„Bewegte Schule“ fördert Leistungsfähigkeit

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Schule und Bewegung
„Bewegte Schule“ fördert Leistungsfähigkeit
„Soll dein Kind in Mathe besser werden, schick es zum Turnen anstatt zur Nachhilfe“ – so einfach könnte man mehrere Studien der
jüngsten Zeit zusammenfassen. Doch hinter dieser so einfachen Formulierung stecken wissenschaftliche Untersuchungen mit erstaunlichen
Erkenntnissen. Das Fazit, das insbesondere Studien aus dem Raum Weser-Ems ziehen, sind eindeutige und nachdrückliche Empfehlungen an
Schulen, Vereine und nicht zuletzt die Schulpolitik, mehr Bewegung in den Unterricht und in den (Schul-)Alltag zu integrieren.
Zunehmend mehr Schüler haben Probleme, sich über einen längeren
Zeitraum, wie etwa nach 20 Minuten innerhalb der Schulstunde, oder
auch über fünf Schulstunden am Vormittag hinaus, zu konzentrieren.
Hier setzen mehrere Untersuchungen an, die Referendare im Studienseminar Oldenburg durchgeführt haben. Zwar handelt es sich hier nicht
um hochwissenschaftliche Arbeiten, allerdings sind die Ergebnisse sehr
eindeutig und basieren auf wissenschaftlichen Arbeiten, die sich intensiv mit dieser Thematik auseinandergesetzt haben. Sie zeigen, dass
sie die Arbeit der Turnvereine und möglicher Kooperationen mit Schulen
sehr positiv unterstützen können. Anhand von Beispielen aus diesen
Untersuchungen wollen wir hier darstellen, inwiefern Bewegung sich
auf die Lernfähigkeit von Schülern unterschiedlichen Alters auswirken
kann.
reiben oder beim Sport. Es werden ähnlich positive Effekte wie beim
Jonglieren erzielt. Eine Vergleichsgruppe ohne dieses Training erhielt
zwar mehr Mathematikunterricht, erzielte jedoch am Ende schlechtere Leistungen. (Heitmann, Corinna: Sport Stacking zur Konzentrationsförderung,
Oldenburg 2011)
Sport Stacking verknüpft die Gehirnhälften
Aktive Pausen steigern Konzentration
In einer Grundschule in der Wesermarsch konnten durch mehr Bewegung im Schulalltag die Konzentrationsleistungen und damit auch die
Mathematik-Ergebnisse der Schüler deutlich verbessert werden, wenn
sowohl in den Pausen als auch einige Minuten zu Beginn des Unterrichts
Sport-Stacking trainiert wurde. Diese Sportart, die 2004 aus den USA
nach Deutschland kam, „fördert die Beidhändigkeit, die Auge-Hand-Koordination und die Reaktionsfähigkeit. Im menschlichen Gehirn gibt es
eine Überkreuzschaltung, denn die linke Gehirnseite steuert die rechte
Körperhälfte und umgekehrt. Fast alle Nerven überkreuzen sich im Gehirn, die Verbindung der beiden Hälften ist ein ‚Balken‘ aus extra dicken
Nervenfasern, auch corpus callosum genannt. Menschen lernen und
arbeiten am besten, wenn sie einen guten Zugang zu beiden Gehirnhälften haben und Informationen über das corpus callosum ausgetauscht
werden können.“ (Wikipedia) Sport Stacking aktiviert durch das abwechselnde Arbeiten mit linker und rechter Hand und das Überkreuzen vor
der Gesichtsmitte beide Gehirnhälften. Es werden neue Verknüpfungen
gebildet, neue „Nervenstraßen“ gebaut, die bei regelmäßiger Beschäftigung mit Sport Stacking ausgebaut werden können. Diese neuangelegten Nervenbahnen können hilfreich sein beim Erlernen anderer Inhalte
oder Fertigkeiten, wie dem Spielen eines Instruments, Lesen und Sch-
In einer Grundschule im Ammerland wurde mit „bewegtem Sitzen“, „Bewegungspausen“ und „Stilleübungen“ anhand eines in der Wissenschaft
anerkannten Testverfahrens gezeigt, dass die Konzentrationsleistung
von Grundschülern deutlich gestiegen ist. Die Werte waren sogar nach
der fünften Schulstunde immer noch höher als bei Vergleichsgruppen
ohne diese Möglichkeiten zu Beginn des Tages. (Janßen, Sabrina: Bewegte
NTB-MAGAZIN 04/2013
Schule – Chance für die Regelschule? Oldenburg 2013)
Eine weitere Untersuchung ebenfalls im Ammerland zeigte deutlich bessere Konzentrationsleistungen durch ein vielseitiges Lauftraining in der
Pause. Hier konnte auch gezeigt werden, dass am Ende des Versuchs
– dann ohne Lauftraining – die Leistungen wieder rückläufig waren. Das
bedeutet also, dass Bewegung im Schulalltag oder im Kinderturnen auch
auf Dauer angelegt sein sollte. (Fairbairn, Kai Saskia: Lauftraining mit Kindern zur
Förderung der Konzentrationsfähigkeit, Oldenburg 2013)
Im Landkreis Oldenburg konnte bei älteren Schülern die räumliche Vorstellung, eine wichtige Grundlage unter anderem für Geometrie und
Mathematik, erheblich gefördert werden, indem ein einfaches Jonglagetraining sowohl im Sportunterricht als auch im Mathematikunterricht
über nur wenige Wochen und wenige Stunden durchgeführt wurde. Auch
diese Werte wurden anhand eines abgesicherten und standardisierten
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TITELTHEMA
Testverfahrens bestätigt. Überraschend gegenüber bisherigen Untersuchungen war, dass diese Ergebnisse bereits nach wenigen Stunden
eintraten. (Brehmer, Sebastian: Mentale Rotationsfähigkeit und Jonglage, Oldenburg 2013)
Empfehlungen
Was bedeuten derartige Ergebnisse nun für den
Niedersächsischen Turner-Bund und seine über
2.800 Vereine? Eine der wichtigsten Erkenntnisse ist, dass sich auf der Grundlage der dargestellten Aspekte die Schulpolitiker, die Turnvereine und die Eltern zusammensetzen und
gemeinsam für einen bewegteren Schulalltag
sorgen müssen.
An die Schulpolitiker richten sich die Forderungen: Bauen sie den Schulsport aus und schränken sie ihn nicht ein. Vor allem mit dem Ziel,
mehr Koordination, mehr Bewegungsvielfalt,
mehr „Kinderturnen“ (wie wir es nennen) insbesondere in die unteren Klassen zu bringen.
Ergänzen sie Schulsport um die tägliche Bewegungszeit, die aktive Pause, das attraktive (turnerische) Ganztagsangebot.
Und unterstützen sie weiterhin oder noch stärker
die Kooperationen mit
Vereinen, insbesondere den Turnvereinen!
Für die Turnvereine
bedeutet dies: Um dem
sozialen Anspruch und
letztlich auch der „Gemeinnützigkeit“ gerecht zu werden,
sucht noch stärker den Kontakt zu den Schulen, macht noch
mehr gemeinsame Angebote,
ermöglicht Hilfestellung für die
Schulen hinsichtlich neuer attraktiver Sportangebote und Kooperationen, durch den Einsatz
von Übungsleitern, Fachliteratur
und Ähnliches. Fast 2.000 Kooperationen gibt es in Niedersachsen zurzeit, aber
es geht noch mehr, und
es geht vor allem mit
der Schwerpunktsetzung
„vielseitiges
Bewegen,
Koordination, Kinderturnen“. Die Erfahrungen der
Vereine sind bisher fast
ausnahmslos hervorragend. Viele Schüler
finden so nicht nur zu besseren Schulnoten,
sondern auch den Weg in das regelmäßige
Vereinsangebot. Ein durchaus willkommener
Nebeneffekt.
Für die Eltern bedeutet dies: Nutzt vom Kindergarten an jede Möglichkeit der Bewegung.
Kinderturnen ist Pflicht! Droht nicht mit „Sportverbot“ bei „schlechten“ Leistungen oder bietet stattdessen fachliche Nachhilfe. Das wäre
ein Eigentor, denn das Gegenteil hilft. Setzt
euch für eine bewegte Schule ein, Bewegung
in den Pausen, Schulsport mit entsprechendem Inhalt, macht Druck für ein bewegungsintensives Ganztagsangebot! Aber beschäftigt
euch auch selbst mit euren Kindern – fahrt mit
ihnen Fahrrad, anstatt jeden Weg mit dem Auto
zurückzulegen, geht zu Fuß zum Einkaufen und
nutzt die Schwimmbäder, anstatt nachmittags
eine DVD anzuschauen.
Bewegung in den (Schul-)Alltag zu integrieren,
ist ein wichtiger Schritt in Richtung Leistungsfähigkeit, (Lern-)Ausdauer und allgemeiner Fitness. Insbesondere im Zuge der ausgebauten
Ganztagsschulen ist der Bewegungsansatz ein
vielversprechender und kann die schulische
und später berufliche Zukunft unserer Kinder
positiv beeinflussen. LUTZ ALEFSEN/HEIKE WERNER
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Fotos: Kaletta (3), NTB (3)
Titelfoto: Kaletta
Alle Literaturangaben beziehen sich auf
Hausarbeiten im Rahmen des zweiten
Staatsexamen und sind über das Studienseminar Oldenburg erhältlich oder über
Lutz Alefsen, E-Mail: [email protected] .
NTB-MAGAZIN 04/2013
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