WeiSSt Du, WieViel SterNleiN SteHeN?

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ISBN 978-3-86219-840-5
ISBN 978-3-86219-840-5
9 783862 198405
Vei t - Ja kob us Die t er ic h, G er ha rd Büt t ne r (Hrsg.) „ We ißt du, w ie vie l Ste rn lein st eh en ? “ 3 0
Bereits im Grundschulalter wissen die Kinder in zunehmendem
Maße, dass der kosmologische Himmel nicht identisch ist mit dem
religiösen. Doch gibt es eine Verbindung zwischen beiden? Wie ist ihr
Verhältnis zueinander? Diese Fragen zu beantworten, ist gar nicht so
einfach und führt bei vielen Religionslehrer/innen zu Unsicherheiten.
Bevor man die genannten Fragen angehen kann, bedarf es erst
einmal genauer Information darüber, was man weiß, was man wissen
könnte und was man letztlich nicht wissen kann. Der vorliegende
Band versucht, hier Hilfen anzubieten. Er bietet wichtige Erkenntnisse
aus vielen betroffenen Wissensbereichen: Astronomie, Medien und
Theologie. Er bringt aber auch zur Sprache, was Schüler/innen von
den Phänomenen „am Himmel“ halten und was Lehrer/innen daraus
machen (können).
BAND30
Veit-Jakobus Dieterich, Gerhard Büttner (Hrsg.)
„WeiSSt du, wieviel Sternlein stehen?“
Eine Kosmologie (nicht nur) für
Religionslehrer/innen
Beiträge zur Kinder- und Jugendtheologie
Band 30
Herausgegeben von Prof. Dr. Petra Freudenberger-Lötz
Institut für Evangelische Theologie an der Universität Kassel
Veit-Jakobus Dieterich / Gerhard Büttner (Hrsg.)
„Weißt du, wieviel Sternlein stehen?“
Eine Kosmologie (nicht nur) für Religionslehrer/innen
kassel
university
press
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnb.d-nb.de abrufbar
ISBN 978-3-86219-840-5 (print)
ISBN 978-3-86219-841-2 (e-book)
URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0002-38414
2014, kassel university press GmbH, Kassel
www.uni-kassel.de/upress
Umschlaggestaltung: Jörg Batschi Grafik Design
Druck und Verarbeitung: docupoint GmbH, Barleben
Printed in Germany
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Vorwort
Das Thema Schöpfung vs. Evolution oder, allgemeiner ausgedrückt, die
Frage nach dem Verhältnis von religiösen resp. theologischen und naturwissenschaftlichen Perspektiven stellt nach wie vor eine der zentralen Herausforderungen einer auf der Höhe der Zeit stehenden Theologie und Religionspädagogik dar. Dies zeigt sich nicht nur an der nach wie vor großen
Anzahl an einschlägigen Veröffentlichungen zum Thema, sondern auch an
der ungebrochenen Relevanz der Behandlung des Problems im Religionsunterricht wie am großen Interesse, das die Schülerinnen und Schüler aller
Schulstufen und Schularten dieser Fragestellung entgegenbringen. Dennoch scheint der Diskurs sowohl in der Theologie als auch in der Religionspädagogik in jüngerer Zeit in eine Art Sackgasse geraten zu sein. Denn wer
die Diskussion verfolgt, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier
zwar viel wiederholt und theoretisch eingefordert, aber wenig Neues vorgebracht und konkret eingelöst wird. Dies mag unterschiedliche Gründe haben. Eine optimistische Deutung könnte argumentieren, dass auf diesem
Feld in den letzten Jahrzehnten beachtlich, ja erstaunlich viel geleistet worden und darum nun vielleicht genug oder gar alles, was zu forschen und zu
formulieren wäre, bereits erkannt und gesagt ist. Dem steht allerdings die
Beobachtung gegenüber, dass sich entgegen der bereits erwähnten Interessenlage die Anzeichen für gewisse Ermüdungserscheinungen, sich der
Thematik explizit und mit der nötigen Breite wie Tiefe zu beschäftigen, mehren. So muss es etwa bedenklich stimmen, wenn die offiziellen Rahmenvorschläge der EKD für den evangelischen Religionsunterricht, die 2010 bzw.
2011 veröffentlichten Kerncurricula für die Sekundarstufe II resp. I, der Frage nach dem Weltbild keineswegs den ihr eigentlich gebührenden Rang und
Raum zugestehen. Es steht also zu befürchten, dass manches von dem Erreichten wieder verloren zu gehen droht, weil einfache Wiederholung auf
Dauer ermüdet.
So entstand die Idee, das Thema von naturwissenschaftlichem und biblischtheologischem Weltbild einmal von einer anderen Perspektive aus anzu-
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packen, nicht global und pauschal, wie dies – etwa nach dem genannten
Motto Schöpfung vs. Evolution – häufig geschieht, vielmehr in einem Einzelaspekt, dem Blick auf die Sterne bzw. den Himmel, um auf diese Weise
über einfache, zwar klare, aber doch auch häufig schlagwortartige und recht
abstrakte Verhältnisbestimmungen, etwa einer komplementären Zuordnung
beider Bereiche, hinauszugelangen. Was sich dann ergeben kann, wäre
eine bescheidenere Sicht und eine größere Offenheit, ein kaleidoskopartiges Puzzle, das vielleicht kein großartiges Gesamtpanorama liefert, dafür
aber umso facettenreichere Perspektiven. M.a.W.: Wir versuchen, die moderne große „Erzählung“ oder Sichtweise einer komplementären Zuordnung
von religiösem und naturwissenschaftlichem Denken zwar nicht zu hintergehen, doch in eine gleichsam postmoderne Vielfalt von kleinen „Erzählungen“ resp. Perspektiven aufzulösen bzw. einzuordnen.
Um dieses Vorhaben angemessen angehen zu können, bedurfte es der Zusammenarbeit vieler unterschiedlicher Fachkompetenzen und -perspektiven
in Form einer Ringvorlesung, die im Sommersemester 2013 an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg stattfand. Die vorliegende Veröffentlichung entstand aus dieser Veranstaltung, die Beiträge stellen die überarbeiteten Fassungen der gehaltenen Vorträge dar.
Ein herzlicher Dank gilt daher zuerst einmal den Referent/innen der Lehrveranstaltung und damit den Autor/innen des vorliegenden Buches, dann
der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg, die das Zustandekommen
der Ringvorlesung wie der Veröffentlichung unterstützte, ferner der Vereinigung der Freunde dieser Hochschule, die durch einen Druckkostenzuschuss die Veröffentlichung erst ermöglichte, zudem David Müller, der bei
den technischen Abläufen und der Manuskripterstellung unschätzbare Hilfe
leistete, sowie Petra Freudenberger-Lötz, die den Band in die Reihe „Beiträge zur Kinder- und Jugendtheologie“ der Universität Kassel aufnahm.
Veit-Jakobus Dieterich und Gerhard Büttner
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Inhalt
Vorwort ....................................................................................................................... 5
Einleitung .................................................................................................................... 9
Gerhard Büttner
„Weißt du, wieviel Sternlein stehen?“ – eine Kosmologie
(nicht nur) für Religionslehrer/innen………….………………………………………………………..19
Christian Theis
Die Augen der Astronomen – Was man am Himmel alles (nicht) sehen kann ........ 39
Hans-Bernhard Petermann
Der philosophische Blick zu den Sternen ................................................................. 53
Manfred L. Pirner
„Star Wars“ und andere kosmologische Wirklichkeiten .......................................... 69
Andreas Reinert
„Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde…“. ........................................................... 86
Andreas Benk
Schöpfungstheologie als politische Theologie ....................................................... 104
Christian Höger
Was Kinder und Jugendliche vom Kosmos wissen
und wie es sich wandeln kann ................................................................................ 121
8
Sara Haen
Kosmos und Weltbild in Schulbüchern – Exemplarische Analysen
in Religions- und Physikbüchern auf der Mikroebene ........................................... 137
Oliver Reis
„Ich denke, dass Gott die Welt gemacht hat, oder was sonst?“ –
Religionslehrende und ihre Konzepte von ‚Schöpfung‘ ......................................... 152
Veit-Jakobus Dieterich
Die Gestirne als identity- und boundary-marker –
Wie alles mit allem zusammengehören könnte ..................................................... 169
Die Autorinnen und Autoren………………………………………………………………………………192
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Einleitung
In der Geschichte „Sternenpflücker“ erzählt der österreichische Schriftsteller
Christoph Ransmayr (2012: 36-40) vom Erlebnis eines grandiosen Naturereignisses, dem Zusammentreffen der größten Erdnähe des hell leuchtenden
Kometen Hale-Bopp mit einer Mondfinsternis. Und während eine Schar von
Menschen gekommen ist, um dieses Naturschauspiel auf einem Hügel in
der Nähe der kalifornischen Stadt San Diego vor einem Café mitzuerleben,
stürzt ein Kellner, der die begeistert staunenden Menschen bedient, mit einem mit Gläsern voll beladenen Tablett zu Boden. Da wenden sich zwar
nicht alle, aber doch viele der Zuschauer „von dieser Einzigartigkeit, einem
unwiederholbaren kosmischen Ereignis, ab und dem gestürzten Kellner zu,
kehrten dem Himmel den Rücken, beugten sich zu dem stummen, beschämten Menschen hinab […] und lasen gemeinsam mit ihm die selbst im
verfinsterten Mondschein noch blinkenden Scherben vom schwarzen Asphalt, als pflückten sie Sterne.“ (40)
Der Blick in den Himmel, so zeigt diese kleine, auch emotional anrührende
Geschichte, ist von uns, den Beobachtern, und unserem Standpunkt nicht
zu trennen. Aus dieser beschränkten, positionellen Perspektive sehen wir
häufig Gleiches oder Ähnliches, mitunter jedoch auch ganz erstaunliche,
vielleicht gar einmalige oder doch ziemlich seltene Konstellationen. Und dabei mag sich zeigen oder ereignen, dass die Sterne gar nicht so weit weg
sind, wie sie gemäß ihren unvorstellbar weiten Entfernungen eigentlich sein
müssten, dass sie uns vielmehr auf unsere Lebenswelt und auf den uns
unmittelbar umgebenden Raum verweisen, so dass Menschen auf dem Boden liegende, blinkende Scherben entdecken und dann auflesen können,
„als pflückten sie Sterne.“
„Weißt du, wieviel Sternlein stehen?“ – lautet der Titel unseres Buches.
„Weißt du …“ – Es geht also zuerst einmal um unser menschliches Wissen.
Was aber genau heißt Wissen? Ist es das Wissen der Naturwissenschaften
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oder allgemein jeder Wissenschaft? Und wie sicher ist dieses Wissen?
Handelt es sich um den jeweiligen Stand einer Wissenschaft? In diesem Fall
wäre es auch veränderbar. Lässt sich dann eine Veränderung des Wissens
als Fortschritt verstehen bzw. interpretieren? Wie wird dieses Wissen generiert, wie entsteht neues Wissen? Und in welchem Verhältnis steht das Wissen unterschiedlicher Wissenschaftsbereiche zueinander? Existiert eine
Ordnung oder gar eine Hierarchie des Wissens? Und wo sind die grundlegenden Grenzen des Wissens? Wie lässt sich Wissen vom Nichtwissen unterscheiden? Was können Menschen (noch) nicht und was vielleicht gar
niemals wissen?
Weißt Du …? Wir sind gefragt, gefragt ist, was wir wissen, wir sollten um
unser Wissen Bescheid wissen, um den Stand unseres Wissens, um dessen Herkunft, um seinen Status und seine Gewissheit, um seine Veränderungsnotwendigkeiten wie seine Entwicklungsmöglichkeiten. Das „Du“ impliziert damit keineswegs primär, vorrangig oder gar ausschließlich die heute
allerorten geradezu gebetsmühlenartig wiederholte Forderung nach einer
Individualisierung des Lernens und Wissens, sie stellt dieses „Du“ vielmehr
hinein in den bereits angesprochenen allgemeinen menschlichen, also anthropologischen Rahmen (Was weiß der Mensch?), ebenso in einen kulturellen und wissenschaftlichen (Was weiß der Wissenschaftler, die Naturwissenschaftlerin, der Theologe?) und zuletzt in einen lebensgeschichtlichen
Zusammenhang (Wie habe ich mein Wissen erworben, wie kann ich es stabilisieren, aber auch modifizieren, wie kann ich mein Wissen erweitern,
neues Wissen hinzu erwerben?) Es geht also auch um den Lernprozess,
um die Schule, um (Religions-)Pädagogik, um den (Religions-)Unterricht mit
seinen Personen, den Heranwachsenden wie den Lehrenden. Was also
wissen Schülerinnen und Schüler, was Lehrerinnen und Lehrer? Nicht zuletzt ist zu fragen, was (angehende) Religionslehrerinnen und -lehrer wissen
und verstanden haben sollten, um angemessen mit den Heranwachsenden
und dem Stoff umgehen zu können.
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„… wieviel Sternlein stehen?“ – Die drei letzten Wörter beinhalten eine doppelte Perspektive. Die Sternlein, die stehen – oder auch gehen, wandern,
sich drehen – verweisen auf die uns tragende Wirklichkeit, die Natur oder
Welt. Welcher Art ist diese Welt? Was ist ein Stern, was der Kosmos, das
Universum? Und die anthropologische Brille aufgesetzt dann die Frage:
Was können wir in der Natur sehen, wie viele Sterne erkennen und dann
auch zählen? Heißt aber sehen auch verstehen? Oder sehen und erkennen
wir vielleicht umgekehrt nur das, was wir bereits uns vorgestellt oder gar
verstanden haben? Welchen Status hat das, was wir nicht sehen, uns nicht
vorstellen, was wir nicht begreifen können?
Der Aufbau des Buches erfolgt in drei konzentrischen Kreisen. Der erste,
äußerste befasst sich mit dem Stand der „Sternenkunde“ in den Naturwissenschaften und der Kultur, konkret in Astronomie bzw. Astrophysik, Popkultur (Filmwelt) und Philosophie bzw. Philosophieunterricht. Dann folgt in
einem mittleren Kreis die Theologie, mit zwei Beiträgen, einer aus der alttestamentlichen Wissenschaft, der andere zur Systematischen Theologie. Den
innersten Kreis bildet die Religionspädagogik. Hier fragen drei Beiträge
nach der Präsentierung des „Sternenwissens“ in Schulbüchern (für Religions- bzw. Physikunterricht) sowie nach dem Sternenwissen der Heranwachsenden (Schüler/innen) und der Lehrenden (Lehrer/innen). Zwei Beiträge der beiden Herausgeber am Anfang und Ende des Buches unternehmen den Versuch, die Palette an Perspektiven zu eröffnen und zu bündeln.
Gerhard Büttner zeigt, ausgehend vom Kinderlied „Weißt du, wieviel Sternlein stehen“, wie eng das „Sternenwissen“ einer Gesellschaft mit dem jeweiligen Bild von Welt und Gesellschaft verbunden ist. Der Blick nach oben ermöglicht also zugleich einen tiefen Einblick in die irdischen Verhältnisse einer Epoche. Das allgemeinverständlich vermittelte Wissen über Sterne und
Weltall generiert sich so in narrativer Form als große Himmelserzählung(en). Als Fazit seiner Analyse plädiert der Autor auch im Blick auf den
Schulunterricht dafür, die „Koexistenz verschiedener Erzählungen“ zu Ster-
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nen und Weltall, auch die „kleinen“ eigenen Erzählungen, zuzulassen und
zu respektieren. Wobei jedoch zugleich zu reflektieren und deutlich zu machen ist, dass der epistemologische Status von Narrativen unterschiedlicher
Herkunft (z.B. aus Astronomie, Theologie oder Lebenswelt) durchaus Differenzen aufweist.
Christian Theis zeigt in seinem Beitrag „Die Augen des Astronomen“, was
„man“ als Fachmann bzw. Wissenschaftlerin am „Himmel alles (nicht) sehen
kann“. Das menschliche Auge weiß sich in der Neuzeit, vom „Teleskop“
ausgehend, zunehmend komplizierterer und effektiverer Hilfsmittel zu bedienen, um die unsichtbaren Geheimnisse des Sternenhimmels für den
Menschen beobachtbar und sichtbar zu machen, in Form neuer Detektoren
oder in jüngster Zeit mit Hilfe des „numerischen Auges“, also des Computers. Die beeindruckende Entwicklung und Ausweitung der Beobachtungsmöglichkeiten macht jedoch zugleich sowohl die Einseitigkeit als auch die
prinzipielle Beschränkung der menschlichen Beobachtung deutlich. Zum
einen erschließen physikalische Messinstrumente Bereiche, die für den
Menschen nicht sichtbar bzw. generell nicht wahrnehmbar sind (etwa die
kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung). Zum zweiten beginnt die
menschliche Vorstellung (also das innere „Sehen“ und anschauliche Durchdringen des Kosmos) angesichts der Größe, der möglichen Struktur und der
postulierten Phänomene recht rasch zu streiken (Was ist, bitteschön, etwa
ein „Schwarzes Loch“?). Zum dritten aber zeigt sich – und dies ist der weitreichendste Punkt –, dass Beobachtungen erst in Kombination mit einer
Theorie einen Erkenntnisgewinn ergeben. So kann der Autor seinen Beitrag
mit dem Hinweis schließen: „Was wir am Himmel sehen oder eben nicht sehen, wird nicht zuletzt stark von unseren Vorstellungen über den Kosmos
geprägt.“
Hans-Bernhard Petermann macht den spezifisch philosophischen Zugriff auf
die Sternenwelt in Abgrenzung von Astronomie (u.a. „Faktenbeschreibung“,
Form von „Naturgesetzen“), Astrologie (Lebensorientierung) und Theologie
(„Lob der göttlichen Schöpfung als Orientierung für menschliche Lebens-
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ordnung“) deutlich. Der Blick auf ein Bild in einem Buch für Kinder zeigt auf
anschauliche Weise: Im „Greifen nach den Sternen ergreifen wir zugleich
die Möglichkeiten wie auch die Grenzen unseres Greifens.“ Der Blick auf die
Sterne eröffnet die Chance, so die philosophische Pointe, den Menschen zu
begreifen und zu verstehen. „Anthropologie ist mithin die Pointe von Metaphysik.“ Das letzte Ziel hierbei aber ist, wie sich bereits in Kants „Kritik der
praktischen Vernunft“ lernen lässt, ein pädagogisches: nämlich die Menschen, vor allem die Heranwachsenden, „den Weg zur Weisheit“ finden zu
lassen und sie damit „vor Irrwegen“ zu bewahren. Beim Blick zu den Sternen stolpern wir somit – heilsam! – über die Grundlagen unseres Lebens
und Lernens.
Manfred L. Pirner befasst sich in seinem Beitrag unter dem ‚Titel „´Star
Wars´ und andere kosmologische Wirklichkeiten“ mit den „kosmologisch
dimensionierten Mythen und mythischen Erzählungen in der populären Kultur“, speziell in Filmen bzw. Filmserien, die in den letzten Jahrzehnten in
den beiden Genres des Fantasy wie des Science Ficton (SF) eine enorme
Publikumswirksamkeit entfalteten. Der Autor unterscheidet dabei drei Arten
von Zugriffsweisen aufs Thema „Sterne“ bzw. „Kosmos“. Eine „mythologisch-analogische Kosmologie“ (insbesondere in der Serie „Star Wars“) behält den Rahmen der traditionellen gesellschaftlichen Werte und Wertvorstellungen der westlichen Welt, insbesondere der USA, bei (Kampf „Gut vs.
Böse“) und greift in der Bearbeitung des Themas auf Motive vergangener
Zeiten und Vorstellungen zurück, während die „utopisch-progressive Kosmologie“ (etwa in der Folge „Star Trek“) eine Zukunfts- und Gegenwelt mit
enormen technischen, aber eben auch sozialen Weiterentwicklungen in
humanem bzw. humanistischem Sinne entwirft. Gegenüber diesen beiden
der „Unterhaltung“ (nicht in einem pejorativen, vielmehr durchaus wertschätzenden Sinne) dienenden Genres vertritt eine in den letzten Jahren
aufgekommene „eschatologisch-fundamentalistische Kosmologie“ (in „Left
Behind“) missionarische Interessen in konservativ-fundamentalistischer
Version. Alle drei Versionen aber – so die These des Autors – füllen das
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Vakuum, das die nachlassende kulturelle Prägekraft der „offiziellen“ christlichen wie philosophischen Traditionen in der westlichen Welt entstehen ließ,
und können so, im Bunde mit den naturwissenschaftlichen und technologischen Deutungsperspektiven, eine gesellschaftliche Wirkungs- und Prägekraft entfalten. Weshalb sich, so das Resümee, eine verstärkte theologische, pädagogische und religionspädagogische Beschäftigung „mit solchen
Erzählungen“ lohnt.
Andreas Reinert gibt unter der Überschrift „Im Anfang schuf Gott Himmel
und Erde …“ einen Überblick über die alttestamentlichen Vorstellungen vom
Kosmos und deren Entstehungsbedingungen und dann auch Weiterentwicklungen nicht zuletzt unter den Einflüssen der Umwelt, insbesondere in der
Zeit des Babylonischen Exils. Vehement wendet sich der Autor im Anschluss an Keel und Janowski gegen das auch in heutigen Schulbüchern
noch allerorten und gleichsam „flächendeckend“ von der Grundschule bis
zur gymnasialen Oberstufe verwendete, als bildliche Darstellung aber erst
vor gut hundert Jahren aufgekommene „Käseglockenmodell“ zur Charakterisierung und Veranschaulichung des alttestamentlichen Weltbildes, das
damit zugleich als überholt und „naiv“ dargestellt wird. Die altorientalischen
Weltbilder aber, so die einzig angemessene Betrachtungsweise, sind keineswegs „primitiv“, sie sind keine „Sehbilder“, vielmehr „Denkbilder“, aufgrund einer intensiven und tiefgründigen gedanklichen Auseinandersetzung
mit der Welt resp. dem Kosmos. Dies natürlich noch keineswegs in neuzeitlich-naturwissenschaftlichem Sinne, vielmehr „mythologisch“ und das heißt:
in Beziehung gesetzt zu einer symbolisch vermittelten Sinnwelt, die die gegenwärtige, nicht die entstehende Welt transparent und verstehbar machen
will. Natürlich sind diese Weltbilder an bestimmte Voraussetzungen geknüpft und gebunden – dies gilt jedoch mutatis mutandis auch für unser
modernes, naturwissenschaftliches Weltbild, wie der Verfasser anhand eines fiktiven und kreativen Rückblicks auf unser Weltbild „aus dem 28. Jahrhundert“ anschaulich und klar zu machen versteht.
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