Depressionen bei Kindern und Jugendlichen erkennen und behandeln Fachtagung „psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen“ KVB‐Landesgeschäftsstelle München 27. 7.2016 Dr. M. Barthlen‐Weis Dr.M.Barthlen‐Weis 1 Depressionen bei Kindern und Jugendlichen erkennen und behandeln Fachtagung „Psychische Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen“ 27.7.2016 KVB München Dr. med. Michaela Barthlen‐Weis Warum ist dieses Thema so wichtig? • Ca. 12 % aller Jungen und 20 % aller Mädchen leiden bis zu ihrem 18. Geburtstag mindestens einmal unter Depressionen. • Das entspricht 4‐8 % aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland, also mindestens 1 Kind / Schulklasse. • Der Suizid ist nach den Verkehrsunfällen die zweithäufigste Todesursache für Jugendliche. • Hohe Komorbidität Dr.M.Barthlen‐Weis 3 Depressionen….. • häufigste psychische Erkrankung • hohe Kosten für das Gesundheitssystem • Abgrenzung von der „normalen“ Entwicklung ist schwierig, deshalb oft nicht erkannt! • “stille Erkrankung“: viele unspezifische Symptome • hohe Rückfallgefahr • gute Chancen die Krankheit zu bewältigen Dr.M.Barthlen‐Weis 4 Mögliche Auslöser/Risikofaktoren Sehr viel Streit, Erfahrung mit Gewalt oder Missbrauch fehlende Unterstützung und Zuwendung, Bindung!! Trennung der Eltern, Auseinanderbrechen der Familie Armut, Umzug Versagen in der Schule Liebeskummer, unerwünschte Schwangerschaft schwere Erkrankung oder Tod einer wichtigen Bezugsperson • Kinder psychisch kranker Eltern! • zahlreiche neurobiologische und genetische Ursachen • • • • • • • Dr.M.Barthlen‐Weis 5 Wie kann ich eine Depression erkennen? • Symptome teilweise sehr unterschiedlich und vielschichtig je nach Entwicklungsalter, teils untypisch im Vergleich zum Erwachsenenalter • Kleinkindalter (1‐3 Jahre) • Vorschulalter (4‐6 Jahre) • Schulalter (7‐12 Jahre) • Pubertäts‐/Jugendalter (13‐18 Jahre) • Die nachfolgend genannten Merkmale müssen nicht gleichzeitig auftreten! • Wichtig ist auch der Ausschluss körperlicher Ursachen der depressiven Symptome wie zum Beispiel Schilddrüsenfunktionsstörungen Dr.M.Barthlen‐Weis 6 Quelle : Bündnis gegen Depressionen e.V. 7 Altersunabhängige Merkmale der Depression • • • • • Antriebslosigkeit Lustlosigkeit Ermüdbarkeit Traurigkeit sozialer Rückzug Dr.M.Barthlen‐Weis 8 Depression im Kleinkindalter • • • • • • • • • Vermehrtes Weinen erhöhte Irritabilität Spielunlust Gestörtes Essverhalten Ausdrucksarmut Erhöhte Ängstlichkeit körperliche Beschwerden selbststimulierendes Verhalten Prävalenz ca. 1 Prozent Dr.M.Barthlen‐Weis 9 mögliche depressive Symptome im Vorschulalter (4‐6 Jahre) • • • • • • Introvertiertes Verhalten Stimmungslabilität aggressives Verhalten Appetitlosigkeit psychomotorische Unruhe Schlafstörungen, Alpträume Dr.M.Barthlen‐Weis 10 depressive Störungen im Schulalter ( 7‐12 Jahre) • Höhere Komorbidität mit Störungen des Sozialverhaltens und Hyperaktivität • Prävalenz ca. 2‐3 % • Verbale Berichte über Traurigkeit, Zukunftsängste • erhöhte Ängstlichkeit • Ein‐ und Durchschlafstörungen • suizidale Gedanken und Aussagen • Häufig somatische Beschwerden: Kopf‐ und Bauchweh • Schulleistungsschwierigkeiten • Reizbares, aggressives Verhalten Dr.M.Barthlen‐Weis 11 Depressive Störungen im Jugendalter (13‐18 Jahre) • • • • • • • • Starke Stimmungslabilität psychosomatische Beschwerden vermindertes Selbstvertrauen, Selbstzweifel Lustlosigkeit und Antriebsarmut, Interessenverlust, sozialer Rückzug! Gewichtsverlust Konzentrationsstörungen Ein‐und Durchschlafstörungen suizidale Gedanken, selbstverletzendes Verhalten Dr.M.Barthlen‐Weis 12 Depression im Jugendalter • Häufig Komorbidität mit Substanzmissbrauch (Alkohol, Cannabis) • Mehr Mädchen wie Jungen (2:1) • Rückfallrisiko nach einer ersten Episode innerhalb von fünf Jahren erneut zu erkranken liegt zwischen 50 und 70 % • Gedanken an Schuld und Wertlosigkeit: • “ warum passiert es immer nur mir?“ • Leistungsstörungen in Schule/Arbeit Dr.M.Barthlen‐Weis 13 Fallstricke bei der Erkennung und Behandlung von Depressionen • Stark variierende Erscheinungsbilder • die innere Gefühlswelt der Kinder und Jugendlichen ist auch für Eltern schwer beobachtbar • vor allem Jugendliche sind Meister im Bagatellisieren ihrer wahren Gefühle „ich bin doch nicht verrückt!“ • Was ist „normal“, was nicht? • Scham und Verleugnung, Angst vor Stigmatisierung • Verkennung der Ernsthaftigkeit, „ der ist nur faul“, „die soll sich doch zusammenreißen“ • Hohe Komorbidität, welche zunächst möglicherweise im Vordergrund steht. Zum Beispiel Essstörungen, Angststörungen, Drogen und Alkoholmissbrauch, Störungen im Sozialverhalten Dr.M.Barthlen‐Weis 14 Behandlung der Depression Psychotherapie Medikamente Klinik Jugendhilfe/Schule Einbindung der Familie Dr.M.Barthlen‐Weis 15 Kognitive Verhaltenstherapie • Verbesserung der Kommunikation mit Familie und den Gleichaltrigen • Strukturierung des Alltags • Erfolgserlebnisse vermitteln • Förderung sozialer Kompetenzen und Problemlösefähigkeiten • Aufbau Selbstsicherheit • Abbau negativer Denkweisen • Lösungsstrategien zur Vermeidung von Rückfällen Dr.M.Barthlen‐Weis 16 Dr.M.Barthlen‐Weis 17 Medikamente • Fluoxetin, einzige in Deutschland zugelassene Medikament bei Kindern und Jugendlichen ab dem achten Lebensjahr, immer in Kombination mit kognitiv‐ verhaltenstherapeutischer Psychotherapie • 10 mg/ Tag, nach einer Woche gegebenenfalls Erhöhung auf 20 mg / Tag, mindestens 6‐8 Monate Weitergabe nach Remission • UAW: Kopfschmerzen, Erbrechen, Schlafstörungen, Müdigkeit, Appetitminderung und cave! zu Beginn Verstärkung von Suizidgedanken • Alternativen: Escitalopram, Citalopram , Sertralin Dr.M.Barthlen‐Weis 18 Was können Eltern tun? Gemeinsam schöne Dinge unternehmen Anregung von körperlicher Bewegung Förderung von sozialen Kontakten Erziehungsstil überdenken (Lob, Kritik, Strafe) Akzeptieren der Gefühle des Kindes/Jugendlichen Für das Kind präsent sein und „am Ball bleiben“ Sich Rat einholen (Kinderpsychiater, Kinder‐ und Jugendlichenpsychotherapeut) • Selbstmorddrohungen nie ignorieren! • • • • • • • Quelle Nevermann und Reicher , 2001 19 Schule und Jugendhilfe • Aufmerksamkeit bei längerfristigen und deutlichen Veränderungen im Verhalten eines Schülers (z.B. erhöhte Fehltage, Leistungseinbrüche, Konzentrationsstörungen) • Ansprechperson sein, keine Verschwiegenheit versprechen • Vermittlung weiterer Hilfe • Jugendhilfe: Erziehungsbeistandschaft, sozialpädagogische Familienhilfe, Inobhutname Dr.M.Barthlen‐Weis 20 Dr.M.Barthlen‐Weis 21 Dr.M.Barthlen‐Weis 22