Elementare Analysis Herbert Möller 1 Vorgeschichte Die Auswüchse der einseitig an den entsprechenden Hochschulvorlesungen orientierten Schulanalysis führten 1973 zu dem Vorschlag von H. Karcher, mit vereinfachten Grundbegriffen zu arbeiten, um “mehr Schülern als bisher verständlich [zu] machen, worum es in der Analysis geht” [2]. Später erhielt dieses Analysiskonzept wegen der Verwendung des seit mehr als 100 Jahren in der Mathematik gebräuchlichen Begriffs der Lipschitz-Stetigkeit den Namen “Lipschitz-Analysis”. Nach anfangs sehr heftigen Diskussionen reifte das Konzept im Verborgenen weiter. Eine erste vollständige Buchvorlage wurde 1981 als Skriptum mit dem Titel “Vereinfachte Analysis” [5] gedruckt, nachdem sechs Verlage das Manuskript zurückgewiesen hatten. Vier Lehrer beeinflußten die weitere Entwicklung entscheidend. K. Arzt und K. Mütz [1] hatten schon 1976 vorgeschlagen, mit der Ableitungsrechnung zu beginnen und anstelle der von Karcher benützten Betragsungleichung bei der Einführung der “gutartigen Differenzierbarkeit” eine betragsfreie Gleichung zu verwenden, mit der man besser rechnen kann und die es ermöglicht, alle Existenzquantoren aus der Definition zu entfernen. Auch eine umfangreiche Rezension der Vereinfachten Analysis durch J. Vaupel [16] hat dazu geführt, daß die Behandlung der ursprünglich grundlegenden reellen Zahlen und Folgengrenzwerte aufgeschoben wurde. Nach neunjähriger erfolgreicher Erprobung im Schulunterricht brachte W. Müller 1986 das erste Schulbuch zur Lipschitz-Analysis [15] heraus. Es belegt sehr deutlich die zahlreichen Vorteile des Konzepts und umfaßt außerdem nur halb so viele Seiten wie die üblichen Analysisschulbücher. Unter anderem enthält es eine integral- und grenzwertfreie Vorversion des Hauptsatzes. Eine ausführliche Rezension [9] erschien 1988. Das ausgereifte Gesamtkonzept wurde 1986 nach mehr als zehnjähriger methodischer und didaktischer Entwicklungsarbeit unter dem Namen “Elementare 2 H. Möller: Elementare Analysis Analysis” vorgestellt [6], wobei die folgenden charakterischen Merkmale die Bezeichnung rechtfertigen: i) Die Grundbegriffe lassen sich in eindeutiger Weise veranschaulichen, und alle formalen Herleitungen sind durch Schlüsse mit Hilfe elementargeometrischer Figuren ersetzbar. ii) Die wichtigen nichtrationalen Zahlen und Funktionen sowie alle allgemeinen Existenzaussagen werden algorithmisch-konstruktiv gewonnen. iii) Die wesentlichen Begriffsbildungen und Ergebnisse können vom Lernenden ausgehend von einfachen Problemstellungen unter geringer Anleitung selbst entwickelt bzw. gefunden werden. Die von Karcher eingeführten Begriffe “gutartig differenzierbar” bzw. “gutartig” wurden 1988 durch “elementar differenzierbar” bzw. “elementar stetig” ersetzt [8], weil viele Menschen mit dem Begriffspaar gutartig/bösartig sehr unangenehme Assoziationen verbinden. Obwohl das Konzept unabhängig vom möglichen Rechnereinsatz entstanden ist und so auch verwendet werden kann, hat die Verfügbarkeit immer leistungsfähigerer Computer in den vergangenen fünf Jahren die weitere Ausgestaltung stark beeinflußt. Im Rahmen eines in Münster durchgeführten Forschungsprojekts “Analysis mit Graphikcomputern” ([7], [8], [10], [11], [14]) stellte es sich nämlich heraus, daß die Elementare Analysis einerseits mit ihrem geometrischen, algorithmischen und phänomenologischen Strang in jeweils besonderer Weise sinnvollen Computereinsatz ermöglicht und daß andererseits die theoretische Überlegenheit des Konzepts durch die neuen, vielseitigen Graphikcomputer auch eindrucksvoll sichtbar wird. Zwei weitere Jahre dauerte es, bis der erste von zwei Bänden zur Elementaren Analysis aufgeschrieben war. Obwohl die damit verbundenen umfangreichen Änderungen an der Vereinfachten Analysis vertraglich vereinbart wurden, haben die Herausgeber N. Knoche und H. Scheid die Veröffentlichung in der einzigen in Frage kommenden Didaktikreihe mit willkürlichen und falschen Begründungen verweigert. Der Höhepunkt der Unrechtsvorgänge ist soeben eingetreten: H. Kütting, der die Elementare Analysis gut kennt, hat denselben Namen für ein älteres, wiederaufgelegtes Werk verwendet, das in keiner Weise elementar ist. Damit steht H. Möller: Elementare Analysis 3 die endgültige Bezeichnung des Konzepts und der Titel des Lehrbuchs noch nicht fest. Da auch nicht vorherzusehen ist, wann die beiden fertig konzipierten Bände erscheinen können, wird im folgenden versucht, die wichtigsten Details kurz und möglichst objektiv zu beschreiben. 2 2.1 Das Konzept der Elementaren Analysis Allgemeine Darstellung Die Elementare Analysis ist eine konsistente Teiltheorie der Cauchy-Analysis, deren wesentliche Ergebnisse und Methoden sie durch Verwendung von vereinfachten Grundbegriffen auf direkten Wegen mit erheblich geringerem Zeitbedarf entwickelt. Sie realisiert dabei den didaktischen Ansatz der optimalen Definitionen, erreicht durchgängig das methodische Ziel der Approximation mit expliziten Resten und genügt den lernpsychologischen Prinzipien des genetischen Lernens und des kognitiven Gleichgewichts. Der inhaltliche Aufbau und das Begriffsnetz können aus den folgenden beiden Schemata entnommen werden. Elementare Ableitungsrechnung 6 ? Elementare Stetigkeit ? Exponential-, Cosinus- und Sinusfunktion Reelle Zahlen ? ? - Folgengrenzwerte ? Potenzreihen und Standardfunktionen ? ? ? ? Elementare Integralrechnung ? ???? Existenzsätze, Algorithmen und Anwendungen Abbildung 1: Strukturschema 4 H. Möller: Elementare Analysis Elementare Geometrische Differenzierbarkeit Nullfolgen ? ? ? Geometrische Ableitung Fundamental- Konvergenz ? folgen ? Elementare ? Geometrische Intervallschachtelungen Grenzwert Stetigkeit @ R @ 6 abgrenzende Grundbegriffe Integral 3 konsistente Ergebnisbegriffe Abbildung 2: Begriffsschema Die Leistungsfähigkeit und die meisten Besonderheiten der Elementaren Analysis ergeben sich aus den folgenden beiden bisher nicht beachteten mathematischen Sachverhalten in der Cauchy-Analysis: i) Alle endlichen Verknüpfungen von rationalen Funktionen und von k-ten Wurzelfunktionen mit k ∈ N \ {1} (“Rationalwurzelfunktionen”) sowie alle Potenzreihenfunktionen lassen sich mit beschränkt-quadratischem Rest linear approximieren, wobei die jeweilige Koeffizientenfunktion des Restes explizit bekannt ist bzw. unter Verwendung einer einfachen Polynomfolge kalkülmäßig berechnet werden kann (“explizite Quadratrestentwicklung”). ii) Ein großer Teil aller Grenzwertanwendungen der Cauchy-Analysis läßt sich mit Hilfe von Fundamentalfolgen wesentlich vereinfachen. Der Aufbau der elementaren Ableitungsrechnung setzt wegen i) nur Mittelstufenalgebra voraus und kann deshalb entsprechend früh behandelt werden. Von ii) profitiert besonders der algorithmische Strang. Auch ein “Brückenkurs Infinitesimalrechnung” [12] ließ sich damit günstig gestalten. H. Möller: Elementare Analysis 5 Im Unterricht wird ein Arbeitsbereich und ein Erweiterungsbereich unterschieden, wobei der geometrische und der algorithmische Strang zum ersteren und der phänomenologische Strang zum letzteren gehört. 2.2 2.2.1 Ableitungsrechnung Ableitung der Quadratfunktion Da die frühzeitige Formulierung des Tangentenproblems fast unausweichlich zu den problematischen Differentialquotienten führt, beginnen wir mit einfachen Extremwertaufgaben, die elementar bzw. mit linearer Approximation gelöst werden können. Die wohl älteste Frage dieser Art, nämlich welches unter allen Rechtecken gleichen Umfangs 2a den größten Flächeninhalt hat, wurde von Euklid geometrisch beantwortet. Das Ergebnis läßt sich in heutiger Terminologie als Gleichung (1) x(a − x) = a 2 2 a 2 − x− 2 schreiben, wobei x die Länge einer Rechteckseite ist. Deuten wir die linke Seite von (1) als Differenz ax−x2 zwischen den Ordinatenwerten der Geraden Graph (x → ax) und der Normalparabel Graph (x → x2 ), so entdecken wir im Falle der maximalen Differenz diejenige Tangente der Normalparabel, die parallel zu der Sekante Graph (x → ax) verläuft, weil diese 2 a a Parallele die Parabel in dem Punkt , berührt. 2 4 Damit fällt der Berührpunkt mit dem Scheitelpunkt der “Differenzparabel” Graph (x → ax−x2 ) zusammen. Da x2 nicht negativ ist, berührt die Differenzparabel die Gerade Graph (x → ax) nur im Ursprung und liegt sonst unterhalb der Geraden. Nun kann die gewonnene Tangente auf zwei verschiedenen Wegen graphisch dargestellt werden (mit mausgesteuerter Computergraphik oder einfach mit zwei OHP-Folien): i) Die Gerade wird zusammen mit der Differenzparabel parallel zur zweiten Achse verschoben bis der Scheitelpunkt auf der ersten Achse liegt; ii) Die Gerade und die Differenzparabel werden parallel zur Verbindungsstrecke von Ursprung und Berührpunkt bis zum Berührpunkt verschoben. 6 H. Möller: Elementare Analysis Der erste Weg ergibt unmittelbar die Identität x2 = c2 + 2 c (x − c) + (x − c)2 (2) mit x → c2 + 2c(x − c) als “Tangentenfunktion” und x → (x − c)2 als “Tangentenabweichung”. Das zweite Ergebnis erweist sich später als Prototyp des Werkzeugs “Nadel”, mit dessen Hilfe mehrere Ergebnisse gefunden werden. Dazu gehört auch die Eindeutigkeit der Tangentensteigung als Konsequenz der Beschränktheit des Koeffizienten von (x − c)2 . Da diese Charakterisierung der Tangentenabweichung jetzt noch nicht bekannt sein kann, bietet sich eine einfache arithmetische Überlegung an: Ist m die Steigung einer beliebigen Sekante durch (c, c2 ), so gilt 2c − m 2 2 (x − c)2 für x 6= c, x = c + m(x − c) + 1 + x−c d.h. der “Quadratkoeffizient” ist nur im Falle der Tangentensteigung m = 2c beschränkt. 2.2.2 Ableitung der Potenzfunktionen Die Quadratfunktion wurde so ausführlich behandelt, weil sich die Ableitungen aller übrigen Potenzfunktionen und auch aller reziproken Potenzfunktionen nun außerordentlich schnell und einfach durch “Rekursion” ergeben. Entscheidend ist der Übergang von x2 nach x3 , der auch durch ein Extremwertproblem motiviert wird und der formal durch Multiplikation von x2 mit x erfolgt. Beachtet man, daß zu x in c die Tangentenfunktion x → c+(x−c) gehört und daß das Produkt zweier linearer Funktionen eine quadratische Funktion darstellt, deren lineare Approximation bereits bekannt ist, so erhält man durch Multiplikation der Entwicklungen von x und x2 die Darstellung (3) x3 = c3 + 3 c2 (x − c) + (x + 2 c) (x − c)2 . Im Unterricht würde man schrittweise zu höheren Potenzen aufsteigen. Hier genügt es, den Übergang von xn nach xn+1 zu skizzieren. Aus dem Ansatz (4) xn = cn + An (c) (x − c) + Rn (x, c) (x − c)2 H. Möller: Elementare Analysis 7 folgen durch Multiplikation der rechten Seite mit c + (x − c) die Rekursionsformeln, die sich einfach an einem entsprechend unterteilten Rechteck ablesen lassen: (5) An+1 (c) : = c An (c) + cn , A1 (c) : = 1 und (6) Rn+1 (x, c) : = An (c) + x Rn (x, c), R1 (x, c) : = 0. Wurde die Beweismethode der “vollständigen Induktion” bereits behandelt, so kann auch die Allgemeingültigkeit (für alle n ∈ N \ { 1 }) von (7) An (c) = n cn−1 und (8) Rn (x, c) : = xn−2 + 2 c1 xn−3 + · · · + (n − 1) cn−2 gezeigt werden. Andernfalls lassen sich wenigstens ohne Mühe beliebig viele Einzelfälle herleiten, so daß die dann entstehenden Vermutungen es nahelegen, den Beweis durch vollständige Induktion einzuführen. Wegen ihrer großen Bedeutung für die explizite Restdarstellung in der elementaren Ableitungsrechnung nennen wir die Polynome Rn (x, c) “Restpolynome”. Die Rekursionsformeln (5) und (6) bergen noch eine Überraschung: Da die Multiplikation bei dem Übergang von xn nach xn+1 umkehrbar ist, kann auch die Rekursion rückwärts durchlaufen werden. Dabei ergibt sich zunächst A0 (c) : = 0, R0 (x, c) : = 0 und A−1 (c) : = − 1 1 , R−1 (x, c) : = 2 , 2 c cx so daß (9) 1 1 1 1 = − 2 (x − c) + 2 (x − c)2 für alle x und c mit cx 6= 0 gilt. x c c cx Diese Rekursion ließe sich ähnlich wie oben beliebig fortsetzen. Da in der Berechnung der Ableitung von xn+1 aber bereits die Grundidee der “Multiplikationsregel” steckt, kann man nun die Chance nutzen und auch die “Kettenregel” vorbereiten, indem man (9) einfach in (4) mit (7) einsetzt: Wegen (6) folgt dann (10) x −n =c −n − nc −n−1 1 1 1 (x − c) + 2 Rn+1 , (x − c)2 cx x c 8 H. Möller: Elementare Analysis für alle x und c mit cx 6= 0 und für alle n ∈ N. Obwohl diese zweimal unendlich vielen Beispiele die Definition der neuen, grundlegenden Funktioneneigenschaft sicher genügend motivieren, bringen wir hier noch zwei weitere Typen, die im Konzept erst später behandelt werden. 1 Lösen wir (4) nach dem Linearfaktor (x − c) auf und ersetzen x durch X n 1 sowie c durch C n , so erhalten wir als Vorgriff auf den “Umkehrsatz” 1 Xn = 1 Cn + 1 1 −2 1 1 1 1 −1 1 1 C n (X − C) − C n −1 Rn X n , C n Qn X n , C n (X − C)2 n n für alle X und C, die n-te Potenzen von positiven rationalen Zahlen sind, mit den ebenfalls sehr wichtigen “Quotientenpolynomen” Qn (x, c) : = n cn−1 + Rn (x, c) (x − c) = xn−1 + c xn−2 + · · · + cn−1 . Mit Hilfe der Limesabbildung, die wir für Fundamentalfolgen in anschaulichkonstruktiver Weise einführen, ergibt sich schließlich aus (4) durch Aufsummieren die entsprechende Quadratrestentwicklung für alle Potenzreihenfunktionen. 2.2.3 Elementare Differenzierbarkeit Die zu den obigen Herleitungen gehörenden Veranschaulichungen der Tangentenfunktion und der Tangentenabweichung mit Hilfe von Graphikcomputern zeigen, daß zumindest im Bildschirmbereich die Eindeutigkeit der Tangentenfunktion mit der Beschränktheit des Quadratkoeffizienten zusammenhängt. Für n >2 bzw. n > 0 sind aber die Quadratkoeffizienten Rn (x, c) bzw. 1 1 1 Rn+1 , über Q bzw. Q \ { 0 } nicht beschränkt. c2 x x c Um zu einer sinnvollen Definition der Ableitung zu kommen, ist es deshalb zweckmäßig, dem Vorgehen in den meisten Anwendungsbereichen zu folgen und Funktionen nicht auf ihrem vollen Definitionsbereich sondern auf beliebigen (oder geeigneten) abgeschlossenen Intervallen aus dem Definitionsbereich zu betrachten. Eine Funktion f , die durch die Zuordnung x → f (x) gegeben ist und für die x das Intervall [a , b] durchläuft, wird durch (x → f (x) , [a , b ] ) abgekürzt. H. Möller: Elementare Analysis 9 Die obigen unendlich vielen Beispiele legen nun die folgende Definition der entdeckten Funktioneneigenschaft nahe: Definition. Die Funktion (x → f (x) , [a , b ] ) heißt in c ∈ [a , b ] elementar differenzierbar mit der Ableitung f 0 (c) genau dann, wenn (11) f (x) = f (c) + f 0 (c) (x − c) + B(x, c) (x − c)2 mit einer beschränkten Funktion (x → B(x, c) , [a , b ] ) für alle x ∈ [a , b ] gilt. Ist K eine obere Schranke von (x → |B(x, c)|, [a , b ]) und wird P±K (x) : = f (c) + f 0 (c) (x − c) ± K(x − c)2 gesetzt, so folgt (12) P−K (x) ≤ f (x) ≤ P+K (x) für alle x ∈ [a , b]; d.h. Graph(f ) liegt zusammen mit der Geraden Graph (x → f (c) + f 0 (c)(x − c)) zwischen zwei punktsymmetrischen Parabeln, die sich im Punkt (c, f (c)) berühren. Wir nennen deshalb K auch “Parabelschranke”. Abbildung 3: Nadel Die Veranschaulichung dieses Sachverhalts ergibt den allgemeinen Fall der Figur “Nadel” (siehe Abbildung 3), die bereits bei der Quadratfunktion auftrat. Eine Besonderheit des geometrischen Stranges der Elementaren Analysis ist die Verwendung solcher Figuren als Werkzeuge bei der Entdeckung von Ergebnissen in Form von “Präbeweisen”, die eine Weiterentwicklung der präformalen Beweise von I. Lakatos [4] darstellen ([13]). 10 H. Möller: Elementare Analysis Mit dem Werkzeug Nadel werden unter anderem die Eindeutigkeit der Ableitung, die Beschränktheit elementar differenzierbarer Funktionen, eine Krümmungseigenschaft und der “Rekonstruktionssatz” als Vorstufe des Hauptsatzes der Ableitungs- und Integralrechnung gewonnen. Um die große Bedeutung herauszustellen, die Differenzenquotienten auch in diesem Konzept für die Approximation der Ableitung besitzen, leiten wir unmittelbar im Anschluß an den Beweis der Ableitungsregeln den “Differenzenquotientensatz” her: f (x) − f (c) für x ∈ [a , b], x 6= c, und x−c Dc (x) : = f 0 (c) für x = c sowie H±K (x) : = f 0 (c) ± K|x − c| gesetzt, so folgt Wird zur Abkürzung Dc (x) : = aus (11) die Ungleichungskette H−K (x) ≤ Dc (x) ≤ H+K (x) für alle x ∈ [a , b], die mit dem aus zwei Halbgeradenpaaren bestehenden Werkzeug “Schere” den wichtigen Zusammenhang zwischen der Ableitung f 0 (c) und den zugehörigen Sekantensteigungen wiedergibt (siehe Abbildung 4). Abbildung 4: Schere Da diese Herleitungen aber wesentlich von der Dynamik der (mausgesteuerten) Computergraphik geprägt sind, lassen sie sich hier nicht angemessen wiedergeben. Deshalb soll als Abschluß dieses Exkurses nur noch der “Kalkül” für elementar differenzierbare Funktionen entwickelt werden. Die vorbereitende Untersuchung von Funktionen in der Elementaren Analysis liefert bereits den Kalkül für beschränkte Funktionen: Die Summe, das Produkt und die Verkettung von beschränkten Funktionen ergeben wieder beschränkte Funktionen. H. Möller: Elementare Analysis 11 Sind (x → f (x), [a , b]), (x → g(x), [a , b]) und (X → h(X), [A , B]) elementar differenzierbare Funktionen und gilt g(x) ∈ [A , B] für alle x ∈ [a , b], so lassen sich f (x) + g(x), f (x)g(x) und h (g(x)) durch die entsprechenden Verknüpfungen der jeweiligen Entwicklungen bilden. Da in die Quadratkoeffizienten, deren explizite Form jetzt unwichtig ist, nur beschränkte Terme eingehen, sind sie selbst beschränkt. Damit ist die Kalküleigenschaft der elementar differenzierbaren Funktionen schon gesichert. Die Ableitungen von Summe und Produkt können dann unmittelbar als Koeffizienten der Argumentdifferenz abgelesen werden: (13) (f + g)0 (c) = f 0 (c) + g 0 (c), (14) (f · g)0 (c) = f 0 (c) g(c) + f (c) g 0 (c). Die lineare Approximation der Verkettung folgt nach einer Umformung: h0 (g(c)) (g(x) − g(c)) = h0 (g(c)) g 0 (c) (x − c) + h0 (g(c)) Bg (x, c) (x − c)2 , also (h ◦ g)0 (c) = h0 (g(c)) g 0 (c). (15) 3 3.1 3.1.1 Elementare Stetigkeit Der Hauptsatz Eigenschaften der Ableitungsfunktion Da man zu allen im Unterricht vorkommenden Beispielen von elementar differenzierbaren Funktionen Parabelschranken K finden kann, die von dem Argument c unabhängig sind, und da sich 2K als “Krümmungsschranke” deuten läßt, liegt die folgende Definition der “globalen” Differenzierbarkeit nahe. Definition. Die Funktion (x → f (x), [a , b]) heißt elementar differenzierbar genau dann, wenn es eine Funktion (y → f 0 (y), [a , b]) gibt, so daß (16) f (x) = f (y) + f 0 (y)(x − y) + B(x, y)(x − y)2 12 H. Möller: Elementare Analysis mit einer beschränkten Funktion ((x, y) → B(x, y), [a , b]) für alle x, y ∈ [a , b] gilt. Die Übertragung des Kalküls und die algorithmische Bestimmung der Extremwertstellen, die Nullstellen der Ableitungsfunktion sind, erfordern eine möglichst genaue Charakterisierung aller Ableitungsfunktionen. Aus (16) ergibt sich durch Vertauschen von x und y sowie durch Subtraktion und Kürzen die Gleichung (17) f 0 (x) = f 0 (y) + (B(x, y) + B(y, x))(x − y) für alle x, y ∈ [a , b]. Der beschränkte Faktor von (x − y) motiviert die Einführung der folgenden Funktioneneigenschaft , die sich mit Hilfe der Integralrechnung tatsächlich als vollständige Beschreibung aller Ableitungsfunktionen von elementar differenzierbaren Funktionen erweist: Definition. Die Funktion (x → g (x) , [a , b ]) heißt elementar stetig (oder global Lipschitz-stetig) genau dann, wenn es eine positive Konstante L gibt, so daß (18) | g (x) − g (y) | ≤ L | x − y | für alle x , y ∈ [a , b ] gilt. Damit läßt sich Graph(g) zwischen zwei Halbgeradenpaaren mit den Steigungen L und −L einschließen, die das oben schon eingeführte Werkzeug Schere bilden. Aus (16) folgt wegen der Beschränktheit von f 0 auch, daß jede elementar differenzierbare Funktion elementar stetig ist. Mit Hilfe der Schere werden u.a. die folgenden weiteren Ergebnisse gewonnen: Beschränktheit elementar stetiger Funktionen, Vorzeichen der Ableitung monotoner Funktionen, Zusammenhang zwischen Extremwertstellen einer elementar differenzierbaren Funktion und Nullstellen der Ableitungsfunktion, Limesvertauschungs-, Zwischenwert- und Extremwerteigenschaften elementar stetiger Funktionen, Definition und Eigenschaften des Integrals für elementar stetige Funktionen (siehe Figur 8). 3.1.2 Der Rekonstruktionssatz Für Kurvendiskussionen und eine Reihe von weiteren Anwendungen der Ableitungsrechnung sind Schlüsse von f 0 auf f notwendig. Am günstigsten wäre H. Möller: Elementare Analysis 13 es, wenn man die Funktion f nach Vorgabe eines Anfangswerts f (a) aus ihrer Ableitungsfunktion f 0 auf einfache Weise rekonstruieren könnte. Bei elementar differenzierbaren Funktionen ist dieses sogar “genetisch” mit einem Präbeweis möglich. Zunächst erhält man durch Einteilung des Intervalls [a , b] in m gleichlange Teilintervalle und durch Parallelverschiebung der Steigdreiecke über den einzelnen Teilintervallen einen Polygonzug, der Graph(f ) annähert. Die Endpunktordinate fm (b) des Polygonzugs ist also einerseits f (a) vermehrt um die Summe der m Steigdreieckshöhen (siehe Abbildung 5), und andererseits zeigt eine naheliegende Parallelogrammkonstruktion, daß f (b)−fm (b) als Summe der Tangentenabweichungen über den m Teilintervallen geschrieben werden kann (siehe Abbildung 5). f2 (b) f2 (b) f (b) f (b) f (a) f (a) a b a b Abbildung 5: Brückensequenz Jede Tangentenabweichung ist aber das Produkt des Quadrats der Teilintervallänge und eines Faktors, dessen Betrag sich nach oben durch die Parabel1 schranke K abschätzen läßt. Damit gilt |f (b) − fm (b)| ≤ K(b − a)2 , und m man hat den folgenden, außerordentlich nützlichen Satz gewonnen: Rekonstruktionssatz. Ist f := (x → f (x) , [a b ] ) elementar differenzierbar mit der Ableitung f 0 und mit der Parabelschranke K, so gilt m−1 X b − a b − a 1 0 f a + k (19) f (b) − f (a) − ≤ K (b − a)2 m m m k=0 für jedes m ∈ N. Dieser Satz stellt bereits die grenzwertfreie und integralfreie Version des Hauptsatzes der Ableitungs- und Integralrechnung in der Elementaren Analysis dar, 14 H. Möller: Elementare Analysis denn sobald ein (vereinfachter) Grenzwertbegriff zur Verfügung steht, geht die Ungleichung (19) in die Gleichung ! n −1 2X b−a b−a (20) = f (b) − f (a) lim f0 a + k n 2 2n k=0 n über, und nach Einführung des Integrals erhält man daraus praktisch sofort Zb (21) f 0 = f (b) − f (a). a Ebenso wichtig ist eine zweite Deutung des Rekonstruktionssatzes im Zusammenhang mit dem Mittelwertsatz der Cauchy-Analysis und mit den “zentralen Sätzen” der bisherigen Schulanalysis: Division von (19) durch b − a ergibt m−1 f (b) − f (a) 1 X 0 b − a 1 (22) − f a+k ≤ K (b − a) b−a m k=0 m m f (b) − f (a) läßt sich beliebig genau durch Ableib−a tungen an bekannten Stellen approximieren, während im Mittelwertsatz zwar d.h. der Differenzenquotient eine Gleichung aber eine unbekannte Stelle auftritt. Mit Hilfe der Archimedischen Eigenschaft der rationalen Zahlen folgt aus (22) sofort der wichtige “Schrankensatz”, der im Unterricht den Mittelwertsatz bzw. die meistens ebenfalls unbewiesenen zentralen Sätze - etwa den “Monotoniesatz” - ersetzt: Schrankensatz. Ist (x → f (x), [a , b]) elementar differenzierbar und gilt s ≤ f 0 (u) ≤ S für alle u ∈ [a , b], so folgt f (x) − f (y) ≤ S für alle x, y ∈ [a , b] mit x 6= y. x−y Insbesondere ist f monoton steigend bzw. monoton fallend bzw. konstant, (23) s≤ wenn f 0 (u) ≥ 0 bzw. f 0 (u) ≤ 0 bzw. f 0 (u) = 0 für alle u ∈ [a , b] gilt. Die bei der Herleitung des Rekonstruktionssatzes auftretenden (Euler-) Polygonzüge (siehe die Figuren 3 und 4) stellen eine erste Anwendung des Werkzeugs “Zollstock” dar, der auch bei der Exponentialfunktion, bei den trigonometrischen Funktionen, bei der Kettenlinie und bei den Bogenlängenberechnungen an den Graphen elementar differenzierbarer Funktionen eingesetzt wird. H. Möller: Elementare Analysis 4 15 Grenzwerte Nun sollte die Präzisierung der reellen Zahlen und damit verbunden die Lösung des Grenzwertproblems wegen der zahlreichen, gut motivierenden Anlässe bei dem bisherigen Aufbau nicht weiter aufgeschoben werden. Allerdings kann an dieser Stelle das Vorgehen in der Elementaren Analysis, das ebenfalls stark von dem bisherigen abweicht, nur skizziert werden. Wie in der Mittelstufe bereits vorbereitet und wie in allen Kulturländern üblich wird als Modell für die reellen Zahlen die durch den Meßprozeß gewonnene Menge der Dezimalzahlen (später ohne Neunerperiode) mit ihrer natürlichen Anordnung gewählt. Dann wird die Gleichheit von rationalen Zahlen und periodischen Dezimalzahlen geklärt und dabei der grundlegende Begriff der “geometrischen Nullfolge” gefunden sowie mit seiner Hilfe der Grenzwert und die geometrische Konvergenz von Folgen eingeführt. Das Werkzeug “Säge” (siehe Abbildung 6) ermöglicht es, die geometrischen Nullfolgen und die geometrischen Summen zu veranschaulichen, die Bernoullische Ungleichung herzuleiten und den Grenzwert der geometrischen Reihe sichtbar zu machen. sn : = 1 + q + · · · + q n f (x) : = (q − 1) x + 1 1 q q 0 1 q n+1 q2 1+q ··· sn q n+1 = f (sn ) = (q − 1) sn + 1 Abbildung 6: Säge Bei dem Versuch, die Verknüpfungen der reellen Zahlen zu beschreiben, werden durch gliedweise Verknüpfung der Näherungsbruchfolgen die “(geometrischen) Fundamentalfolgen” entdeckt, die - wesentlich einfacher als Cauchy- 16 H. Möller: Elementare Analysis Folgen - bereits dadurch definiert sind, daß die Folge der Differenzen aufeinanderfolgender Glieder eine geometrische Nullfolge darstellt. Die Menge der Fundamentalfolgen ist in bezug auf gliedweise Addition und Multiplikation abgeschlossen. Außerdem ist jede Fundamentalfolge Mittelpunktfolge einer bestimmten geometrischen Intervallschachtelung. Damit kann jeder Fundamentalfolge sowohl geometrisch als auch arithmetisch-konstruktiv durch Sammeln der festbleibenden Ziffern einer Endpunktfolge der zugehörigen Intervallschachtelung in eindeutiger Weise eine reelle Zahl zugeordnet werden. Abbildung 7: Trichter Diese Zuordnung, die das Werkzeug “Trichter” ergibt, bildet sehr anschaulich die wichtige “Limesabbildung”, mit deren Hilfe sich die Verknüpfungen der reellen Zahlen klären und die Körpereigenschaften beweisen lassen. Vor allem aber ist damit der für Anwendungen und Algorithmen grundlegende “Vollständigkeitssatz” vorbereitet, der besagt, daß jede reelle Fundamentalfolge geometrisch konvergent ist. Da Potenzreihen neben den Dezimalzahlen die einfachsten Fundamentalfolgen sind und da die Quadratrestentwicklung der Potenzreihenfunktionen unmittelbar aus denjenigen für die Potenzfunktionen folgt, steht auch eine leistungsfähige, schulgemäße Potenzreihentheorie zur Verfügung. Nun können alle nichtrationalen Standardfunktionen algorithmisch definiert werden, und die noch fehlenden wichtigen Sätze der Ableitungstheorie lassen sich mit Präbeweisen gewinnen. H. Möller: Elementare Analysis 17 Die stärkste Vereinfachung gegenüber der herkömmlichen Analysis bildet die Einführung des Integrals für elementar stetige Funktionen. Vom Flächeninhaltsproblem geleitet ergeben sich Folgen von Obersummen bzw. Untersummen, indem das Ausgangsintervall fortgesetzt halbiert und geometrisch naheliegende Schranken der Funktionswerte über jedem der Teilintervalle als Faktor bzw. als Rechteckshöhe gewählt werden. Man kann unmittelbar erkennen, daß diese beiden Folgen die Endpunktfolgen einer geometrischen Intervallschachtelung darstellen, deren Zentrum das Integral der Funktion definiert (siehe Abbildung 8). Da das Integral zugleich Grenzwert jeder “Zwischensumme” ist, ergibt sich wie schon erwähnt durch Umformulierung des Rekonstruktionssatzes sofort der Hauptsatz der Ableitungs- und Integralrechnung als Krönung der Elementaren Analysis. Abbildung 8: Integralherleitung 5 Präbeweise Die Idee der “Präbeweise” geht auf den ungarischen Logiker und Wissenschaftstheoretiker I. Lakatos [4] zurück, der in einer groben Einteilung den formalen Beweisen zwei Typen von “informalen” Beweisen gegenüberstellte, nämlich vor-formale und nach-formale. Bei uns soll die Vorsilbe “Prä” außerdem darauf hinweisen, daß es sich um prägnante Beweise handelt, die als Entdeckungen vor der Formulierung der Ergebnisse gewonnen werden. Wie Blumen bestehen Präbeweise in der Regel aus einem sichtbaren und einem 18 H. Möller: Elementare Analysis verborgenen Teil. Figuren, Zahlenbeispiele, Vergleiche und ähnliches bilden die Blüten und Blätter, der Stengel stellt die Verbindung zu schon bekannten Ergebnissen dar, und die Wurzeln liefern die formale Absicherung, die zusätzliche Bedingungen erfüllen muß, um auch Lernenden zugänglich zu sein. Der erste Band der “Elementaren Analysis” enthält die Wurzeln der Präbeweise zu allen 49 Sätzen, jedoch nicht die Präbeweise selbst. Die Transformationsarbeit soll zusammen mit möglichst vielen Lehrern durchgeführt werden. Das gilt auch für den größten Teil der geplanten Computerprogramme, die durch die Unterscheidung von drei Modi besonders gut zur Realisierung der Präbeweise geeignet sind: Im Entdeckungsmodus wird der Ablauf durch Fragen und Hinweise gesteuert, wobei die oben beschriebenen fünf “geometrischen Werkzeuge” eine entscheidende Hilfe darstellen; der Sicherungsmodus bietet die vollständigen formalen Beweise an, und der neue Festigungsmodus benutzt unter anderem die einprägsamen text- und formelfreien “assoziativen Figurensequenzen”, die auch bei vielen Präbeweisen eine wesentliche Rolle spielen. In der Elementaren Analysis tragen nicht nur alle 49 Sätze prägnante Namen, sondern auch die wichtigsten Herleitungen und vor allem die assoziativen Figurensequenzen. Beispiele sind die Brückensequenz zur Entwicklung des Rekonstruktionssatzes (siehe die Figuren 3 und 4), die Badewannensequenz bei dem Aufbau des Extremwertsatzes, der im herkömmlichen Unterricht kaum zugänglich ist, und die Skiabfahrtssequenz, die den Fundamentalsatz der Algebra zu einem Vergnügen werden läßt. Mit diesen knappen Hinweisen soll angedeutet werden, daß lebendiger Mathematikunterricht eine Erweiterung der recht armen mathematischen Sprache erfordert. Mit Sicherheit ergeben sich dann auch sinnvolle neue Kommunikationsund Arbeitsformen. 6 Neue Ergebnisse Ein großer Teil der Arbeit, die in diesem Konzept steckt, diente der Erschließung von Entdeckungen im Analysisunterricht. Es sollte deshalb nicht überraschen, daß die benutzten bzw. entwickelten Denkweisen auch eine Fülle neuer H. Möller: Elementare Analysis 19 Ergebnisse im Bereich der Mathematik und der Mathematikdidaktik hervorgebracht haben, deren wichtigste im folgenden kurz beschrieben werden. Alle Resultate sind im mathematischen Sinn streng, und fast alle lassen sich genetisch gewinnen. Einige klassische Sätze finden durch die ausschließliche Verwendung elementarer Grundbegriffe und Methoden bei ihrer Herleitung eine neue Heimat in der Elementaren Analysis, wie etwa der Fundamentalsatz der Algebra. Die Reihenfolge entspricht dem Auftreten in den beiden Bänden der “Elementaren Analysis”, wobei die ersten sieben Ergebnisse in dem abgeschlossenen ersten Band enthalten sind: - Explizite Quadratrestentwicklung aller Rationalwurzelfunktionen und aller Potenzreihenfunktionen - Anschaulich-konstruktive Einführung der Limesabbildung für Fundamentalfolgen - Vereinfachung eines großen Teils aller Grenzwertanwendungen der CauchyAnalysis mit Hilfe von Fundamentalfolgen - Anwendungsorientierte und algorithmisch optimale Präzisierung der Exponentialfunktion, der Cosinus- und Sinusfunktion und ihrer Umkehrfunktionen - Integralfreier Zusammenhang zwischen den trigonometrischen Funktionen und der Kreisbogenlänge - Nachweis der Irrationalität von ea , ln b, tan r und arctan s für alle a, b, r, s ∈ Q+ mit r < π/2 - Asymptotisch scharfe Abschätzung der Gaußschen Fehlerwahrscheinlichkeitsfunktion - Supergeometrische Konvergenz des Universalalgorithmus von A. Engel mit Restabschätzung der Romberg-Konvergenzverbesserung - Schulgemäße Herleitung der Euler-Maclaurinschen Summenformel mit FourierEntwicklung der periodisch fortgesetzten Bernoulli-Polynome - Beweis des Fundamentalsatzes der Algebra ohne Funktionentheorie oder Algebra - Sicherer und effektiver Algorithmus zur Approximation aller Nullstellen von Polynomen 20 H. Möller: Elementare Analysis - Grenzwertfreie Herleitung der Bewegungsbahnen im Gravitationsfeld - Simulation und exakte Darstellung der Kettenlinie - Erschließung aller wesentlichen Ergebnisse der Schulanalysis mit Präbeweisen unter Verwendung von nur fünf geometrischen Werkzeugen. Außerdem werden die in den sieben Kapiteln von [3] genannten Probleme gelöst: Die Präzisierung der reellen Zahlen als Dezimalzahlen mit ihren Verknüpfungen, die Bereitstellung einer angemessenen, leistungsfähigen Grenzwerttheorie mit Hilfe der Limesabbildung für Fundamentalfolgen, der Einstieg mit einer grenzwertfreien Ableitungsrechnung, die Entdeckung der Stetigkeitseigenschaft als vollständige Charakterisierung der Ableitungsfunktionen, die frühzeitige Verfügbarkeit der “zentralen” Sätze, eine einfache Integralrechnung und die anwendungsorientierte, algorithmisch optimale Einführung der transzendenten Standardfunktionen. 7 Ausblick Warum wird die Verbreitung der Elementaren Analysis trotz der zahlreichen offensichtlichen Vorteile seit vielen Jahren mit aller Macht verhindert? Da die meisten Ablehnungsbegründungen nicht korrekt sind, können die wahren Gründe nur vermutet werden. Dazu gehören vor allem soziologische Gesetze, etwa Reformüberdruß, Beharrungsvermögen und Oberflächlichkeit. Die Veränderungen durch die Elementare Analysis sind bisher überwiegend im Grenzbereich von Mathematik und Mathematikdidaktik erfolgt. Deshalb macht sich das Fehlen eines entsprechenden Arbeitsbereichs, der in der Sowjetunion seit 1973 unter der Bezeichnung “Ontodidaktik” existierte, als sehr nachteilig bemerkbar. Natürlich läßt sich nicht vorhersagen, welches Schicksal dieses ungewöhnliche Konzept erleiden wird. Das Absinken des Leistungsniveaus, Verkürzung der Schulzeit, verstärkter Computereinsatz oder der Wunsch nach frischer Luft könnten Argumente für die Durchsetzung sein. Da wir in einer Zeit leben, in der die Menschheit Selbstbeschränkung lernen muß, ist es vielleicht am wichtigsten, daß die Elementare Analysis innerhalb der Mathematik einen Beitrag dazu leistet. H. Möller: Elementare Analysis 21 Literatur [1] Arzt, K. und Mütz, K.: Ein grenzwertfreier Zugang zur Analysis. - In: Der Mathematikunterricht 22 (1976), 47-63. [2] Karcher, H.: Analysis auf der Schule. - In: Didaktik der Mathematik 1 (1973), 46-69. [3] Knoche, N. und Wippermann, H.: Vorlesungen zur Methodik und Didaktik der Analysis. - Mannheim, Wien, Zürich 1986. [4] Lakatos, I.: Was beweist ein mathematischer Beweis? - In: Mathematik, empirische Wissenschaft und Erkenntnistheorie; Phil. Schriften Bd. 2. Braunschweig, Wiesbaden 1982, 60-67. [5] Möller, H.: Vereinfachte Analysis. - Skriptum, Münster 1980/81. [6] Möller, H.: Elementare Analysis mit LOGO. - In: Beiträge zum Mathematikunterricht 1986. Bad Salzdetfurth 1986, 200-203. [7] Möller, H.: Die Winkelfunktionen im geometrischen Strang der Elementaren Analysis. - In: H. Kautschitsch, W. Metzler (Hrsg.): Medien zur Veranschaulichung von Mathematik. Schriftenreihe Didaktik der Mathematik. Wien, Stuttgart 1987, 313-322. [8] Möller, H.: Analysis mit Graphikcomputern am Beispiel der Exponentialfunktion. - In: Vorträge der ÖMG-Lehrerfortbildungstagung am 8.4.1988 in Wien. Didaktik-Reihe der Österreichischen Mathematischen Gesellschaft 16 (1988), 84-101. [9] Möller, H.: Rezension von [15]. - In: Zentralblatt für Didaktik der Mathematik 88/1 (1988), 38-43. [10] Möller, H.: Elementare Analysis mit Graphikcomputern. - In: W. Walsch (Hrsg.): Kleincomputer und Mathematikunterricht. Kongreß- und Tagungsberichte der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Halle (Saale) 1989, 86-98. [11] Möller, H.: Elementary Analysis with Microcomputers. - In: Dubinsky, E. and R. Fraser (Ed.): Computers and the Teaching of Mathematics. The Shell Centre, University of Nottingham, England 1990, 179-184. 22 H. Möller: Elementare Analysis [12] Möller, H.: Brückenkurs Infinitesimalrechnung. - Bonn 1991. [13] Möller, H.: Geometrische Werkzeuge in der Analysis. - In: Beiträge zum Mathematikunterricht 1991. Hildesheim 1991, 341-344. [14] Möller, H. und Maaß, J.: Der Mikrocomputereinsatz im Analysisunterricht. - In: mathematica didactica 10 (1987), 199-219, und 11 (1988), 11-18. [15] Müller, W.: Analysis mit dehnungsbeschränkten und gutartig differenzierbaren Funktionen nach H. Karcher (Lipschitz-Analysis). - Paderborn 1986. [16] Vaupel, J.: Rezension von [5]. - In: Zentralblatt für Didaktik der Mathematik 82/4 (1982), 227-232.