Alle Jahre wieder im Februar – Die Jahresarbeiten der 12. Klasse Die Vorstellung der Jahresarbeiten der 12. Klasse rangierten für mich immer unter dem Titel: Ein Fest der Individualität. Und so sollte es auch dieses Jahr wieder sein, aber es kam ein ganz neuer Aspekt dazu: Jahresarbeiten als eine gemeinsame Klassenleistung. Als Klassenbetreuer der diesjährigen 12. Klasse möchte ich einige meiner Eindrücke wiedergeben. Erfahrungen gesammelt. vielen schwer. Als Klassenbetreuer erlebt man durch Das Erlebnis weitgehend fertig geworden insgesamt 6 Rückmeldezettel, die den zu sein, gibt der Persönlichkeit Vertrauen Stand der Arbeit nach bestimmten Abschnitten nachfragen, oft das schlechte fürs Leben. Man kann stolz auf sich sein, Gewissen, mit dem eingetragen wird, was und jede/r kann sicher sein, dass er/sie es wieder schafft, sogar noch besser als die/der Einzelne geschafft hat, bzw. sich beim ersten Mal, denn man weiß jetzt für den nächsten Abschnitt vornimmt. viel mehr über sich und seinen ArbeitsDas Ringen um die viel zu knappe Zeit stil, – man kennt seine inneren Hürden und das Ringen mit dem inneren und viele äußere Schweinehund, der oft lieber Die Oberstufenkonferenz hat die Ziele Unwägbarkeiten. etwas ande-res macht, als Das Ringen um die viel und die Beurteilungskriterien der Jahressich um die Jahresarbeit zu zu knappe Zeit und arbeit in einigen Konferenzen bearbeitet Die Jahresarbeit erfährt kümmern, deren Abschluss ja das Ringen mit dem und befasst sich in unregelmäßigen Abeine umfassende Beurnoch so unendlich weit weg inneren Schweinehund, ständen mit Erweiterungen beziehungsteilung durch den Fachliegt, ist unbeschreiblich. der oft lieber etwas weise Modifikationen dieser Regeln. mentor. Dieser Text ist Und wie oft kommt es vor, anderes macht, als sich „Mit dieser Arbeit wollen wir den ein Teil des Zeugnisses dass man erst um die Jahresarbeit zu „genormten“ staatlichen Prüfungen eine und umfasst einen im Verlauf der ersten Monate kümmern, deren individuelle Bewährungsprobe, eine Art Blick auf die arbeitende merkt, dass ein zunächst Abschluss ja noch Gesellenstück, als wesentliches Element Persönlichkeit, auf die gewähltes Thema doch nicht so unendlich unseres Waldorfabschlusses hinzufügen. erworbene Fachkompezu einem passt. Kann man weit weg liegt, Die Jahresarbeit soll den Schülerinnen tenz im Thema, auf die noch wechseln? – Ich denke, ist unbeschreiblich. und Schülern die Gelegenheit geben, Präsentation in den dass solche Fragen sehr durch eine einjährige Arbeit an einem frei lebensgemäß sind und gut sogenannten Prüfungsgewählten Thema zu zeigen, dass sie sich geprüft werden muss, was die Gründe gesprächen und im Vortrag vor der Schulselbst gesteckte Ziele über eine längere öffentlichkeit. Die Prüfungsgespräche sind. Die Hürde für einen Wechsel ist Zeit hin verfolgen und in der Auseinanhoch, aber bis zu den Sommerferien nicht fanden am Freitag, dem 13. Februar statt dersetzung mit ihrer Arbeit persönlich und sollten neben der Beratung der unüberwindbar gewesen. wachsen können.“ Schüler durch eine Gruppe von drei bis vier Lehrern auch ermöglichen, dass in Ab Weihnachten geht es dann in den Diese Bedingungen beinhalten, dass die einem kleineren Kreis Fragen zu der Endspurt. In der Klasse werden Fragen SchülerInnen einen künstlerischArbeit und dem kleinen Vortrag gestellt gestellt: Wie viele Seiten hast du schon? praktischen und einen werden konnten. Die unmittelbare Nähe – Eine Frage, die dem theoretischen Teil zum Tag der öffentlichen Präsentationen Lehrer nicht sonderlich „Mit dieser Arbeit wollen wir bearbeiten müssen. führte bei einigen wenigen Schülerinnen gefällt, weil der den „genormten“ staatlichen zu Schwierigkeiten (Verunsicherungen). eigentlich inten-dierte Prüfungen eine individuelle Das ist eine riesige Die meisten erlebten durch das Gespräch Prozess schlecht in Bewährungsprobe, eine Art Herausforderung für aber eine Absicherung ihres Vortrages. Seiten gezählt wer-den Gesellenstück, als wesentliches Jugendliche. Jedes Ich denke, dass diese Terminballung auch kann: In einer Arbeit Element unseres WaldorfMal, wenn ich in Zukunft nicht zu vermeiden ist, weil von 20 Seiten standen abschlusses hinzufügen. Jugendliche erlebe, viele Arbeiten doch erst kurz vorher in diesem Jahr Inhalte Die Jahresarbeit soll die diese Aufgabe fertig werden. von ganz erstaunlicher den Schülerinnen und Schülern erfüllt haben, bin ich Tiefe und so intensiv die Gelegenheit geben, durch zutiefst beeindruckt Unter der knappen Zeit leiden dann auch durchgear-beitet, dass eine einjährige Arbeit an von der persönlichen die öffentlichen Präsentationen. Noch man als Leser zutiefst einem frei gewählten Thema Entwicklung derjenidrei Wochen vor dem Termin stellen sich fasziniert war, und in zu zeigen, dass sie sich selbst gen, die wirklich voll alle vor, zu ihrer Arbeit auch einen Tisch einer anderen Arbeit gesteckte Ziele über eine länin den Prozess einund eine Stellwand gestalten zu können. gab es auf 60 Seiten gere Zeit hin verfolgen und in steigen. Die Schule Daher organisierten wir den Handarbeitssehr viel der Auseinandersetzung mit muss den Prozess raum und sorgten für viel Stellfläche, die Oberflächliches zu ihrer Arbeit persönlich wachsen über das Jahr unterdann leider nur zum Teil gebraucht lesen. Viele haben die können.“ stützen. Jede/jeder wurde. drei Wochen Schulbekommt einen ferien für die Arbeit Schulmentor zur Seite gestellt, die Und dann endlich kommen die Vorstelgenutzt. Einige haben in diesen drei helfend und beratend und möglichst fach- Wochen erst gemerkt, wie toll ihr Thema lungen. Diesmal gab es am Freitagabend kompetent begleiten sollen. Wenn die war. Und viele mussten die verbleibenden einen Film und Konzertabend mit dem Fachkompetenz nicht vorhanden ist, wird WoTitel "Let´s fets" Und den Tag der Vortränoch ein Fachmentor gesucht. Und trotzchen bis zum 13. Februar intensiv weiter- ge von 9.00 Uhr bis 20.00 Uhr. Diese dem ist über weite Strecken Selbständigzwei Veranstaltungen waren wieder ein nutzen. Für spätere Studien-, Diplomkeit und Initiative gefragt, und das fällt riesiges Geschenk für die Schulgemeinund Abschlussarbeiten wurden reiche schaft. Vielen Dank an die 12. Klasse. Aus dem Unterricht l 3 Es gab sehr viele SchülerInnen, die sich vieles um den Menschen: Physiognomie, als Jahresarbeit das Thema Musik geMenschenrechte, Lernen lernen, Emanziwählt hatten. Am Freitagabend konnte pation und Lebensträume. Auch die man viele Stücke hören, die am Samstag Technik kam nicht zu kurz. nicht noch einmal präsentiert wurden. Es wurde ein ganz beeindruckender Abend, Neben diesen jetzt etwas zu stark in den der für mich unter dem Vordergrund gestellten Arbeiten, Thema Begegnung stand. kam es im Verlauf des Samstags ... es kam ein Die Musik ermöglichte und immer wieder zu ganz persönliganz neuer erforderte die gegenseitige chen und anregenden BegegnunAspekt dazu: Unterstützung der Mitgen mit den vortragenden Jahresarbeiten schülerInnen. Kai Giesen SchülerInnen und ihren Themen. als eine übte mit einem KlassenIch freue mich, dass ich als gemeinsame orchester seine KomposiLehrer und Klassenbetreuer die Klassenleistung. tionen ein und begeisterte Möglichkeit habe noch etwas die Zuhörer durch die länger in den Arbeiten zu lesen, Komposition und die Exaktheit in der und ich freue mich, dass es dieses Jahr Führung seines Orchesters. Christoph auf unserer Jahresfeier die Möglichkeit Litschka und Ulrich Blaschka begeistergeben, wird einzelne Arbeiten wieder in ten durch gemeinsame Improvisationen einer Ausstellung zu sehen. Denn die an Klavier und Geige. Auch der Film von Ergebnisse sind für die Schublade oder Konrad Dycke stellte für mich das Thema die Kiste im Speicher zu schade. Begegnung und Beziehung unter Jugendlichen in den Vordergrund. Ein ganz großes Wunder ist es, dass nach 11 Stunden, die mit 36 Vorträgen und Die Vielfalt der Arbeiten spricht für die Pausen angefüllt waren, das geplante Individualitäten: Vom Bierbrauen über Ende um 20 Uhr pünktlich erreicht die Welt der Gewürze zu anderen wurde. Kulturen: Indien, Indianer, drehte sich 12. Klasse Was fällt neben allem Positiven auf? Was muss noch besser werden? • Im Prinzip haben die SchülerInnen neben den anderen schulischen und privaten Verpflichtungen nicht immer genug Zeit für die Jahresarbeit. • Alle von der Schule ausgegeben Regeln und Bestimmungen werden typischerweise zu selten als Chancen erlebt, sondern werden normalerweise mit einem Minimum an Aufwand erfüllt. • Für Einzelne ist der Druck, der mit der Jahresarbeit verbunden ist sehr hoch, weil sie noch nicht selbständig genug arbeiten können. • Die Betreuung durch die Fachmentoren ist sehr unterschiedlich. • Der Ablauf der Prüfungsgespräche in den Gruppen ist sehr unterschiedlich. • Trotz Rahmenbeschreibungen für die Zeugnisse und gegenseitiges lesen, werden die Zeugnisse unterschiedlich ausfallen. Christian Boettger 2003 / 2004 Christian Boettger mit in erster Reihe v.l.n.r. Konra dahinter v.l.n.r. Dominik Jak Reichert, Christian Simon, Angelika Elighofer, Vera Garvelmann und Sonja Keil. Zu hinterst stehen v.l.n.r. Liehr. Nicht zu sehen sind Johannes Linsin, David Möhner, Georg Friebe, Aldo Sommer und Katharina Rödling.