Kombinatorik Dr. Lucia Draque Penso Universität Ulm Dr. Lucia Draque Penso (Universität Ulm) Kombinatorik 1 / 26 Erste Vorlesung Dr. Lucia Draque Penso (Universität Ulm) Kombinatorik 2 / 26 Formales Vorlesung: Übung: Klausuren: Literatur: Freitags 12:15 bis 13:45 Uhr im N25-H3 Freitags (gerade KW) 14-16 Uhr im O28-H22 Vorleistung für die Klausur sind 50% der Übungspunkte. Bonuspunkte in übungsaufgaben zählen nur für die Vorleistung, es gibt keinen Bonus für die Klausur. Die Klausurtermine stehen auf der Homepage. Aigner, Diskrete Mathematik, Vieweg Aigner, A Course in Enumeration, Springer Tittmann, Einführung in die Kombinatorik, Spektrum Graham et al., Concrete Mathematics, Addison-Wesley Cameron, Notes on Counting Dr. Lucia Draque Penso (Universität Ulm) Kombinatorik 3 / 26 Einleitung Beispiel 1.1 (Binomischer Lehrsatz) Für x, y ∈ R und n ∈ N0 gilt (x + y ) n = n X n k=0 k x k y n−k (1) wobei kn der sogenannte Binomialkoeffizient “n über k” ist. Aus der n! Analysis ist bekannt, dass kn = k!(n−k)! gilt, wobei 0! = 1 und n! = 1 · 2 · 3 · · · n für n ∈ N gilt. Für x = y = 1 folgt aus (1) n 2 = n X n k=0 Dr. Lucia Draque Penso (Universität Ulm) Kombinatorik k . (2) 4 / 26 Einleitung Beispiel 1.1 (Binomischer Lehrsatz, Fortsetzung) Anstatt (1) und (2) mit obiger Darstellung von kn per Induktion zu beweisen, werden wir einfache Beweise mit Hilfe kombinatorischer Interpretationen kennenlernen. Dazu werden wir den Binomialkoeffizienten — anders als in der Analysis — als geeignete Anzahl definieren. Die Gleichung (2) ist dann äquivalent zu der offensichtlichen Aussage, dass jede Teilmenge einer Menge mit n Elementen zwischen 0 und n Elemente besitzt und das Mengen verschiedener Größe verschieden sind. Hier weitere direkte Folgerungen aus dem binomischen Lehrsatz n X k n 0 = (−1 + 1) = (−1) k n k=0 (x + 1) n = n X n k=0 Dr. Lucia Draque Penso (Universität Ulm) k xk Kombinatorik 5 / 26 Einleitung Bemerkung 1.2 (Zählprinzip: Bijektion) Ist f : A → B eine bijektive Abbildung zwischen den beiden endlichen Mengen A und B, so haben A und B gleich viele Elemente, d.h. es gilt |A| = |B|. Dr. Lucia Draque Penso (Universität Ulm) Kombinatorik 6 / 26 Einleitung Beispiel 1.3 (Potenzmenge) Sei A = {a1 , . . . , an } eine n-elementige Menge und bezeichne 2A die Potenzmenge von A, d.h. 2A = {X : X ⊆ A}. Für X ∈ 2A definiert f (X ) = (x1 , . . . , xn ) mit 0, falls ai ∈ X und xi = 1, falls ai 6∈ X eine Abbildung f : 2A → {0, 1}n . Da f bijektiv ist, folgt |2A | = |{0, 1}n | = 2n = 2|A| . Wegen n < 2n für n ∈ N0 folgt, dass für keine endliche Menge A eine bijektive Abbildung f : A → 2A existiert. (Dies gilt analog auch für unendliche Mengen.) Dr. Lucia Draque Penso (Universität Ulm) Kombinatorik 7 / 26 Einleitung Definition 1.4 (Binomialkoeffizienten) Für n, k ∈ N0 bezeichne kn die Anzahl der verschiedenen k-elementigen Teilmengen der n-elementigen Menge N = {1, 2, . . . , n}. Dr. Lucia Draque Penso (Universität Ulm) Kombinatorik 8 / 26 Einleitung Beispiel 1.5 (Gleichung zwischen Binomialkoeffizienten) Mit den Bezeichnungen [n] = {1, 2, . . . , n} und N k = {X : X ⊆ N und |X | = k} gilt also N [n] n . = := k k k Da die Abbildung f : [n] k → [n] n−k : X 7→ [n] \ X eine Bijektion ist, folgt [n] [n] n n = = = . k k n−k n−k Dr. Lucia Draque Penso (Universität Ulm) Kombinatorik 9 / 26 Einleitung Bemerkung 1.6 (Zählprinzip: Summenregel) Sind A und B disjunkte endliche Mengen, so gilt |A ∪ B| = |A| + |B|. Dr. Lucia Draque Penso (Universität Ulm) Kombinatorik 10 / 26 Einleitung Beispiel 1.7 (Binomischer Lehrsatz - Beweise von (1) und (2)) Seien x, y ∈ R und n ∈ N0 . Multipliziert man die n Faktoren (x + y ) von (x + y )n aus, so entsteht eine Summe von 2n Termen. Jeder einzelne dieser Terme ist ein Produkt der Form x k y n−k für k ∈ {0, . . . , n}. Um einen Term der Form x k y n−k zu erhalten, muss man in genau k der Dafür gibt es per Faktoren (x + y ) jeweils den Summanden x auswählen. Definition des Binomialkoeffizienten genau kn viele Möglichkeiten und (1) folgt sofort. Dr. Lucia Draque Penso (Universität Ulm) Kombinatorik 11 / 26 Einleitung Beispiel 1.7 (Fortsetzung) Weiter gilt 2n = |2[n] | n [ [n] = k k=0 n X [n] = k k=0 n X n = . k k=0 Dr. Lucia Draque Penso (Universität Ulm) Kombinatorik 12 / 26 Einleitung Beispiel 1.8 (Rekursion für Binomialkoeffizienten) Seien n ∈ N und k ∈ N0 . Die Mengen [n] [n] A= X ∈ : n ∈ X und B = X ∈ : n 6∈ X k k sind disjunkt. Weiter folgt mit Hilfe der Bijektionen [n − 1] f :A→ : X 7→ X \ {n} k −1 und [n − 1] g :B→ : X 7→ X , k n−1 dass |A| = k−1 und |B| = n−1 gilt. k Dr. Lucia Draque Penso (Universität Ulm) Kombinatorik 13 / 26 Einleitung Beispiel 1.8 (Fortsetzung) Daher folgt [n] n n−1 n−1 = = |A ∪ B| = |A| + |B| = + . k k k −1 k Dr. Lucia Draque Penso (Universität Ulm) Kombinatorik 14 / 26 Zweite Vorlesung Dr. Lucia Draque Penso (Universität Ulm) Kombinatorik 15 / 26 Einleitung Bemerkung 1.9 (Inklusion-Exklusion/Taubenschlag) Sind die Mengen A und B in der Summenregel nicht notwendigerweise disjunkt, so gilt nur noch |A ∪ B| ≤ |A| + |B|. Die genauere Betrachtung dieser Situation führt zum Inklusions-Exklusions-Prinzip. Für nur zwei Mengen lautet dies |A ∪ B| = |A| + |B| − |A ∩ B|. Sind A und B Mengen und gilt |A ∪ B| < |A| + |B|, so folgt aus der Summenregel, dass A und B gemeinsame Elemente besitzen müssen. Diese Beobachtung ist ein Spezialfall des Taubenschlagprinzip oder Schubfachprinzip. Dr. Lucia Draque Penso (Universität Ulm) Kombinatorik 16 / 26 Einleitung Bemerkung 1.9 (Fortsetzung) Sei für n, m ∈ N eine Abbildung f : [n] → [m] gegeben. Gilt −1 f (j) = |{i ∈ [n] : f (i) = j}| < n m für alle j ∈ [m], so folgt der Widerspruch n = |[n]| = X X n f −1 (j) < = n. m j∈[m] j∈[m] Da f −1 (j) für j ∈ [m] ganzzahlig ist, folgt daher die Existenz eines j ∗ ∈ [m] mit −1 ∗ l n m f (j ) ≥ . m Dr. Lucia Draque Penso (Universität Ulm) Kombinatorik 17 / 26 Einleitung Beispiel 1.10 (Anwendungen des Taubenschlagprinzips) Sei n ∈ N. (i) Jede Menge A ⊆ [2n] mit |A| ≥ n + 1 enthält zwei verschiedene Elemente x und y mit ggT(x, y ) = 1. (ii) Jede Menge A ⊆ [2n] mit |A| ≥ n + 1 enthält zwei verschiedene Elemente x und y mit x | y . (iii) (Erdős-Szekeres 1935) Jede Folge (a1 , a2 , . . . , an2 +1 ) von n2 + 1 verschiedenen ganzen Zahlen besitzt eine steigende oder fallende Teilfolge mit n + 1 Zahlen, d.h. es existieren Zahlen 1 ≤ i1 < i2 < . . . < in+1 ≤ n2 + 1 mit ai1 < ai2 < . . . < ain+1 oder ai1 > ai2 > . . . > ain+1 . Dr. Lucia Draque Penso (Universität Ulm) Kombinatorik 18 / 26 Einleitung Beispiel 1.10 (Fortsetzung) Beweis: Zu (i): Betrachtet man f : A → [n] : i 7→ und y in A mit y = x + 1. i 2 , so folgt die Existenz von x Zu (ii): Betrachtet man g : A → {1, 3, 5, . . . , 2n − 1} wobei für i ∈ A die Zahl g (i) der größte ungerade Teiler von i sei, so folgt die Existenz von x und y in A mit x = u · 2r und y = u · 2s mit r < s. Zu (iii): Sei f : [n2 + 1] → N wobei für i ∈ [n2 + 1] die Zahl f (i) die maximale Länge einer steigenden Teilfolge ist, die mit ai beginnt. Existiert keine steigende Teilfolge der Länge n + 1, so folgt die Existenz von Zahlen 1 ≤ i1 < i2 < . . . < in+1 ≤ n2 + 1 mit f (i1 ) = f (i2 ) = . . . = f (in+1 ). Nun ist ai1 > ai2 > . . . > ain+1 . 2 Dr. Lucia Draque Penso (Universität Ulm) Kombinatorik 19 / 26 Einleitung Definition 1.11 (k-Permutation) Für eine Menge A und ein k ∈ N nennt man ein Element (a1 , . . . , ak ) von Ak = A × · · · × A mit lauter verschiedenen Einträgen eine k-Permutation von A. Dr. Lucia Draque Penso (Universität Ulm) Kombinatorik 20 / 26 Einleitung Bemerkung 1.12 (Zählprinzip: Produktregel) Sind A1 , . . . , An Mengen, so gilt |A1 × · · · × An | = |{(a1 , . . . , an ) : ∀i ∈ [n] : ai ∈ Ai }| = |A1 | · · · |An | n Y = |Ai | i=1 Wir betrachten noch eine Variante der Produktregel für k-Permutationen einer festen Menge A. Es gibt |A| · (|A| − 1) · (|A| − 2) · · · (|A| − k + 1) | {z } k Faktoren viele verschiedene k-Permutationen von A. Dr. Lucia Draque Penso (Universität Ulm) Kombinatorik 21 / 26 Einleitung Bemerkung 1.12 (Fortsetzung) Es gibt daher insbesondere n! = n · (n − 1) · · · (n − n + 1) viele verschiedene n-Permutationen der n-elementigen Menge [n]. Diese entsprechen den bijektiven Abbildungen von [n] in sich selbst, d.h. den Permutationen von [n]. Dr. Lucia Draque Penso (Universität Ulm) Kombinatorik 22 / 26 Einleitung Bemerkung 1.12 (Fortsetzung) Bezeichnet Sn = {π : [n] → [n] : π ist bijektiv} die Menge aller Permutationen von [n], so ist f : Sn → {(a1 , . . . , an ) ∈ [n]n : ∀i, j ∈ [n] : ai = aj ⇒ i = j} | {z } Menge der n-Permutationen von [n] : π 7→ (π(1), π(2), . . . , π(n)) eine Bijektion. Es folgt |Sn | = n!. Dr. Lucia Draque Penso (Universität Ulm) Kombinatorik 23 / 26 Einleitung Beispiel 1.13 (Darstellung für Binomialkoeffizienten) Für n, k ∈ N betrachten wir die Abbildung f : {(a1 , . . . , ak ) ∈ [n]k : ∀i, j ∈ [k] : ai = aj ⇒ i = j} → {z } | Menge der k-Permutationen von [n] : (a1 , . . . , ak ) 7→ {a1 , . . . , ak }, [n] k die jede k-Permutation von [n] auf die Menge ihrer Einträge abbildet. Da diese Einträge alle verschieden sind, liegen alle Bilder in [n] . Weiter k [n] besitzt jede Menge X in k genau k! Urbilder, die den k! Permutationen von X entsprechen. Dr. Lucia Draque Penso (Universität Ulm) Kombinatorik 24 / 26 Einleitung Beispiel 1.13 (Fortsetzung) Daher folgt n = k [n] k 1 = {(a1 , . . . , ak ) ∈ [n]k : ∀i, j ∈ [k] : ai = aj ⇒ i = j} k! n · (n − 1) · · · (n − k + 1) = k! n! = . k!(n − k)! Wegen der Setzung 0! = 1 gilt diese Darstellung auch für k = 0. Dr. Lucia Draque Penso (Universität Ulm) Kombinatorik 25 / 26 Einleitung Beispiel 1.14 (Rekursionen - Fibonacci Zahlen) Die Fibonacci Zahlen bilden eine berühmte Folge (fn )n∈N0 ganzer Zahlen, die durch die Rekursion f0 = 0, f1 = 1 und fn = fn−2 + fn−1 für n ∈ N mit n ≥ 2 definiert ist. Für n ∈ N0 gilt die geschlossene Darstellung √ !n 1 1+ 5 fn = √ − 2 5 √ !n ! 1− 5 . 2 (3) Wir werden sehen, wie man Darstellungen wie (3) systematisch mit Hilfe sogenannter erzeugender Funktionen finden und beweisen kann. Dr. Lucia Draque Penso (Universität Ulm) Kombinatorik 26 / 26