Landeshauptstadt München 5HIHUDWIU*HVXQGKHLW XQG8PZHOW :LJDQG.DKO 6WDGWGLUHNWRU 5*89 Landeshauptstadt München, Referat für Gesundheit und Umwelt Bayerstraße 28a, 80335 München Bayerstraße 28a 80335 München Telefon (089) 233 - 2 36 01 Telefax (089) 233 - 2 04 87 Zimmer: 514 Ihr Schreiben vom Ihr Zeichen Datum 18.10.2000 6WDWHPHQWIUGDV39&+HDULQJGHU(8DPLQ%UVVHO I PVC ist ein Material, das unter anwendungstechnischen Gesichtspunkten sehr viele Vorteile aufweist. Das erklärt seine Beliebtheit und sein große Verbreitung auf der ganzen Welt. Bedauerlicherweise ist PVC aber kein unproblematischer Kunststoff. Mit der Herstellung, vor allem aber auch mit der Entsorgung von PVC-Abfällen sind Risiken und Gefahren für Mensch und Umwelt verbunden, die unter dem Gesichtspunkt einer nachhaltigen Entwicklung keinesfalls vernachlässigt werden dürfen. Es ist daher der Kommission ausdrücklich dafür zu danken, daß sie die durch PVC aufgeworfenen Gesundheits- und Umweltprobleme wissenschaftlich untersucht hat. Das Grünbuch stellt fest, - dass bei der Herstellung von PVC-Produkten immer noch große Mengen cadmium- und vor allem bleihaltiger Stabilisatoren eingesetzt werden. Sie sind als fortpflanzungsgefährdend, gesundheitsschädlich, umweltgefährlich und mit dem Risiko kumulativer Wirkungen behaftet eingestuft .- dass sich bei der Verbrennung von PVC praktisch das gesamte Blei und Cadmium in Schlacke und Flugasche der Verbrennungsanlagen ansammelt. Diese Reststoffe müssen wegen der hohen Schwermetallkontamination als gefährlicher Abfall auf kontrollierte Deponien verbracht werden. Trotzdem kann eine Verbreitung der Giftstoffe aus den PVC- Abfällen in die Umwelt nicht ausgeschlossen werden, - dass PVC-Abfälle die größte Quelle für den Chloreintrag in die Verbrennungsanlagen sind und deshalb die Gefahr einer Dioxinbildung bei der Abfallverbrennung wesentlich erhöhen - Dass der hohe Schadstoffgehalt der PVC-Abfälle aufwändige Schutzvorkehrungen in den Verbrennungsanlgen notwendig macht, die im Vergleich zum norS-Bahn: S1 bis S8 Haltestelle Hauptbahnhof Haltestelle Hackerbrücke U-Bahn: Linie U1, U2, U4, U5 Haltestelle Hauptbahnhof Straßenbahn: Linie 18,19 Haltestelle Hermann-Lingg-Straße Bus: Linie 58 Haltestelle Holzkirchner Bahnhof Internet: http://www.muenchen.de Seite 2 malen kommunalen Müll Zusatzkosten zwischen etwa 20¼WXQGPHKUDOV¼ /t verursachen. Nach den Berechnungen des Grünbuches der Kommisssion wird das Volumen an PVC-Abfällen bis zum Jahre 2010 voraussichtlich um 30% und bis zum Jahre 2020 um etwa 80% zunehmen. Die PVC-Industrie verweist in diesem Zusammenhang auf ihre Bemühungen, PVC-Abfälle zu recyclen. Das Grünbuch der Kommission stellt hierzu allerdings fest, - dass bislang weniger als 3% der PVC-Abfälle in der EU recycelt werden und für das Jahr 2020 bestenfalls mit einer Recyclingquote von 18% gerechnet werden kann. Diese Einschätzung wird auch von anderen Gutachtern geteilt. Die PVC-Industrie bestreitet das. Dabei beruft sie sich vor allem auf ihre Bemühungen um das Recycling von PVC-Fenstern. Hierfür sind in jüngster Vergangenheit tatsächlich einige funktionsfähige Anlagen errichtet wurden. Sie sind bisher aber nur gering ausgelastet und arbeiten unwirtschaftlich. Es muss daher stark bezweifelt werden, ob sie die prognostizierten Recyclingquoten jemals erreichen werden. Im übrigen weist das Grünbuch der Kommisssion darauf hin, - dass das werkstoffliche Recycling von Abfallstoffen aus dem Baubereich - und hier insbesondere von Fensterrahmen - besonders problematisch ist, weil diese praktisch alle Blei oder Cadmium enthalten und - dass auch beim Recycling von PVC-Fenstern stets der Zusatz von mindestens 30% Neu-PVC erforderlich ist, so dass es sich im Grunde nicht um eine echtes Recycling, sondern lediglich um eine Materialstreckung oder auch um ein „Downcycling“ handelt, bei dem außerdem noch die Schwermetallbelastungen der Abfallstoffe von den Recyclingprodukten weiter mitgeschleppt werden . Es kann also kein Zweifel daran bestehen, dass die Risiken und Gefahren für Mensch und Umwelt durch die Verbrennung von PVC-Abfällen in naher Zukunft massiv zunehmen werden. Die Entsorgung von PVC-Abfällen wird in den nächsten Jahren ein ernstes Problem für eine nachhaltige Entwicklung in Europa werden! II Die Stadt München verbrennt ihre Abfälle in einer modernen Verbrennungsanlage. Die nachteiligen Umweltauswirkungen der Verbrennung von PVC-Abfällen betreffen daher die Stadt München in besonderem Maße. Mit der Menge der zu verbrennenden PVC-Abfälle werden in den nächsten Jahren auch die Kosten und die Umweltproblem für die Stadt sehr stark steigen. Die Stadt München hat daher ein ganz besonderes, eigenes Interesse daran, die weitere Beschaffung von PVC-Produkten einzuschränken, um diesen bedrohlichen Trend zu stoppen. Aus diesem Grund hat der Stadtrat der Stadt München beschlossen, auf die Beschaffung von PVC-Produkten zu verzichten, wenn gleichwertige aber umweltfreundlichere Alternativprodukte zur Verfügung stehen. Circa 200 Städte und Gemeínden in Deutschland haben ähnliche oder gleichlautende Beschlüsse gefasst. Seite 3 Gegen diese Beschlüsse ist der Vorwurf erhoben worden, sie verstießen gegen die Grundsätze des freien Wettbewerbes und des freien Handels. Dies trifft nicht zu! Die Umweltpolitik ist zu einem der wichtigsten Politikfelder auf Gemeinschaftsebene geworden. Art. 6 des Vertrages von Amsterdam verlangt, dass zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung die Erfordernisse des Umweltschutzes in alle Gemeinschaftspolitiken und --maßnahmen einbezogen werden müssen. Die nachhaltige Entwicklung Europas, seiner Regionen und insbesondere seiner Ballungsgebiete steht dementsprechend auch im Zentrum des „6 th Action Plans“ der EU. Auch das Recht auf freien Handel muss in diesem Licht neu interpretiert und die Regeln für den Wettbewerb müssen um diesen neuen Aspekt ergänzt werden. Über 80 % der Bevölkerung Europas arbeiten und wohnen in den großen Ballungsgebieten. Den großen Städten kommt daher bei der Umsetzung des Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung eine Schlüsselstellung zu. Deshalb sind die Städte in besonderem Maße verpflichtet, im eigenen Bereich als Vorbild zu wirken und bei ihren eigenen Planungen und Maßnahmen, ihrem eigenen Ressourvcenverbrauch und der Beschaffung von Gütern für ihren eigenen Bedarf besonders strenge ökologische Maßstäbe anzulegen. Es muß den Städten daher erlaubt sein, bei ihren Beschaffungen Umweltaspekte zu berücksichtigen. Dies muss umso mehr dann gelten, wenn spezielle Risiken und Gefahren eines Produktes oder eines Materials für eine nachhaltige Entwicklung durch objektive wissenschaftliche Untersuchungen nachgewiesen und außerdem für die betroffene Stadt von spezieller Bedeutung sind. Bei PVC ist dies, wie das Grünbuch der Kommisssion beweist, der Fall. Die Grundsätze des freien Marktes dürfen auch nicht dazu missbraucht werden, einzelne Produkte oder Materialien vor der Konkurrenz durch bessere innovative Produkte oder Materialien zu schützen. Es gibt viele Beispiele dafür, dass neue Entwicklungen nur dadurch zur Marktreife gebracht werden konnten, dass sie durch die EU selbst oder durch die Mitgliedsstaaten bevorzugt gekauft, subventioniert oder auf sonstige Weise unterstützt wurden. Auf die Unterstützung der Technologien zur Erzeugung regenerativer Energien oder umweltfreundlicherer Antriebsarten für Kraftfahrzeuge darf in diesem Zusammenhang hingewiesen werden. Der freiwillige PVCVerzicht der Landeshauptstadt München dient demselben Zweck! Er hat bereits dazu geführt, dass einzelne Hersteller dazu übergegangen sind, Alternativprodukte aus chlorfreiem Kunststoff zu entwickeln und der Stadt anzubieten. Weder die Stadt München, noch die anderen Städte Deutschlands, die sich für einen freiwilligen PVC-Verzicht ausgesprochen haben, verlangen ein PVC-Verbot durch die EU. Sie erwarten aber, dass auf allen Ebenen Anstrengungen unternommen werden, um im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung die Substituierung von PVC durch umweltfreundlichere Kunststoffe zu unterstützen. Der freiwillige PVC-Verzicht der Stadt München dient diesem Ziel. Die Maßnahme ist daher ein notwendiger und wichtiger Schritt in die richtige Richtung, der auch mit den Bestimmungen des EU-Vertrages in vollem Umfang vereinbar ist.