Mit Kindern über Fragen in den Dialog treten Zur Bedeutung des Fragestils in der Interaktion mit Kindern für die sprachliche und allgemein für die kognitive Entwicklung des Kindes finden sich in der Forschungs- und Fachliteratur vielfältige Hinweise. Auf einen direkten Zusammenhang zwischen sprachlichem Input und linguistischen Leistungen weisen z.B. Hoff-Ginsberg (2000), Grimm (1995) und Beller u.a. (1996) hin. So stellt HoffGinsberg fest, dass ein häufiger Gebrauch offener Fragen im sprachlichen Input besonders die grammatikalische Entwicklung positiv beeinflusst. Und Grimm (1995) differenziert fünf verschiedene Frageformen, die dem Kind unterschiedliche komplexe linguistische Leistungen beim Antworten abverlangen und somit eine positive Wirkung auf die Grammatikentwicklung erzielen. Hoff-Ginsberg (2000) weist nach, dass sich der Gebrauch vieler Imperative in der Erwachsenensprache bei älteren Kindern negativ auf deren Bedürfnis auswirkt, sich sprachlich zu äußern und Fragen zu stellen. Und Beller u.a. (1996) weist nach, dass Kinder in Gruppen mit Erzieherinnen, die stark kontrollierend lenken und häufig kurz formulierte Anweisungen benutzen, Verzögerungen in der Sprachentwicklung aufweisen, während Autonomie gewährendes Lenken, verknüpft mit sprachlich komplexen Aussagen eine komplexere Sprach- und Denkstruktur fördern. Auf die Bedeutung des Fragestils Erwachsener für die kognitive Entwicklung des Kindes allgemein weisen weitere Studien hin. So wissen wir aus der Interaktionsforschung, dass ein Interaktionsstil, der sich durch offene Fragen und Aufforderungen zu Phantasiespiel und Problemlöseprozessen auszeichnet, hohen Einfluss auf die soziale und kognitive Entwicklung des Kindes hat (vgl. Wilcox-Herzog & Ward 2004). Von zentraler Bedeutung für die kognitive Entwicklung ist offenbar, Gedankengänge der Kinder und deren intuitive Theorien zum Ausgangspunkt für gemeinsame Überlegungen zu nutzen. Dies regt die kindlichen Lernprozesse an und unterstützt sie. Die Art der Fragestellung entscheidet in diesen Interaktionsprozessen häufig darüber, ob das Lernen des Kindes unterstützt oder eher gehemmt wird. Nach Rogoff (1990) führen offene Fragen zu einem wechselseitigen Aushandlungsprozess und zu „shared thinking“ zwischen Erziehendem und Kind und gelten somit als zentral für die Entwicklung der Kinder. Während zu enge Fragen das selbständige Lernen der Kinder eher beschränken, fördern Fragen, die den Kindern ihre eigenen intuitiven Theorien bewusst machen, deren Denkprozesse. Untersuchungen von Perry (1993) zu Folge führt eine differenzierte Fragekultur, die Kinder dazu anhält, sich ein Problem bewusst zu machen und Lösungen zu suchen und zu hinterfragen, zu hohen kognitiven Leistungen. Um eine Auseinandersetzung mit der Bedeutsamkeit des Fragens zu initiieren und darüber hinaus konkrete Beispiele für im oben genannten Sinne gute Fragen zu geben, wurde eine Zusammenfassung des Textes von Elstgeest (1996) Die richtige Frage zur richtigen Zeit gewählt. In Übereinstimmung mit den o. g. Erkenntnissen aus der Forschung formuliert Elstgeest konkrete Fragestellungen und erläutert deren Bedeutsamkeit für die kindliche Entwicklung. Eine gute Frage ist demnach der erste Schritt zu einer Antwort. Sie lädt zu einer näheren Betrachtung, Beobachtung oder Untersuchung ein. Sie regt zum Denken an und ermutigt zur Aktivität. Eine gute Frage ◦ hilft Kindern, selbständig nach einem Lösungsweg zu suchen, ◦ hat keine „Testabsichten“, ◦ ermöglicht dem Kind, aufgrund eigener Erfahrungen eine Lösung finden zu können, ◦ verlangt keine vorgefertigte (ablesbare) Antwort, ◦ lässt evtl. mehrere mögliche Antworten zu, ◦ zeigt echtes Interesse am Kind und seinem Lösungsweg, ◦ stellt der Fragende als mitforschende Person, die selbst an einer Lösung interessiert ist, nicht als „Besserwisser“ (vgl. a.a.O.). Elstgeest schlägt daher folgende Frageformen vor: ◦ Aufmerksamkeit weckende Fragen, ◦ Fragen, die zum Messen und Zählen auffordern, ◦ vergleichende Fragen, ◦ Handlungsfragen, ◦ Problem aufwerfende Fragen, ◦ Warum-Fragen sollten ein „Warum, denkst du …?“ einschließen (vgl. a.a.O.). Dieses Submodul dient somit der Sensibilisierung für produktive Fragen, die gemeinsame Denkprozesse (shared thinking) von Kindern und Erzieherinnen initiieren und zur Aktivität auffordern. Die hier vermittelten Informationen dienen als „Basisinformationen“, an die die folgenden Submodule anschließen. Jos Elstgeest: Die richtige Frage zur richtigen Zeit Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte: ◦ Es gibt viele verschiedene Sorten von Fragen mit unterschiedlichen Wirklungen auf die Kinder. ◦ Der Zweck von pädagogischen Fragen sollte die Förderung der Aktivität und des Denkens der Kinder sein. ◦ Fragen, die zu Aktivität ermutigen (produktive Fragen), erscheinen in mehreren Arten und bilden eine Hierarchie, die die Erfahrung der Kinder widerspiegelt. ◦ Fragen, die das Denken fördern, beginnen oft mit „warum" oder „wie". ◦ Es sollte der Eindruck vermieden werden, dass zu jeder Frage dieser Art nur eine richtige Antwort existiert. Diese Fragen sind erwünscht, um Kinder zwanglos ausdrücken zu lassen, wie sie über ihre Beobachtungen und Entdeckungen denken. ◦ Sie führen zu Erkenntnissen, Einsichten und Beobachtungen, an die sich weitere Erkenntnisse, Einsichten, Beobachtungen anknüpfen können. ◦ Es ist empfehlenswert, in die „Warum"-Fragen die Phrase „Warum, denkst du ..." mit einzuschließen. So kann das Kind leichter Verantwortung für seine Antwort übernehmen. ◦ Diese Fragen sollten sorgfältig, zum richtigen Zeitpunkt, ausgewählt werden, so dass Kinder die notwendige Erfahrung haben, um sich ein Urteil zu bilden, das wirklich ihr eigenes ist. ◦ ◦ ◦ ◦ ◦ ◦ ◦ ◦ ◦ ◦ ◦ ◦ ◦ Richtlinien für „produktive“ Fragen Studiere bei Kindern die Wirkung, die durch das Stellen verschiedener Arten einer Frage erzielt wird, so dass du die "produktive" von der "unproduktiven" Frage unterscheiden kannst. Benutze in der Anfangsphase einer Erkundung die einfachste Form einer produktiven Frage (die Aufmerksamkeit weckende), um Kindern zu helfen, von Details Notiz zu nehmen, die sie sonst vielleicht übersehen würden. Aufmerksamkeit weckende Fragen: Habt ihr gesehen? Was seht, hört, fühlt ihr? Was macht es? Was geschieht, wenn …? Benutze Fragen, die zum Messen und Zählen anregen, um Kindern einen Anstoß zu geben, von qualitativer zu quantitativer Beobachtung überzugehen. Fragen , die zum Messen und Zählen anregen: Wie viele? Wie oft? Wie lang ist es? Diese Fragen führen zu den vergleichenden Fragen Benutze vergleichende Fragen, um Kindern zu helfen, ihre Beobachtungen und Daten zu ordnen. Sie führen zu genauerer Beobachtung, zur Klassifizierung und Hierarchisierung. Vergleichende Fragen: Was ist stärker, länger, schwerer …? Benutze Handlungsfragen, um zum Experimentieren und zur Untersuchung von Beziehungen zu ermutigen. Handlungsfragen: Was geschieht, wenn …? Benutze problemaufwerfende Fragen, wenn Kinder fähig sind, sich selbst Hypothesen aufzustellen und Situationen zu erfinden, um diese zu prüfen. Problemaufwerfende Fragen: Kannst du eine Methode finden, um … Wähle die Art von Fragen, die der Erfahrung der Kinder in Bezug auf das spezielle Thema der Untersuchung am besten entspricht. Richtlinien für „Warum-" und „Wie"- Fragen ◦ Immer wenn Fragen gestellt werden, um das Denken der Kinder anzuregen, sollten sie zur Sicherheit "Was denkst du darüber?" oder "Warum, denkst du, ..." mit einschließen. ◦ Stelle keine Fragen dieser Art, bevor Kinder nicht die notwendige Erfahrung gewonnen haben, die sie brauchen, um aus den Ergebnissen logische Schlussfolgerungen ziehen zu können. ◦ Wenn Kinder „Warum"-Fragen stellen, überlege, ob sie die Erfahrung haben, um die Antwort zu verstehen. ◦ Habe keine Angst, zuzugeben, dass du eine Antwort nicht weißt, oder dass niemand sie kennt, (wenn es eine philosophische Frage ist). ◦ Unterteile Fragen, deren Antworten zu komplex sein könnten, in solche, die Beziehungen betreffen, die die Kinder selbst herausfinden und verstehen können. ◦ Nimm Fragen von Kindern ernst als einen Ausdruck dessen, was sie interessiert; auch wenn es keine Antwort gibt - verhindere nicht das Fragen. Nach: Jos Elstgeest (1987): The right question and the right time. Unter: http://www.entdeckendes-lernen.de/3biblio/praxis/richtigefrage.htm (Stand: 18.12.2009) Literatur Beller, S. (o. J.): Forschung und Fortbildung in der Kleinkindpädagogik. Unter: www.bellerkkp.de (Stand: 24.09.2009) Elstgeest, J. (1996): Die richtige Frage zur richtigen Zeit Grimm, H. (1995): Mother-child dialogues. A comparison of preeschool children with and without specific language impairment. In: Marková, I. et al.: Mutualities in Dialogues. Cambridge Grimm, H. (Hrsg.) (2000): Sprachentwicklung. Enzyklopädie der Psychologie, C III, Bd. 3, Göttingen. Hoff-Ginsberg, E. (1998): What explains the SES-related difference in children´s vocabularies and what does that reveal about the process of word learning. Paper presented at the Boston University Conference on Language Development. Boston Hoff-Ginsberg, E. (2000): Soziale Umwelt und Sprachenlernen. In: Grimm, H. (Hrsg.): Sprachentwicklung. Göttingen, S. 463-493 Perry, M., Vanderstoep, S. W. & Yu, S. L. (1993): Asking Questions in First-Grade Mathematics Classes: Potential Influences on Mathematical Thought. In: Journal of Education Psychology, 85/1, pp. 31-40 Rogoff, B. (1990): Apprenticeship in Thinking: Cognitive Development in Social Context. New York Wilcox-Herzog, A. & Ward, S. L. (2004): Measuring Teachers’ Perceived Interactions with Children: A Tool for Assessing Beliefs and Intentions. In: Early Childhood Research & Practice, 6/2. Unter: http://ecrp.uiuc.edu/v6n2/herzog.html (Stand: 19.11.2009) Dieser Text ist ein Auszug aus einem Unterrichtsentwurf von: Metschies u.a. (2010): ErzieherInnen als ExpertInnen für Sprachförderung. Dortmund http://www.berufsbildung.schulministerium.nrw.de/cms/upload/fs/download/professionnalisierung skonzept.pdf