NO LOGO!! Von Naomi Kleins sehr erhellendem "Die Schockstrategie" begeistert, wollte ich mir auch "No Logo!" nicht entgehen lassen. Während "Die Schockstrategie" aufdeckt, inwiefern hinter Folter und Krieg das neoliberale Wirtschaftssytem steht, kann man anhand "No Logo!" dessen Konzerne und Marken begreifen. Die Besessenheit von der Markenidentität führt ebenfalls zu einem Krieg - gegen den öffentlichen und individuellen Raum, gegen die Identität von Jugendlichen und gegen das Konzept der Nationalität. Wer glaubt, das Thema betreffe ihn nicht, er oder sie achte nicht auf Markenetiketten, irrt! Der unheilvollen Eigendynamik der Marken zu entrinnen ist praktisch unmöglich. Einverstanden: Reebok, Airwalk und Konsorten sind anders als in den Neunzigern heute nicht das riesige Problemthema im öffentlichen Diskurs. Damals mussten uns sogar die Lehrer an der Schule in Projektwochen Markenkompetenz lehren, und es gab im Schulhaus sogar eine "Raiders"-Gang, die das alleinige Tragerecht dieser Kleider hatte, und sie allen anderen kaputtmachte. Oberflächlich gesehen ist das Thema alter Kaffee, es wird heute wohl auch keine Frau mehr überfallen für eine Nike-Jacke. Trotzdem: Die Marken werden - wie Naomi Klein beweist - jeden Tag mächtiger. MARKEN STATT PRODUKTE Bis in die frühen 70er waren Logos an Kleidern äusserlich nicht sichtbar, zumindest im Alltag nicht. Nur auf Golf- und Tennisplätzen gab es - schon in der ersten Hälfte des Jahrhunderts - sichtbare Designerembleme. Ralph Laurens Polospieler und Izod Lacostes Alligator brachen dann allerdings aus dem Golfplatz aus und eroberten die Strassen. Heute können Logos z.T. sogar brustgross aufgebläht sein. Tommy Hilfiger stellt schon gar keine Kleider mehr her, sondern signiert sie nur. Er operiert ausschliesslich mit Lizenzverträgen: Jockey produziert die Unterwäsche, Oxford Industries die Hemden usw. Der Alligator hat sich erhoben und das reale Hemd geschluckt, das nur noch als sein Vehikel fungiert. Mitte der 80er wurde von Managementheoretiker die Idee entwickelt, dass erfolgreiche Unternehmen keine Produkte mehr herstellen sollten, sondern Marken. Unternehmen neuen Stils betrachtetn sich fortan als "Sinnvermittler", nicht mehr als Produkthersteller: Die Marke als Erfahrung, als Lifestyle, darum wurden keine Waren mehr präsentiert, sondern Ideen. Wenn ich heute eine Jacke kaufe, dann ist das etwas Spirituelles. Es geht auch unternehmerisch um Transzendenz: Möglichst viel irdischer "Ballast" - Produktionsmitarbeiter und -Infrastruktur - wird abgeworfen. "Jeder kann ein Produkt herstellen", ging die Überlegung, also sollte diese schnöde Arbeit ausgelagert werden, damit man sich voll und ganz der Markenpflege und Imagearbeit widmen kann. Die Fusionswelle der letzen paar Jahre ist angesichts dieser Entwicklung ein trügerisches Phänomen: Es sieht nur so aus, als ob die Giganten vereint wüchsen, dabei schrumpfen sie in vielerlei Hinsicht (Nur nicht was die Gewinne betrifft). GEBURT DER MARKEN IM 19. JH. In den ersten Marketingkampagnen (für die damals noch neuen Autos, Telefone und Glühlampen) ab der Hälfte des 19. Jahrhunderts ging es wirklich noch um die Produkte an sich. Namen und Images waren unwichtig, die neuen Produkte selbst waren Werbung genug. Der Wettbewerb durch Markenartikel wurde aber später eine Notwendigkeit, weil der Markt mit einheitlichen Massenprodukten überschwemmt wurde. Aufgrund der fabribmässigen Gleichheit musste eine auf dem Image beruhende Verschiedenheit erfunden werden. Als erstes bekamen lustigerweise gerade die unspezifischen Güter wie Zucker, Mehl, Seife usw. Eigennamen verpasst. Denn sie waren früher vom Krämer aus einem Fass geschöpft worden, und man musste die unheimliche Anonymität der nun fertig abgepackten Güter neutralisieren. Sympathische Werbefiguren wie "Aunt Jemina" oder "Dr. Brown" ersetzen den Gemischtwarenhändler von früher, sie wurden die Schnittstelle zwischen Produkt und Konsument. Einige Werbefachleute begriffen schon damals, dass Werbung nicht nur sachlich ist, sondern auch mit Emotionen spielen kann. Marken können ein Gefühl wecken, z.B. Geborgenheit. Der legendäre Werbeagent Bruce Barton wollte, dass man, wenn man "GE" für General Electric hört, an die Initialen eines Freundes denkt. Wie Barton sagte, hat Werbung die Aufgabe, den Unternehmen beim Finden ihrer Seele zu helfen. Der Pfarrerssohn profitierte von seiner religiösen Erziehung, und sprach in erhabenen Worten: "Werbung ist für mich etwas Grosses, Herrliches, etwas, das tief in eine Institution eindringt und ihre Seele ergreift" Bis auf weiteres sahen die Betriebe es aber noch als ihre Hauptaufgabe, Güter zu fertigen. DER MARLBORO-FRIDAY Nachdem man 1988 anhand des Verkaufs von Kraft Foods endgültig den Wert der Marken erlickte (Kraft war zum sechsfachen Buchwert verkauft worden, folglich lagen fünf Sechstel des hohen Firmenwerts nur am guten Namen!), wurde der Glauben an die Markennamen am 2. April 1993 wieder erschüttert, aber nur relativ kurz: Der "Marlboro Friday" liess die Aktienkurse von Quaker Oats, Cola, Pepsi, Procter&Gamble usw. in den Keller rasseln. Ursache war die Bekanntgabe, dass Marlboro den Preis seiner Markenzigaretten um 20% senken wollte, um sich gegen die preiswerteren "weissen Marken" zu wehren. Marketingexperten sträubten sich die Haare zu Berge: Die Preissenkung würde nicht nur den jahrelang mühsam aufgebauten Markennamen ruinieren, sondern auch alle anderen Markennamen mit herunterziehen. Die Öffentlichkeit litt dazumals allgemein unter "Markenblindheit", weil die Yuppie-Achtzigerjahre vorbeiwaren und die Rezession der Neunziger schnäppchenhungrige Käufer hervorbrachte. Eine Journalistin prophezeite eine markenlose Zukunft: "Es ist vorbei, dass Amerikaner mit dem ck-Logo auf der Gesässtasche Einkaufswagen voller Perrier die Gänge im Supermarkt hinunterschieben. Heute tragen sie Klamotten mit Labels wie Jaclyn Smit von Kmart und haben Big-K-Soda von Kroger&Co im Einkaufswagen. Herzlich willkommen im Jahrzehnt der Hausmarken." Konzerne gaben insgesamt weniger für Werbung aus und verwendeten das Verkaufsförderungsbudget nicht mehr zur Markenpflege, sondern setzten auf altbewährte Strategien wie Werbegeschenke, Wettbewerbe und Preissenkungen. Werbeagenturen wurden von ihren Spitzenkunden verlassen und brachen in Panik aus. Der Führer einer Marketingagentur Graham H. Philips las Wirtschaftsführern auf einer Versammlung die Leviten: "Ich bezweifle, dass einer von ihnen einen Gütermarkt begrüssen würde, auf dem der Wettbewerb nur durch den Preis, durch Verkaufsförderung und durch Sonderangebote bestimmt ist - alles Dinge, die von der Konkurrenz leicht nachgeahmt werden können..." DAS WIEDERERSTARKEN DER MARKE Die Prophezeiung vom Ende der Marken bewahrheitete sich nicht. Diejenigen Unternehmen, die weiterhin ihre Marken gepflegt hatten, waren damit auf lange Sicht sehr gut gefahren: u.a. Nike, Apple und Disney. Sie hatten es sogar auf die Spitze getrieben, das reale Produkt war für sie nur noch Füllstoff für das eigentlich Produkt: Die Marke. Sie integrierten die Markenphilosophie fest in ihre Unternehmensstruktur. Ihre Unternehmenskultur war so straff und klösterlich, dass sie für Aussenstehende wie Sekten zu wirken begannen. Sie hausten in Monumentalbauten, hatten eine lückenlose Designkonsistenz und Firmenhymnen, ihre CEOs traten wie Superstars auf. Ihre Leitbilder waren esoterisch angehaucht und sie hatten bizarre Begriffe für ihre Angestellten (Barista, Partner, Mannschaftsmitglieder..) Ohne sich im geringsten um preislichen Wettbewerb zu scheren, lieferten sich die Turnschuhhersteller Reebok und Nike einen Schlagabtausch mit immer neueren pseudowissenschaftlichen Luftpolstern. Benetton und CK brachten sich mit gewagter Kunst und progressiver Politik in Verbindung. Marken wurden zum Fetisch gemacht, Verträge mit Starathleten abgeschlossen. Bodyshop und Starbucks wurden praktisch ohne direkte Werbung sehr erfolgreich. Stattdessen betrieb man Kultursponsoring, Markenerweitung und verwickelte sich in politische Auseinandersetzungen. Direkte Werbung hätte dabei wie eine plumpe Störung dieser viel subtileren Formen von Imagepflege gewirkt. Die Markenmanie hat einen neuen Typ des Geschäftsmanns hervorgebracht: Er verkündet mit stolzer Brust, die Marke X sei kein Produkt, sondern ein Lebensstil, eine Haltung, ein Wertesystem, ein Aussehen, eine Idee... und das klingt wirklich viel besser als zu sagen, die Marke X sei eine Jeanshose. Nikes Mission etwa besteht darin "Das Leben der Menschen durch Sport und Fitness zu verbessern" und "den Zauber des Sports" am Leben zu erhalten. IBM verkauft keine Computer, sondern "Problemlösungen" für Unternehmungen. Richard Branson ist von der Markentheorie angetan und hat seinen "Virgin"-Stempel schon diversen Produkten aufgedrückt: Musik, Cola, Brautkleider, Finanzdienstleistungen... Er plädiert für den asiatischen Trick der Keiretsus (japanisch für ein Netz miteinander verbundener Unternehmen). Es gehe nicht um Produkte, sondern um den Ruf. Wenn man in Asien z.b. "Sony" hört, denkt man nicht nur konkret an die Playstation oder den Walkman, sondern primär an die positiven Eigenschaften des Konzerns, der eine "Attribut-Marke" ist, wie Branson es nennt. Einige Markenbezeichnungen sind heute so mächtig und so sehr in aller Munde, dass sie Teil des alltäglichen Wortgebrauchs wurden: "Kleenex", "googlen" usw. Sie sind so verbreitet, dass ihr Name von den Leuten nicht mehr als blosser Markenname verwendet wird, sondern als Gattungsbezeichnung (So, dass man z.B. allen Kosmetiktüchlein "Kleenex" sagt.) Anders als man meinen könnte, ist dies für die Marke nicht erfreulich - es ist ein Misstand, den die Markenmanager selber bekämpfen, weil sie sonst Gefahr laufen, ihren Eigennamen zu verlieren, wodurch der Konsument gleichgültig würde und zum Kauf des Konkurrenzprodukts geneigt wäre. KULTURMARKETING Die Deregulierungs und Privatisierungspolitik der 80er gab den Konzernen Aufwind bei ihren Eroberungsfeldzügen: Steuresenkungen liessen den öffentlichen Sektor ausbluten, Schulen, Museen usw. waren auf Werbepartnerschaften angewiesen. Im damaligen politischen Klima war es ausserdem fast unmöglich, gegen die Kommerzialisierung zu reden. Und mitte der 90er waren die Marketingprofis dann bereit für die nächste Stufe: Nicht mehr nur den eigenen Produkten das Logo aufdrücken, sondern auch der Kultur. Sie sponserten kulturelle Veranstaltungen und beanspruchten damit Teile der Kulturwelt als Brückenköpfe für ihren Markennamen. Sie haben einen unbändigen Hunger nach kulturellen Ideen und Metaphern, die sie aufsaugen und als Markenerweiterung wieder in die Kultur zurückspeien. Es geht den Firmen darum, Produkte durch geeignete Bildsprache mit positiven kulturellen oder sozialen Erfahrungen gleichzusetzen. Anders als früher ist es heute aber so, dass man diese Gleichsetzung nicht mehr nur metaphorisch versucht, sondern auch in der gelebten Wirklichkeit. Das Ziel besteht nicht mehr darin, dass Kinderschauspieler in einem Fernsehspot Cola trinken, sondern dass Schüler im Deutschunterricht ein Brainstorming für die Coca Colas nächste Werbekampagne durchführen. Auch Google hat Wettbewerbe für Schulklassen ausgeschrieben, die kinder sollten "Doodles" (Google-Schriftzüge) gestalten. Und Roots-Ferienheime sind eine dreidimensionale Manifestation des Kleidermarkenkonzepts von Roots. Das Zusammenfliessen von Kultur und Kommerz war aber keineswegs ein einseitiger Prozess, in dem multinationale Konzerne die Kulturschaffenden und Sportler usurpierten, sondern oft haben sich diese sogar noch darum gerissen, mit den Konzernen gemeinsame Sache machen zu können. Dabei wurden sie z.t. sogar selber vom Mensch zum Konzern: Michael Jordan und Puff Daddy haben inzwischen ähnliche Strukturen entwickelt wie die Firmengiganten, mit denen sie ein sogenanntes Co-Branding (wechselseitige Markenverstärkung) eingingen. Das Sponsoring geht immer weiter, manche Unternehmen kaufen ganze Veranstaltungen, Konzerte, bei denen erstklassigen Stars von einer Marke die Show gestohlen wird. Brauereien besitzen z.t. sogar die konzertstadien. Eine besonders raffinierte Idee hatten die Brauereien Molson und Miller: Sie veranstalteten "Blind Date-Konzerte". Dabei blieb der Name des Stars bis zum letzten Moment unbekannt. Somit sprachen im Vorfeld alle nur von der Marke... Ebenfalls Bezeichnend: Tommy Hilfiger sponserte die "No Security Tour" der Stones, druckte in die Werbung aber keine Tourdaten, sondern nur die Adressen seiner Läden Die Bonbonfimra Altoids ("Curiously strong mints") gab sich nicht mehr mit dem normalen Sponsern von Museen zufrieden, sondern erwarb 20 Werke aufstrebender Künstler und veranstaltete eine eigene Wanderausstellung: "A curiously strong collection". Matthew McAllister bezeichnet in "the commercialization of american culture" Sponsoring als "Herrschaft mit philantrophischer Fassade", und: "Indem das Unternehmerische überhöht wird, entwertet Spornsoring zugleich, was es sponsert." Das ist die Ironie am Sponsoring: Die Konzerne wollen authentische Veranstaltungen unterstützen, z.t. auch mit aufrichtiger Gesinnung und bewunderung, diese verlieren aber nicht selten gerade dadurch ihre Authentitzät, und die Veranstaltungsbesucher fühlen sich entfremdet, wodurch am schluss alle als verlierer dastehen. Die Weihnachtsbeleuchtung der londoner regent street war trüb geworden - Yves saint laurent sprang ein und bot grosszügig an, die hälfte der kosten zu tragen, plazierte dafür einfach alle paar schritte 5.5 meter hohe YSL-embleme. Bei diesen arten von sponsoring konkurrieren marken nicht mehr nur mit artgleichen konkurrenten, sondern auch mit solchen, die etwas völlig anderes anbieten. Der hiphoppe Werber Michael Chesney verkaufte mit seiner firma MurAd werbung, die er direkt auf hauswände malte, verwandelte letztendlich das ganze Queen Street-Quartier in Toronto in eine einzige Werbung für "SilverTab Jeans", fast alle Fassaden waren silbrig. Chesney konnte kaum mehr die Queen Street runtergehen, ohne Leute zu treffen, die sich über die Werbeinvasion ärgertern. Eine Bekannte von ihm war den Tränen nahe: "Du hast die Queen Street übernommen!" Die 2500-Einwohner-Stadt Cashmere in Washington wurde sogar vom ortsansässigen Süssigkeitenhersteller Liberty Orchard erpresst. Man werde wegziehen wenn man nicht werbetaflen an der hauptstrasse, werbeplatz auf den städtischen briefbögen bekäme, bestimmte strassen umbenannt würden u.v.m. MYTHOLOGISIERUNG EINER MARKE Der Nike-Haken, genannt "Swoosh", ist das meisttätowierte Symbol in den USA, und für manchen Sportler so etwas wie ein Talisman. Nike hat eine regelrechte Mythologie um sich selbst aufgebaut: Man spannte eine Gruppe von Sportlern vor den Karren und blies sie zu Hollywoodgrösse auf. Die Athleten werden nicht mehr mit ihren Teams in Verbindung gebracht, ja nicht einmal mehr mit ihren Sportarten, sondern mit allgemeinen Ideen von der Ausdauer und Transzendenz des reinen Sports - Verkörperungen des griechisch-römischen Ideals der perfekten männlichen Form. Dieses Nike-Team wird dann dem pedantischen, verstaubten Sport-Establishement gegenübergestellt. Nike mischte die Sportwelt auch ganz direkt auf, man gründete z.B. eine eigene Agentur, um sich möglichst vieler gieriger Agenten zu entledigen. Jordan wurde zu einem Mitglied in diesem mythischen Team Nike und mit der Zeit selber zur lebenden Marke. Sein Rivale Shaquille O'Neal wollte den Spiess umdrehen, er nahm Kurse in Marketing und plante, die Marken sich selber unterzuordnen, in einem "Team Shaq". Aber Fehlanzeige: Es durfte kein anderes Team neben dem Team Nike geben, und so kooperierte er halt mit Rebok. Sportler als Zugpferde bieten sich für Crosspromotion am besten an: Ein Dennis Rodman kann zwei Bücher schreiben, einen Film drehen und Rap-Singles aufnehmen, während Tupac freilich niemals eine Olympiamedaille gewinnen wird. JUGENDMARKETING ZWISCHEN JACHTCLUB UND GHETTO Lange Zeit lebten diese Industrien von den Hippies und Yuppies. Um 1992 stieg die Zahl der Teenager in den USA an, und es fand ein Umdenken statt. Um diese demografische Gruppe zu erreichen, muss man sich ein cooles Image zulegen. Die quälenden Zweifel der Adoleszenz sind damit zur Millionen-Dollar-Frage unseres Zeitalters geworden: "Bin ich cool?" Jugendmarketing ist immer wichtiger geworden, denn gerade heute gibt es global gesehen überproportiaonal viele Teenager (oft Aufgrund von Kriegen oder niedriger Lebenserwartung). In Chinas armen Familien werden zwar wenig Konsumgüter verbraucht, aber es herrscht das "Kleiner Kaiser"-Phänomen, auch bekannt als "4:2:1-Phänomen": 4 Grosseltern und 2 Eltern sparen, damit aus ihrem (männlichen) Kind ein MTV-Klon werden kann. Die Konzerne müssen Traditionen bekämpfen, und das Bild von DEM Teenager festigen und rebellisch konnotieren, womit sie einen Keil zwischen Generationen treiben, gerade damit die Jugendlichen sich eingeengt fühlen. In einer koreanischen Diesel-Werbung nehmen sich Jugendliche das Leben und verwandeln sich in Vögel - sie finden die Freiheit in der Marke. Um eine Marke zu "coolen", muss man Berufsjugendliche einstellen. Netscape beschäftigt darum keinen Personalmanager, sondern einen "Director of Bringing in Cool People" Die Suche nach Identität und Lässigkeit führte die Coolhunter in die Ghettos. Kommerz und Hiphop vertrugen sich sehr gut, und die schwarze Kultur wurde wieder einmal ausgebeutet. Tommy Hilfiger war ursprunglich eine Marke für weisse Oberschichtjugendliche wie Lacoste oder Ralph Lauren. Da aber die armen schwarzen Jugendlichen sich Prestige zuzulegen pflegten, indem sie Accessoires teurer Steckenpferde kauften (Golf, Skifahren, Tennis usw.), fand Hilfiger auch im Ghetto Absatz. Also begann man, das Segler-Image zu forcieren, gleichzeitig aber auch einen Schritt Richtung schwarze Kultur zu machen (Kräftige Farben, ausgebeulter Schritt, Kapuzen) und Rapper wie Snoop Dogg mit kostenloser Kleidung einzudecken. Das Erfolgsprinzip gründet auf der Entfremdung von Schwarz und Weiss: Weisse kaufen Hilfiger, weil sie den Ghetto-Stil fetischisieren, Schwarze weil sie dasselbe mit weissem Reichtum machen. LAUNEN DER JUGEND Eine weitere Stufe des Imagemarketings war die Indie-Welle: Grosse Marken schuffen künstliche Aussenseitermarken, um sie auch an Grunge-Jugendliche verkaufen zu können,die dem Establishment abgeneigt waren. P.M. kam als "Politix" von "Moonlight Tobacco" daher, Coca-Cola als "OK Cola", Levi´s als "Red Line", GAP als "Old Navy". Später kam eine Phase in der Jugendliche nicht mehr das Alternative, Rebellische suchten, sondern sich - ebenfalls irgendwie zum Trotz- voll in den Mainstreamkonsum stürzten. In Disney, Joe Camel und Wired schwelgten, aber mit einem gewissen ironischen Dreh, und nicht ohne diese Dinge zu durchschauen. Nun mussten sich die Konzerne eine ironische Uncool-gleich-cool-Ästhetik zurechtlegen: Sich selber verspotten und widersprechen, abgeschmackt und zugleich brandneu sein. Die ganze randständige Kultur hatten die Konzerne schon besetzt und jetzt griffen sie auch noch nach dem letzten unvermarkteten schmalen Streifen geistigen Raums. Diese trashigen Werbungen beeinhalteten jeweils ein vorgeplantes wissendes Grinsen, vorfabrizierte Sofakommentare - eine Simulation der Denkvorgänge im Zuschauer. Die pointe ist vorweggenommen, Kritik unmöglich. Dem fiel vermutlich auch Kurt Cobain zum Opfer. Geblendt vom ironischen Scheinwerferlicht konnten sich die Seattle Rocker (auch Pearl Jam) nie zu einer einzigen klaren politischen Aussage durchringen. Das Beschlagnahmen von Stilen ist eigentlich nichts Neues: Der Bauhaus wurzelt in der Vorstellung des sozialistischen Utopia (Ironischerweise wurde er dann als kostengünstige Architektur für die Gebäude amerikanischer Konzerne entdeckt.) Manche Bewegungen wie z.B. Rave überstehen es nicht, wenn man ihnen ihre Symbole nimmt. Naomi Klein unterscheidet zwischen echten und falschen Bewegungen. Gandhi, Che Guevara, Jesus usw. wurden schon x-fach Opfer der Werbung. Der Aufschrei blieb jedoch meist klein, und die Bewergungen bestanden weiter, weil sie sich nicht nur über Mode und Attitüde bestimmen. Die Werbung kommt auch an ihre Grenzen und muss sich immer etwas neues einfallen lassen. In der "Guerilla-Werbung" werden unkonventionelle Wege beschritten: Zum Beispiel besticht man den Portier eines Hotels, dass er auf ein paar Attrappen-Päckchen zu seinen Füssen aufpasst, die gross mit dem Namen des Versandhauses beschriftet sind. Oder man projeziert - wie Ikea - im Kino mit der Taschenlampe Möbelnamen auf die Leinwand. Oder man schreibt seine Werbung mit Putzmittel in den Russbelag einer Tunnelwand. Beim "Grassroots Marketing" werden Werbebotschaften an der Wurzel einer Zielgruppe gepflanzt (Seeding). Manche glauben, dass in Zukunft "Street Distributors" nötig sein werden, die in den Clubs und auf der Strasse von Angesicht zu Angesicht werben. Daewoo heuerte 2000 Studenten an, die ihren Freunden Autos aufschwatzen BESETZUNG VON BILDUNGSEINRICHTUNGEN Klein hat mit Studenten an Universitäten gesprochen und festgestellt, dass manchen auffällt, dass Konzerne in die staatlichen Hochschulen vordringen und Exklusivverträge abschliessen. In Gemeinschaftsräume sickere immer mehr Werbung ein, und wissenschaftliche Untersuchungen sähen immer mehr nach Marktforschung aus. Schneller als man denkt haben Marktforscher einen Fuss in der Tür: Werten die Browserverläufe der Jugendlichen aus oder schenken ihnen zu Spionagezwecken Wegwerfkameras, mit denen sie "für einen Wettbewerb" Dinge fotografieren sollen, die cool sind. Es gibt Schulessen-Werbeagenturen: 1997 gelang es, an 40 Schulen Mahlzeiten nach dem Film "Anastasia" zu benennen. 13 Prozent der US-Schulkantinen arbeiten mit Fastfoodketten zusammen. Channel One erreicht 8 Mio. Schüler. Dieses "Schulfernsehen" spendiert Multimediageräte, allerdings sind 2 Minuten Werbung pro Tag Pflichtprogramm. Die Lautstärke lässt sich nicht verstellen. 1998 wurde ein Schüler vom Unterricht ausgeschlossen, weil er ein Pepsi-T-Shirt trug als alle anderen Cola-T-Shirts anhatten und eine Delegation des Unternehmens auf Besuch war. Neben Schulen werden auch Forschungseinrichtungen infiltriert. Die Wirtschaft finanziert sogar Lehrstühle wie den "Yahoo Chair of Information Systems Technology" oder den "Taco Bell disinguished Professor of Hotel and Restaurant Administration". Diese erfinden dann Ölfördertechniken direkt für Shell, analyiseren Chinas Kultur für Disney usw. Jüngst gründete Disney ein Forschungslabor zusammen mit der ETH Zürich, in dem man daran arbeitet, Gesichtsausdrücke noch perfekter computerzusimulieren - vielleicht werden menschliche Schauspieler bald unnötig sein. Dass es soweit kommen konnte, haben wir - wie Klein vermutet - der postmodernen Denkweise mancher Akademiker zu verdanken. Sie glauben, dass die Wahrheit ein Konstrukt ist, und aufgrund dessen erscheint es ihnen intellektuell unvertretbar, ein Bildungsmodell gegenüber dem anderen zu bevorzugen. Ist die Wahrheit relativ, so haben Platos Höhlendialoge nicht die grössere Autorität als Disneys "Anastasia". IDENTITÄTSMARKETING Andererseits sahen viele Akademiker das Werbungsproblem auch gar nicht. In dieser Zeit kämpften sie gegen Homophobie und Rassenungleichheit - zwar auch in der Werbung, aber man wollte nur bestimmte Inhalte in diesem Medium ändern, statt die Werbung generell zu mässigen. Die geforderte "Political Correctnes" gab der Werbung dann sogar noch Auftrieb: Benneton, Bodyshop usw. Auch Nike sprang auf diesen Zug auf, machte z.B. mit Tiger Woods Werbung und dem Spruch: "Es gibt immer noch Plätze in den USA, auf denen ich wegen meiner Hautfarbe nicht spielen darf". Oder mit einer Frau, die sagt: "Ich finde, hohe Absätze sind eine Verschwörung gegen die Frau." Lange hinkten die Aktivisten den Konzernen hintendrein und dachten zu wenig global. Man verstrickte sich oberflächlich in Gleichberechtigungsfragen, vergass aber die radikalökonomischen Fundamente der Frauen- und Bürgerrechtsbewegung. Das kam den Konzernen gelegen - für sie war es das wesentlich kleinere Übel, ein paar Schwarze einstellen und ein paar Pronomen ändern zu müssen. HOMOGENISIERUNG Als sich die Märkte zusehends global öffneten, sah man sich mit einem Problem konfrontiert: Soll man die Werbung auf jedes Land individuell zuschneiden (teuer), oder allen Ländern dieselben amerikanischen Stereotypen aufzwingen? Weder noch! Die Entdeckung der Vielfalt bot einen Ausweg aus dem Dilemma, Werbungen sind heute in einem preiswerten uniformen Multikulturalismus gehalten, damit kein Land daran Anstoss nehmen kann. Was für eine Ironie: Ausgerechnet Vielfalt ermöglicht die Homogenisierung! Geblendet von der Vielfalt der Konsummöglichkeiten bemerken wir die gewaltige Konsolidierungswelle in der Unterhaltungsindustire, den Medien, und im Handel gar nicht. Die Werbung überschwemmt uns mit einer bunten und einlullenden Bilderfolge und microsoften "where do you want to go today?"-Verlockungen, doch im Wirtschaftsteil der Zeitungen wird die Welt plötzlich einfarbig und auf allen Seiten schliessen sich Türen. Jeder zweite Artikel handelt von Übernahmen, Bankrotten, Fusionen und weist auf den Verlust tatsächlicher Auswahlmöglichkeiten hin. Unternehmen werden immer bestimmender und wollen zunehmends die alleinseligmachende Marke sein: In ihr sollen wir wohnen, konsumieren, Kunst schaffen. Dabei stärken sie sich gegenseitig: Die Starbucks-Baristas kaufen ihre Uniformen bei Gap, Gapverkäufer verdanken ihre muntere Kundenbegrüssung dem Starbucks-Koffein, die Läden sind mit Regalen Ikeas eingerichtet usw. ALDISIERUNG vs. MARKENWUCHER Praktisch das Gegenteil der teuren Marken sind Ketten wie WalMart. Aufgrund riesigen Einkaufsvolumens kann WalMart Artikel zu Preisen verkaufen, die z.T. unter dem Einstand der Konkurrenz liegen. Strategie ist es, Amerika mit "Clustern" billiger Läden zu überziehen. An billiger Lage, wo sie nur mit dem Auto zu erreichen sind, über Strassen ohne Gehwege, durch entmenschlichte Betonwüsten. Diese wecken dann wieder das Bedüfnis nach einer am Menschen orientieren Einzelhandelsform mit mehr Interaktion wecken: Starbucks, Niketown usw. So besteht eine Symbiose zwischen Discountern und Markenfirmen: Wo Walmart&Co ihre Grösse benutzen, um grosse markenlose Warenmengen zu bewegen, setzen Nike&Co ihre Grösse ein, um Marken zu einem Fetisch zu machen und auf ein Podest zu stellen. Discounter ersetzen gemeinschaftliche Werte durch Billigpreise, Marken schaffen das Gemeinschaftsgefühl neu und verkaufen es - zu einem hohen Preis. Dazwischen zerrieben werden die kleinen unabhängigen Unternehmen. EXPANSIONSHUNGER Starbucks wendet die "Cannibalization"-Expansionsstrategie an: Man wächst um einen Laden pro Tag und erobert zuerst ein Gebiet fertig, bevor man zum nächsten übergeht. Das Signal, dass man weiter ziehen kann, ist wenn ein Gebiet so stark mit Starbucks gesättigt ist, dass sogar die Umsätze in den eigenen Läden sinken. Insgesamt sind die Umsätze in Prozent pro Geschäft von Jahr zu Jahr immer mehr gesunken. Grosse Marken eröffnen zunehmend auch Superstores (an guter Adresse und mit Attraktionen, DJs, Kletterwänden, Computerspielen, Bar etc.), in denen aussschliesslich ihre eigenen Produkte verkauft werden. Der Laden mit verschiednene Marken ist im Verschwinden begriffen. Die pompösen Superstores rechnen sich nicht, sie sollen nur das Markengefühl zelebrieren. Sieht der Besucher künftig eine gewöhnliche Nike-Verkaufsstelle, so fällt ihm das imposante Niketown ein und die damit verbundenen positiven Gefühle. Nike und Disney organisieren Ferien, haben Kreuzfahrtschiffe, oder sogar eigene Inseln. Disney gründete die "Anaheim Ducks" (Angelehnt an den Hockeyfilm "The Mighty Ducks"). Ihre Heimspiele trägt sie im Honda Center aus. Die disney-eigene Stadt Celebration ist ironischerweise selber ziemlich markenfrei. Celebration ist die verklärte Vorstellung eines lebenswerten Amerikas aus der Vergangenheit, aus der Zeit vor den Einkaufszentren, Freizeitparks und der Massenkommerzialisierung - aus der Zeit vor der Vereinnahmung durch Disney. Celebration dient nicht zum Verkauf von Disneyprodukten, und für heutige Verhältnisse ist es sogar eine recht disneyfreie Stadt! Celebration bietet viele "öffentliche" Plätze, Gebäude und Parks. MARKENSCHUTZ Sehr viel Geld ist heute im Virtuellen konzentriert ist (Devisenhandel, Aktienkurse, geistiges Eigentum...) Während Reagan deshalb die Gesetze zum Schutz der Marken verschärfte, lockerte er die Anti-Trust-Gesetze (Firmen, die Preise absprechen, gegen aussen aber Konkurrenten zu sein scheinen). Und so schickaniert McDonalds bis heute viele Schotten, z.B. einen Ronald McDonald aus Illionis, mit dem sie 26 Jahre in einem Rechtsstreit lagen, da seine Familie ein gleichnamiges Restaurant führt (seit 1956). Aqua wurden für das Lied "Barbie Girl" angeklagt (Es kam zum Freispruch, vermutlch nur dankdem Aqua das grosse Label MCA und dessen Anwälte im Rücken hatte, die bereit waren, mit Zähnen und Klauen darum zu kämpfen, dass die Hitsingle in den Regalen bleiben durfe.) Das sind nur die Fälle, die man kennt. Dieselben aggressiven Besitzrechte werden aber auch x-fach auf unzählige andere Künstler angewandt, die unsere Markenwelt zu kommentieren versuchen. Auch auf den Gamer, der ein "Lego"-Level für einen Egoshooter programmiert. Es gibt bei den Simpsons eine Szene, in der sie darüber sprechen, dass sie ins "Legoland" wollen, aber dann fällt ihnen ein, "Blockoland" sagen zu müssen. Es ist paradox: Auf der einen Seite führen die Unternehmen solch kleinliche Rechtsstreits, auf der anderen erstreben sie eine vollständige kulturelle Integration ihrer Marken. Der Markenschutz bietet ihnen einen starken Hebel gegen Kritiker aller Art. Als ein verärgerter Mitarbeiter die Homepage "kmart sucks" eröffnete, klagte Kmart nicht wegen Verleumdung (denn dazu hätte man die Vorwürfe des Mitarbeiters entkräften können müssen), sondern gegen die unerlaubte Verwendung des warenzeichens "k". UNTERWANDERUNG DER MEDIEN Der Diamantenhersteller De Beers verlangt wenn er Anzeigen schaltet, dass sie nicht neben Artikeln plaziert werden, die Negatives enthalten oder im Gegensatz zur "romantischen liebe" stehen. Chrislyer verlangte, über jeden redaktionellen Teil informiert zu werden, der mit Sex, Politik oder sozialen Themen zu tun hat, provokativ oder beleidigend aufgefasst werden könnte. Dass "Der Anteil der Neger im Publikum zu hoch" sei, klagte ein CEO über eine von Heineken gesponserte Sendung. Und nachdem der kanadische Sprinter Donovan Bailey geäussert hatte, dass "Kanada so rassistisch wie die USA" sei, erklärte Sponsor Adidas, diese Äusserung habe mit "dem Athlethen Donovan oder dem Donovan, den wir kennen" nichts zu tun. Die Sponsoren wollen die Sportler nur in einer bestimmten Pose, nicht als Menschen. Darum dürfen sie nichts politisch Umstrittenes sagen, denn - wie Michael Jordan einmal sagte - "Auch Republikaner kaufen Turnschuhe" Werbliche und redaktionelle Interessen vermischen sich besonders im Internet, wo redaktioneller und werblicher Teil nie klar getrennt waren: Es ist werbungsfreie Werbung. Immer mehr Websites werden von "Content Developpern" gestaltet. diese Inhaltsentwickler haben die Aufgabe, redaktionelle Texte zu verfassen, die für die Anzeigen der Markenfirmen einen ansprechenden Rahmen ergeben. Ein solches Onlineprojekt ist z.B. die Elterngemeinschaft "Parent Soup" für Fisher Price, Starbucks, Procter&Gamble und Polaroid ("Wenn sie das Selbstbewusstsein ihres Kindes fördern wollen, machen sie ein paar Polaroidfotos von ihm") Es ist nicht mehr nötig Redakteure unter Druck zu setzen oder gar zu bestechen - man produziert einfach selber inhalte, bei denen die Werbung von Anfang an integriert ist. MTV ist der Prototyp totaler markenpolitischer Integration eines Mediums. Das Spezielle an MTV ist zudem, dass die Zuschauer nicht mehr einzelne Sendungen, sondern einfach MTV sehen. Der Sender machte dauernd für andere und sich selber Werbung und wurde auch selbst zum Warenzeichen. Natürlich gab es auch früher schon Schleichwerbung, aber immer mehr und mehr Zeitschriften verwandeln heute ihre Redaktionsbüros regelrecht in Marktforschungsunternehmungen und betrachten ihre Leser als "Zielgruppe", damit sie den Anzeigekunden einen "value-added" liefern können: Hochdetaillierte demografische Informationen. In Kinofilmen werden auch nicht mehr nur Schleichwerbungen eingebaut, sondern die Filme selbst werden immer mehr als Markenmedien begriffen. (Die Indiana Jones-"Franchise" usw.) KONSOLIDIERUNG Wo kämen wir hin, wenn der Henker zugleich auch Gesetzgeber wäre? In der Politk haben wir deshalb die Gewaltentrennung, ein Bundesrat kann nicht zugleich als Richter walten. In der freien Wirtschaft kennt man diese Schutzmechanismen nicht. "Wer nicht überall ist, ist nirgendwo" fürchten die Konzerngiganten, und so versuchen sie sich auch in anderen Branchen als den ihnen angestammten. Time Warner gründete eine Abteilung, die die eigenen Filme zu Musicals verarbeitet. Inhaltsunternehmen drängen in den Vertrieb, und umgekehrt. Synergien entstehen durch Fusionen und es gibt eine Markenspirale. Man will nicht mehr nur einzelne Produkte verkaufen sondern Kunden vollkommen vereinnahmen. "Warum zur Musik nicht auch Lebensmittel?" fragt Puff Daddy, "Warum zu den Kaffees nicht auch noch einen Verlag?" Starbucks. Es gibt z.T. bedenkliche Werbepartnerschaften, etwa wenn die Zeitung für den Buchverlag wirbt, dessen Bücher sie rezensiert. Früher waren Plattenfirmen den Plattenläden und den Musikzeitschriften ausgeliefert, aber heute hat das Label Virgin seine eigenen Läden und Sender. Konzerne setzen sich somit über ganze Phasen der Verbraucherauswahl hinweg. ZENSUR Auf diese Weise ermöglicht die grosse Macht Zensur. Kmart und WalMart lehnen Artikel ab, die ihr familienfreundliches Image gefährden könnten (Was ist mit den Pistolen, die WalMart lange Zeit im Sortiment hatte?) Man weigerte sich, Nirvanas "In Utero" zu verkaufen bis Warner und Nirvana nachgaben und Bilder und einen Liedtitel abänderten ("Rape me" in "Waif me") Zu viel nackte Haut auf dem Titelbild wird in den Kiosken im WalMart nicht geduldet. Auch nicht Heftausgaben mit Artikeln wie "Coming Out: Warum ich meinen Mann für eine andere Frau verliess" Manche Zeitschriften legen den Ketten inzwischen ein Gut zum Druck vor. Der Sender ABC (eine Tochtergesellschaft Disneys) wollte über Sicherheitsmängel in Vergnügungsparks (u.a. die Beschäfitung Pädophiler) berichten. Es ging zwar auch um Disneyland, aber nur unter anderem. Der Bericht wurde dann nicht ausgestrahlt und der Journalist selbst erkannte: "Alles, was der Bericht zutage fördert, ob positiv oder negativ, würde so oder so verdächtig wirken." Die Wirtschaft zensiert nicht nur, sondern lässt sich auch selber zensieren, Hauptsache sie kann verkaufen: Um mit einem seiner Programme nach China zu kommen, hat Medienmogul Murdoch dieses bereitwillig angepasst. Auch im Inland beugt er sich hie und da China. Der hauseigene Verlag HarperCollins verzichtete auf das Buch "Asien - das Ende der Zukunft", weil darin mehr Demokratie gefordert wurde. Peking ordnete einmal ein Verbot aller Disneyfilme an, weil Scoreses "Kundun" den Dalai Lama glorifizierte. Mit "Mulan" schaffte es Disney, Peking das Verbot wieder aufheben zu lassen. Nach dem Fall der Berliner Mauer hatten die Medienmogule noch behauptet, ihre Kulturexporte würden "die Fackel der Freiheit" in autoritär regierte Länder tragen... Aber nachdem die Nato 1999 in Ex-Jugoslawien mit Luftschlägen Versammlungen von Jugendlichen auflösen musste, die - mit "Chicago Bulls"-Mützen auf dem Kopf - US-Flaggen verbrannten, kann aber keiner mehr behaupten, dass MTV und McDonalds der Welt Frieden und Demokratie bringen. Man sieht an diesem Beispiel wenigstens, dass die Marken ein globales Lexikon geschaffen haben, das jeder versteht. Egal welchen sprachlichen, poltischen oder kulturellen Hintergrund jemand hat, er weiss, dass Jordan der beste Basketballer ist, der je gelebt hat. Logos sind wie eine Weltsprache, sogar noch verbreiteter als Englisch. Man versteht sich grenzenlos über Marken, Sitcoms, Werbespots. Ein Mathebuch in den USA war gespickt mit Markenartikeln, die Schüler mussten z.B. den Durchmesser eines Oreo-Kekses ausmesen. Elternvertreter stiegen auf die Barrikaden und waren empört über die "Werbung". Aber es war keine Werbung, sondern die Autoren rechtfertigten sich, man habe die Schüler mit Bezügen aus ihrer eigenen Lebenswelt ansprechen wollen, damit sie merken: "Hey, Mathe gibt es wirklich!" AUSLAGERUNG DER PRODUKTION Die Unternehmen träumen von der inneren Bedeutung ihrer Marken und überwinden das stoffliche Produkt. Die Arbeit der Produktion steht fast schon in Konkurrenz zur Arbeit der Marketingabteilung: Sie ist plump und nur körperlich. In der sogenannten "Informationswirtschaft" sind die Markengestalter die Primärproduzenten. Ein Konzern sollte heute sein Geld nicht für Maschinen ausgeben, die rosten, oder für Arbeiter, die probleme machen, altern und sterben, sondern für die wesentlich beständigere Marke. Die meisten Firmen haben ihre Produktion in Billiglohnländern, manche produzieren gar nicht mehr, sondern haben alles ausgelagert und beziehen die fertigen Turnschuhe wie als Rohstoff. Die Marke ist nicht mehr für ihre Arbeitskräfte verantwortlich. Das eingesparte Geld brauchen die Konzerne auch wirklich, für das ganze teure Marketing. Um gross zu werden, und die "Warped"Tour zu finanzieren, schloss Vans ein Werk in Kalifornien. Man befreit sich von der Fessel der Produktion. Auch Adidas, dessen Sprecher Peter Csanadi stolz verkündete: "Wir machen alles dicht, bis auf eine kleine Fabrik. Sie ist unser globales Technologiezenter und produziert ca. 1 % unseres gesamten Ausstosses." Allein 1997 verloren 45000 US-Textilarbeiter die Stelle. Massenentlassungen sah man früher als tragische Notwendigkeit, heute als klugen Schachzug in der strategischen Neuorientierung. Levis entliess binnen 2 Jahren 16310 Arbeiter. Der Chairman Robert Haas erklärte, sie verfolgten die Strategie, der Marke mehr Charakter und Qualität zu verleihen. Man startete deshalb einen besonders aufwendigen internationalen Werbefeldzug, der 90 Mio. Dollar verschlang, um den Konsumenten auch über diese Qualität informieren zu können. Haas legte wert darauf, der Presse klarzumachen, die abgebauten Arbeitsplätze hätten "das Land nicht verlassen", und "hier geht es nicht um Arbeitsplatzexport". Diese Aussage ist formal korrekt Arbeitsplatzexport wäre nämlich verharmlosend ausgedrückt. Die 16310 Arbeiter sind nämlich für immer von Levis´ Gehaltsliste gestrichen. Sie wurden laut Firmenpräsident Ermattinger durch "Auftragnehmer in der ganzen Welt" ersetzt. Die Auftragnehmer geben die Aufträge z.T. an bis zu zehn Subunternehmer weiter , die oft einen Teil der Aufträge wiederum an ein Netz von Heimarbeitern weitergeben. Levis hatte sich 1993 aus China zurückgezogen, wegen den Menschenrechtsverletzungen, kam aber wieder - diesmal nicht einmal mehr mit einer eigenen Fabrik. INDUSTRIALISIERUNG IN KLAMMERN Naomi Klein besuchte eine der Freihandelszonen, wo konkurrierende Marken oft in ein und derselben Fabrik hergestellt werden. Sie verschaffte sich mit einem Arbeiter unerlaubt Zutritt zum bewachten Gelände der sogenannten Sweatshops, und schildert eindrücktlich die Zustände. Klein findet dort wenigstens endlich einen Flecken swooshlosen Raum - ausgerechnet in einer Fabrik für Nikes. Denn während man früher stolz sein Logo an die Fabrikmauer malt, verrät man heute niemandem, wo man produziert. Angeblich weil das ein Wettbewerbsgeheimnis ist. Die Arbeitsplätzen in diesen "Fabriken" sind nicht gesichert, sogar das Fabrikland ist nur gemietet. Sie sind auf Luft gebaut, alles ist flüchtig. In Guatemala nennt man sie "Schwalben". Die wildwestkapitalistischen Freihandelszonen sind quasi entstaatlicht. Eingeklammert von Mauern, mit Zugangskontrollen, und rundherum ist bisweilen nicht einmal genug Geld für Strassenlaternen vorhanden. Ursprünglich war es ihr geplanter Zweck, nur vorübergehend zu existieren, um dem Land technisches Wissen und Wohlstand zu bringen. Daher bot man den Firmen sogar "Steuerferien". In den Sweatshops sind zum Teil die Toiletten nur während der Pausen geöffnet, herrscht Sprechverbot, gibt es Kugelschreiber als Überstundenentschädigung, 48-Stunden-schichten, Arbeiter, die sich Amphetamine spritzen lassen, nach der Arbeit noch die Hallen putzen oder beim Durchlaufen den Fabrikrasen jäten sollen. Mancherorts werden sogar Monatsbinden überprüft. Sich in den Zonen ausbeuten zu lassen, ist eine patriotische Pflicht. Es ist üblich, die Arbeiter zum Jahresende alle zu entlassen, und gleich wieder einzustellen, damit sie nicht in den Status von Festangestellten kommen. Aber es herrscht die Maxime: "Keine Gewerktschaft - kein Streik". Für China setzt man oft koreanische oder taiwanesische Bosse ein, da die Produktion vormals in diesen Ländern war, und solche Bosse können aus eigener Erfahrung erzählen, was passiert, wenn Gewerkschaften kommen und die Löhne steigen... Den Fabriken drohen oft Konventionalstrafen bei Lieferverzögerungen. Also ist mancherorts alles illegal, was den Export gefährden könnte. Ranjith Mudiynalge beschwerte sich 1993 über eine defekte Maschine, an der ein Kollege einen Finger verloren hatte. Sein von Schlägen gezeichneter Leichnam wurde auf einem brennenden Reifenstapel gefunden, und seinen Rechtsberater ermordete man gleich mit. Die Fabriken werden z.T. gar nicht mehr als Fabriken gesehen, sondern als "Lager für die Ware Arbeit". Alles Material werde importiert und nichts werde tatsächlich in den Fabriken hergestellt, das Material werde nur zusammengesetzt. (Die Einzelteile werden in Ländern hergestellt, wo die Arbeitskräfte besser qualifiziert, aber immer noch billiger als amerikanische oder europäische sind) Ein T-Shirt zum Film "Pocahontas" kostete 10,97 Dollar, fast das Fünfzigfache eines NäherTageslohns in der haitianischen Fabrik, die davon tagtäglich hunderte herstellte. Im Film "Mickey Mouse goes to Haiti" kann man das ungläubige Staunen der Arbeiter hören, die erstmals mit diesen Tatsachen konfrontiert werden. In einer der Fabriken fällt Naomi Klein ein Arbeiter auf, der ein TShirt der Fernsehserie "Beverly Hills 90210" trägt, und sie erinnert sich, dass es ironischerweise in einer Folge um Sweatshops ging. ARBEITSLOSIGKEIT Der Westen wird immer mehr zur postindustriellen Gesellschaft, stellt selber nicht mehr viel her. Die Fabriken, die noch in den USA und Europa geblieben sind, setzen ihre Arbeiter mit der Drohung des Arbeitsplatzexports unter Druck. Manchmal bringt man dazu Versandaufkleber mit einer mexikanischen Adresse an den Ausrüstungsgegenständen der Fabrik an, oder hängt eine Landkarte auf, auf der ein Pfeil richtung Arbeitsplatzexportland zeigt. Es herrscht ein Gefühl der Unbeständigkeit in der Arbeitswelt. Sogar die CEO haben oft nur kurze Gastspiele für ganz bestimmte Schlüsselaufgaben, gerade zum Beispiel um Entlassungen vorzunehmen. Es entstehen immer mehr "Joke Jobs" - der Trottel mit dem gefrorenen Joghurt, den Orangenauspresser, der Grüsser usw. Meist sind das Teilzeitstellen. Die Flexibiliät der Teilzeitarbeit ist zweigleisig. Sie kann z.B. von jungen Müttern sehr geschätzt sein, aber es gibt auch eine Flexibilität im Sinne der Konzerne. Es kann bei Starbucks sein, dass jemand um 5 Uhr antreten und nach der Stosszeit um 9:30 wieder gehen muss, weil er danach "inneffizient " wäre. Denn Starbucks nutzt sein Programm Starlabor um zu registrieren, wer wann wieviel von welchem Kaffee verkauft. So werden die oft nur wenige Stunden langen Schichten auf den optimalen Verkauf zugeschnitten. American Airlines vergab 1993 den Billetverkauf in 28 amerikanischen Flughäfen an selbständige Agenturen. Etwa 550 feste Stellen im Kartenverkauf wurden zu Aushilfsstellen, in einigen Fällen erhielten gekündigte Angestellte ihre Stelle wieder angeboten, manchmal zu einem Jahreslohn von 16000 statt wie vorher 40000 Dollar. Fastfood und Einzelhandel gelten nicht mehr als Berufe für Erwachsene, weil die Löhne so niedrig sind, dass keiner eine Familie damit durchbringen könnte. Dienstälteste wird man durch Mobbing los, oder indem man zunehmends die besseren Schichten den Jüngeren zuteilt. Diese Menschen stecken in einem Widerspruch, sie sagen sich "Ich bleibe nur kurz, und suche etwas Besseres". Dieses verinnerlichte Gefühl permanenten Übergangs ist den Arbeitgebern sehr bequem. Niemand will dann Lohnerhöhungen oder Aufstiegsmöglichkeiten. Dafür prahlen die Firmen mit der Gewinnbeteiligung und den Aktienbezugsrechten, die sie ihren Mitarbeitern gewähren. Ersteres fällt aber meist ziemlich schmal aus und letzteres kann nur leitendes Personal sich leisten. Bei WalMart sind 28 Mio. Aktien unter solider Herrschaft leitender Angestellter. Nicht wenige arbeiten heute sogar umsonst, besonders im Medienbereich. Von CBS, MTV und auch von den deutschen Privatsendern ist solches bekannt. Das sind manchmal noch nicht einmal richtige Volontariate, die Volontariate werden erst in Aussicht gestellt. Es wird vermutet, dass das Praktikantentum dazu führt, dass die Medien im Endeffekt von der Elite beherrscht werden, weil Kinder armer Eltern es sich nicht leisten könnten, ein Jahr oder zwei nichts zu verdienen. BILL GATES WIRD UNS RETTEN? Die Hightech-Stellen sind heute so unsicher wie in andere Berufe auch. Microsoft machte einst durch grosszügige Aktienbezugsrechte viele Millionäre, und dies führte zum Mythos der Goldgrube Silicon Valley. Aber heute ist Microsoft auf dem besten Weg dazu, seinen Mythos wieder zu zerstören. Der erlauchte Kreis der ursprünglichen Mitarbeiter ist abgeschottet und seit mehr als 10 Jahren werden in diesen harten Kern nur vereinelt neue Gesichter aufgenommen. Dank "Komplettlösungen durch Personaldienstleister" ist Microsoft dabei, ein Untenehmen ohne Angstellte zu werden. Bill Gates hat schon 1/3 seines Personal zu Aushilfen degradiert. Eine Zweiklassenbelegeschaft: die Alteingesessenen "Microserfs" (Mikrosklaven) und die "PermaTemps" (dauerhafte Temporäre). Microsoft verlor einmal einen Prozess, in dem das Gericht befand, die "unabhängigen Auftragnehmer" hätten gleiche Rechte. Der Konzern bemüht sich seither noch stärker, seine Aushilfen deutlich auszugrenzen: Nach dem Bewerbungsgespräch bittet Microsoft seinen zukünfitgen Mitarbeiter, sich bei einer von 5 Persoanlagenturen zu melden... Um sicherzustellten, dass die Microtemps nicht wieder mit Angestellten verwechselt werden, dürfen sie auch nicht an Partys teilnehmen. Es wird nicht nur Personl ausgelagert, sondern ganze Abteilungen: Man liess Xerox das interne Druck- und Kopierzentrum übernehmen, KAO Information Systems die CDBrennerei usw. JEDER IST SICH SELBST DER NÄCHSTE Eines lehrt die Firmen das Fürchten: Die vereinte Konsumentenmacht. Deshalb wollen sie diese schmälern, auch mit langfristigen, subtilen Mitteln. Sie implizieren dem Konsumenten, was eine "Philosohpie der Nichtigkeiten" (bzw. "Sinnlosigkeit"/"Vergeblichkeit", engl. "Philosophy of futility", ein vom Marketingprofessor Paul Nystrom geprägter Begriff) genannt wird. Man muss ihre Aufmerksamkeit auf die unbedeutenden Dinge im Leben richten, z.B. auf die modischeren der Konsumausgaben, den Konsum zum Zeitvertreib. (Dies wird auch durch die Monotonität des Industriezeitalters verursacht, zu deren Ausgleich wird viel Mode nötig, weil dem Alltag diese Schönheit fehlt) Man muss "künstliche Bedürfnisse" schaffen (So wird das Kundeninteresse eigentlich auch auf verschiedenste Artikel zerstreut, und die kollektive Macht der Kunden gesprengt). Das Ziel ist es, Individuuen zu haben, die total voneinander separiert sind. Individuuen, deren Wertmasstab so ist, dass ihr Selbstverständis und Selbstwertgefühl hauptsächlich von einer Frage abhängt: "Wieviele Wünsche kann ich befriedigen?" Ein Teufelskreis, denn der Wunsch nach neuen Konsumgütern führt auch zu einer weiteren Industrialisierung... Heute sind viele Arbeitnehmer lieber unabhängig und mobil statt sicher und loyal. Managementguru Tom Peters sagt, wir seien "eine Marke namens Du". Dieses System prägt die Menschen. Man hat in Umfragen festgestellt, dass die Aussage "Ich muss mir in dieser Welt nehmen, was ich kriegen kann, denn niemand wird mir etwas schenken" immer mehr Leute bejahen. Von der Generation der "Reifen" (1909-45) sagten 1/3 ja, von den Babyboomern (1946-64) 1/2, von der Generation X (ab 1965) schon 2/3. Das Wort Freelancer stammt aus der Zeit, als man Lanzknechte für Schlachten mieten konnte. Man übernimmt die brutaldarwinistische Denkweise der Konzerne, die für ihre soziale Unsicherheit überhaupt erst verantwortlich sind, und wird härter, gieriger, zielbewusster - just do it. Aber was ist, wenn jemand nicht der nächste Branson oder Gates werden möchte? Warum sollte so jemand sich noch für die Konzerne engagieren, die sich ja auch von ihm losgesagt haben? Dass es keine Identifizierung mit dem Arbeitgeber mehr gibt, weiss man, wenn man schon mal 15 Minuten nach Ladenschluss in einem Einkaufszentrum war, und die Schlange der Niedriglohnverkäufer gesehen hat, die mit geöffneten Taschen und Rucksäcken anstehen um sich filzen zu lassen. 1998 wurden 42,7 % der Waren im US-Einzelhandel von Angestellten entwendet. GEGENBEWEGUNGEN Die Markenmanager streben eine sehr nahe Intimität mit dem Verbraucher an, während sie die Bindung an ihre Arbeitskräfte zusehends lockern. Wer in einer "markierten" Welt lebt, fühlt sich schuldig, weil er sich als Konsument vielleicht auch unsauberen Konzernen verbunden fühlt. Doch diese Bindung ist viel unbeständiger als die alte lebenslange Bindung zwischen Arbeitgeber und Angestelltem. Sie ist eher mit der Beziehung zwischen Fan und Star vergleichbar: Emotional intensiv, aber flach wie Münzen. Darum kann es sein, dass jemand gestern den Marken verfallen war, und morgen schon kritischer denkt. Kritisch zu sein war in den USA nach den WTC-Anschlägen schwierig. Alle Globalisierungsgegner waren suspekt, man warf sie in denselben Topf mit Bin Laden. Dabei stehen sie in diametralem Gegensatz zu ihm, lehnen sie doch zentralisitische Macht ab. Es ist eher Bush, der Bin Laden näher steht als man meinen würde. Naom Klein findet, dass sowohl die Taliban als auch Bush in den mythischen Zeiten der grossen Männer und epischen Schlachten leben, als hätten sie Francis Fukuyamas "Das Ende der Geschichte nicht gelesen" und wüssten nicht, dass wir in der Postmoderne leben. Was Bush tat, war nichts anderes als die Internationalisierung der Aussenpolitik eines einzigen Landes auf Kosten aller. Die Behauptung, wer sich dem Neoliberalismus widersetze, stehe auf Seiten der Terroristen, ist unhaltbar: Am 11. September versagten die privaten Sicherheitsdienste und die privaten Wohltätigkeitsorganisationen. Vor dem Szenario der Terroranschläge ist vielen Menschen wieder klar geworden, dass bestimmte Aufgaben einfach der Staat übernehmen muss. Das meistverkaufte T-Shirt in dieser Zeit zeigte das Emblem der Feuerwehr. Als Modell für moderne Bewegungen rund um die Welt könnten die Zapatisten dienen. Sie träumen von einer partizipatorische Demokratie, nicht einer Demokratie der Wahlkabinen. Es gibt bei ihnen keine zentralistische Machtballung, denn ihr Anführer Subcommandante Marcos ist eigentlich mehr ein Sprecher, denn er ist ein Unter-Kommandant, der lediglich den Willen der Räte vertritt. Seine Maske ist ein Spiegel: Er ist schwul in San Francisco, ein Palästinenser in Isreal, ein Jude in Deutschland, ein Zigeuner in Polen, ein Pazifist in Bosnien usw. Klein befindet, Aktivismus dürfe sich nicht mehr auf symbolischen Protest beschränken. Auch in Reihen der Globalisierungskritiker gibt es inzwischen Zweifel am "Summit Hopping" (Überall demonstrieren, wo Staatsführer und Wirtschaftsgrössen sich treffen). Man fürchtet, dass die Schlachten bei den Gipfeltreffen mehr und mehr wie Theater aussehen, abgekoppelt von den Themen, die das tägliche Leben der Bürger betreffen. Eine Pionierrolle neuer Aktionsformen spielen soziale und wirtschaftliche Alternativen: z.B. stellen einigen Organisationen in Indien Generika für Entwicklungsländer her, andere in Afrika verhelfen vom Stromnetz abgehängten Häusern wieder zu Elektrizität usw. Die heutigen Aktivisten nicht mehr nur, wogegen sie sind, sondern auch wofür. Das ist auch meine Meinung: Wenn man den Kapitalismus als Vakuum wahrnimmt, bringt Gewalt selbstredend nicht, denn eine Leere kann man nicht zerstören, sondern nur füllen. Man muss etwas aufbauen - etwa so wie das Taximagazin. Naomi Klein schildert verschiedene Gegenbewegungen, am nennenswertesten sind die Culture Jammer und Reclaim the Streets. DIE STRASSE ZURÜCKEROBERN Die Lebensweise der Strassen ist in der Werbekultur eine heisse Ware, aber ironischerweise verdrängt man in der Realität alles, was diese Strassenkultur ausmacht: Pflastermaler, Strassenverkäufer, Marktstände, Bettler usw. Während die Werbung Rave vereinnahmte, wurden in Grossbritannien Raves 1994 illegal. Die Raver taten sich mit anderen Subkulturen zusammen, und es entstand "Reclaim the Streets". Ihre Vorgehensweise: Sie besetzen spontan Strassen, Kreuzungen oder sogar Autobahnen behelfs fingierter Unfälle und ähnlichem. Dann entsteht ein Strassenfest mit Sofas, Volleyballnetzen, Musik, Verpflegung u.v.m. Die meisten Medien stellen die RTS als Protest gegen das Auto dar, aber das ist eine grobe Vereinfachung. Zum Teil laufen solche Feste Gefahr, in Randale umzukippen. 4 Personen mussten bei einem RTS auf dem Trafalgar Square (20´000 Teilnehmer) sogar des versuchten Mordes angeklagt werden. Laut dem Daily Telegraper wandten sich rabiate Teilnehmer auch gegen die Organisatoren, als diese die Lage unter Kontrolle zu bringen versuchten. 1998 fanden global koordiniert 30 RTS-Anlässe in 20 Ländern statt. Die Reaktion der Ordnungshüter war sehr unterschiedlich: In Utrecht festeten sie fast selber mit, in Toronto aber mischten sie sich mit Messern unter das Volk, zerstachen Ballons und zerschnitten Luftschlangen. Von da an war alles nur noch ein Scharmützel. Auch in Genf verwandelte sich alles in einen Aufruhr mit hohem Sachschaden. CULTURE JAMMING Culture Jammer nehmen eine Botschaft aus der (Mainstream-)Kultur und verändern sie so, dass sie zum Nachdenken anregt. Das Phänomen ist schwer fassbar, man kann weder festmachen, wann es entstand noch steht eine klare politische Richtung dahinter. Ein sehr bekannter Culture Jam ist z.B. "OBEY" bzw. "Andre has a Posse", diese Kleber trifft man in praktisch allen grösseren Städten an. Eine Disziplin des Culture Jamming ist das AdBusting, das sich mit Werbung befasst. z.B. wird das Gesicht von Charles Manson über Gesichter in Plakatwerbung geklebt usw. Früher waren die Mittel eher primitiv (Filzstiftkommentare usw.), aber in jüngerer Zeit kam die erschwinglicher gewordene moderne Technik ins Spiel. Bei manchen Plakatmanipulationen muss man zweimal hinsehen, weil sie qualitativ derart hochstehend sind (Manche der Künstler sind oder waren selber in der Werbebranche. Der Adbuster-Künstler Rodriguez de Gerada ist brotberuflich Plakatkleber.) Ein guter Jam einer Werbung ist "eine Röntgenaufnahme ihres unbewussten Gehalts und enthüllt die "tiefere Wahrheit hinter den Euphemismen." Diese Protestform wird von manchen für so wirkungsvoll wie wie Jiu Jitsu gehalten ("Mit einer einzigen flinken Bewegung legt man Riesen aufs Kreuz. Wir nutzen die Stosskraft des Feindes aus.") Manche Künstler aber sind desillusioniert, denn ihre Arbeit scheint die Konzerne bestenfalls kalt zu lassen. Es gab sogar Fälle, wo Werbefritzen bei den Adbustern Ideen klauten. Widerstand erscheint immer zweckloser: 1997 erhielt die Band Negativland, die den Begriff Culture Jamming prägte, die Anfrage, die Musik für eine Werbekampange zu komponieren. Der Frontmann: "Die begriffen überhaupt nicht, dass unserere Arbeit allem wiederspricht, womit sie zu tun haben" Sogar den Konusmentenschützer Ralph Nader (uns bekannt aus der Serie "Ali G") wollte man mal für eine Werbung gewinnen, in der er einen Nikeschuh hätte hochhalten und sagen sollen "ein weiterer schonungsloser Versuch von Nike, Turnschuhe zu verkaufen." Die Marketingindustrie hat inzwischen auch Werbung entwckelt, die resistent gegen inhaltliche Verunstaltung ist. z.B. die "Brand O"-Kampagne von Diesel. Sie zeigt ein Plakat in einem Plakat, gewissermassen ein Verfremdungseffekt, und die Werbung gebärt sich selber schon kritisch. "Brand O" erinnert frappant an die Fotoserie "American Way" von Margaret Bourke-White aus den Dreissigerjahren. Sie war eine der Fotografinnen, die das Elend festhielten, besonders auch den Zwiespalt zwischen den glücksverheissenden Werbetafeln und den Armutsvierteln, in denen sie standen. In den 30ern gab es schon Adbusting. In den 50ern und 70ern fürchtete man subminale Beeinflussung in der Werbung. Jemand glaubte, in den Eiswürfeln einer Alkoholwerbung sexuelle Aufforderungen zu sehen. Schon damals reagierte die Werbeindustrie mit Selbstparodie: Um die Ängste mit Ironie zu entschärfen, schuf man meta-subliminale Werbung. Die "versteckte" Botschaft war bewusst relativ deutlich lesbar. FAZIT Nicht nur wer die Marken durchschauen möchte, sollte "No Logo!" lesen, sondern auch wer die Popkultur verstehen will. Naomi Klein bietet interessante Szeneninfos. Man merkt auch, dass sie auch als Bürgerin im Alltag an dem Thema interessiert ist, nicht nur als Akademikerin. Als Jugendliche war sie sogar selber den Marken verfallen. Vieles, was Klein sagt, deckt sich mit meiner Meinung. Übertriebenes Marketing ärgerte mich schon lange, es verspricht viel und hält wenig. Die Frauen in der Werbung gibt es zum Teil gar nicht, sondern sie sind aus Gesichtspartien eines Dutzends realer Frauen zusammengeschnitten. Ich staune immer wieder, was Marketing fertigbringt. Dass beispielsweise aufgeschlitzte Jeans sich verkaufen. Oder dass McDonalds sowohl bei kleinen Kindern als auch bei Jugendlichen gleichzeitig ankommt. Die reinsten Marken gibt es heute im Internet: Sie existieren - vollkommen befreit von der realen Welt - als kollektive Fantasien. Sie tragen meist seltsame Namen, die Nonsens-Lautwörter sind (Zatoo, Yahoo usw.), die in ihrer Säuglingssprache seltsam einprägsam sind. Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich vor allem die Macht der Marke "Google" bestätigen. Obwohl es Suchmaschinen gibt, die mehr finden, ist es die Elle, nach der im Internet gemessen wird. Nicht man sich vor, eine andere Suchmaschine zu verwenden, fällte man irgendwie bald wieder auf Google zurück. Auf dem Bereich der sozialen Netzwerke hat bei uns in der Schweiz Facebook eine ähnliche Monopolrolle. Ich finde es auch problematisch, wenn z.B. DRS3 Facebook benützt und somit laufend Gratiswerbung macht. Aber es führt halt scheinbar kein Weg daran vorbei, weil ja kaum jemand MySpace oder etwas anderes nutzt. So werden die Grossen immer grösser und wer hat, dem wird gegeben. "No Logo!" finde ich sogar interessanter als "Die Schockstrategie". Im Gegensatz zu selbiger punktet es auch mit einigen Bildern und vielen Statistiken und Fakten im Anhang. "No Logo!" (dt. Ausg. 2005), Paperback 534 Seiten, Verlag Goldmann ZITATE Scott Bedbury, Marketingchef Nike / Starbucks: "Eine grosse Marke gibt einer Erfahrung grössere Bedeutung, gleichgültig ob es darum geht, in Sport und Fitness sein Bestes zu geben, oder darum, dass die Tasse Kaffee, die man trinkt, wirklich wichtig ist." Helen Woodward, Werbetexterin: "Wenn sie für irgendein Produkt Werbung machen, sehen sie sich nie die Fabrik an, wo es hergestellt wird! Sehen sie den Leuten nicht bei der Arbeit zu, denn wenn sie die Wahrheit kennen, dann ist es schwer, die oberflächliche Schaumschlägerei zu schreiben, mit der es verkauft wird."