Regel auf den Finanzmärkten
nicht umgesetzt werden wird bzw. kann, obwohl es mittlerweile von vielen Seiten politische
Fürsprecher gibt. So stellt beispielsweise das Institutes für Makroökonomie und
Konjunkturforschung (IMK) fest, dass „…eine Finanztransaktionssteuer einen Beitrag dazu
leisten würde, den Finanzsektor wieder auf seine wesentliche Aufgabe hin auszurichten: die
solide Finanzierung längerfristig ausgerichteter realwirtschaftlicher Projekte“ (Horn, Van
Treeck, 2010). Selbst der Internationale Währungsfonds spricht sich indirekt für eine höhere
Besteuerung aus, auch wenn dabei nicht explizit eine Finanztransaktionssteuer erwähnt
wird: „Allgemein gesprochen, ist davon auszugehen, dass eine zu geringere Besteuerung von
Finanzmarktakteuren dazu geführt hat, dass der Finanzsektor im Verhältnis zur
Gesamtwirtschaft unnötig groß ist“ (IMF, 2010). Und auch in Österreich ist zum Beispiel von
Seiten der Vertretung der Wirtschaft durch Wirtschaftskammerpräsident Leitl zu hören:
„Just do it“ (Der Standard, 2011a).
Über Vor- und Nachteile von Finanztransaktionssteuern ist in den letzten Jahren sowohl
auf wissenschaftlicher als auch auf politischer Seite viel diskutiert worden. Daher sind an
dieser Stelle die meist genannten Vorteile einer derartigen Steuer – vor allem auch im
Vergleich zu den aktuell häufig diskutierten Verboten – kurz angesprochen.
− Geringere Umgehungsmöglichkeiten
Finanzmärkte sind für ihre hohe Produkt-Innovationsfreudigkeit bekannt. Daher kann
bzw. muss davon ausgegangen werden, dass sich für Verbote einzelner Produkte oder
Handlungen rasch andere Instrumente finden werden, die den beabsichtigten Zielen der
handelnden Akteure entsprechen und das Verbot samt seiner intendierten Wirkung ins
Leere laufen lassen. Durch eine global eingeführte Steuer, die auf alle Wertpapiere
(Aktien, Anleihen, Derivate) anfällt, könnte diese Problematik insofern zu einem großen
Teil vermieden werden, als es keine unbesteuerten Alternativen (Wertpapiere ohne
Besteuerung) mehr gäbe. Hingewiesen werden muss in diesem Zusammenhang auf die
derzeit fast täglich diskutierte Frage, ob es durch eine regionale Einführung einer
derartigen Steuer (z. B. EU) zu einem Ausweichen auf andere Märkte (z. B. USA) in einem
spürbaren Ausmaß kommen würde. Selbstverständlich ist diese Frage nicht trivial, doch
20
Finanzmärkte
sie sollte nicht als Argument dafür dienen, eine derartige Steuer von Grund auf
abzulehnen bzw. eine Einführung erst dann anzudenken, wenn eine weltweite
Umsetzung gewährleistet scheint.
− Anreizneutralität
Die Anreize, die von Verboten in diesen Märkten ausgehen, können insofern bedenklich
sein, als sie immer neue Produktvarianten hervorbringen können, die letztendlich jene
Bestrebungen, den aktuellen Entwicklungen entgegenzuwirken oder diese
einzudämmen, zahnlos erscheinen lassen. Von einer Steuer mit einer möglichst
umfassenden Besteuerungsbasis hingegen gehen keine oder nur äußerst geringe Anreiz
verzerrenden Wirkungen aus. Denn wenn sämtliche Wertpapiere derselben Steuer
unterliegen, besteht beispielsweise kein Anreiz ein Wertpapier zugunsten eines anderen
Wertpapiers zu substituieren, die allokativen Beeinträchtigungen scheinen gering.
− Steueraufkommen
Während von Verboten keine pekuniären Wirkungen ausgehen, ist eine Steuer
naturgemäß mit einem entsprechenden Steueraufkommen verbunden. Je nach
Ausgestaltung der Steuer und Höhe des Steuersatzes ergeben sich hier die
unterschiedlichsten Größenordnungen. So errechnet der WIFO-Ökonom Stephan
Schulmeister (2009) bei einem Steuersatz von 0,05% für die gesamte EU ein
Steueraufkommen in der Höhe von 1,6% des BIP, was ca. € 215 Mrd. entspricht.23
− Distributive und allokative Wirkungen
Ein Argument, das im Zusammenhang mit einer Finanztransaktionssteuer immer wieder
vorgebracht wird, lautet, dass von einer derartigen Steuer keine negativen distributiven
Wirkungen ausgehen, da einkommensschwache Haushalte aufgrund ihrer NichtTeilnahme an den Finanzmärkten nicht bzw. nur in einem sehr geringen Ausmaß
betroffen sein werden. Darüber hinaus dürften auch aufgrund des (diskutierten)
geringen Steuersatzes die allokativen Verzerrungen für einen Großteil des Handels sehr
gering sein. Ob letztendlich jene Tätigkeiten, die verantwortlich für die großen,
gemeinhin als negativ angesehenen Kursschwankungen gemacht werden, durch eine
Steuer mit einem Steuersatz in einer Höhe von 0,01% bis 0,1% eingeschränkt werden
können, wird sich zeigen.24
23
Laut einem aktuellen Vorschlag der EU vom 28.09.2011 soll eine Finanztransaktionssteuer ca. € 55 Mrd. an
Steueraufkommen einbringen. Dabei ist ein Steuersatz von 0,1% bei Aktien und Anleihen und 0,01% bei
Derivaten angedacht (ORF, 2011).
24
Auch wenn Barroso, Präsident der Europäischen Kommission, am 28.09.2011 in seiner Rede zur Lage der EU
hinsichtlich einer Finanztransaktionssteuer sinngemäß meinte, dass damit nun auch die Banken ihren Beitrag
zur Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise zu leisten hätten, hängt ökonomisch das Tragen dieser Steuer
nicht davon ab, wem diese auferlegt wird bzw. wer diese abführen muss, sondern ausschließlich davon, wie
elastisch Angebot und Nachfrage relativ zu einander sind. Diesbezüglich kann jedenfalls davon ausgegangen
werden, dass die Steuer zumindest teilweise auf die Konsumentinnen überwälzt werden wird.
21
Finanzmärkte
Abschließend halten die Studienautoren fest, dass die Einführung einer
Finanztransaktionssteuer notwendig erscheint – auch wenn weltweit nicht gleichzeitig
möglich, so zumindest in der EU beginnend.
2.5.
Banken verstaatlichen?
Im folgenden Abschnitt soll kurz die Frage erörtert werden, ob die Vielzahl an
diskretionären Eingriffen auf den Finanzmärkten nicht obsolet wären, wenn Banken
insolvent gehen können oder aber gegebenenfalls verstaatlicht werden. Im Zuge der
aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise haben sich Staaten (neben den USA vor allem Staaten
in Europa) entschlossen, angeschlagene Banken und Finanzinstitute zu unterstützen – sei es
in Form von Haftungsübernahmen, Zur-Verfügung-Stellen von Partizipationskapital, der
Übernahme von Anteilen an diesen Institutionen oder anderen Maßnahmen.25 Die offizielle
Begründung lautete dabei beinahe ausschließlich, dass diese Institutionen systemrelevant
bzw. „too big to fail“ wären und daher eine Insolvenz mit allen Mitteln zu vermeiden sei.
Aus ökonomischer Sicht diskussionswürdig scheint neben der Auseinandersetzung rund
um die Frage, warum private Institutionen überhaupt „too big to fail“ werden können, vor
allem die Frage des Einflusses des Staates auf jene Banken, die mit öffentlichen Mitteln
unter- bzw. gestützt werden. Zunächst kann diskutiert werden, ob Staaten für diese
Hilfsmaßnahmen im Gegenzug nicht entsprechende Mitspracherechte (Eigentümerrechte)
eingeräumt werden sollten – im Gegensatz zu vielen aktuellen Regelungen, in denen die
Nationalstaaten die Banken zwar finanziell unterstützen, jedoch auf die Übernahme von
Eigentümerrechten oftmals verzichten. Und darüber hinaus gehend sollte auch noch einen
Schritt weiter gedacht werden, ob nicht auch zugelassen werden soll, Banken – bei
entsprechender staatlich garantierter Einlagensicherung für Spareinlagen – in den Konkurs
gehen zu lassen. Dieser letzte Gedanke scheint im Zuge der aktuellen Krise kaum je gedacht
und noch viel seltener öffentlich diskutiert zu werden.
Dabei zeigt ein Blick in die jüngere Geschichte Möglichkeiten auf, wie eine
Verstaatlichung von Banken in einer Finanzkrise funktionieren könnte. Zu Beginn der 1990er
Jahre war Schweden mit einer massiven Bankenkrise konfrontiert, die letztendlich
erfolgreich überwunden werden konnte. Zentral dabei waren folgende Schritte:26
1. Evaluation der Solvenz der Finanzinstitutionen
2. Verstaatlichung von insolventen Unternehmen (In Schweden waren dies die
Nordbanken und Gota Bank)
3. Trennung der insolventen Unternehmen in „gute“ und „schlechte“ Banken mit der
Absicht, die „guten“ Banken in Zukunft wieder zu reprivatisieren
25
26
Verstaatlichungen wurden zwar teilweise vorgenommen, bilden jedoch gesamt betrachtet die Ausnahme.
Vgl. Richardson (2009).
22
Finanzmärkte
4. Übertragung des Managements der „schlechten“ Banken an Experten (z. B. Asset
Management Firmen) und nicht an staatliche Regulierungsbehörden mit der Aufgabe, die
Vermögenswerte dieser Banken in geordneter Weise zu liquidieren
Diese vier Schritte fassen zusammen, wie ein konsequenter Umgang mit einer massiven
Bankenkrise aussehen kann. Nach einer eingehenden Evaluation (Stichwort Stresstests)
müssen umgehend die weiteren Schritte – Verstaatlichung und der Trennung der Banken in
„gute“ und „schlechte“ – gesetzt werden. Wesentlich dabei ist das Ziel, diese Banken nach
einer erfolgreichen Umstrukturierung wieder zu reprivatisieren. Nicht weniger wichtig ist in
diesem Prozess die Übertragung des Managements an Experten und nicht an politische
Institutionen, um hier Ineffizienzen in Form von Rent-Seeking auszuschließen.
Zusammenfassend stellen die Studienautoren in diesem Zusammenhang fest, dass es
absolut notwendig ist, „unverkrampft“ und ohne Berührungsängste (scheinbare) Tabus wie
Verstaatlichungen von Banken oder das bewusste In-Kauf-Nehmen von Banken-Insolvenzen
(bei gleichzeitiger staatlicher Garantie der Spareinlagen) zu diskutieren. Dabei gilt es zu
hinterfragen, ob derartige Lösungen sowohl aus ökonomischer als auch als
gesellschaftspolitischer Sicht nicht jenen Maßnahmen, die aktuell größtenteils getroffen
werden und bei denen den Staaten im Großteil der Fälle kein Mitspracherecht eingeräumt
wird, überlegen sind. Aus ökonomischer Sicht sind im Zusammenhang mit möglichen
Insolvenzen bzw. Verstaatlichungen vor allem zwei Punkte zu nennen.
Zum Einen kann dadurch – in Verbindung mit anderen Maßnahmen – eine Verringerung
des moral hazard erwartet werden, wenn die handelnden Personen wissen, dass sie im Falle
einer Insolvenz tatsächlich in Insolvenz gehen müssen bzw. vom Staat nicht nur in
finanzieller sondern auch in eigentumsrechtlicher Sicht übernommen werden.
Zum Anderen kann das Problem des „too big to fail“ insofern zumindest abgeschwächt
werden, als durch das Wissen der Gläubiger um allfällige Verluste im Falle einer Insolvenz die
Marktdisziplin im Allgemeinen erhöht wird. Damit kann der impliziten oder tatsächlichen
Sozialisierung des privaten Finanzsystems (bzw. dessen Verluste) entgegengewirkt werden
(Richardson, 2009).
Ein Merkmal von einem marktwirtschaftlichen System ist unter anderem auch, dass im
Falle eines Misserfolgs eines Unternehmens dieses Unternehmen die Konsequenzen (z. B.
Insolvenz) zu tragen hat und somit aus dem Markt ausscheidet. Vor diesem Hintergrund ist
bei den von den Staaten getroffenen Maßnahmen zur „Rettung der Banken“ zu hinterfragen,
ob diese einem marktwirtschaftlichen System nicht fundamental widersprechen und ob
alternative Lösungen wie Insolvenzen und Verstaatlichungen, wenn eine Insolvenz aus
systemrelevanten Gründen keine Alternative zu sein scheint, die marktnäheren Lösungen
sind.
23
Finanzmärkte
Tabelle 1 fasst die hier diskutierten Ergebnisse hinsichtlich der Regulierungen auf den
Finanzmärkten sowie möglichen weitreichenderen Maßnahmen wie Bankeninsolvenzen und
Bankenverstaatlichungen übersichtlich zusammen.
Tabelle 1: Zusammenfassung Regulierungen Finanzmarkt
Bereich
Themenbereich
Leerverkäufe und
Hochfrequenzhandel
Finanzmarkt
Fremdwährungskredite
Private
Altersvorsorge
Hilfsmaßnahmen
für Banken
Motivation der
Maßnahme
Handlungen
schädlich für
Realwirtschaft
Produkte
nachteilig für
Konsumenten
und
Finanzsystem
Ergänzung zu
staatlichem
Pensionssystem
notwendig
Too big to fail,
Systemrelevanz
Würdigung
diskretionärer
Eingriff
diskretionärer
Eingriff
Bevorzugung
ausgewählter
Industrien, Lobbying,
Bevormundung der
Konsumenten
Sozialisierung des
privaten
Finanzsystems; keine
Einschränkung von
moral hazard bzw.
von „too big to fail“
Alternativen
Verschärfung der
Rahmenbedingungen
(Ordnungspolitik),
Finanztransaktionssteuer, Aufteilung in
Investment- und
Kommerzbanken
Stärkung der
Rahmenbedingungen
(Ordnungspolitik),
Bildung, Information
Regelung ökonomisch
bedenklich;
Entscheidungsfreiheit
der Konsumenten;
Bildung, Information
Bankeninsolvenz bzw.
Bankenverstaatlichung
24
Gütermärkte – Handel
3. Gütermärkte – Handel
Ein weiteres Untersuchungsfeld der vorliegenden Arbeit stellen Gütermärkte und der
Handel im weitesteten Sinne dar. Hier sind eine Vielzahl an Eingriffen und Regulierungen zu
finden – von den laufend diskutierten Ladenöffnungszeiten, über die Einheitspackungen bei
Zigaretten, einem Verbot der Plastiksäcke oder der 60-Watt-Glühlampen bis hin zu
Mengenkontrollen beim Getränkekauf reichen hier die Diskussionsfelder in jüngster
Vergangenheit.
Die dabei ins Spiel gebrachten Argumente reichen von Umweltschutz über
Nachhaltigkeit, Vermeidung von Steuerumgehungsmöglichkeiten27, Schutz der
Arbeitnehmerinnen und Familien, dem Schutz der Konsumenten bis hin zur Internalisierung
von negativen externen Effekten.
3.1.
Glühlampen
Das Verbot traditioneller Glühlampen (zuletzt der 60-Watt-Glühlampen, deren Verkauf in
Österreich seit 01.09.2011 verboten ist) ist wohl auch in Österreich eines der bekanntesten
und vieldiskutiertesten Verbote in jüngster Vergangenheit.28 Seit einigen Jahren werden die
Herstellung und der Vertrieb herkömmlicher Glühlampen (Glühlampen mit geringer
Energieeffizienz) schrittweise eingeschränkt bzw. verboten. Diese Glühlampen müssen durch
Energiesparlampen besserer Energieeffizienzklassen ausgetauscht werden. Grundlage dafür
bildet die so genannte Ökodesign Richtlinie 2005/32/EG der Europäischen Union (EU, 2005).
An dieser Stelle können nicht sämtliche Aspekte rund um das Verbot der konventionellen
Glühlampen und den verpflichtenden Umstieg auf Energiesparlampen29 im Detail diskutiert
werden. Kurz angesprochen sollten allerdings die gesamte Energiebilanz (Produktion der
Energiesparlampen ist energieintensiver, die Verwendung energieärmer als bei
konventionellen Glühlampen), der Einsatz und die Verwendung von Quecksilber und
Seltenen Erden bei Energiesparlampen, die Dimmbarkeit der Lampen, die
Recyclingnotwendigkeiten und -möglichkeiten sowie die von den konventionellen
Glühlampen abweichende Lichtfarbe (grelles Licht) sein.
Hinsichtlich des Einsparpotenzials von Energiesparlampen sei angeführt, dass private
Haushalte ca. 10% der elektrischen Energie für Beleuchtung aufwänden (Ökocenter, 2008).
27
Dies war beispielsweise das zentrale Argument für Mengenkontrollen beim Getränkekauf. In Österreich hat
die Finanzverwaltung eine derartige Mengenkontrolle mit Jahresbeginn 2011 beim Getränkekauf
vorgeschrieben. „Wer mehr als zwei Kisten Bier oder zwei Flaschen Spirituosen erwirbt, von dem sollten an der
Kasse Namen und Anschrift registriert werden. Die Finanzverwaltung zog den Ukas in der Vorwoche zurück und
will bald praktikablere Mengengrenzen zum Eindämmen der Steuerhinterziehung (Gastronomie) vorlegen“
(Oberösterreichische Nachrichten, 2011).
28
Der österreichische Regisseur Christoph Mayr setzt sich in seinem aktuellen Dokumentarfilm „Bulb fiction“
intensiv mit der Entscheidung der EU auseinander, die Glühlampen schrittweise durch Energiesparlampen zu
ersetzen.
29
Die exakte Bezeichnung für die Energiesparlampen lautet Kompaktleuchtstofflampen (KLL).
25
Gütermärkte – Handel
Unter Berücksichtigung, dass das Einsparpotenzial durch Energiesparlampen bis zu 80% im
Vergleich zu konventionellen Glühlampen beträgt, bedeutet dies für einen
durchschnittlichen Haushalt ein Einsparpotenzial von ca. 8% seines Bedarfs an elektrischer
Energie, wodurch sich letztendlich die Höhe der Stromrechnung um ca. 3,5% verringern
würde.30 Dieses Szenario stellt ein Maximalszenario unter der Annahme dar, dass die
gesamte Beleuchtung eines Haushaltes auf Energiesparlampen umgestellt wird und die
angegebenen Einsparpotenziale auch tatsächlich in vollem Umfang ausgeschöpft werden
können.
3.1.1. Ökonomische Würdigung
Als Argument für das Verbot konventioneller Glühlampen und den verpflichtenden
Einsatz von Energiesparlampen werden die verbesserte Energiebilanz und damit
zusammenhängend die Förderung des Umwelt- bzw. Klimaschutzes genannt.
Das Verbot ausgewählter Produkte ist nach Ansicht der Studienautoren in vielen Fällen
aus ökonomischer Sicht problematisch. Denn zum Einen wird damit die
Entscheidungsfreiheit der Konsumentinnen eingeschränkt und zum Anderen erfahren
Produzenten bei derartigen Eingriffen nur in seltenen Fällen Anreize, alternative Produkte zu
entwickeln. So halten sich Produzenten an die in den Regulierungen entsprechend
formulierten Vorgaben (z. B. hinsichtlich maximalen Quecksilbergehalt) und haben ohne
entsprechende Nachjustierungen nur geringe Anreize, darüber hinaus gehende
Produktentwicklungen vorzunehmen.
Ein weiterer Problemkreis – wie er im Zusammenhang mit der Einführung der
Energiesparlampen auch in der Öffentlichkeit immer wieder diskutiert wurde – betrifft das
Lobbying. Unabhängig von der Frage, ob oder wieweit dies im vorliegenden Fall
ergebnisrelevant war, ist es kritisch, wenn es in Märkten mit einer hohen
Marktkonzentration zu derartigen Regelungen wie einem Verbot (und gleichzeitig einem
verpflichtenden alternativen Produkt) kommt. Denn dass derartige Regelungen für
Produzenten vorteilhaft sind, darf vermutet werden. Der Markt für Energiesparlampen wird
von den drei Herstellern Philips, Osram und General Electric beherrscht31, zudem hat China
mit einem Marktanteil von 90% bis 95% bei den Seltenen Erden de facto eine
Monopolstellung bei diesen für die Erzeugung der Energiesparlampen notwendigen
Rohstoffen. Und dass praktisch parallel mit dem Verbot der 60-Watt-Glühlampe sowohl
Osram als auch Philips im September bzw. Oktober 2011 die Preise für Energiesparlampen
zwischen 20% bis 25% erhöht haben, wirft trotz des Arguments des massiven Preisanstiegs
bei den Seltenen Erden ein schiefes Licht auf dieses Verbot. Selbst Lobbyisten bekennen,
dass die europäische Verwaltung durchaus offen für Informationen seitens der Industrie ist.
So formuliert Sturm, der Sprecher der European Lamp Companies Federation, einer
Interessensvertretung der Lampenindustrie mit Sitz in Brüssel unverblümt: „Ich kenne
30
31
Laut E-Control entfallen lediglich ca. 44% des Strompreises auf Energie (E-Control, 2011).
Konkrete Angaben über Marktanteile liegen nicht vor.
26
Gütermärkte – Handel
wenige Verwaltungen, die so offen für argumentative Beiträge sind wie die EU-Kommission.
Wir waren natürlich interessiert daran, dass die Parlamentarier mit unseren Informationen
in Berührung kommen. Wir haben auch ein bisserl die Kontakte in den Mitgliedsländern
genutzt. Die Entscheidungen fallen nämlich auf lokaler Ebene“ (Sturm, 2009).
3.1.2. Alternative Lösungsansätze
Als alternative Lösungsansätze bieten sich in derartigen Fällen moralische Appelle in
Kombination mit entsprechenden Informationen für die Konsumenten an – „Moral Suasion“
lautet hier das wirtschaftspolitische Stichwort. Auch wenn die Treffsicherheit und damit der
Grad der Zielerreichung nur schwer ex ante abschätzbar ist, sollten Konsumenten im Zuge
ihrer Souveränität frei entscheiden können, welche Produkte sie bevorzugen. Notwendige
Voraussetzung dafür ist eine entsprechend breite Informationsversorgung. Selbst betreffend
das an dieser Stelle diskutierte Glühlampen-Verbot ist eine Vielzahl an Informationen
verfügbar. Diese reichen von Informationen der Hersteller, diverser öffentlicher Institutionen
(z. B. Umweltbundesamt), von Umweltorganisationen und privaten Initiativen über
Sachbücher32 bis hin zum Dokumentarfilm Bulb fiction. Aufgrund dieser Informationen
können bzw. müssen in einer liberalen demokratischen Gesellschaft die Entscheidungen der
einzelnen Individuen respektiert werden.
Die Vorschrift zum ausschließlichen Verkauf von Energiesparlampen und gleichzeitigem
Verkaufsverbot von traditionellen Glühlampen halten die Studienautoren mit einem
marktwirtschaftlichen System für nicht vereinbar. Stattdessen sollte hier auf jeglichen
Eingriff verzichtet werden, so dass die Marktkräfte frei wirken können. Denn wenn
Energiesparlampen tatsächlich weniger Strom verbrauchen, werden sich Konsumentinnen
über kurz oder lang auch ohne staatlichen Dirigismus für diese Produkte und gegen die
traditionellen Glühlampen entscheiden.
Wie einleitend festgehalten wurde, wird als Argument für die Einführung der
Energiesparlampen und das Verbot traditioneller Glühlampen der Klima- und Umweltschutz
angeführt. Die Studienautoren halten diesbezüglich fest, dass der Anknüpfungspunkt dabei
nicht die Glühlampe sein kann! Anzusetzen ist vielmehr bei der Stromproduktion, wo es gilt,
die dort anfallenden externen Kosten – in einem höheren Ausmaß als dies bisher der Fall ist
– zu internalisieren (z. B. mit entsprechenden Steuern), so dass der Strompreis den
gesellschaftlichen Kosten entspricht. Doch selbst wenn nicht alle externen Kosten bei der
Stromproduktion internalisiert werden und der Strompreis dadurch verzerrt bleibt (da die
privaten und die gesellschaftlichen Kosten voneinander abweichen), kann und darf daraus
nicht geschlossen werden, mit staatlichem Dirigismus an anderer Stelle (Glühlampenverbot)
einzugreifen.
32
Vgl. beispielsweise Berz, P., Höge, H., Krajewski, M. (Hg.) (2011). Das Glühbirnenbuch. Braumüller Lesethek.
27
Gütermärkte – Handel
3.2.
Plastiksäcke
In eine ähnliche Richtung gehen das diskutierte Verbot von Plastiksäcken und eine damit
einhergehende gewünschte bzw. erzwungene Verwendung von Papiersäcken (oder
ähnlichen). In Italien ist seit Beginn 2011 ein Verbot von Plastiksäcken in Kraft, diverse
Politiker fordern ein derartiges Verbot nun auch für Österreich.
3.2.1. Ökonomische Würdigung
Ähnlich
wie
beim
Verbot
der
konventionellen
Glühlampen
spielen
Umweltschutzüberlegungen bei der Diskussion rund um ein Verbot von Plastiksäcken die
Hauptrolle. Und ähnlich wie das mit dem Verbot von konventionellen Glühlampen
verbundene relativ geringe Einsparpotenzial stellt sich auch bei einem Verbot von
Plastiksäcken die Frage nach der Verhältnismäßigkeit bzw. Wirkung einer solchen
Maßnahme. Unbestritten sind zwar im Umweltschutz auch kleine Schritte notwendig, um
angestrebte Ziele zu erreichen, doch solange auf der einen Seite im Handel immer mehr
Produkte in Plastik verpackt werden – von Obst und Gemüse über Wurst und Fleisch bis hin
zu Süßigkeiten – muss kritisch hinterfragt werden, ob ein Verbot von Plastiksäcken auf der
anderen Seite als ein wichtiger Schritt im Sinne des Umweltschutzes zu sehen ist. So ist es
nicht verwunderlich, dass gegen ein Verbot von Plastiksäcken nicht nur Wirtschaftsvertreter,
sondern auch Arbeitnehmervertreter Stellung beziehen.33
3.2.2. Alternative Lösungsansätze
Auch hier kann Moral Suasion ein geeigneteres Instrument sein, Konsumentinnen zu
einem Umstieg von Plastik- auf Papiersäcke zu bewegen. Schon jetzt bietet der Handel
neben Plastiksäcken Papiersäcke und andere wiederverwertbare bzw. biologisch abbaubare
Produkte an, obwohl dies gesetzlich nicht vorgeschrieben wird – und diese alternativen
Produkte werden seitens der Konsumenten auch entsprechend nachgefragt.
Und wie weiter oben bereits diskutiert, ist auch das Thema Plastik in den letzten Jahren
immer stärker in den Fokus der Öffentlichkeit vorgedrungen – auch hier bis hin zu
Sachbüchern und einem Dokumentarfilm.34 Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang
abschließend auch darauf, dass gerade in Österreich die Abfalltrennung der privaten
Haushalte nach internationalen Maßstäben gut funktioniert und ein Großteil der Plastiksäcke
einem entsprechenden Recycling zugeführt wird.35 Aus ökonomischer Sicht spricht jedenfalls
nur sehr wenig für ein staatlich erlassenes Verbot von Plastiksäcken. Vielmehr entsteht der
Eindruck, dass es eher um das Setzen sichtbarer Zeichen und der damit einhergehenden
politischen Profilbildung geht als um ein tatsächliches Umdenken.
33
Sowohl die WKO als auch die AK äußern sich kritisch bis ablehnend zu einem Verbot von Plastiksäcken (WKO,
2011 und AK, 2011).
34
Plastic Planet von Regisseur Werner Boote.
35
In Italien war die Umsetzung des Verbotes von Plastiksäcken unter anderem auch damit begründet, dass ein
Großteil der Plastiksäcke im regulären Hausmüll landet.
28
Gütermärkte – Handel
Zusammenfassend halten die Studienautoren derartige Gesetze für wenig
marktwirtschaftlich und schlagen stattdessen vor, mittels Moral Suasion und verstärkter
Information auf die Konsumentinnen einzuwirken.
3.3.
Tabakwaren
Ein Produkt, dessen Konsum in fast allen Ländern in der einen oder anderen Form
reguliert bzw. eingeschränkt wird, sind Zigaretten, wobei hier die Palette der Eingriffe von
Verkaufsverboten über Steuern bis hin zu Werbeverboten unterschiedlichster Art reicht. So
sind in Österreich Zigaretten bzw. deren Verkauf – abgesehen von den Vorschriften
bezüglich der erlaubten Inhaltsstoffe – durch (mittlerweile wieder aufgehobene)
Mindestpreise, die Tabaksteuer, Werbeverbote sowie durch verpflichtende Risikohinweise
auf den Packungen reguliert. Zurzeit werden in Europa darüber hinaus Einheitspackungen
für Zigaretten (Packungen ohne Logos und mit Produktnamen in Einheitsschrift mit
bildlichen Warnhinweisen, so genanntes plain packaging) diskutiert, wogegen Trafikanten
zuletzt Sturm gelaufen sind (WKO, 2011a).
3.3.1. Ökonomische Würdigung
Aus ökonomischer Sicht werden für Regulierungen bei Tabakwaren meist zwei Gründe
genannt.
Zum Einen wird in finanzwissenschaftlicher Tradition für jene Güter, von denen nicht
wünschenswerte Effekte ausgehen, die Verwendung staatlicher Lenkungsinstrumente wie
Steuern gerechtfertigt. Tabakwaren gelten in diesem Zusammenhang als nicht
wünschenswerte Güter (demeritorische Güter), deren Nachfrage größer ist als
gesellschaftlich wünschenswert. Um diese Nachfrage zu reduzieren und auf ein
gesellschaftlich gewünschtes Maß zu reduzieren, wird mittels einer Steuer in den Markt
eingegriffen. Hinter diesem Konzept steht das Bild eines paternalistischen Staates, der
letztendlich in die Konsumentensouveränität eingreifen kann und soll, um die gewünschten
gesellschaftlichen Effekte (geringere Nachfrage nach Tabakwaren) zu erzielen.
Zum Anderen werden das Vorliegen negativer externer Effekte und damit die
Beeinträchtigung der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt als Argument dafür ins Spiel
gebracht, um eine Besteuerung von Tabakwaren zu rechtfertigen.
Unabhängig von der Frage, ob Raucher das Gesundheitssystem mehr belasten als
Nichtraucher, stellt sich die Frage, ob Raucher durch staatliche Regulierungen vor sich selbst
und den eigenverantwortlichen Gesundheitsgefährdungen geschützt werden müssen und
auch können. Diese Frage ist insofern von entscheidender Bedeutung, als für den Fall, dass
mit der Steuer ausschließlich die (riskante oder unerwünschte) Lebensführung von Rauchern
und nicht negative Effekte wie Verschmutzung der Luft, Geruchsbelästigung etc. reguliert
werden sollen, als einziges Argument für die Steuer paternalistische Überlegungen
29
Gütermärkte – Handel
verbleiben. Und diese sind insofern bedenklich, als sie unweigerlich mit den Grundfreiheiten
der Individuen in Konflikt geraten. Denn die allgemeine Handlungsfreiheit36 schützt unter
anderem auch die Selbstgefährdung (z. B. durch Rauchen, durch den Konsum von Alkohol
oder die Ausübung riskanter Sportarten). Eingriffe in dieses Recht auf Selbstgefährdung
werden in jenen Fällen als zulässig erachtet, in denen auch die Allgemeinheit gefährdet
scheint (Wemsmann, 2005).
Zu Eingriffen im Zusammenhang mit dem Verkauf von Zigaretten – abseits der
Tabaksteuer – kann aus ökonomischer Sicht wie folgt Stellung genommen werden.
− Mindestpreise
Die in Österreich im Jahr 2006 eingeführten Mindestpreise für Zigaretten (€ 3,45 je
Packung Zigaretten) wurden durch ein Urteil des EuGH im März 2010 gekippt, da diese
gegen eine EU-Richtlinie für Verbrauchssteuern auf Tabakwaren verstoßen.
„Mindestpreise sicherten die Gewinnspannen der Hersteller“ so lautete ein oft gehörtes
Argument in diesem Zusammenhang. Mikroökonomisch betrachtet sind Mindestpreise
mit einem gesellschaftlichen Wohlfahrtsverlust verbunden, wobei die Konsumenten in
jedem Fall verlieren. Ob die Produzenten Wohlfahrt verlieren oder gewinnen, hängt von
den Elastizitäten ab. Wenn man die Nachfrage nach Zigaretten als relativ unelastisch
unterstellt, erhöhen Mindestpreise die Wohlfahrt der Produzenten, die Gewinnmargen
würden bei diesem Szenario entsprechend steigen. Vor allem vor dem Hintergrund des
unterstellten Ziels der Förderung der Gesundheit scheinen Mindestpreise in diesem
Zusammenhang aus ökonomischer Sicht fragwürdig. Mindestpreise stellen eine
effizienzmindernde Maßnahme dar.
− Warnhinweise, Werbeverbote und plain packaging
Wie weithin bekannt besteht für Zigaretten in Österreich ein Werbeverbot und auf
Zigarettenpackungen müssen entsprechende Warnhinweise, dass Rauchen
gesundheitsgefährdend ist, angeführt sein. Zurzeit wird darüber hinaus auf EU-Ebene das
plain packaging diskutiert.37 Werbeverbote und Warnhinweise sollen letztendlich das
Image des Rauchens weiter verschlechtern und so vor allem Jugendlichen den Anreiz
nehmen, mit dem Rauchen zu beginnen und letztendlich eine Sucht zu vermeiden. Ob
die bestehenden Maßnahmen dafür jedoch nicht schon ausreichen und weitere
verschärfende Maßnahmen wie das plain packaging (Einheitspackung) und
verpflichtende abschreckende Bilder (wie Raucherlungen oder Raucherbeine) auf den
Packungen notwendig sind, sei dahingestellt. Aus ökonomischer Sicht können
Werbeverbote und Warnhinweise prinzipiell ein adäquates Mittel darstellen, zumal von
diesen keine verzerrenden Wirkungen ausgehen. Allerdings ist schwer zu beurteilen, wie
weitgehend diese Maßnahmen ausfallen sollen.
36
37
In Deutschland beispielsweise in Art. 2 Abs. 1 GG geregelt.
Plain packaging wird bereits in einem Richtlinienentwurf der Weltgesundheitsorganisation gefordert.
30
Gütermärkte – Handel
Ein Blick auf Island zeigt, wie quer über alle Länder versucht wird, das Rauchen
einzuschränken. Im Sommer 2011 wurde in Island diskutiert, Zigaretten ausschließlich auf
Krankenschein und in Apotheken erhältlich zu machen. Ohne darauf näher einzugehen zeigt
diese Maßnahme, die für einen Inselstaat aufgrund der beschränkten Umgehungs- und
Schmuggelmöglichkeiten theoretisch auch umsetzbar scheint, welch weitreichende
Maßnahmen hier zumindest angedacht werden.
3.3.2. Alternative Lösungsansätze
Dass Rauchen gesundheitsschädlich ist, ist hinlänglich auch allen Raucherinnen bekannt.
Und werden dem Zigarettenkonsum negative externe Effekte unterstellt, können diese
durchaus mit Tabaksteuern zu internalisieren versucht werden. Ergänzende Werbeverbote
und Warnhinweise in der jetzigen Form scheinen aus ökonomischer Sicht ausreichend.
Die Alternative zu den laufenden Diskussionen und den aller Voraussicht nach
zukünftigen verschärfenden Bestimmungen beim Verkauf von Zigaretten stellt der Status
Quo dar, also keine weiteren Regulierungsmaßnahmen mehr zu treffen.
Ein alternativer Lösungsansatz, der ab dem Jahr 2012 in Österreich erprobt wird und der
aus ökonomischer Sicht aufgrund der Beeinflussung der Anreize für Raucher als positiv
eingeschätzt werden kann, zielt auf die Stärkung der Eigenverantwortung durch die
Sozialversicherung ab. Im Zuge dieses neuen Systems erhalten Konsumenten (bei Vorliegen
einer ärztlichen Bestätigung) einen finanziellen Anreiz (Reduktion des Selbstbehaltes für
ärztliche und zahnärztliche Leistungen um 50%), wenn sie unter ärztlicher Begleitung und
unter bestimmten Voraussetzungen gesundheitsfördernde Maßnahmen – wie beispielsweise
einen Raucherentzug – in Angriff nehmen und umsetzen. Ziel dieses neuen Systems ist es
laut SVA, „die Eigenverantwortung der Versicherten zu fördern“ (SVA, 2011).
Abseits der Suchtproblematik stellt sich die – letztendlich normativ zu beantwortende –
Frage, warum gerade das Rauchen derartig strengen Regulierungen unterworfen wird.
Müsste nicht auch das Glücksspiel und andere potenziell suchtgefährdende Tätigkeiten
zumindest gleich streng geregelt werden wie der Verkauf von Zigaretten, wenn es tatsächlich
um die Gesundheit der Bevölkerung und die Suchtvermeidung ginge? Oder müssten nicht
Individuen, die zu wenig Bewegung treiben oder die sich ungesund ernähren, mit einer
Steuer belegt werden, da von ihnen negative externe Effekte ausgehen? Oder gar
Individuen, die zu viel arbeiten und dadurch ihre Gesundheit auf Kosten der Allgemeinheit
aufs Spiel setzen?
Tabelle 2 fasst die Ergebnisse übersichtlich zusammen.
31
Gütermärkte – Handel
Tabelle 2: Zusammenfassung Regulierungen Handel
Bereich
Themenbereich
Handel
Verbot 60W
Glühlampen
Motivation der
Maßnahme
Klima- und
Umweltschutz,
Energieeffizienz
Würdigung
Alternativen
Lobbying,
Bevormundung der
Konsumenten
Regelung ökonomisch
bedenklich; Souveränität
der Konsumenten;
Informationen,
Internalisierung externer
Effekte bei
Stromproduktion
Regelung ökonomisch
bedenklich; Souveränität
der Konsumenten;
Informationen
Über den Status quo
hinausreichende
Regulierungen aus
ökonomischer Sicht
fragwürdig
Verbot
Plastiksäcke
Klima- und
Umweltschutz
Lobbying,
Bevormundung der
Konsumenten
Zigaretten
Negative externe
Effekte,
Suchtgefahr,
Gefährdung der
Gesundheit
Steuern,
Werbeverbote,
Warnhinweise,
Paternalismus
32
Sicherheit in der Mobilität
4. Sicherheit in der Mobilität
Ein Gebiet, auf dem laufend und in den letzten Jahren verstärkt Eingriffe des Staates in
Form von Vorschriften und Verboten zu beobachten sind, betrifft die Mobilität. Es ist
offensichtlich, dass es im Sinne der Sicherheit gesetzliche Vorschriften geben muss, um
Produzenten und Konsumenten zu schützen, da Marktmechanismen nicht in allen Fällen
effizient funktionieren und negative externe Effekte auftreten können. Doch gleichzeitig
entsteht der Eindruck, dass die Bürokratie in jüngster Vergangenheit vergessen zu haben
scheint, dass – und die überspitze Formulierung sei an dieser Stelle erlaubt – das Leben an
sich mit Risiko verbunden ist und es noch so viele Vorschriften nicht gänzlich auszuschalten
vermögen. Wie weit staatliche Eingriffe nun gehen sollen, ist letztendlich wohl eher eine
gesellschaftliche Frage als eine ökonomische. Trotzdem wird an dieser Stelle der Versuch
unternommen, derartige Vorschriften aus ökonomischer Sicht einer kritischen Würdigung zu
unterziehen.
4.1.
Ökonomische Würdigung
Wie bereits kurz erwähnt, betrifft eine Vielzahl an staatlichen Eingriffen die Sicherheit
der Konsumentinnen. Ob dies nun bei Kraftfahrzeugen die Gurtenpflicht (in Österreich seit
1976 (Vordersitze) bzw. 1984 (Rücksitze) eingeführt), verpflichtende ABS-, ESP- und
Bremsassistentensysteme, Tagfahrleuchten, das Mitführen von Apotheken und
Warnwesten, die Winterreifenpflicht (in Österreich seit 01.01.2008 für den Zeitraum 01.11.
bis 15.04. bei winterlichen Verhältnissen in Kraft), das Verbot des Telefonierens ohne
Freisprecheinrichtung oder auch der aktuell diskutierte und mit großer Wahrscheinlichkeit in
naher Zukunft verpflichtende Notrufsender für Autos (eCall System) ist – das Argument in
den angeführten Fällen lautet „mehr Sicherheit“. Ähnlich wird bei der Radhelmpflicht für
Kinder oder auch bei der Schihelmpflicht auf Österreichs Schipisten argumentiert.
Aus polit-ökonomischer Sicht sind Regulierungen im Sicherheitsbereich auch vor dem
Hintergrund der Verteilung ökonomischer Renten zu sehen. Wie in Abschnitt 4.2 noch
ausführlicher diskutiert werden wird, können Verfechter einer Sicherheitsmaßnahme auch
die unmittelbaren ökonomischen Nutznießer einer derartigen Maßnahme sein. Dies können
sowohl die Produzenten (Versicherungswirtschaft als Nutznießer einer gesetzlich
vorgeschriebenen Helmpflicht) als auch die Bürokraten (die Regulierungsvorschriften bei der
Schihelmpflicht obliegt in Österreich den einzelnen Bundesländern) sein.
Abschließend sei angeführt, dass einige Regulierungsmaßnahmen de facto jeglicher
sachlichen, wissenschaftlich untermauerten Grundlage entbehren und aus politökonomischer Sicht ausschließlich vor dem Hintergrund der Maximierung des Einflusses der
handelnden Akteure (Produzenten, Bürokratie) zu begründen sind. Beispielsweise gibt es
dem Wissen der Studienautoren nach keine Studie, die bestätigen würde, dass vom
Telefonieren am Steuer ohne Freisprechanlage ein erhöhtes Unfallrisiko ausgeht (Der
33
Sicherheit in der Mobilität
Standard, 2011b).38 Ein anderes Beispiel stellt das verpflichtende Fahren mit Abblendlicht
auch untertags dar. Diese Vorschrift war in Österreich zwischen 15.11.2005 und 31.12.2007
in Kraft, sie wurde jedoch aufgrund des fehlenden Nachweises der erhöhten Sicherheit
wieder außer Kraft gesetzt.
4.2.
Alternative Lösungsansätze
Nun stellt sich die Frage, ob es in diesem Zusammenhang Alternativen zu gesetzlichen
Regulierungen gibt. Bei einigen Regelungen scheint dies der Fall zu sein. Beispielsweise
scheint es fragwürdig, warum eine Radhelmpflicht für Kinder unter 12 Jahren (seit
01.06.2011 durch die 23. Novelle der Straßenverkehrsordnung) eingeführt wurde. Denn zum
Einen tragen bereits heute zwischen 80% und 90% der Kinder dieser Altersgruppe
Radhelme39 und zum Anderen konnte weltweit bisher keine positive Sicherheitswirkung
einer derartigen Maßnahme gemessen oder nachgewiesen werden.40 Selbst wenn das Ziel
sein sollte, dass möglichst viele Kinder unter 12 Jahren Radhelme tragen, scheinen aus
ökonomischer Sicht Appelle an die Eltern und andere erzieherische Maßnahmen geeigneter
als eine Vorschrift zu erlassen, die darüber hinaus nicht sanktioniert wird. Interessant in
diesem Zusammenhang ist der in der Diskussion immer wieder angeführte Aspekt, dass
Nutznießer dieser gesetzlichen Vorschrift die Versicherungswirtschaft sein kann, da
Versicherungsgesellschaften im Falle eines Unfalls ihre Leistungen unter dem rechtlichen
Fachbegriff „Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten“ unter Umständen verweigern bzw.
zumindest schmälern können. Angeblich ist dies – auch – eine Ursache dafür, dass sich die
Versicherungswirtschaft massiv für eine gesetzlich verankerte Radhelmpflicht eingesetzt hat
(Die Grünen, 2011).
Ähnliches gilt für die in jüngster Vergangenheit heftig diskutierte Verpflichtung zum
Tragen von Schihelmen. Auch hier ist zu hinterfragen, ob eine gesetzliche Verpflichtung der
richtige Weg ist oder ob auch nicht hier viel eher mit Hinweisen, Appellen und Informationen
gearbeitet werden sollte.
Aus ökonomischer Sicht zentral in den angeführten Fällen ist auch die Frage, welche
Anreize von derartigen Maßnahmen ausgehen. Dass Sicherheit und Vorsicht nicht immer
Hand in Hand gehen müssen bzw. von vermeintlichen Sicherheitsvorschriften genau
gegenteilige Effekte ausgehen können, zeigt eine Reihe von Beispielen. Durch das Tragen
von Helmen kann das Sicherheitsgefühl auf Kosten der Vorsicht steigen, das
Verantwortungsgefühl kann sinken. Aufgrund der vermeintlich höheren Sicherheit sind
Individuen in manchen Fällen bereit, höhere Risiken einzugehen. Daher ist es letztendlich
38
So steigt zwar durch das Telefonieren am Steuer das Unfallrisiko drastisch, jedoch unabhängig davon, ob
dabei eine Freisprechanlage verwendet wird oder nicht.
39
Laut einer Statistik des Verkehrsministeriums tragen bereits 87% der Kinder beim Radfahren einen Helm
(Kurier, 2011).
40
So hat auch die EU-Kommission die Wirksamkeit von Radhelmen untersucht und ist zu keinem positiven
Ergebnis gekommen. Daher gibt es im EU-Verkehrssicherheitsprogramm 2011 bis 2020 diesbezüglich auch
keine Empfehlung.
34
Sicherheit in der Mobilität
eine Frage des Abwägens bzw. der Grenzziehung, ab wann von Sicherheitsvorschriften
Anreize ausgehen, das persönliche Verantwortungsgefühl zu reduzieren und somit
kontraproduktiv wirken.
Zusammenfassend kann abschließend aus ökonomischer Sicht festgehalten werden, dass
in den beschriebenen Bereichen der Mobilität mit gesetzlichen Regulierungen Zurückhaltung
geübt werden sollte. Denn souverän entscheidende Individuen werden freiwillig zu
Sicherheitsmaßnahmen greifen, wenn diese als sinnvoll bzw. förderlich für die Sicherheit
erachtet werden – das Tragen von Fahrrad- und Schihelmen stellt den besten Beweis dafür
dar, dass hier Regulierungen nicht nur nicht notwendig, sondern aufgrund der negativen
ökonomischen Begleiterscheinungen wie Ineffizienzen (Rentenverteilung zugunsten der
Bürokratie oder Produzenten) entbehrlich sind. Die Motivation der Individuen ist in diesen
Fällen intrinsisch und muss daher nicht durch gesetzliche Vorschriften verstärkt werden.
Des Weiteren dürfen die Anreize, die von derartigen Regulierungen ausgehen, nicht
außer Acht gelassen werden. Für ein Zusammenleben in liberalen Gesellschaften ist die
Verantwortung sich selbst und seinen Mitmenschen gegenüber eine notwendige
Voraussetzung. Anreize, die diese Verantwortung untergraben könnten, sind daher tunlichst
zu vermeiden. Tendenzen, den Menschen glauben zu machen, jedes Risiko sei vermeidbar
und kann durch einen Helm, einen Knopf oder ein Licht ausgeschalten werden, sind
bedenklich. Die Kunst liegt darin, die Balance zwischen sinnvollen und entbehrlichen
Regulierungen im Sinne einer freien und souveränen Gesellschaft zu schaffen.
Tabelle 3 stellt die Ergebnisse zusammenfassend dar.
Tabelle 3: Zusammenfassung Regulierungen Sicherheit in Mobilität
Bereich
Themenbereich
Sicherheit in
Mobilität
Sicherheit KFZ
Helmpflicht
(Rad, Schi)
Motivation der
Maßnahme
Sicherheit
Sicherheit
Würdigung
Regelungen teils
ohne sachliche
Grundlagen, RentSeeking,
Anreizproblematik
Bevorzugung
ausgewählter
Industrien,
Nicht / schwer
sanktionierfähig;
Anreizproblematik
Alternativen
Informationen,
erzieherische
Maßnahmen, Moral
Suasion
Informationen,
erzieherische
Maßnahmen, Moral
Suasion
35
Energie
5. Energie
Der Energiesektor im weitesten Sinne ist durch eine Vielzahl an Regulierungsmaßnahmen
gekennzeichnet. Im Folgenden wird zunächst und ausführlich auf das Ökostromgesetz Bezug
genommen. Daran anschließend werden noch zwei Bereiche – die verpflichtende
Beimischung von Ethanol zu Benzin (Biosprit) und die aufgrund von EU-Richtlinien
umzusetzenden Vorschriften hinsichtlich der Wärmedämmung in Gebäuden – diskutiert und
einer ökonomischen Würdigung unterzogen.
5.1.
Ökostromgesetz
Auf dem Energiesektor soll anhand des Ökostromgesetzes (ÖSG)41 einerseits
veranschaulicht werden, welche staatlichen Regulierungsmaßnahmen hier gesetzt werden
und andererseits, wie diese aus ökonomischer Sicht zu beurteilen sind.
Wie in § 4 Abs. 1 ÖSG angeführt ist, besteht das Ziel des Gesetzes darin, im Interesse des
Klima- und Umweltschutzes sowie der Versorgungssicherheit ausgewählte Maßnahmen im
Energiesektor zu unterstützen. Diese Maßnahmen betreffen dabei die Förderung der
Erzeugung von Ökostrom und damit zusammenhängende Sachverhalte wie etwa die
Gewährleistung der Investitionssicherheit für bestehende und zukünftige Anlagen oder die
technologiepolitische Schwerpunktsetzung im Hinblick auf die Erreichung der Marktreife der
Technologien zur Erzeugung von Ökostrom. Darüber hinaus sind in § 4 Abs. 4 für den
Zeitraum 2010 bis 2020 konkrete Ausbauziele für die jeweiligen Energieträger (Wasserkraft,
Windkraft, Biomasse und Biogas und Photovoltaik) festgeschrieben. Um einen Anhaltspunkt
für das Ausmaß des Ökostroms in Österreich zu geben, sei erwähnt, dass sich der Anteil von
gefördertem Ökostrom an der gesamten Stromversorgung im Jahr 2008 auf 9,7% belief (EControl, 2011a).
5.1.1. Ökonomische Würdigung
Aus ökonomischer Sicht werden als Gründe für die Förderung erneuerbarer Energie
neben dem Umweltschutz meist technologische spill-overs, die Versorgungssicherheit sowie
die geschaffenen bzw. gesicherten Arbeitsplätze genannt.
Ohne an dieser Stelle auf die Regelungen des ÖSG im Detail einzugehen, seien an dieser
Stelle die zentralen Punkte des Gesetzes kurz angeführt. Geregelt sind unter anderem die
Kontrahierungspflicht (Abnahme von Ökostrom) und die Einspeistarife (inkl. Technologie –
und KWK-Bonus, geregelt im 3. Teil), die Förderungen für die Errichtung und Revitalisierung
41
Die exakte Bezeichnung dieses Ökostromgesetzes lautet: „Bundesgesetz, mit dem Neuregelungen auf dem
Gebiet der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energieträgern und auf dem Gebiet der Kraft-WärmeKopplung erlassen werden (Ökostromgesetz – ÖSG)“ (ÖSG, 2011). Das aktuell gültige Gesetz wurde am
29.07.2011 ausgegeben.
36
Energie
von Anlagen (Investitionszuschüsse, 4. Teil) sowie die Aufbringung und Verwaltung der
Fördermittel (6. Teil).
Die öffentlichen Reaktionen auf dieses Gesetz waren durchwegs positiv – sowohl von
Seiten der Vertreter aus dem Sektor erneuerbarer Energien (vgl. beispielsweise Ökocenter,
2011) als auch von Seiten der Wirtschaft (WKO, 2011b). Neben den Zielen des Klima und
Umweltschutzes scheinen von diesem Gesetz auch Investitionsanreize auszugehen, vor
allem was die Förderung neuer Technologien betrifft. In Reaktion auf dieses Gesetz
formulierte etwa Leitl: „Das neue Ökostromgesetz ist ein wichtiger Schritt in Richtung
Versorgungssicherheit und Förderung neuer Technologien, aber auch eine große finanzielle
Herausforderung für österreichische Betriebe, welche einen Gutteil der Finanzierung neben
den privaten Haushalten zu tragen haben. Das fällt uns alles andere als leicht, die Wirtschaft
ist sich aber angesichts der Atomkatastrophe von Fukushima, angesichts rasant steigender
Preise für Erdöl und Erdgas ihrer energiepolitischen Verantwortung bewusst. Nur wenn wir
Energie effizienter einsetzen und verstärkt auf Windenergie, Wasserenergie und Solarstrom
setzen, werden wir die Energiewende in Richtung Nachhaltigkeit schaffen“ (WKO, 2011b).
Ausgewählte Aspekte des ÖSG werden im Folgenden diskutiert, aus ökonomischer Sicht
gewürdigt und in ihrer Wirkung einer Beurteilung unterzogen. Nicht näher eingegangen wird
an dieser Stelle auf generelle Vorteile der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern
(wie beispielsweise verbesserter Klimaschutz, geringere Abhängigkeit von fossilen
Energieträgern, Reduktion von CO2-Emissionen und damit geringere Kosten für
Emissionszertifikate, etc.).
5.1.1.1.
Garantierte Einspeistarife
Vertraglich in ihrer Höhe und Dauer festgelegte Einspeistarife stellen ein staatliches
Lenkungsinstrument dar, mit dem der Ausbau von Stromerzeugung durch erneuerbare
Energieträger gefördert werden soll, indem attraktive Investitions- und Innovationsanreize
zum Bau von Stromerzeugungsanlagen gegeben werden und Kostendeckung für die Errichter
und Betreiber von derartigen Anlagen – zumindest in der Anfangsphase – gewährleistet
wird. Durch dieses Mindestpreissystem sollen Anreize für Investitionen geschaffen werden,
die ansonsten aufgrund ihrer fehlenden betriebswirtschaftlichen Rentabilität oder ihrer zu
hohen Risiken nicht getätigt würden. Prinzipiell sind Mindestpreise (Subventionen) aus
ökonomischer Sicht aufgrund ihrer allokativ verzerrenden Wirkung kritisch zu betrachten.
Allerdings können derartige Fördersysteme in bestimmten Fällen sehr wohl ein ökonomisch
geeignetes Instrument der Wirtschaftspolitik darstellen. So stellt die Forschung und
Entwicklung (F&E) einen Bereich dar, in dem mittels derartiger Instrumente versucht wird,
positive externe Effekte zu internalisieren. Denn der Markt stellt – so die ökonomische
Theorie – in diesen Fällen eine gesellschaftlich betrachtet zu geringe Menge zur Verfügung,
wodurch der Staat gefordert ist, dieses Marktversagen zu beseitigen. Mittels Mindestpreisen
oder Subventionen kann dabei versucht werden, die gesellschaftlich optimale Menge zu
erreichen und damit die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt zu erhöhen.
37
Energie
Dieses Mindestpreissystem hat sich bei der Förderung erneuerbarer Energieträger
mittlerweile weltweit durchgesetzt, zuletzt haben sich laut dem deutschen Bundesverband
Erneuerbare Energie e V. (BEE) Japan und China für ein derartiges System entschieden (BEE,
2011). Bei der Bewertung unterschiedlicher Fördersysteme kommen vorliegende
Untersuchungen mehrheitlich zum Schluss, dass „feste Einspeistarife für erneuerbare
Energien in puncto Kosteneffizienz, Anwendbarkeit und Akteursvielfalt nicht nur den
klassischen Quotensystemen überlegen sind, sondern auch so genannten Bonus/ Prämiensystemen“ (Ernst & Young in BEE, 2011). Regelungen mit festen Einspeistarifen
erweisen sich darüber hinaus als wettbewerbsfreundlicher als Quotensysteme.
Schleich vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) listet unter
den Vorteilen von Einspeistarifen das geringe finanzielle Investitionsrisiko, die Effektivität
sowie die moderaten Transaktionskosten auf. Demgegenüber liegen die Nachteile in der
hohen Informationsanforderung bei der Festlegung der „optimalen“ Tarife, im mangelnden
Wettbewerb, in den je nach konkreter Ausgestaltung geringen Innovationsanreizen, im
unsicheren Erreichen des Ausbauziels sowie der Kosteneffizienz bei differenzierten Tarifen.
Interessant scheint die Schlussfolgerung von Schleich. Denn während grüne
Zertifikatsmodelle (Quotenmodelle) theoretisch anderen Konzepten überlegen sind, ergeben
praktische Erfahrungen ein differenziertes Bild. Dabei kann nämlich eine tendenziell höhere
Effektivität in Ländern mit Einspeistarifen und eine tendenziell niedrigere Effizienz in
Ländern mit Zertifikatsmodellen festgestellt werden (Schleich, 2009).
Trotz dieses in der Literatur als überwiegend positiv beurteilten und in der Realität häufig
vorgefundenen Systems der garantierten Einspeistarife scheinen den Studienautoren einige
Punkte aus ökonomischer Sicht diskussionswürdig. Zunächst werden mit einem derartigen
System de facto risikolose oder sehr risikoarme Investitionen gefördert – und dies oftmals
für einen sehr langen Zeitraum. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit sich Investitionen auf
diesem Gebiet von anderen Investitionen unterscheiden. Denn abseits des Arguments der
Förderung erneuerbarer Energieträger sind an derartige Investitionen dieselben
Anforderungen zu stellen wie an alle anderen Investitionen – nämlich letztendlich
betriebswirtschaftliche Rentabilität. Folge von derartigen Fördersystemen können
entsprechende Fehlallokationen sein.
Ein zweiter Punkt, der nach Ansicht der Studienautoren zu hinterfragen ist und der aus
ökonomischer Sicht zentral ist, ist die Frage nach den Anreizen, die von garantierten
Einspeistarifen ausgehen. Es steht zu befürchten, dass die Anreize zu Innovationen in einem
System mit garantierten Einspeistarifen geringer ausfallen als in einem Marktsystem flexibler
Preise. Denn Preise erfüllen in einer Marktwirtschaft auch eine wichtige Signalfunktion, die
in einem System garantierter Einspeistarife außer Kraft gesetzt ist. Preise können unter
einem derartigen Regime Knappheiten nicht mehr richtig anzeigen.
Alternativen zu garantierten Einspeistarifen werden im Abschnitt 5.1.2 diskutiert.
38
Energie
5.1.1.2.
Technologieschub und Klimaschutz
Wie bereits kurz dargelegt, sollen durch die Mindestpreisregelung u. a. Anreize zur
Entwicklung neuer Technologien (F&E) im Sinne des Klimaschutzes gesetzt werden. Unter
Ökonomen ist dabei jedoch strittig, ob nicht der Emissionshandel alleine das wirtschaftlich
effizientere Instrument sei, wenn es um Klimaschutz geht bzw. ob die Anwendung mehrerer
Instrumente (Emissionshandel, Technologieförderung) letztendlich nicht kontraproduktiv
sein kann. In Deutschland fand rund um diese Frage in jüngster Vergangenheit ein heftiger
Schlagabtausch statt. Während das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung
(RWI) davon ausgeht, dass die Klima schonende Wirkung des Erneuerbaren Energien
Gesetzes (EEG) aufgrund des Emissionshandels nicht vorhanden sei, widerspricht das
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit dieser Feststellung
heftig (BMU, 2011). Ohne dass hier abschließend eine eindeutige Antwort auf diese Frage
gegeben werden kann, so kann festgehalten werden, dass mehrheitlich unter Ökonomen die
Ansicht vertreten wird, dass den Emissionshandel ergänzende Regulierungen (wie das ÖSG in
Österreich oder das EEG in Deutschland) aus volkswirtschaftlicher Sicht sinnvoll sind. Denn
zum Einen könnten erneuerbare Energien langfristig Energie (Strom) günstiger erzeugen als
dies mit konventionellen Technologien möglich ist. Und zum Anderen stellt die gezielte
Förderung erneuerbarer Energieträger ein adäquates Instrument dar, um das Marktversagen
auf dem Energiemarkt zu beheben.
In einer aktuellen Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) halten die
Autoren beispielsweise fest: „Um Klimaschutz kostengünstig zu erreichen, ist neben
Emissionshandel auch die Förderung neuer Technologien nötig. Spart man sich eine solche
gezielte Förderung etwa der erneuerbaren Energien, wird es teurer statt billiger – dies haben
Wissenschaftler des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung erstmals in aufwändigen
Computersimulationen für das 21. Jahrhundert durchgerechnet. Ohne Förderung bekommen
energietechnische Innovationen mit starkem Kostensenkungspotenzial kaum eine Chance,
weil anfangs erheblich in sie investiert werden muss: ein Fall von Marktversagen“ (Kalkuhl et
al., 2012). Die Autoren dieser zitierten Studie führen weiter an, dass durch den
Emissionshandel der Ausstoß von Treibhausgasen zwar erfolgreich reduziert werden kann,
allerdings seien die Kosten dafür höher als im Falle einer begleitenden Technologieförderung
der erneuerbaren Energieträger.
5.1.1.3.
Sinkende Großhandelspreise
Wenn langfristig teurer Strom (sei es aufgrund steigender Preise fossiler Energieträger
oder aufgrund von preiswirksamen Internalisierungsmaßnahmen bei mit externen Effekten
verbundener Stromerzeugung) durch billigeren Strom aus erneuerbaren Energieträgern
verdrängt werden kann, bedeutet dies gemäß des Merit-Order Effekts sinkende
Großhandelspreise. Studien kommen bei der Analyse der Entwicklung des Strompreises in
jüngster Vergangenheit jedoch zu unterschiedlichen Ergebnissen, ob diese Wirkung
tatsächlich eingetreten ist bzw. ob sie in Zukunft eintreten wird. Beachtet werden muss
dabei jedoch auch die Tatsache, dass bei derartigen Untersuchungen meist von
39
Energie
Anpassungseffekten des konventionellen Kraftwerksparks abstrahiert wird (Wissen, Nicolosi,
2007).
5.1.1.4.
Sinkende Abhängigkeit von Importen fossiler Energieträger
Abseits von umweltpolitischen Argumenten und unabhängig davon, wie sich die
Großhandelspreise für elektrische Energie zukünftig entwickeln, scheint die Förderung
erneuerbarer Energieträger vor allem auch vor dem Hintergrund einer damit
einhergehenden sinkenden Abhängigkeit von Lieferungen fossiler Energieträger (Erdöl,
Erdgas) aus dem Ausland aus wirtschaftspolitischer Sicht ratsam.
5.1.2. Alternative Lösungsansätze
In den europäischen Staaten kommen neben Mindestpreismodellen (Einspeistarife),
Quotenregelungen, Ausschreibungsmodelle sowie Modelle, die mit steuerlichen Anreizen
arbeiten, zur Anwendung. Zum jetzigen Zeitpunkt scheinen Mindestpreismodelle (und somit
auch das ÖSG) die wirkungsvollsten Instrumente zu sein. Trotz diesem prinzipiellen positiven
Urteil für das ÖSG scheinen folgende Fragen zentral bei einer detaillierten Beurteilung des
ÖSG.
Zunächst müsste untersucht werden, ob die Anreize zur Förderung neuer Technologien
im Bereich erneuerbarer Energien durch die konkreten Maßnahmenpakete im ÖSG
hinreichend stark sind. Denn nur, wenn mit der Regulierung auch entsprechende Anreize zur
Entwicklung neuer Technologien verbunden sind, können die Maßnahmen in einer
dynamischen Betrachtung aus ökonomischer Sicht positiv bewertet werden.
Eine weitere Frage dreht sich um den Übergang zur Marktreife und somit die Integration
in einen Wettbewerbsmarkt – wie dies beispielsweise in Deutschland bereits intensiv
diskutiert wird. Hier sind in Deutschland bereits zwei Modelle entwickelt worden, von denen
nach einer Analyse im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie
(BMWi) das „gleitende Marktprämienmodell“ des Fraunhofer-Instituts für System- und
Innovationsforschung (ISI) als das geeignetere angesehen wird. Im Fokus dieses Modells
steht die Marktintegration erneuerbarer Energien (Sensfuss, Ragwitz, 2011). Ohne auf eine
kritische Würdigung dieser Modelle an dieser Stelle näher einzugehen, scheint es den
Autoren der vorliegenden Arbeit notwendig, dass auch in Österreich in Anlehnung an die
Diskussion in Deutschland schon heute weiterführende Anreizsysteme entwickelt werden
müssen, so dass sich die Einspeisung letztendlich stärker als zurzeit am Stromverbrauch
orientiert (BMWi, 2011).
Darüber hinaus darf die Situation rund um die Infrastruktur keinesfalls aus den Augen
verloren werden. So unterstreichen die Autoren der vorliegenden Arbeit die von Erdmann
formulierte These, dass es – bezogen auf die deutsche Elektrizitätsversorgung – „heute nicht
mehr darum gehen muss, möglichst schnell möglichst viel erneuerbare Energie zuzubauen,
sondern darum, die Elektrizitätsinfrastruktur und das Marktdesign fit zu machen für weiter
40
Energie
ansteigende erneuerbare Energie Kapazitäten“ (Erdmann, 2011). Dies scheint in Österreich
nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Thematik rund um die Speicherung elektrischer
Energie, wofür der Alpenraum in Form von Pumpspeicherkraftwerken immer wieder als
prädestiniert erachtet wird, zukünftig von zentraler Bedeutung zu sein.
Die beiden in den vorigen Absätzen angeschnittenen Punkte werden durch Aussagen von
Haas unterstrichen, die er im Zuge der 7. Internationalen Energiewirtschaftstagung an der
TU Wien im Februar 2011 getroffen hat. „Investitionen in erneuerbare Energieträger sind
derzeit die einzige zukunftsorientierte Aktivität am Strommarkt“ und sie seien „weiter
voranzutreiben und durch Investitionen in Stromnetze und Speicher zu ergänzen“. Die
Förderung erneuerbarer Energieträger über den Strompreis sei alternativenlos (Haas, 2011).
5.1.2.1.
Verlorene Investitionszuschüsse als Alternative
Verlorene Investitionszuschüsse stellen eine Alternative zu garantierten Einspeistarifen
dar. Nach Ansicht der Studienautoren haben (einmalige) verlorene Investitionszuschüsse
gegenüber garantierten Einspeistarifen der Vorteil, dass der (Kraftwerks)Betreiber nach
erfolgreicher Investition gezwungen ist, sich am Markt zu bewähren und Strom zu
Marktbedingungen (Marktpreisen) zu verkaufen. Dabei ist davon auszugehen, dass die
Anreize zu laufenden Innovationen – im Gegensatz zu garantierten Einspeistarifen – stärker
sind.
Gleichzeitig besteht für die öffentliche Hand eine größere Planungssicherheit. Denn die
verlorenen Investitionszuschüsse belasten die öffentliche Hand zwar zum Zeitpunkt der
Errichtung einer Kraftwerks (oder Windparks) finanziell, anschließend bestehen aber keine
weiteren Risiken und finanzielle Belastungen mehr.
Zusammenfassend halten die Studienautoren fest, dass verlorene Investitionszuschüsse
vor allem aus dynamischer Betrachtung eine attraktive Alternative zu garantierten
Einspeistarifen darstellen. Den Hauptvorteil orten die Studienautoren dabei in den Anreizen
für die Kraftwerksbetreiber, sich nach den getätigten Investitionen am Markt im
Wettbewerb mit anderen Marktteilnehmern bewähren zu müssen.
5.1.2.2.
Verstärkte Internalisierung externer Effekte als Lösung?
An dieser Stelle der Arbeit sollen noch einige Worte dazu verloren werden, ob nicht das
gesamte Fördersystem weit weniger notwendig bzw. radikal zu vereinfachen wäre, wenn das
Problem an einer anderen Stelle zu lösen versucht würde.
Erneuerbare Energie (bzw. die Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Energieträgern)
wird ja nicht zuletzt deshalb gefördert, da sie im Wettbewerb mit traditioneller (nicht
erneuerbaren) Energieerzeugung am Markt nicht bestehen kann. Dabei kommt den Preisen
eine zentrale Bedeutung zu. Zu berücksichtigen gilt es in diesem Zusammenhang, dass die
Preise für Strom aus nicht erneuerbaren Energieträgern nicht zuletzt auch gerade deshalb so
41
Energie
niedrig sind, da die externen Kosten nicht zur Gänze internalisiert sind. Das deutsche
Umweltbundesamt formuliert diesbezüglich, dass hier insofern Internalisierungsdefizite
vorliegen, als „zwar externe Kosten in den Strompreis einbezogen werden, deren Höhe bzw.
Anlastung jedoch deutliche Internalisierungsdefizite aufweist" (UBA, 2007). So werden je
nach Energieträger zwischen 1,9 und 6,9 Cent / kWh an externen Kosten nicht internalisiert.
Auf die Problematik der Berechnung von externen Kosten von Atomstrom sei an dieser Stelle
lediglich hingewiesen!
Würden auf der einen Seite alle externen Kosten bei der Stromproduktion berücksichtigt
werden, so müssten auf der anderen Seite nicht in dem Umfang erneuerbare Energien
gefördert werden, wie dies zurzeit der Fall ist. Denn im Falle einer Internalisierung sämtlicher
externer Effekte steigen die Strompreise, wodurch die Erzeugung von Strom aus
erneuerbaren Energieträgern entsprechend attraktiver wird und im freien Wettbewerb mit
Strom aus nicht erneuerbaren Energieträgern – zumindest leichter – bestehen kann als
derzeit.
Abseits der Frage nach den geeigneten Instrumenten zur Förderung der
Energieerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern erachten die Studienautoren eine
wesentlich stärkere Internalisierung von externen Effekten bei der Stromproduktion als
zentral – auch mit dem Wissen, dass die Strompreise dadurch entsprechend höher wären als
dies derzeit der Fall ist.
5.2.
Biosprit und Wärmedämmung
Im Folgenden sollen abschließend noch zwei Maßnahmen im Energiebereich kurz
diskutiert und aus ökonomischer Sicht beleuchtet werden. Eine Maßnahme betrifft die
geplante verpflichtende Einführung von so genanntem Biosprit in Österreich im Oktober
2012, die zweite Maßnahme die verpflichtend vorgeschriebene Wärmedämmung.
5.2.1. Biosprit: Ökonomische Würdigung
Biosprit (Beimischung von Ethanol zu regulärem Kraftstoff, E10) soll dazu beitragen,
einerseits den Rohstoffverbrauch (fossiles Erdöl) einzuschränken und andererseits CO2Emissionen zu reduzieren. In Österreich ist geplant, mit Oktober 2012 diesen Treibstoff E10
verpflichtend und flächendeckend einzuführen.42 Vor dem Hintergrund der Ereignisse in
Deutschland, wo nicht alle Automarken dieses Benzingemisch problemlos vertragen haben,
hat sich mittlerweile auch in Österreich eine breite Front der Ablehnung von E10 gebildet.
Sowohl die Wirtschaftskammer (WKO, 2011c) als auch die Arbeiterkammer (AK, 2011b)
machen gegen die Einführung – wenn auch aus unterschiedlichen Motiven – mobil.
42
In Deutschland wurde E10 im Jahr 2011 eingeführt. Hintergrund dafür ist die EU-Richtlinie 2003/30/EG
(Biokraftstoffrichtlinie) bzw. 2009/28/EG.
42
Energie
Ähnlich wie bei anderen Maßnahmen im Umweltbereich und wie auch im Bereich der in
Abschnitt 3.1 ausführlich diskutierten Regelungen rund um Energiesparlampen wird auch im
Bereich der Biokraftstoffe mit gesetzlichen Vorschriften und Eingriffen versucht, mittels
direkter Eingriffe das Verhalten der Individuen zu beeinflussen. Und wie anhand der
Energiesparlampen gezeigt stellt sich auch im Zusammenhang mit Biosprit die Frage, ob es
nicht geeignetere, marktwirtschaftsnähere Maßnahmen und Instrumente gäbe, das
gewünschte Ziel zu erreichen. Alternative Lösungsansätze werden im Abschnitt 5.2.2
diskutiert.
Im Zusammenhang mit der Einführung von Biosprit soll ein Themenkreis kurz
angeschnitten werden, wobei auf eine ausführliche Diskussion an dieser Stelle bewusst
verzichtet wird. Ein verstärkter weltweiter Einsatz von Lebensmittel, die als Kraftstoffe
dienen, bedeutet eine steigende Nachfrage nach diesen Lebensmitteln, was bei
unverändertem Angebot zunächst steigende Preise bedeutet. In diesem Zusammenhang
stellt sich aus Sicht der Autoren die – letztendlich normativ zu beantwortende – Frage nach
der Verteilungsgerechtigkeit, nämlich ob aufgrund dieser steigenden Nachfrage steigende
Lebensmittelpreise, die überproportional vor allem einkommensschwache Volkswirtschaften
bzw. Gesellschaften treffen, zu verantworten sind. Diese Frage ist nicht zuletzt vor dem
Hintergrund zu erörtern, dass der weltweite Agrarmarkt mit einer Vielzahl an Eingriffen
(Mindestpreise, Exportförderungen, Importquoten etc.) bereits heute alles andere als einen
wettbewerblichen Markt darstellt und so– vielleicht stärker als in anderen Bereichen – im
Detail zu untersuchen ist, welche Maßnahmen letztendlich welche Gewinner und Verlierer
mit sich bringen.
Darüber hinaus ist in diesem Zusammenhang zu erörtern, ob die Klimabilanz bei Biosprit
tatsächlich positiv ausfällt. In Abhängigkeit davon, ob für den Anbau für Lebensmittel zur
Produktion von Biosprit Wälder gerodet werden müssen oder nicht, kommen Studien zu
unterschiedlichen Ergebnissen. „Würde man die Umwandlung von gewachsener Natur in
Anbaufläche berücksichtigen, werde die CO2-Bilanz des Biosprits sogar negativ“ (Die Zeit,
2011).
Nicht zuletzt kritisch zu hinterfragen ist diesbezüglich auch die Tatsache, dass
mancherorts (beispielsweise in Deutschland) der Anbau von Biomasse (zur Produktion von
Kraftstoffen) staatlich subventioniert wird und somit Landwirte massiv Anreize vorfinden,
die Lebensmittelproduktion für Nahrungszwecke zugunsten der Lebensmittelproduktion für
Kraftstoffe einzuschränken.
5.2.2. Biosprit: Alternative Lösungsansätze
Im Falle von Biosprit ist aus ökonomischer Perspektive zu diskutieren, ob nicht auch hier
preisliche Lösungen die zielführenderen und marktnäheren sind als eine verpflichtende
Beimischung von Ethanol zu herkömmlichen Kraftstoffen.
43
Energie
Zum Einen könnte – ähnlich wie bei der Stromproduktion – versucht werden, sämtliche
externe Effekte, die mit dem Konsum von herkömmlichen Kraftstoffen verbunden sind
(Lärm, Klima- und Umweltschäden, Gesundheitsschäden etc.), mittels Steuern zu
internalisieren. Dies würde zunächst höhere Treibstoffpreise bedeuten. Gleichzeitig würden
dadurch jedoch Anreize geschaffen, über den derzeit in Verwendung befindlichen
Biokraftstoff hinaus weitere alternative Treibstoffe (Biosprit der 2. bzw. 3. Generation) zu
entwickeln, so dass letztendlich die Konsumentinnen die Wahlfreiheit haben zwischen
traditionellen und alternativen Kraftstoffen, ohne dass seitens des Staates direkt auf die
Konsumentenentscheidung mittels Verboten eingegriffen werden muss.
Sollten die Anreize zu diesen Innovationen nicht groß genug sein, so könnte zum
Anderen eine Subvention der Forschung und Entwicklung alternativer Biokraftstoffe aus
wohlfahrtsökonomischer Sicht insofern gerechtfertigt werden, als damit die gesellschaftliche
Wohlfahrt erhöht werden kann.
Zusammenfassend halten die Studienautoren fest, dass auch bei der verpflichtenden
Einführung von E10 dirigistische Maßnahmen vorherrschen, die mit einem
marktwirtschaftlichen System nur schwer in Einklang zu bringen sind. Stattdessen könnte
beispielsweise auf eine Lösung mittels Steuern (zur stärkeren Internalisierung von externen
Effekten) bei herkömmlichen Kraftstoffen bzw. eine Subventionierung der Forschung und
Entwicklung alternativer Biokraftstoffen zurückgegriffen werden.
5.2.3. Wärmedämmung: Ökonomische Würdigung
EU-Richtlinien – im Wesentlichen die Richtlinie 2010/31/EU bzw. vormals 2002/91/EG
(„EU-Gebäuderichtlinie“) – sollen Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden
verstärken und letztendlich diesbezügliche Energieeinsparungen in Europa vorantrieben.
Eine der Vorgaben dabei ist, verpflichtende wärmedämmende Maßnahmen wie
Fassadendämmung oder Fenstertausch bei der Generalsanierung eines Gebäudes zu setzen.
Hansen (2011) stellt vor dem Hintergrund dieser neuen Gebäuderichtlinie fest: „Die
Einhaltung der gesetzten Klimaziele ist nur durch eine Erhöhung der energetischen
Sanierungsrate
realisierbar. Mit
einer Steigerung der Ausschöpfung der
Sanierungspotenziale von derzeit rund 30% im europäischen Mittel um 1% pro Jahr und
einer vollständigen Umsetzung der neugefassten EU-Gebäuderichtlinie könnten die
Emissionen im europäischen Wohngebäudesektor bis 2030 um 32% vermindert werden.“
Mit dieser Richtlinie sei ein „ordnungspolitischer Rahmen“ gesetzt worden, wobei „die
Fragen der Wirtschaftlichkeit und Finanzierbarkeit der Maßnahmen aus der Sicht des
Staatshaushalts sowie aus der Perspektive der Hausbesitzer und Mieter zu bewerten sind“
(Hansen, 2011).
Abseits der klimapolitischen Diskussion von Sanierungsmaßnahmen steht aus
ökonomischer Sicht dabei die Frage, wie derartig gesetzte Ziele möglichst marktkonform und
mit möglichst wenig allokativen Verzerrungen erreicht werden können, im Mittelpunkt.
44
Energie
5.2.4. Wärmedämmung: Alternative Lösungsansätze
Ohne hier die Förderlandschaft für Sanierungsmaßnahmen im Gebäudebereich
umfassend zu diskutieren, erachten die Studienautoren vor allem folgende zwei Punkte in
diesem Zusammenhang als zentral.
Zum Einen sollte hier – ähnlich wie bei der Förderung erneuerbarer Energie – stark mit
verlorenen Zuschüssen gearbeitet werden. Denn mit derartigen Instrumenten wird insofern
relativ gering in das Marktgeschehen eingegriffen, als die Konsumentensouveränität nicht
eingeschränkt wird. Allerdings gilt es dabei zu berücksichtigen, dass die aktuelle
Förderlandschaft gerade in diesem Bereich in Österreich schon heute nur mehr schwer
überblickbar ist und diese Tatsache mit jeder zusätzlichen Förderung noch verstärkt wird.
Gleichzeitig ist fraglich, ob die Produzenten mit derartigen Maßnahmen genügend Anreize
vorfinden, über die gesetzlichen Vorschriften hinaus innovative Produkte oder
Dienstleistungen zu entwickeln.
An diesen letzten Punkt anknüpfend ist nach Ansicht der Studienautoren daher zum
Anderen zu diskutieren, ob nicht mittels Subventionen Forschungstätigkeiten in diesem
Bereich verstärkt forciert werden sollen. Denn mittels Subventionen in diesem Bereich
könnten positive externe Effekte internalisiert werden und so zu einer Steigerung der
gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt beitragen.
Tabelle 4 fasst die Ergebnisse hinsichtlich der ausgewählten Themenbereiche im Sektor
Energie in übersichtlicher Form nochmals dar.
45
Energie
Tabelle 4: Zusammenfassung Regulierungen Sektor Energie
Energie
Bereich
Ökostromgesetz
(Garantierte
Einspeistarife§)
Motivation der
Maßnahme
Klima- und
Umweltschutz,
Investitions- und
Innovationsförderung (F&E)
Ökostromgesetz
(Investitionsförderung§)
Investitions- und
Innovationsförderung (F&E)
Förderungen,
Zuschüsse
Biosprit (E10)
Klima- und
Umweltschutz,
CO2-Vermeidung
Dirigistische
Maßnahme,
Eingriff in
Konsumentensouveränität
Wärmedämmung
Klima- und
Umweltschutz,
CO2-Vermeidung
Gesetzliche
Vorschriften für
Energieverbrauch
Themenbereich
(„Gebäuderichtlinie“)
§
Anmerkung: Dynamische Betrachtung wichtig,
Strominfrastruktur, Integration im Wettbewerbsmarkt.
Würdigung
Mindestpreise
verstärkte
Alternativen
Verlorene
Investitionszuschüsse,
Steuern zur
Internalisierung von
externen Effekten bei
Stromproduktion
Subventionen zur
Förderung von F&E
Steuern zur
Internalisierung von
externen Effekten bei
konventionellen
Kraftstoffen,
Subventionen von F&E
Verlorene
Investitionszuschüsse,
Subventionen von F&E
Orientierung
am
Stromverbrauch,
46
Familienpolitik: Geld- versus Sachleistungen
6. Familienpolitik: Geld- versus Sachleistungen
Die österreichische Politik im Allgemeinen bzw. die Familienpolitik im Speziellen war in
den letzten Jahren nicht zuletzt auf Grund theoretischer Argumente gekennzeichnet von der
Überzeugung, dass Geldleistungen zielführender sind als Sachleistungen. Seit dem Herbst
des vergangenen Jahres scheint sich jedoch auf Basis diverser Untersuchungen und Studien
eine Kehrtwende hin zu einer Forcierung von Sachleistungen abzuzeichnen. So bezeichnete
der Obmann des Seniorenbundes, Andreas Khol, die Familienpolitik seiner Partei als
gescheitert, obwohl er sich – und mit ihm vor allem auch Vertreter innerhalb seiner Partei –
in den Jahren zuvor vehement für das System der Geldleistungen eingesetzt haben. „Man
muss ganz ideologiefrei und objektiv eingestehen, dass die Familienpolitik gescheitert ist –
das Motto „Mehr Geld für Familien bedeutet mehr Geburten“ war nicht erfolgreich. Also
müssen wir überlegen, was wir falsch gemacht haben. Und da sieht man im Vergleich mit
Schweden und Frankreich, dass wir zu wenig Kinderbetreuungseinrichtungen oder
Ganztagsschulen haben“ (Khol, 2010).
Auch aus der OECD-Studie „Doing better for families“ geht hervor, dass Österreich
führend bei den Familienleistungen ist, wobei vor allem der Anteil der Geldleistungen
dominiert, während die Ausgaben für Dienstleistungen43 im Ländervergleich deutlich
geringer ausfallen. Da aber vor allem jene Länder hinsichtlich Armutsprävention und
Kindeswohlergehen gut abschneiden, die besonders in Dienstleistungen investieren,
empfiehlt die OECD Österreich, mehr Investitionen in Sachleistungen anstelle von
Geldleistungen vorzunehmen (Parlament, 2011).44
Abseits der Familienpolitik spielt die Diskussion Geld- versus Sachleistungen auch in
anderen Politikbereichen immer wieder eine bedeutende Rolle. Als Beispiele seien an dieser
Stelle etwa das Pflegegeld oder auch Sachleistungen bei der Sozialhilfe bzw.
Bedarfsorientierten Mindestsicherung (etwa Bekleidungshilfe) angeführt.
Vor diesem Hintergrund werden nun die beiden Systeme Geld- und Sachleistungen aus
ökonomischer Sicht beleuchtet.
43
So flossen laut Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) 2008 lediglich 12,4% der Ausgaben für Familien in
Sachleistungen (ORF, 2010).
44
Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass zum jetzigen Zeitpunkt nicht feststellbar ist,
wie viel Mittel insgesamt in die Kindesbetreuung fließen. Denn da sowohl der Bund als auch die Länder und
Gemeinden bei der Finanzierung beteiligt sind, ist keine Transparenz über die aufgebrachten Mittel der
einzelnen Ebenen gegeben. Vor diesem Hintergrund wurde in der 107. Sitzung des Nationalrates am
18.05.2011 folgender Entschließungsantrag eingebracht: „Die Bundesregierung wird aufgefordert, alle
Ausgaben für Familienleistungen einschließlich entfallener öffentlicher Abgaben getrennt nach Leistungsarten
und je Gebietskörperschaft zu erfassen und dem Nationalrat spätestens Ende 2011 einen diesbezüglichen
Bericht zuzuleiten“ (Parlament, 2011).
47
Familienpolitik: Geld- versus Sachleistungen
6.1.
Ökonomische Würdigung
Aus wohlfahrtstheoretischer Sicht sollte ausschließlich in die Anfangsausstattungen eines
Individuums eingegriffen werden, nicht jedoch in die Allokation selbst. Denn unter
bestimmten Annahmen – beispielweise hinsichtlich der Präferenzen der Individuen – kann
gemäß des 2. Hauptsatzes der Wohlfahrtsökonomie durch die Wahl der
Anfangsausstattungen jede paretooptimale Allokation als Wettbewerbsgleichgewicht
implementiert werden. Aus diesem Verständnis heraus sind Geldleistungen, die
entsprechend in die Anfangsausstattung eingreifen, direkten Eingriffen in den Markt (in
Form von konkreten Sachleistungen wie Schülerfreifahrten, Bekleidungshilfen,
Kinderbetreuungseinrichtungen etc.) vorzuziehen.
In Abbildung 1 ist anhand eines einfachen 2-Güter-Modells dargestellt, wie Geld- und
Sachleistungen mikroökonomisch gegenübergestellt werden. Um die Darstellung und
Analyse zu vereinfachen, werden dabei gesetzliche Pflegedienstleistungen auf der X-Achse
und die Gesamtheit aller übrigen Güter auf der Y-Achse dargestellt. Alle Punkte in der durch
die Achsen aufgespannten Ebene können als von einer Konsumentin konsumierte
Mengenkombinationen (Güterbündel) aus Pflegeleistungen und übrigen Gütern interpretiert
werden.
Abbildung 1: Wirkungen von Geld- und Sachleistungen
Quelle: Arntz, Spremann (2004).
Zunächst kann die Konsumentin jedes Güterbündel unterhalb und auf ihrer
Budgetgerade AB konsumieren. Sie wird um ihren Nutzen zu maximieren, das Güterbündel
48
Familienpolitik: Geld- versus Sachleistungen
am Tangentialpunkt zwischen Budgetgerade und Indifferenzkurve U0 wählen45. Werden nun
Geldleistungen seitens der öffentlichen Hand gewährt, so bedeutet dies, dass sich die
Budgetgerade von AB parallel nach rechts außen auf A´B´ verschiebt und die Konsumentin
nun ein größeres Budget zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse hat als zuvor. Dadurch kann die
Konsumentin unter diesen neuen Rahmenbedingungen auch ein höheres Nutzenniveau
(dargestellt durch die Indifferenzkurve U1) erreichen. Werden anstelle von Geldleistungen
seitens der öffentlichen Hand hingegen ausschließlich Sachleistungen angeboten, kann die
Konsumentin zwar mehr gesetzliche Pflegedienstleistungen (Sachleistungen) nachfragen,
jedoch nicht mehr andere Güter wie zuvor. Unter der Annahme von gleich großen
Sachleistungen wie Geldleistungen bedeutet dies, dass sich die Budgetgerade von AB auf
A´CB verschiebt, wodurch sich die Konsumentin zum Konsum von Sachleistungen im Ausmaß
von BC entscheiden. Das damit verbundene Nutzenniveau ist durch die Indifferenzkurve U2
dargestellt. Zentral ist nun die Tatsache, dass die Konsumentin im Fall von Sachleistungen
zum Konsum einer Menge an Pflegedienstleistungen „gezwungen“ wird, die größer ist als
jene im Falle von Geldleistungen. Wollte man erreichen, dass die Konsumentin das
Konsumbündel C in Anspruch nimmt, so hätte man dies auch mit geringeren Geldleistungen
(als den Gegenwert der Sachleistungen) erreichen können (Arntz, Spremann, 2004).
Auf der anderen Seite zeigen praktische Erfahrungen, dass Geldleistungen nicht in allen
Fällen derart eingesetzt werden, wie dies vom Gesetzgeber gewünscht ist. Erwähnt sei in
diesem Zusammenhang eine Aussage von Bundesminister Hundstorfer anlässlich der 21.
Klagenfurter Stadtgespräche im September 2010, in der er sinngemäß anmerkte, dass es
nicht Sinn und Zweck des Pflegegeldes ist, dass die Bezieher des Pflegegeldes (in den
geringsten Stufen) dieses Geld zum Betanken der Autos ihrer Enkelkinder verwenden.
Ähnlich ist die anfangs erwähnte Kehrtwende weg von Geld- und hin zu mehr
Sachleistungen in der Familienpolitik zu verstehen. Wie sich zu zeigen scheint, bringen die
bisherigen Anstrengungen in der Familienpolitik mittels Geldleistungen nicht den
erwünschten Erfolg – im konkreten Fall eine höhere Geburtenrate.
Obwohl aus theoretischer Sicht Geld- den Sachleistungen überlegen zu sein scheinen,
gehen Maßnahmen in der Praxis in eine andere Richtung. Zuletzt forderte in Österreich auch
die Arbeiterkammer im Juni 2011 mehr Sachleistungen im Bereich der Kinderbetreuung und
Pflege: „…fordert die Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer Investitionen in den
Ausbau der Sachleistungen in der Kinderbetreuung, Pflege und anderer haushaltsnaher
Dienstleistungen“ (AK, 2011a). Auch in Deutschland sprechen sich Ökonomen für mehr
Sachleistungen aus. So empfiehlt der Arbeitsmarktökonom Möller im Zuge der Diskussion
um die Höhe der Regelsätze bei Hartz-IV in einem Interview mit der Wirtschaftswoche, „den
Kindern mehr Sachleistungen zu gewähren. Der Staat sollte zum Beispiel die Kosten für
Fördermaßnahmen oder das Schulessen übernehmen“ (Möller, 2010). Und zu guter Letzt sei
45
Die Konsumentin bewertet alle Punkte (Güterbündel) auf einer Indifferenzkurve gleich, da sie den gleichen
Nutzen hervorrufen. Sie entscheidet sich für das Güterbündel, das – im Rahmen ihres Budgets – den
höchstmöglichen Nutzen hervorruft (und daher auf der „höchsten“ Indifferenzkurve liegt).
49
Zusammenfassung
auch ein Beispiel aus den USA angeführt – dort werden seit 1964 Lebensmittel für bedürftige
Haushalte46 subventioniert (Lebensmittelmarken).
Tabelle 5 fasst die Ergebnisse der Regulierungen in der Familienpolitik hinsichtlich der
Debatte Geld- versus Sachleistungen überblicksmäßig zusammen.
Tabelle 5: Zusammenfassung Regulierungen Familienpolitik
Geld- vs.
Sachleistungen
Bereich
Themenbereich
Familienpolitik
Motivation der
Maßnahme
Steigerung der
Geburtenrate
Würdigung
Geldleistungen
theoretisch
überlegen,
praktisch
differenziertes Bild
Alternativen
Kombination von Sachund Geldleistungen
7. Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit untersucht ausgewählte staatliche Eingriffe in das
Wirtschaftsgeschehen, wobei sich der Bogen von Regulierungen im Umfeld der
Finanzmärkte über den Handel, die Sicherheit in der Mobilität und dem Energiebereich bis
hin zur Frage, ob Sach- oder Geldleistungen die geeigneteren Instrumente zur Erreichung
gewünschter Ziele in der Familienpolitik darstellen, spannt. Der Fokus der vorliegenden
Arbeit liegt dabei zum Einen auf der ökonomischen Würdigung der einzelnen Maßnahmen
und zum Anderen auf der Diskussion alternativer Lösungsansätze.
Abgesehen von wenigen Einzelfällen, in denen staatliches Eingreifen aus ökonomischer
Sicht relativ klar zu begründen ist – wie beispielsweise im Falle des Vorliegens externer
Effekte – betreffen viele Regulierungsmaßnahmen Fälle, die eher aus politökonomischer
Sicht beurteilt werden können. Dabei handelt es sich beispielsweise um das Rent-Seeking
von Produzenten, die Maximierung des Einflusses der Bürokratie oder auch um die
Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen durch Lobbying. In diesen Fällen scheinen oftmals
alternative Lösungsansätze gegeben zu sein, wobei diese von einem Stärken der
Rahmenbedingungen aus ordnungspolitischer Sicht über das Stärken der Konsumentenseite
bis hin zu intensiverer Informationspolitik und moralischen Appellen reichen können.
In einigen Fällen hingegen – wie beispielsweise im Energiebereich – scheinen den
Studienautoren aufgrund des Vorliegens von externen Effekten sehr wohl bzw. sogar
verstärkt Eingriffe mittels Steuern bzw. Subventionen empfehlenswert. Dies vor allem vor
dem Hintergrund, dass in der Realität in diesen Bereichen oftmals mit direkten Eingriffen in
den Markt (Vorschriften und Verbote wie bei Energiesparlampen, Biosprit und
46
Laut Auskunft des US-Landwirtschaftsministeriums belief sich die Anzahl der Bezieher von
Lebensmittelmarken in den USA im Juni 2010 auf mehr als 40 Mio. (MMnews, 2010). Mit Dezember 2010
waren es bereits über 44 Mio.
50
Zusammenfassung
Wärmedämmung) gearbeitet wird, die aus Sicht der Studienautoren die schlechtere – weil
weniger marktwirtschaftlichere – Alternativen darstellen.
Aus den in der Arbeit diskutierten Fällen wird ersichtlich, dass die Debatte der
staatlichen Eingriffe in das Marktgeschehen in vielen Fällen auch auf die Frage nach der
Souveränität der Individuen hinausläuft. Auf die in der Einleitung aufgeworfene Frage, ob
sich unser Wirtschaftssystem durch die staatlichen Eingriffe in jüngster Vergangenheit
zusehends von der Marktwirtschaft entfernt, sei mit folgenden zwei Überlegungen
geantwortet.
Zum Einen besteht das Wesen einer sozialen Marktwirtschaft – wie die österreichische
Wirtschaftsverfassung bezeichnet werden kann – nicht zuletzt darin, Marktergebnisse unter
bestimmten Bedingungen durch staatliche Aktivität zu beeinflussen, zu ergänzen oder
abzufedern. Dabei sind entsprechend viele handelnde Akteure (Konsumenten, Produzenten,
Politiker, Bürokratie, Interessensgruppen etc.) involviert, die aus politökonomischer Sicht
alle danach trachten, ihren Nutzen (Gewinn, Macht, Einfluss) zu maximieren. Dies ist
unmittelbar damit verbunden, dass es zu einem ständigen Kräftemessen zwischen all diesen
Akteuren kommt und sich je nach Umfeld unterschiedliche Gruppen durchsetzen.
Zum Anderen scheint diesem System eine Tendenz zu laufend stärkeren
Regulierungsmaßnahmen immanent zu sein. Dies führt selbstredend zu immer
weitreichenderen Regulierungen, aber auch zu einem immer stärker erodierenden Anspruch
an die Eigenverantwortung der einzelnen Individuen, wobei dies oftmals mit dem Argument
erhöhter Sicherheit einhergeht. Vor diesem Hintergrund scheint es notwendig, auf diese
Entwicklungen hinzuweisen und sich bewusst zu machen, dass letztendlich mit jeder
Regulierung ein Stück Freiheit schwindet.
Werden die in dieser Arbeit ausgewählten Regulierungsmaßnahmen zusammengefasst,
so kann folgendes Fazit gezogen werden.
− Es überwiegen diskretionäre Eingriffe seitens des Staates in das Marktgeschehen (z. B.
Verbot von Fremdwährungskrediten, Radhelmpflicht für Kinder unter 12 Jahren).
− Es fehlt aus ordnungspolitischer Sicht in vielen Fällen ein klares Bekenntnis zur
Verbesserung der Rahmenbedingungen (z. B. Haftungsfrage auf den Finanzmärkten,
Finanztransaktionssteuer, Aufteilung in Investment- und Kommerzbanken).
− Regulierungen sind in einigen Fällen vor dem Hintergrund von wohlfahrtsschädlichem
Rent-Seeking zu sehen (z. B. Aspekte der Förderung der privaten Altersvorsorge).
− Regulierungen entbehren in einigen Fällen einer sachlich gerechtfertigten Grundlage
bzw. zeichnen sich durch ihre Unverhältnismäßigkeit aus (Verbot von Glühlampen,
Zigarettenverkauf).
51
Zusammenfassung
− Notwendige Eingriffe sollten verstärkt über den Preismechanismus erfolgen (Steuern,
Subventionen) und weniger über Vorschriften zu bzw. Verboten von bestimmten
Produkten
− Die Selbstregulierungskräfte des Marktes bzw. der Glaube an dieselben scheinen bei
einigen Regulierungsmaßnahmen nicht einmal mehr im Hinterkopf berücksichtigt zu
werden, vielmehr herrscht die Überzeugung, alles regulieren zu können und zu müssen.
Tabelle 6 fasst die zentralen Ergebnisse der Arbeit abschließend übersichtlich noch
einmal zusammen.
Tabelle 6: Zusammenfassung der Ergebnisse
Finanzmärkte
Bereich
Themenbereich
Motivation der
Maßnahme
Würdigung
Private
Altersvorsorge
Ergänzung zu
staatlichem
Pensionssystem
notwendig
Bevorzugung
ausgewählter
Industrien, Lobbying,
Bevormundung der
Konsumenten
diskretionärer
Eingriff
Leerverkäufe und
Hochfrequenzhandel
Handlungen
schädlich für
Realwirtschaft
Fremdwährungskredite
Produkte nachteilig
für Konsumenten
und Finanzsystem
diskretionärer
Eingriff
Hilfsmaßnahmen
für Banken
Too big to fail,
Systemrelevanz
Sozialisierung des
privaten
Finanzsystems; keine
Einschränkung von
moral hazard bzw.
von „too big to fail“
Alternativen
wenn Förderung, dann
Entscheidungsfreiheit der
Konsumenten; Bildung,
Information
Verschärfung der
Rahmenbedingungen
(Ordnungspolitik),
Finanztransaktionssteuer,
Aufteilung in Investmentund Kommerzbanken
Stärkung der
Rahmenbedingungen
(Ordnungspolitik), Bildung,
Information
Bankeninsolvenz bzw.
Bankenverstaatlichung
52
Gütermärkte - Handel
Zusammenfassung
Verbot 60W
Glühlampen
Klima- und
Umweltschutz,
Energieeffizienz
Lobbying,
Bevormundung der
Konsumenten
Verbot
Plastiksäcke
Klima- und
Umweltschutz
Lobbying,
Bevormundung der
Konsumenten
Zigaretten
Negative externe
Effekte,
Suchtgefahr,
Gefährdung der
Gesundheit
Sicherheit
Steuern,
Werbeverbote,
Warnhinweise,
Paternalismus
Geld- vs.
Sachleistungen
Energiesektor
Sicherheit in Mobilität
Sicherheit KFZ
Helmpflicht
(Rad, Schi)
Sicherheit
Regelungen teils
ohne sachliche
Grundlagen, RentSeeking,
Anreizproblematik
Bevorzugung
ausgewählter
Industrien,
Nicht / schwer
sanktionierfähig;
Anreizproblematik
Mindestpreise
Ökostromgesetz
(Garantierte
Einspeistarife)
Klima- und
Umweltschutz,
Investitions- und
Innovationsförderung
(F&E)
Ökostromgesetz
(Investitionsförderung)
Biosprit (E10)
Investitions- und
Innovationsförderung
(F&E)
Klima- und
Umweltschutz, CO2Vermeidung
Förderungen,
Zuschüsse
Wärmedämmung
(„Gebäuderichtlinie“)
Familienpolitik
Klima- und
Umweltschutz, CO2Vermeidung
Steigerung der
Geburtenrate
Gesetzliche
Vorschriften für
Energieverbrauch
Geldleistungen
theoretisch
überlegen, praktisch
differenziertes Bild
Dirigistische
Maßnahme, Eingriff
in Konsumentensouveränität
Regelung ökonomisch
bedenklich; Souveränität
der Konsumenten;
Informationen
Internalisierung externer
Effekte bei
Stromproduktion
Regelung ökonomisch
bedenklich; Souveränität
der Konsumenten;
Informationen
Über den Status quo
hinausreichende
Regulierungen aus
ökonomischer Sicht
fragwürdig
Informationen,
erzieherische Maßnahmen,
Moral Suasion
Informationen,
erzieherische Maßnahmen,
Moral Suasion
Verlorene
Investitionszuschüsse,
Steuern zur
Internalisierung von
externen Effekten bei
Stromproduktion
Subventionen zur
Förderung von F&E
Steuern zur
Internalisierung von
externen Effekten bei
konventionellen
Kraftstoffen, Subventionen
von F&E
Verlorene
Investitionszuschüsse,
Subventionen von F&E
Kombination von Sachund Geldleistungen
53
Literatur und Quellen
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Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an:
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