Lexikon in vier Kapiteln

Werbung
Anja Escherich
Imagination
©98
fisheyes
magicgeometrics
flowers
black
Anja Escherich
Symbolzeichensatz
Imagination
fisheyes
magicgeometrics
flowers
black
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Seite 1
Die Verwendung des Zeichensatzes
Seite 3
Das Symbol als Kommunikationsmittel
Seite 4
Der Prozeß der Symbolbildung
Seite 5
Das kollektive und das persöhnliche Symbol
Seite 7
Tastaturbelegungen
Seite 9
Lexikon
Imaginationfisheyes
Seite 14
Imaginationmagiggeometrics
Seite 18
Imaginationflowers
Seite 27
Imaginationblack
Seite 34
Literaturliste
Seite 37
„Das Symbol ist immer ein Inhalt der
bekannten Welt, welcher auf ein Unbekanntes
hinweist.“
(Aniela Jaffé)
haben, flowers alle floralen und teils auch
animalischen Elemente - außer den Fischen;
und black Symbole mit höherem Schwarzanteil
oder stärkerem Strich. Jedes Kapitel des
digitalen Zeichensatzes belegt das ABC in
Groß- und Kleinschreibung, hat also 52
Zeichen. Zu betrachten sind die Zeichen auf
den Seiten 7 bis 10.
Einleitung
Der SymbolZeichensatz Imagination besteht
aus einem weiten Repertoire aus
imaginativen und herkömmlichen Symbolen.
Er ist aufgeteilt in vier Kapitel: fisheyes,
magicgeometrics, flowers und black. Die
entstandene Menge von Zeichen erhält den
Namen Imagination (lat. Einbildungskraft),
um an das psychisch-physische Vermögen
bildhaft-anschaulichen Vorstellens zu
erinnern. Fisheyes sammelt alle Symbole, die
Fische oder Augen beinhalten, magicgeometrics alle Symbole, die auch nur einen
ahnungsweise geometrischen Anteil
Ein Großteil der Symbole hat seinen Ursprung
in meinen Skizzenbüchern, die ich seit 1984
Reisetagebüchern gleich führe. In ihnen
mischen sich imaginative Bilder - teils bewußt
phantasiert, teils geträumt - mit rea­len
Bildern. So haben zum Beispiel die
flowers-Zeichen A, F und X ihre Vorbilder in
orangefarbenen Malereien, die ich auf den
weißgekalkten Wänden von Lehmbauten in der
indischen Wüste entdeckte. Eine besonders
reiche Quelle waren für mich altägyptische
Tempelmalereien, die in allen vier
Zeichensätzen vertreten sind, Stickereien auf
1
guatemaltekischen Kleidungsstücken sowie
das Katherinenkloster auf dem Sinai.
Bisweilen vermischen sich auch die Einflüsse:
Das flowers-Zeichen C ist kombiniert aus
der Skizze einer Drahtrolle, die ich in Prag auf
der Straße liegen sah, und Dreiecken, nach
denen mir während meines
Ägypten-Aufenthalts der Sinn stand.
Um aus den Skizzen einen digitalen
Zeichensatz zu generieren, waren sie
zunächst auf eine einheitliche
Darstellungsebene zu bringen. Die meisten
Skizzen mußten von der Wirkkraft der Farbe
befreit und auf eine einheitliche Strichstärke
reduziert werden, damit jedes Zeichen
unabhängig von Farbe, Umfeld und
Positionierung für sich stehen kann. Während
dieses Prozesses wandelte sich die Auswahl
der Zeichen ständig: Mit neuem Blick
gesehene Skizzen, stärker reduzierte Teile
komplexer Zeichen ersetzten andere, die
keinen andauernden Wert erlangen konnten.
Die definitive Entscheidung für ein Zeichen
fiel immer dann, wenn es - sei es auf
intuitiver oder kultureller Ebene - eine
Bedeutung transportiert. Aufgrund dieser
Einschränkung entfiel rund ein Drittel der
ursprünglich vorhandenen Zeichen.
Analog zu den vier Kapiteln des Zeichensatzes
gibt es ein Lexikon in vier Kapiteln, in dem
zusätzliche Informationen zu einigen
besonders häufig auftretenden, wichtigen
Symbolen gegeben werden. Weil diese Symbole
weltweit und seit alters Verwendung finden,
beziehen sich die Informationen auf
unterschiedlichste Traditionen: Das
abendländische mythologische Wissen trifft
auf orientalische, asiatische, ägyptische,
altnordische Kultur und Religion sowie auf
Erkenntnisse der modernen Psychologie. Das
Lexikon ist deshalb als Alternative zum
intuitiven Umgang mit den Formen des
Zeichensatzes zu verstehen.
Im Anschluß an diese erste Einleitung
kommen vier Abschnitte, die verschiedene
theoretische Aspekte der Symbolik berühren.
Ihre Themen sind die Einsatzmöglichkeiten des
SymbolZeichensatzes Imagination, die Rolle
der Symbole in der Kommunikation, die Kultur
der Symbolbildung und zuletzt der Kontrast
zwischen kollektivem und persönli­chem
Symbol.
2
Werden die Zeichen als einzelne, im Rapport
oder in Gruppierungen unterschiedlicher
Einzelner miteinander gesetzt, entstehen
Formenspannungen, die sich erweiterte
Bedeutung und Wirkweise schaffen, indem sie
sich aufeinander beziehen. Damit können
Wiederholungen und Ornamente neben ihrer
dekorativen Funktion einen eigenen Sinn
erlangen.
Die Verwendung
des
Zeichensatzes
Der SymbolZeichensatz Imagination ist zu
verstehen als Designbaukasten, der mannigfaltige gestalterische Möglichkeiten gibt. Die
Symbole können textergänzend, illustrativ
oder dekorativ verwendet werden. Der
Zeichensatz kann - wie ein Musterbuch Material für Gestaltung von Bildflächen
liefern. Die Ergebnisse können ornamental,
plakativ oder inhaltlich gewichtet sein.
Die Möglichkeit zur unbegrenzten
Wiederholung ist natürlich durch die digitale
Form des Zeichensatzes bedingt. Ich habe
lange nach einem Weg gesucht, meine
Symbole in beliebiger Anzahl, wechselndem
Umfeld, unterschiedlichster Farbgebung,
Sortierung und Kontrastierung ausprobieren zu
können. Eine Möglichkeit bestand darin,
einzelne Symbole wiederholt zu zeichnen und
zu kolorieren - wodurch mit den
unvermeidbaren kleinen Abweichungen in der
Wiedergabe ein ganz besonderer Charme
entsteht.
Der digitale Zeichensatz stellt dem Anwender
jedes Symbol in endloser Anzahl zur
Verfügung.
Über die Tastaturbelegung sind die Zeichen
zudem leicht zugänglich, jederzeit
wiederholbar und modifizierbar. Mit dem
Fundus bebildere ich mittlerweile meine
handgeschriebenen oder digital erstellten
persönlichen und geschäftlichen Briefe und
gestalte Malereien und Stoffbahnen, die
tibetanischen Gebetstüchern gleichen - und
Vorstufen zu Textilmustern sind.
3
Auch versuche ich meine Symbole so
zusammenzustellen, daß sie kostbare
Zustände des inneren Bilderlebens in Form
bringen und Meditationsathmosphäre im
Außenraum fixieren und damit deren
andauernde Präsenz erzeugen. Ein besonderer
Reiz entsteht, wenn man eine Auswahl kolorierter Originale oder Fotokopien auf Tuch
näht: Jeder einzelne kleine Nadelstich, mit
dem die Elemente fixiert werden, bindet die
Neigung und Stimmung der Seele während
des Produktionsvorgangs an die Textilie
- ganz wie in der nordisch-germanischen
Tradition. Die so gestalteten Stoffbahnen können wie ein Bild an der Wand oder als Flagge
frei im Raum hängen.
Das Symbol als
Kommunikationmittel
Festgelegte Zeichen sind unentbehrliches
Verständigungsmittel in einer Industrie- und
Wirtschaftgesellschaft geworden. Für
bestimmte Kommunikationssituationen werden
Sprachen und deren schriftliche oder typografische Übertragung durch Symbole ersetzt.
Dies ist im internationalen Verkehr der Fall, im
Sektor der Produktion und Reproduktion von
Kultur, in Wissenschaft und Technik - einzelne
Bereiche haben im Laufe der Geschichte ihre
eigenen speziellen Symbolsysteme entwickelt.
Diese Zeichen dürfen, um ihr Funktionieren zu
gewährleisten, nur bedeuten, was wir hinter
ihnen verborgen wissen. Damit gleichen sie
den konventionellen, kulturellen Zeichen, die
bewußt verwendet werden, um „ewige
Wahrheiten“ auszudrücken - wie z.B. Kreuz
und Davidstern. Solche werden immer noch in
vielen Religionen gebraucht. Nach scheinbar
ewig währenden Umformungen und
Entwicklungs­prozessen sind sie zu gesellschaftlich anerkannten, kollektiven Bildern
geworden.
4
Interessant ist auch, daß die Symbole des
Zeichensatzes Imagination ihren Inhalt nicht
diskursiv darbieten, sondern eine Vielzahl von
Begriffen in einem einzigen totalen Ausdruck
zusammenziehen. Dabei wird den einzelnen
Begriffen durch die den Gesamtausdruck
konstituierenden Teile jedoch nicht
entsprochen: Ein Symbol kann einem viele
Worte in den Sinn rufen, ohne auch nur eines
davon konkret zu zeigen. So hilft es seinem
Betrachter fortwährend, undefinierbares
In unserem täglichen Umgang mit Menschen
Terrain zu besetzen und sein - womöglich all
sind wir eventuell gewohnt, uns so genau wie
zu - rationales Dasein variabler zu
möglich ausdrücken; dabei entziehen wir
interpretieren.
unserer Sprache und unseren Gedanken die
phantastischen Anteile und vernachlässigen
damit eine wichtige Eigenschaft unseres
kreativen Daseins. Als Gegengewicht ist eine
Zeichenwelt erforderlich, die dem Verlangen
nach erweiterter Sicht entspricht. Sie kann
auftreten als Konkurrenz oder in friedlicher
Koexistenz neben jenen eindeutigen Zeichen, Ein in abgegrenzten Begriffen denkendes,
die die rational reduzierte Realität logisch folgerndes Bewußtsein sucht die
implizieren. bewußte „Rückverbindung“ zur Innenwelt und
damit zum Unterbewußten. So gibt es Formen
der Meditation, in denen die inneren
Der SymbolZeichensatz Imagination will ein vorbeiziehenden Bilder zu einem Teil der
solches Gegengewicht sein. Seine Symbole Meditation gemacht werden. Einige Symbole
eignen sich dazu, textergänzend - analog des Zeichensatzes sind auf diesem Weg
oder als Platzhalter - eingesetzt zu werden. entstanden. Der tibetanische Buddhismus
Indem sie erweiternd in die Dimensionen des arbeitet mit diesen Formen der Meditation so
bildhaften Denkens eingreifen, sollen sie den weitgehend, daß die inneren Bilder für
Raum zwischen Wort und Bild berühren. Sie zukünftige Meditationen auf Leinwand gemalt
regen kognitive über bildliche Wahrnehmung werden. Diese Meditationserlebnisse
an und tragen damit zu einer Poetisierung des rückspiegelnden Leinwände oder Tücher
Textes bei. Sie können einen emotionalen werden zu Projektionen außergewöhnlicher
Aspekt transportieren, der im Gespräch mit Intensität und Realität.
einem direkten Gegenüber mimisch abzulesen
oder beim Telefongespräch dem Klang der
Stimme zu entnehmen wäre, bei einem
Schriftstück aber verloren geht. Eine ähnliche
Rolle spielen die derzeit im :-) Internet
vielbenutzten „emoticons“.
Der Prozeß
der Symbolbildung
5
Der Malvorgang ist ein der Meditation sehr
ähnelnder, jedoch aktiverer Zustand. Ich
erlebe das Malen als eine aktive, wache
Imagination, zu wesentlichen Teilen vom
Bewußtsein kontrollierbar. Jedoch haben die
im kontrollierten Malprozeß entstandenen
Bildelemente ihre Wurzel im Unbewußten: Sie
sind keine Verstandesgeborenen. Der analysierende Verstand reicht nur bis in eine gewisse
Tiefe unseres Bewußtseins. Darunter sind
Inhalte verborgen, die unserem rationalen
Denken normalerweise verschlossen bleiben.
Durch das Malen erhält die Psyche
Botschaften aus der Tiefe ihres eigenen
Wesens, und diese Botschaften sind in
symbolischer Sprache verschlüsselt.
Mit dem SymbolZeichensatz Imagination
stelle ich meine persönlichen Innenerlebnisse
zur Verfügung, gemischt mit Symbolen, die
scheinbar Allgemeingut der Menschheit sind.
So entsteht ein Symbol-Fundus, in dem man
Aspekte des eigenen Ichs wiederfinden kann.
Dabei ist die Komplexität eines Symbols kein
Die Arbeit mit inneren Bildern zeigt, daß sie
Hinweis auf die Gewichtigkeit seiner Be­­
ihrer Qualität nach gleichzeitig für körperlideutung: Viele besonders schlichte Symbole
che, emotionale, geistige und spirituelle
haben einen höchst komplexen Inhalt.
Aspekte des Seins stehen. Der Fluß der Bilder
ist eine Darstellung des Selbst, die bewußtes,
vorbewußtes, unbewußtes und letztendlich
überbewußtes (transpersonales) Material enthält. Die Fähigkeit zur Symbolbildung stellt
eine natürliche Brücke zwischen dem
Bewußtsein und dem restlichen Selbst dar
- es wird Licht auf die Psyche geworfen. Dazu
der Psychologe Jay Stattmann: „Offensichtlich
ist keine einzelne Bildersequenz in der Lage,
die Psyche insgesamt darzustellen. Aber jede
Bildersequenz legt einzelne aktuelle
Realitätszustände offen.“ (aus:19)
6
Das kollektive und
Die Beschäftigung mit der Symboltheorie mündas persönliche
dete in folgender Erkenntnis: Es gibt Symbole,
Symbol
die dem persönlichen, und andere, die dem
Als Tagebuchaufzeichnungen, die flüchtige
Momente fassen, zeigten die den Symbolen
zugrundeliegenden Skizzen verschiedene
Aspekte des Daseins, der Empfindung und
Wahrnehmung. Das überträgt sich auf den
SymbolZeichensatz Imagination: Auch er ist
intuitiv und individuell zu verstehen, ohne
daß jeder Inhalt zwangsläufig in Worte zu
fassen sein muß. So ging es mir, als ich meine
eigenen Zeichen verstehen wollte - ich
konnte sie nur ahnungsweise übersetzen. Die
Idee, archetypische Bedeutungen zu Rate zu
ziehen, brachte mich dazu, Informationen aus
allen greifbaren Symbollexika zu sammeln.
Daraus entstand das eingangs bereits
erwähnte Lexikon, das dem Zeichensatz
angegliedert ist.
kollektiven Unterbewußten entspringen.
Persönliche Symbole stammen aus der
Erkenntniswelt und der Lebensgeschichte des
Einzelnen, sie werden tendenziell individuell
gedeutet und gebildet. Es gibt andererseits
Symbole in dem Zeichensatz, die bestehendem
Kulturgut entstammen - wie z.B. Herz,
Schlange und Auge. Teilweise war ich bei der
Lektüre der Lexika erstaunt, erst im Nachhinein
zu entdecken, wie alt die Rolle dieser Symbole
im historischen Kontext ist.
7
Diese Zeichen und Symbole haben einen
archetypischen Gehalt. Dabei muß ein
Archetyp nicht unbedingt ein dargestelltes
Zeichen sein: Es ist ein immer wiederkehrender Aspekt der menschlichen Psyche, der sich
in einem Bild der denkenden Psyche niederschlägt. Die Bezeichnung „Archetypus“
(grch.: Urbild) wurde über die analytische
Psychologie erstmals von C.G. Jung eingeführt
und verdeutlicht, daß es psychische
Ur-Elemente gibt, die im menschlichen Geist
bis heute überlebt haben. Diese archaischen
Überreste sind immer noch wirksam, indem
sie Menschheits- und Kulturgut transportieren. Der Teil der Psyche, der dieses Erbe
enthält, wird als "kollektives Unterbewußtes"
bezeichnet. Die zeitlosen und archetypischemotionalen Aspekte, die es weitergibt,
verkörpern sich in Mythen und Symbolen.
Die menschliche Fähigkeit zur Symbolbildung
zeigt sich bereits in prähistorischen Funden in
vielen Bildern und Assoziationen, die den
primitiven Mythen und Riten analog sind.
Diese Fähigkeit entspringt einem Urgrund
unseres Wesens, in dem Bilder oder Symbole
als Träger von komplexen Inhalten entstehen
und miteinander kommunizieren. Dazu die
Psychologin S.K. Langer: „Das menschliche
Denken besteht zu großen Teilen im 'Bildern',
worin sich neben den persönlichen
Erfahrungen kosmische Grundkräfte
widerspiegeln.“ (aus: 20) Dem Grad ihrer
Aussagekraft entsprechend, treten diese Bilder
nach außen - d.h. ins Bewußtsein - und
werden als Gedankenmaterial in Wort und
Bild vermittelt und gleich einem
kommunizierten Satzinhalt weitergetragen
oder verworfen.
Natürlich haben auch kollektive Symbole eine
individuelle Seite, ist doch der Umgang mit
ihnen - sei es bei der Bildung oder bei der
Rezeption - von den persönlichen Erfahrungen,
Kenntnissen und Möglichkeiten des
Individuums bedingt. Märchenforscherin
Ortrud Stumpfe: „...danach sind Symbole
keineswegs generalisierbar. Die kulturelle Farbe
der Deutung entspricht persönlichen
Werdestufen, auf denen sich wesentliche
Grundkräfte spezifisch herausformen und
abgrenzen. So erfährt jedes Symbol seine
Identifikation und Interpretation immer
gleichzeitig in einem historischen und einem
psychologischen Zusammenhang.“ (aus: 21)
In dieser Vielfalt liegt der Reiz und das
konstante Bedürfnis und Interesse der
menschlichen Psyche, innere Erkenntnisse und
Vorstellungen durch Symbole zu
veranschaulichen. Andersherum könnte es
bedeuten, daß jedes Symbol, das ein
Individuum anspricht, eine für eben dieses
Individuum relevante archetypische Bedeutung
in sich trägt.
8
Tastaturbelegungen
9
fisheyes
10
magicgeometrics
11
flowers
12
black
13
Imagination
fisheyes
Auge
Das Auge steht in engem Zusammenhang mit
dem Licht der Sonne und dem Geist. Es dient
häufig als Symbol der Sonnengottheit.
Umrahmt von einem Dreieck, wurde es schon
von den alten Ägyptern zur Darstellung des
Gottes Osiris gebraucht und später von der
christlichen Kirche – zusammen mit anderen
heidnischen Symbolen –
in dieser Form übernommen.
In allen Kulturen erinnert es an
die jedes Geheimnis durchdringende ewige Allwissenheit, Wachsamkeit und
behütende Allgegenwart Gottes
(vergl. Dreieck, S.19).
Das asiatische Ideal des geöffneten dritten
Auges verspricht geistige Erleuchtung, d.h.
Weisheit auf spiritueller Ebene. Zudem ist es
ein Hinweis auf tiefe Erkenntnis und die
Überwindung menschlich-zerrissener Wahr–
nehmung zugunsten der göttlich-überhöhten
Zusammenschau. Als ein „Spiegel der Seele“ ist
es ein Instrument des seelisch-geistigen
Ausdrucks.
Asiatische und ägyptische Tradition sowie
westliche Medizin sind sich darin einig, daß
Augen und Gehirnhälften diagonal miteinander
vernetzt sind. Nach hinduistischer
Überzeugung gehört das rechte Auge zur linken Gehirnhälfte und damit zur Aktivität und
zur Sonne, während das linke Auge mit der
rechten Gehirnhälfte, der Passivität, der Kraft
14
der Ruhe und dem Mond in Verbindung
gebracht wird
Ein mächtiges magisches Amulett der
Ägypter, das Udjat, ist das Auge des Horus,
des Gottes der Wahrnehmung. Im Kampf mit
seinem Widersacher Seth verlor er sein linkes
Auge, das Mondauge, das Gott Toth wiederherstellte. Das Udjat-Auge ruht auf einem
Herrschergewalt symbolisierenden Zepter und
meint weite Sicht und Allwissenheit. Das
Amulett sollte Unverletzbarkeit
und ewige
Fruchtbarkeit verleihen.
Die christliche Märtyrerin Lucia opferte ihre
Augen und damit ihre alte Sicht der Welt für
ihren Glauben. Dieser Vorgang ist ein klassischer Bestandteil der mittelalterlichen
Heilslehre: Um Erkenntnis zu
erlangen, muß ein Teil des alten
Ichs hergegeben werden.
(aus: 5/7/11/13)
Fisch
Der Fisch ist ein uraltes Sinnbild
des Wassers und zugleich
Symbol des Lebens und der
Fruchtbarkeit. Er spielt – vor allem als
Talisman – in vielen Kulturen und Religionen
eine Rolle. Auch ist der Fisch das wichtigste
Tierkreiszeichen der vergangenen zwei
Jahrtausende, denn nach der astrologischen
Weltsicht war dies das Zeitalter der Fische,
was vor allem für das Christentum von
Bedeutung war.
Das frühe Christentum stand in Beziehung zu
den astromythischen Kulturen der Babylonier
und der Zahlenmystik des Pythagoras. Danach
fällt die Geburt Jesu Christi mit dem Beginn
des Fischezeitalters zusammen und wurde als
Geburt eines neuen Aion, eines neuen
Zeitalters, gefeiert, weswegen man Christus
auch den großen Fisch nannte. Gelehrte des
17. Jh. brachten den griechischen Namen des
Fisches mit dem Akrostichon ICHTYS für: Jesus
Christos Theou Hyios Soter (Jesus Christus,
Gottes Sohn, Heiland) in Verbindung.
Ins Christentum ist der Fisch durch gelebte
Tradition als das zweitwichtigste Symbol
neben dem Kreuz eingegangen. Es waren
Fischer am See Genezareth, die im Namen Jesu
die ersten Taufen durchführten. Und die ersten
Christen malten als geheimes Zeichen mit dem
Fuß die Silhouette eines Fisches in den Sand,
um sich einander zu erkennen zu geben.
Später wurden in den Evangelien die getauften
Christen als „Fischlein“ bezeichnet. Im christusbezogenen Sinne ist der Fisch geistliches
Nahrungsmittel und Symbol des eucharistischen Mahles. Daher findet man
ihn oft zusammen mit dem Brot
abgebildet.
Psychoanalytisch betrachtet,
versinnbildlicht der Fisch als
Bewohner des unergründlichen
Meeres die Tiefen des menschlichen
Unbewußten. So stehen Wassermann und Nixe,
die sich halb Mensch, halb Fisch aus den
Wellen erheben, für die Vereinigung von
Bewußtem und Unbewußtem. In der astrologischen Weltsicht ist diese Vereinigung Merkmal
der kommenden zwei Jahrtausende, denn das
Aion des Wassermannes hat das Fischezeitalter
abgelöst. Der Mensch lebt nicht mehr durch
göttliche Übermacht gesteuert, sondern von
inneren Kräften bewegt.
(aus: 2/6)
15
Spindel
Die Spindel ist wegen ihrer gleichmäßig drehenden Bewegung Symbol unabänderlicher
Gesetzmäßigkeit des Schicksals
und der ewigen Wiederkehr. Die
drei altnordischen
Schicksalsgöttinnen Nornen spinnen schicksalsbestimmend der Menschen Geschick und
Lebensdauer (vergl. Samenkorn, S.31). Durch
ihre Form wird die Spindel verschiedentlich als
Symbol sowohl für das weibliche wie auch das
männliche Geschlechtsteil genutzt.
Mandorla
Die Mandorla (griech. für
(aus: 11)
Mandel) ist die Ellipse, die entsteht, wenn sich zwei Kreise
überschneiden. Ihr lateinischer Name ist
vesica pisces, Fischblase. Sie wird im Osten
wie im Westen oft benutzt, um die zwei
Aspekte der Wirklichkeit darzustellen. Das
Göttliche und das Menschliche, das Spirituelle
und das Materielle, das Männliche und das
Weibliche. Buddha oder Christus erscheinen
auf vielen Ikonen in der Mitte der Mandorla.
Sie symbolisiert die mystische Einheit der
Gegensätze. Die Mandorla ist der Raum
jenseits der Zweiheit, in dem dualistisches
Denken zur Ruhe gekommen ist.
Bemerkenswert ist, daß eine Mandorla und
ein flüchtig gezeichneter Fisch einander sehr
ähnlich sehen. Das bedeutet, daß der Rahmen
und das Symbol für Christus nahezu identisch
sind.
(aus: 18)
Triskeles
Triskelen gehören zur großen Familie der trinitarischen Symbole. Die Vorstellung von Gott
als dreigegliederter Einheit, einer Trinität von
drei göttlichen Personen, die zusammen eine
Einheit bilden, ist nicht auf den Bereich des
christlichen Glaubens beschränkt, sondern
findet sich in fast allen Religionen. Die trinitarische Symbolwelt ist kultur- und religions­
übergreifend; allgemeines Menschheitsgut. Zur
symbolischen Veranschaulichung benutzte man
häufig dreigeteilte Figuren oder drei zu einer
Einheit zusammengefaßte Einzelsymbole
(vergl. Dreieck, S.19).
Verschiedenste Bilder können,
dreimalig in einem Winkel von
120 Grad angeordnet, zum
Triskeles werden. Das Beispiel – drei Fische –
hat sein Vorbild in einer Deckenmalerei der
Lübecker Marienkirche, wo es die christliche
Dreifaltigkeit verkörpert.
16
Sind es drei Beine, die sich um
sich selbst drehen, steht der
Triskeles für den sich ewig in Bewegung
befindlichen menschlichen Geist, der nie Ruhe
findend fortschreiten muß. Schon auf
babylonischen Münzen waren Triskelen aus
drei einander nachlaufenden Menschenbeinen
abgebildet. Ein ähnliches Symbol ziert die
Flagge der Isle of Man.
(aus: 2/8/14)
17
Imagination
magicgeometrics
Doppelpyramide
Die Pyramide ist als geometrischer Körper und
Die Doppelpyramide ist folglich
als Grab- und Tempelform verschiedener
ein Symbol des gesamten
Kulturen bekannt. Mit ihrer quadratischen
Universums, des Mikrokosmos im
Unterseite der Erde verhaftet, weist ihre
Makrokosmos, des Menschens im Kosmos.
Spitze (die im alten Ägypten golden war) gen (aus: 1)
Himmel. Auf dem amerikanischen Ein-DollarSchein verewigten die Freimaurer ihr Bild
einer von höherem Wissen bestimmten
Gesellschaft, die das Ideal der jungen Nation
sein sollte: eine Pyramide, über der das Auge
der Erkenntnis schwebt.
18
Dreieck
Das Dreieck ist eins der interessantesten
Symbole. So einfach und grundlegend seine
Form ist, so unendlich und vielfältig sind
seine Bedeutungen. Es ist also wenig
verwunderlich, daß das Dreieck seit
Menschengedenken in fast jeder Kultur eine
hervorragende Rolle spielte.
Es war als heiliges Symbol und religiöses
Zeichen im Nahen und Fernen Osten schon
lange vor Pythagoras in Gebrauch. Man findet
es noch heute in Pyramiden,
Obelisken und Inschriften mit
okkulter Bedeutung. Bei den
Pythagoreern, denen Pythagoras’ Lehre als
Schlüssel zur göttlichen-mathematischen
Weltordnung diente, war das Dreieck ein
formbildendes Prinzip des Weltalls.
Die drei Balken des Dreiecks legen die
Deutung als Dreifaltigkeitszeichen nahe.
Schon die Ägypter nutzten es trinitarisch
(vergl. Triskeles, S.17). Die christlichen
Gnostiker übernahmen es, doch da es schon
Symbol vorchristlicher Völker war, wurde es
im 11. Jahrhundert vom heiligen Augustinus
verworfen. Dennoch bleibt es erhalten, nur
wird seine Bedeutung durch
Einfügung des „Auge Gottes“
christianisiert.
Die Dreieinigkeit aller Dinge ist ein grundlegendes Mysterium jeder geistigen Initiation
und zeigt, daß der reife Mensch fähig ist,
These und Antithese durch die Synthese zu
überhöhen. In diesem Sinne ist das Dreieck
auch Teil des freimaurerischen Gedankenguts.
Mit der Spitze nach oben beruht alles auf
dem Gesetz des Irdischen, mit der Spitze nach
unten wirkt die höhere Ebene in unser
irdisches Dasein herab.
Auch als alchemistisches Zeichen des
Mittelalters ergibt sich, je nach der Richtung,
in welche die Spitze zeigt, eine verschiedene
Deutung: Mit der Spitze nach oben Geist, göttliches Feuer und Luft, männliche
Zeugungskraft, damit der schöpferischen Kraft
Gottes; mit der Spitze nach unten Materie,
Erde, Wasser, Weiblichkeit, der gebärende
Schoß. Außerdem gibt es das Dreieck, Spitze
nach oben mit einem Querstrich als Luft oder
astrales Licht; Spitze nach unten, mit einem
Querstrich als Erde oder grobe Materie.
Ur- und frühgeschichtlich stand das Dreieck
bei den Griechen und in Indien häufig als
Darstellung des weiblichen Genitals.
(aus: 1/2/7/9/11)
Hexagramm
Das Hexagramm (griech. Sechseck), gebildet
durch zwei übereinanderliegende oder zwei
verschlungene Dreiecke, begegnet vor allem im
Judentum, Christentum und im Islam, liegt
aber im Prinzip auch dem indischen Yantra
zugrunde.
Das Hexagramm ist ein Symbol der
Durchdringung von sichtbarer und unsichtbarer Welt. Durch das Ineinanderschieben der
Dreiecke entsteht für die Inder die Verbindung
der schöpferischen und gebärenden Kräfte, das
Zeichen für die Liebe der Gottheit zur Welt
und der Welt zum Göttlichen, eine ewige
Durchdringung der passiven und aktiven
Kräfte. Eine Vereinigung, aus der in alle
Ewigkeit alles wird.
19
Guten zum Beweise seiner Gunst den sechszackigen Stern als Auszeichnung verleiht.
Dieser seltsame Symbolismus ist aus den
Glaubenslehren der Alchemie hervorgegangen.
Das auf die Spitze gestellte Dreieck mit der
Bedeutung Wasser und das mit der Spitze
nach oben mit der Bedeutung Feuer, zum
Sechsstern verschmolzen, ergibt das geheime
Zeichen für Feuerwasser (Alkohol).
(aus: 1/2/7/9/11)
Nach Europa kam dieses Zeichen als
Davidstern. Der Davidstern (hebr. Mogen
David) ist ein altes Glaubenssymbol des
Judentums und nationales Emblem Israels.
Auch nach kabbalistischer Deutung wird
durch ihn das göttliche Wirken in der
irdischen Welt versinnbildlicht.
In der nordeuropäischen volkstümlichen
Zauberei wird es zur Abwehr böser Mächte
verwandt. In der Alchemie ist es Symbol der
Vereinigung aller Gegensätze, da es zusammengesetzt ist aus den Zeichen für die
Elemente Feuer/Luft (Dreieck mit Spitze nach
oben) und Wasser/Erde (Dreieck mit Spitze
nach unten).
Das Symbol schmückte in Frankreich nach der
Revolution zahlreiche Schankstätten und
wurde als „die wahre Hyroglyphe des Bieres“
bezeichnet. In einem alten Chanson aus dem
Elsaß wird Gambrinus verherrlicht, weil er den
schlechten Brauer zwingt, sein saures Gebräu
selbst zu konsumieren, während er dem
Gral·Gefäß·Schale
In der frühen christlichen Kunst taucht häufig
ein alleinstehendes Gefäß ohne eucharistische
oder eschatologische Bedeutung auf, dessen
Formen stark variieren können. Das Gefäß
repräsentiert im allgemeinen den Menschen
als Werk Gottes und speziell seinen Leib, die
zerbrechliche Hülle der Seele. Es
kann sich bei diesem Bilde
zugleich um eine Anspielung auf
die erlöste Seele des Menschen handeln.
Das Bild der Schale symbolisiert im allgemeinen den Überfluß. Schalen enthalten den Trank
der Unsterblichkeit. Im mittelalterlichen „Gral“ ist diese
Symbolik mit dem Blut Christi
und seiner lebensbringenden Kraft verbunden.
Die Gralsschale ist damit dem Herz als dem
Lebenszentrum vergleichbar. Die gleiche
Symbolik begegnet in den eucharistischen Kelchen, die Leib und
Blut Christi und damit die
Nahrung zum ewigen Leben enthalten.
Zudem ist die Schale kosmisches Symbol, dem
Himmel empfangsbereit geöffnet. Die Ähnlichkeit der Schale mit dem halben Mond ist
symbolisch oft hervorgehoben worden (vergl.
Mond, S.24).
20
In der deutschen Fassung des
„Parzival“ von Wolfram von
Eschenbach ist der Gral ein
Stein mit wunderbaren Kräften, der Nahrung
spendet und ewige Jugend verleiht. Ein
Sinnbild höchsten himmlischen und irdischen
Glückes, nur dem „reifen“ Menschen nach
bestandenen geistigen Abenteuern erreichbar.
Insofern wird er zum Symbol der
höchsten Stufe spiritueller
Entwicklung.
(aus: 6/7/11/14)
Herz
Das Herz erfuhr in der Menschheitsgeschichte
eine überraschend vielfältige Deutung. Im
Buddhismus gilt es als der Sitz des
Bewußtseins. Im alten Griechenland repräsentierte es zunächst Denken, Fühlen und Wollen
des Menschens, später verlagerte sich die
Bedeutung stärker in Richtung des Geistigen.
Der Islam sieht im Herzen den Ort der
Kontemplation und Spiritualität, es gilt als
eingehüllt in verschiedene Schichten, deren
Farben in Erregung sichtbar werden. (So heißt
es im Hocharabischen nicht „ins Herz schließen“, weil das Herz geistiges Zentrum ist,
sondern vielmehr „in die Leber schließen“.)
Eine wesentliche Rolle spielte das Herz in der
ägyptischen Religion als Zentrum der LebensWillens- und Geisteskraft; in der präparierten
Mumie wurde an Stelle des Herzens ein
Skarabäus zurückgelassen, da die Wägung des
Herzens beim Totengericht das jenseitige
Schicksal des Menschen bestimmte (vergl.
Skarabäus, S.35).
Im Juden- und Christentum gilt das Herz vor
allem als Sitz der gemüthaften Kräfte, besonders der Liebe, aber auch der Intuition und der
Weisheit. Die christliche Symbolik hat vor
allem seit der Mystik des hohen Mittelalters
eine weitverbreitete Herz- und Liebessymbolik
entwickelt (flammende, durchbohrte Herzen).
Auch das von Amors Pfeil der Leidenschaft
getroffene Herz taucht in der Minnekunst des
hohen Mittelalters auf.
(aus: 2/11)
21
Kreis
Die Null, ein Sinnbild unserer Mathematik,
das im Mittelalter über die islamischen Völker
(oder schon über die jüdischen Chazaren)
nach Europa kam, ist ein Kreis, der die Leere,
das Nichts umgibt. Der Kreis ist nicht nur in
der christlichen Symbolik mit der Ewigkeit,
der Unsterblichkeit und der Unendlichkeit
gleichzusetzen. Er ist das Grundsymbol
sowohl für den Raum wie auch für die Zeit
wie auch für das Leben. Bei nomadisierenden
nordamerikanischen
Ureinwohnern zum Beispiel
diente er – mit einem Kreuz in
der Mitte versehen – als Organigramm für
Wanderbewegungen.
Die Sonne, die Planeten, das ganze Universum
haben eine kreis- oder kugelförmige Gestalt;
aber auch alle großen Naturzyklen können als
Kreisbewegung beschrieben werden. Selbst
die Zeit ist Ewigkeit ohne Anfang und Ende.
So wird der Kreis zum bevorzugten Bild des
Himmels (vergl. Himmel, S.30). Wo immer
das Motiv des Kreises auftaucht, weist es auf
die ursprüngliche Ganzheit des Lebens hin.
Von ihm abgeleitet ist das Rad die zyklische
Bewegung innerhalb der Welt, der Wieder­­­beginn, die Erneuerung, aber auch der Weg
der Veränderlichkeit. Der Kreis mit dem Punkt
im Zentrum ist das Symbol, das in der
Astrologie die Sonne, in der Alchemie das
Gold (Aurum bzw. Sonne) bedeutet. Ein Bild
der schöpferischen Kraft der Mitte, die allem
in ihrer Umgebung erst Sinn gibt, und aus der
heraus Neues entsteht. Genauso ist der Kreis
aber auch als Mondscheibe, mondhaft sein
Licht von der Sonne beziehend, zu erkennen.
(aus: 1/2/6)
Kreuz
Das Kreuz ist, neben Punkt und Linie, aller
Wahrscheinlichkeit nach das älteste aller
Symbole. Als zweifache Verbindung diametral
entgegengesetzter Punkte ist es ein Sinnbild
der Einheit von Extremen: Im Kreuz durchdringen sich das Göttliche und das Irdische. Als
spirituelles Grundzeichen stellt es die fundamentale Polarität der Wirklichkeit dar, die auf
zwei Ebenen verläuft. Der vertikale Balken
symbolisiert das spirituelle und der horizontale
das materielle Leben. Dabei ist der vertikale
Balken die innere Achse der Wirklichkeit, welche die sichtbare materielle Existenz trägt. Im
Kreuzpunkt erblüht die Rose (vergl. Rose,
S.30), hier entfaltet sich das Leben. Auch als
einfachste stilisierte Darstellung des aufrecht
stehenden Menschens, der seine Arme ausgestreckt hat, kann das Kreuz gedeutet werden.
Die Mitte des Menschens ist sein Herz.
Diese Form der Verbindung von Gegen­sätz­lich­
keiten ist das universalste Bild der Mittlung
– lange vor der Verwendung in der christlichen
Bildsprache ist das Kreuz in allen Kulturen zu
finden. Das Kreuz verkörpert in seiner einfachen Darstellungsweise das
Zeichen vollkommener
Symmetrie. Vom Zentrum ausgehend, ordnet es den Raum in vier Regionen,
was oft in Verbindung mit den vier
Himmelsrichtungen gebracht wird. Es ist daher
ein kosmisches Zeichen, ein Zeichen der
Ordnung.
22
Im Christentum hat sich das Kreuz bis heute
eine ganz besondere Bedeutung bewahrt. Es
ist nicht nur das wichtigste Symbol dieser
Religion, sondern ihm werden bis in die
Gegenwart geheime Kräfte zugeschrieben.
Das Bekreuzigen gilt vielerorts als
Allheilmittel gegen böse Geister aller Art.
Das altägyptische Kreuz Ankh beschränkt sich
nicht auf die zwei Balken, sondern trägt am
oberen Ende des vertikalen Balkens eine
Schleife. Sie symbolisiert die Sonne bzw. die
Befruchtung der Erde durch die Sonne und
das daraus resultierende Leben.
(aus: 7/6/11/18)
Kugel
Die Kugel teilt die Symbolik des Kreises, den
sie im Bereich der Körper vertritt. Sie ist
Sinnbild des idealen Universums
(vergl. Kreis, S.21).
Kubus
und Kugel
Die Verbindung von Kugel und Kubus steht
(aus: 6)
für Geist (Kugel) und Materie (Kubus). Als von
sechs Quadraten begrenzter Körper partizipiert der Kubus an der Symbolbedeutung des
Quadrates (vergl. Quadrat, S.25), mehr als
dieses jedoch ist er ein Symbol des Soliden,
Festen und Unveränderlichen
sowie gelegentlich auch der
Ewigkeit. Klappt man den Kubus
in geeigneter Weise auf, ergibt sich ein Kreuz,
das als astro-architektonische Basis des
Kirchengrundrisses gedeutet wird. In der
byzantinischen Kunst und in der Renaissance,
aber auch im Moscheenbau ist die Tendenz
der Architektur zu beobachten, ein Viereck
von einer Kugel bzw. einer Halbkugel
über­wöl­­­­ben zu lassen oder Viertelkugeln
anzu­deuten (vergl. Himmel, S.30).
(aus: 6/11)
23
Netz
Das Netz ist ein Symbol des weitläufigen
Verknüpftseins; vor allem aber auch ein
Mond
Symbol des Einfangens und Sammelns.
Der Mond spielte in den alten Religionen eine
große Rolle und wurde meist als weiblich
aufgefaßt. Sehr eng ist die Beziehung zwischen Mond und Frau. Das
Werden des Kindes im
Mutterschoß gilt als identisch
mit dem Mondwachstum. Bei
den Germanen und Arabern, sowie in den
Vorstellungen der Rajputs von Indien und der
Tartaren gilt der
Mond als männlich. Unter
bestimmten Gesichtspunkten
betrachteten die Alten den
Mond auch als androgyn.
Die Symbolbedeutung des Mondes steht
immer in einem Bezug zu der Sonne; da er
kein eigenes Licht besitzt, sondern nur das
der Sonne reflektiert, und er während
verschiedener Mondphasen seine Gestalt
wechselt. So ist er zum Symbol der
Abhängigkeit geworden, aber auch zum
Symbol der Wandlung und des Wachstums.
Die Mondphasen werden mit dem zyklischen
Werden in Verbindung gebracht, über das der
Mond gebietet, und sind Symbol für Geburt
und Wachstum, Tod und Auferstehung. So ist
denn der ganze Mond Fruchtbarkeitssymbol,
Zeitmesser und Schicksalsbestimmer. Die
Astrologen schreiben dem Mond einen Einfluß
auf den menschlichen Körpers zu, je nach den
Tierkreiszeichen, die er durchquert. Er ist ein
Symbol für den Zugang zu intuitiven Kräften
und deutet auf tiefe, emotionale Bereiche des
Unbewußten hin.
(aus: 6/8/14)
Orientalische Gottheiten werden
verschiedentlich mit Netzen dargestellt, mit denen sie die
Menschen an sich ziehen. Zu den vielen
Anspielungen des neuen Testamentes auf den
Fischerberuf gehörend, kann das Netz auch die
Tätigkeit Gottes symbolisieren, der die
Menschen für sein Reich einsammelt und sortiert. Christliche Darstellungen zeigen in der
Frühzeit das „Menschenfischen“ der Apostel
mit dem Netz. Von da aus wird das Netz mit
den kleinen Fischen zum Symbol der Kirche
(vergl. Fisch, S.15).
Tiefenpsychologisch kann der
Fischfang mit dem Netz auch als
Ausdruck einer aktiven Auseinandersetzung
mit dem Unterbewußtsein gedeutet werden.
(aus: 6/11)
Pfeil
und Bogen
Pfeil und Bogen haben aus hebräischer wie
griechischer Sprachtradition einen symbolischen Wert, der beim Bogen auf Lebensimpuls
und Lebensantrieb deutet, beim Pfeil auf den
Sonnenstrahl wie auf das phallische
Fruchtbarkeitssymbol. Häufig symbolisiert der
Pfeil eine geradlinige, dynamische, zielstrebige
Bewegung, die über gegebene Grenzen hinausreicht. Er kann auch das Bedürfnis nach
direktem ehrlichem Austausch bedeuten.
Versinnbildlicht er den Strahl der
Sonne, ist er zugleich ein Symbol
der Erkenntnis. Durch das Ziehen
24
der Sehne in die eigene Richtung,
erhält der Bogen jene Spannung, die den Pfeil
nach vorne, dem Ziel entgegenschnellen läßt.
Darin liegt eine Bedeutung, die auf die
Rückbesinnung auf unsere eigenen Stärken
hinweist, die ungeahnte Ereignisse in unserem
Leben in Bewegung setzen.
(aus: 6/11/14)
Shivas
Trommel
Von den Indern wird die sichtbare Welt als der
Quadrat
Das Quadrat wird allgemein verwandt als das
Zeichen der materiellen Welt, zusammengesetzt aus vier Seiten, die den vier Elementen
und vier Weltrichtungen entsprechen. Dieser grundlegenden
Bedeutung widersetzt sich nur
die alchemistische Zeichenwelt, in der vier
Quadrate das Zeichen für Luft darstellen. In
der Alchemie gilt die „Quadratur des Kreises“
als Symbol für den ausgeglichenen Menschen,
der eine Balance zwischen der geistigen und
der physisch-materiellen Welt,
den beiden Grunddimensionen
des Daseins, gefunden hat.
Der Psychologe C.G. Jung, der viel zu
Zusammenhängen zwischen geometrischen
Grundformen und Grundlagen der menschlichen Psyche geforscht hat, betrachtet das
Quadrat als Symbol eines Idealzustands. Er
vertrat die Ansicht, daß die oft konkurrierenden Möglichkeiten des Denkens, des Fühlens,
der Sinnesempfindung und der Intuition im
Laufe der Entwicklung des Menschens
miteinander in Einklang zu bringen sind.
Die ordnende Funktion des Quadrates wird
auch oft mit dem rationalen Verstehen und
dem bewußten Intellekt in
Zusammenhang gebracht.
Tanz Shivas verstanden, den er bald allein,
dann wieder mit seiner Gattin Parvati vollführt.
Manchmal wird die Trommel, womit er sich
und allen Wesen den Rhythmus gibt und die er
selber beidseitig spielt, als die ewige Spannung
zwischen dem männlichen und dem weiblichen
Pol des Seins gedeutet. Sie ist das Sinnbild der
zusammenwirkenden Gegensätze, aber auch
das Fortwirken der steinzeitlichen
Schamanentrommeln, deren gleichmäßiger
Klang den Menschen in Ekstase zu versenken
vermag. Ihr rhythmisch erzeugter
Klang wird verschiedentlich verborgenen Klängen und Kräften
des Kosmos gleichgesetzt, womit sie zum
häufig verwendeten Kultinstrument wird.
(aus: 1)
(aus: 13/18)
25
Tisch
Der Tisch ist ein Bild der Welt mit ihren vier
Sonne
Die weltweit benutzte
Sonnensymbolik ist in ihrer
Vielfalt kaum überschaubar. Sie beruht auf
Mythen, die an Naturerscheinungen anknüpfen, besonders an die tägliche und jährliche
Sonnenbahn. Der morgendliche Aufgang im
Osten und der mit der Wintersonnenwende
beginnende Aufstieg hat Auferstehungs-,
Lebens- und Heilscharakter. Der abendliche
Untergang und der von der
Sommersonnenwende an beginnende Abstieg
der Sonne ist Symbol des Todes, des Unheils.
Auch ist die Sonne das allsehende Auge des
Himmels. Mythisch-symbolisch gilt der
Sonnenlauf als Wagenfahrt, auf die das Rad
als verbreitetes Symbol hinweist, oft mit
Speichenkreuz, dem Symbol der vier
Weltecken versehen, die den Sonnenstand
morgens, mittags, abends und mitternächtlich
anzeigen. Auch das Kreuz allein gilt als
Symbol, besonders die Swastika, in der sich
der Sonnenlauf darstellt.
Die Sonne ist das Symbol des Lichtes und des
Lebens, einem Prinzip, dem schöpferische
Energie und kreatives Potential inneliegen.
Den Lehren der Rosenkreuzer nach stammt
die feinste Seele des Menschens, der
sogenannte Nous, von der Sonne, während
der Mond die Psyche liefert und die Erde
Soma, den Körper, gibt.
Elementen, vier Weltrichtungen, beherrscht
vom Kreislauf der vier Jahreszeiten. Die
mittelalterliche Stillebenmalerei lehrt, die
Tischoberfläche gleichzusetzen mit der Welt
als Geschehensebene. Die vier Elemente (Feuer,
Wasser, Erde, Luft) sind der antiken Philosophie
entliehen. Sie spielten im menschlichen
Mikrokosmos in bezug auf bestimmte
Körperteile und Sinne eine Rolle, aber auch im
Makrokosmos. In diesem Zuammenhang sind
sie im Mittelalter oft dargestellt.
(aus: 6/14)
(aus: 7/8)
26
Imagination
flowers
Apfel
lich als Sinnbild der Ewigkeit (vergl. Kreis,
Ein altes Fruchtbarkeitssymbol und auch ein
S.22). Der Apfel begegnet auch mehrfach z.B.
weitverbreitetes Liebessymbol war vor allem
in der keltischen Tradition, als Symbol
der rote Apfel – z.B. in der griechischen und
spirituellen Wissens.
nordischen Mythologie. Wegen seiner
Der Apfel wird in der christlichen Symbolik
Kugelgestalt verstand man ihn verschiedentwegen seiner Kugelgestalt als Sinnbild der Erde
verstanden, seiner schönen Farbe und
Süßigkeit wegen aber auch als Symbol der
Verlockungen dieser Welt. Im Mittelalter galt
er aufgrund der biblischen Erzählung vom
Sündenfall als Sinnbild des Sinnenreizes und
der Erbsünde. Ein Apfel in der Hand Christi
symbolisiert rückbezüglich die Erlösung von
der durch Sündenfall
entstandenen Erbsünde.
Profan ist der Apfel - als
Reichsapfel - Symbol der Weltherrschaft,
wo­bei ihn im Christentum zusätzlich ein Kreuz
schmückte.
(aus: 11)
27
Äffisches
Wesen
Im Orient (z.B. Indien und Ägypten) war der
Affe ein heiliges Tier, in Palästina,
Griechenland und Rom wurde er als Haustier
gehalten. Der Pavian ist der Begleiter des
ägyptischen Gottes der Weisheit, Thoth, und
veranschaulicht, daß Weisheit niemals auf
starre Weise festgelegt werden kann. Und in
Indien wird der Affengott Hanuman noch von
den Hindus als heilig verehrt.
In der Europäischen Symbolik hat der lebhafte, lüsterne, listige, neugierige und wachsame
Affe einen festen Platz. Im Mittelalter verkörperte er – mit dem Spiegel in
der Hand – weltliche Begierde
und Eitelkeit. Auch das Bild der
drei Affen („Wir sehen, hören und sprechen
nichts Böses“) hat sich über ganz Europa
verbreitet. Es stammt aus dem japanischen
Shintoismus, wo die drei Affen bei den
Göttern Rechenschaft über das Tun der
Menschen ablegen sollen und aufgrund eines
Abwehrzaubers nichts Böses berichten
können.
(aus: 6/14)
Blume
Ein Sinnbild der aufsteigenden,
und damit der glücksbringenden
Lebensenergie. Der Mensch liebt es, sich mit
der Vertikalen zu vergleichen. Sie ist das aktive
Element auf einer gegebenen Ebene. Sie ist
auch das Symbol des lebenden Wesens, das
nach oben wächst (vergl. Kreuz, S.22).
In der abendländischen Tradition ist die Blume
das Symbol irdischer Schönheit und
Lieblichkeit. Die Blumen im allgemeinen sind
Zeichen des passiven Prinzips, der Haltung des
Empfangens, entsprechend ihren Kelchformen,
den Gaben und Aktivitäten des Himmels zugewendet. Die Blume erinnert an den Zustand
der Kindheit und so auch gewissermaßen an
das Paradies. Doch kann sie infolge ihrer
Zartheit auch ein Symbol der – der Kreatur
allgemein eigenen – Unbeständigkeit und
Vergänglichkeit sein, ein Bild des flüchtigen
Charakters der Schönheit.
(aus: 6)
Die
Ähre
Ein weltweit verbreitetes Zeichen der Ernte,
das Überfluß, Dankbarkeit und Hoffnung
bedeutet. Die Ähre, der dichtbesetzte
Blütenstand mancher Gräser, wie z.B. der
meisten Getreidesorten, trägt in der christlichen Kunst eine symbolische, eucharistische
Bedeutung. (Das eucharistische Sinnbild des
Leibes Christi ist das Brot des
Abendmahls.) In der
Renaissancekunst ist die Ähre
das Attribut des Sommers, der Jahreszeit der
Ernte. Gereifte Ähren werden auch verstanden
als die Frucht des Menschens Hingabe an sich
selbst.
Baum
Der Baum kann den Aufstieg symbolisieren,
aber er kann auch eine Wächterfunktion übernehmen oder eine heilige Stätte repräsentieren. Als Lebens- und Opferbaum, als kosmi-
(aus: 6/14)
28
scher Baum und als umgekehrt wachsenderBaum bildet er eine Verbindung zwischen
Himmel und Erde, zwischen Makrokosmos
und Mikrokosmos. Weltweit und zu allen
Zeiten ist ein Baumkult zu beobachten, also
die religiöse Verehrung heiliger Bäume als
Verkörperung mythischer Lebensbäume und
der Lebenskraft der Vegetation selbst, aber
auch als Sitz und Symbol von Gottheiten und
Geistern.
Ein Beispiel hierfür ist die Weltesche
Yggdrasil, die in der germanischen Religion
ihre Äste über das All breitet und an deren
Wurzeln sich die Quellen der Weisheit und
des Schicksals befinden. Hier ist der Sitz der
drei Schicksalsgöttinnen, der Nornen.
Baum
mit Früchten
Der früchtetragende Baum ist ein Symbol der
Reife, der abgeschlossenen Entwicklung.
Mehrere und verschiedene Früchte symbolisieren häufig Fülle, Fruchtbarkeit und Wohlstand.
Die verbotene Frucht des Paradieses ist in der
Bibel nicht genau beschrieben, wird jedoch
heute mit dem Apfel (vergl. Apfel, S.27)
gleichgesetzt.
(aus: 11/14)
(aus: 11)
Granatapfel
In der heidnischen Antike ist er
aufgrund seines Samenreichtums
Symbol der Lebensfülle und
Fruchtbarkeit, Attribut der
Vegetationsgottheiten und der Aphrodite sowie
des Zeus und des Hermes. Entsprechend dient
der Granatapfel auch im alten Testament
sowohl als Liebeszeichen wie als Zeichen
göttlichen Segens. In der allegorischen
Schriftauslegung der Kirchenväter steht er für
die Fülle der christlichen Märtyrer und
Mysterien.
Ein aufgesprungener Granatapfel mit der Fülle
seiner Samenkörner ist Attribut der sich
verschenkenden Liebe. In Indien galt der Saft
des Granatapfels als Heilmittel gegen
Unfruchtbarkeit. Das Öffnen des Granatapfels
wird gelegentlich auch in symbolischer
Beziehung zur Defloration gesehen. Wegen der
leuchtendroten Farbe ist der Granatapfel auch
ein Symbol für die Liebe, für Blut und damit
zugleich für Leben und Tod. Die kugelige Form,
die Vielzahl der Kerne und der Wohlgeruch
galten aber auch als Sinnbild der
Vollkommenheit, oder – in christlichem
Zusammenhang – als unendliche Zahl der
Eigenschaften und der Güte Gottes.
(aus: 6/11)
29
Kuß
Ob als Nasen- (Innuit), Mund- oder
Himmel
Früher häufig als über die
Erdscheibe gewölbte Halbkugel
gesehen, spielt der Himmel in
den mythologischen und religiösen Vorstellungen fast aller Völker eine
große Rolle als Ort, von dem aus Götter und
göttliche Wesenheiten als wirkend gedacht
werden und zu dem sich die Seele nach dem
Tod erhebt. Häufig begegnet die Vorstellung,
Himmel und Erde seien ursprünglich vereint
gewesen. Unter diesem Aspekt repräsentiert
der Himmel dann nur die eine Hälfte der
gesamten Welt.
(aus: 11)
Wangenkuß: Der Kuß ist immer ein Zeichen
der Offenbarung und der seelischen Hingabe.
Weil sich in ihm die im Atem lebende Seele
materialisiert, kann er auch kräfteübertragend
und lebensspendend sein (wie im Falle des
Dornröschens) – was in seiner anthropologischen Urform der Kindesfütterung ja auch sein
einziger Sinn war.
Je nachdem, wer wen wann wo küßt, hat der
Kuß unterschiedliche Bedeutungen. So gehört
er im Einflußbereich der griechischen, römischen und jüdischen Kulturen
allgemein zu Begrüßung und
Verabschiedung. Zuneigung und
Verehrung: Handkuß,
Unterwerfung: Fußkuß, Erotik: Zungenkuß,
eidesstattliche Bedeutung (im römischen
Recht): Küssen von heiligen Gegenständen.
Ersatz für den Kuß kann die Kußhand sein, die
Atem und Seele über eine kleine Distanz zum
anderen schickt.
(aus: 11)
Rose
Ähnliche wie die gereifte Frucht ist die
Rosenblüte ein Zeichen der abgeschlossenen
Entwicklung. So wie eine Rose langsam
erblüht, werden die inneren Anlagen und
Fähigkeiten des Menschens allmählich zur
Entfaltung gebracht.
In der Antike war die Rose der
Aphrodite (Venus) geweiht. In der
Freimaurerei ist die Rose unter
anderem das Symbol der Verschwiegenheit,
Schönheit und Zierde. Sie symbolisiert hier das
Empfänglichwerden für mystische Erlebnisse
und transpersonale Erfahrungen, unterstützt
von ursprünglichen, dynamisch wirkenden
Kräften, deren kreativer Entfaltung kein Einhalt
geboten werden kann. Sie ist ein Symbol der
mystischen Wiedergeburt.
In der altfranzösischen Dichtung haben ihr die
30
Schlange
Keinem Tier wurde und wird weltweit eine so
Autoren des „Roman de la rose“
(13tes Jahrhundert) ein Denkmal gesetzt.
Darin steht die Rose – nach dem Ideal der
Minne – als Symbol für den unerreichbaren
Gegenstand der Liebe.
(aus: 7/11/14)
Samenkorn
Das Samenkorn ist ein Sinnbild des Lebens,
der Fülle noch nicht entwickelter Möglich­
keiten. Das Samenkorn stirbt in der Erde, um
eine Pflanze entstehen zu lassen, und ist ein
Symbol des ständigen Wechsels zwischen Tod
und Neubeginn in der Natur. Damit wird es
zum Sinnbild des Opfers sowie
zum Symbol für die geistige
Neugeburt des Menschens. In
der Form erinnert das Samenkorn an eine
Mandorla (vergl. Mandorla, S.16).
(aus: 11)
große Bedeutung zugemessen wie der
Schlange. Dabei ist die Abneigung, die ihr in
der christlichen Welt entgegengebracht wird,
einmalig. In der biblischen Mythe bringt die
Schlange als Verführerin die Sünde zu Eva.
Diese Identifikation der Schlange und der Frau
(und damit des Lebens) mit der Sünde ist
Grundpfeiler des christlichen
Weltverständnisses.
Im Alten Testament begegnet sie aber auch als
Symbol der Klugheit, und in den meisten
Kulturen erhält die Schlange eine durch und
durch positive Deutung. In Indien ist sogar die
giftigste Schlange, die Kobra, ein heiliges Tier.
In Ägypten symbolisiert sie seit
alters her Heilung und
Regeneration, und im alten
Griechenland galt sie wegen ihrer
Beweglichkeit und Schnelligkeit als Sinnbild
des Lebenswillens und der regenerativen
Kräfte. Deshalb wurde sie zum Wahrzeichen
des griechischen Heilgottes Asklepios, dessen
wichtigstes Attribut der Schlangen- oder
Äskulapstab war. Sich folgsam um den Stab
ringelnd, zeigt die Lebensschlange an, daß sie
dem Heilgott dienend zur Verfügung steht, und
weist zugleich auf das Urwissen des Arztes um
die Gesetze der Natur hin.
In der ägyptischen Mythologie, in
fernöstlichen, abendländischen
und afrikanischen Kulturkreisen
gibt es die Darstellung des Ouroborus (vergl.
Kreis, S.22), einer sich in den Schwanz beißenden Schlange. Der Ouroboros ist Symbol
der Unendlichkeit, der ewigen Wiederkehr, des
Austausches zwischen Geist und physischer
Welt. In der Alchemie wurde der Ouroborus oft
als Symbol für die sich wandelnde Materie
benutzt.
Sie ist häufig Sexualsymbol, männlich wegen
ihrer phallischen Form, weiblich wegen ihres
31
verschlingenden Rachens. Die
Kundalinischlange Indiens gilt
als Sitz kosmischer Energie: Sie ruht zusammengerollt am unteren Ende der Wirbelsäule
und wird erweckt, um den Menschen zu
seinem vollen Potential zu führen. Sie ist das
Lebens- oder – psychoanalytisch formuliert –
Libidosymbol.
Vielleicht eignet sich die Schlange deshalb
besonders zum Symbol des Lebens, weil sie
sich selbst ewig der Kraft des Lebens unterwirft und ihre Haut abstößt, um wachsen zu
können – wie das Leben eine Generation nach
der anderen abstößt, um wiedergeboren zu
werden. Die Schlange verkörpert die unsterbliche Energie, das unsterbliche Bewußtsein,
das eingebunden ist in die Zeit und zyklisch
wiedergeboren wird.
Die Schlange verkörpert außerdem eine
Urfunktion des Lebens, das Verzehren. Sie
zeigt so das Leben in seinem urtümlichsten
Wesen. Das Leben lebt, indem es sich selbst
tötet und verzehrt. Die Schlange verkörpert
die im Feld der Zeit eingebundene Kraft des
Lebens, im Feld des Todes eingebunden und
doch ewig lebendig. Die Welt ist bloß ihr
Schatten – die abgestreifte Haut. Mit diesem
Tier läßt sich in gar keiner Weise handeln; es
ist bereit, tödlich zuzubeißen.
(aus: 8/11/16)
Spirale
Die Spirale drückt den Gedanken des Relativen,
Werdenden aus. Gleich den Mondphasen
bezeichnet die Spirale die ewige Wiederkehr,
die Wiederholung, den zyklischen
Charakter der Evolution auf allen
Ebenen des menschlichen Seins;
spirituell, materiell, intellektuell, emotional
und physisch. Die Doppelspirale erinnert an das
sich Ineinander- und Auseinanderentwickeln
von Leben und Tod.
Von den Steinzeitkulturen in
England, Island und Frankreich
sind viele spiralige
Steinzeichnungen überliefert. Auch die
Eingeborenen in Australien haben die Spirale
als ein heiliges Zeichen in ihrer Kultur
bewahrt.
(aus: 6/14/18)
Stab
Ein Symbol für Macht und für
magisches Wissen. Ein Symbol für
Wissen um Philosophie, Religion
und Spiritualität. Der Zauberstab
wirkt durch Berührung, gleich dem Stab, mit
dem Moses Quellwasser aus einem Felsen
fließen ließ.
(aus:11)
Wolken
Wegen ihres geheimnisvoll verschleiernden
Charakters und weil sie Teil des Himmels sind,
werden die Wolken häufig als Wohnstätte der
Götter gedeutet. Im Islam gelten Wolken als
Sinnbild der vollständigen Unerkennbarkeit
Allahs vor der Schöpfung. In China ist die
32
Wolke, die sich im Himmel auflöst, ein
Symbol für die notwendige Verwandlung, der
sich der Weise unterwerfen muß, um seine
irdische Persönlichkeit verlöschen und im
Unendlichen aufgehen lassen zu können. Als
Regenbringer kann die Wolke auch gelegentlich Fruchtbarkeitssymbol sein, wie in
Zeichnungen der Ureinwohner Nordamerikas.
Hier steht sie in Verbindung zur
Schlange, die bei den Hopi als
Trägerin der Wolken gilt.
(aus: 10/11)
Zweig
Zweige oder Zweigbündel
bedeuten Ehrerweisung für
einen Sieger oder Herrscher.
Grüne Zweige beinhalten den Wunsch der
Unsterblichkeit für ihn. Diese orientalische
Tradition ist beim Einzug Jesu in Jerusalem
aufgenommen. Ihr Vorausbild war in gewissem Sinne der Ölbaumzweig, den die Taube
zu Noah in die Arche brachte, um ihm das
Ende der Sintflut anzuzeigen. Das Blatt ist in
Ostasien ein Symbol für Glück und
Wohlstand, ein Zweig mit Blättern symbolisiert das Zusammenwirken Einzelner an einem
Ganzen.
In Mitteleuropa gehörten grüne Zweige und
Bäumchen ab dem 12ten Jahrhundert zur
Maifest. Diese sogenannten „Maien“ sind
Vorläufer unseres Maibaums.
(aus: 5/6)
33
Imagination
black
Leiter
Die Leiter als Verbindung zwischen oben und
unten ist in der christlichen Geschichte als
Jakobs- oder Himmelsleiter bekannt. Im Buch
Moses steht geschrieben, wie der in Not geratene Urvater Jakob von einer
Leiter träumt, auf der Engel zum
Himmel auf- und niedersteigen.
(aus: 6)
Pfeil
Von dem richtungsweisenden, Bewegung
anzeigenden Symbol gibt es verschieden deutliche Umsetzungen. Zu stumpfe Pfeilbilder fließen nicht, zu spitze Pfeilbilder verflüchtigen
sich. Der Pfeil, der als Gegenstand seinen
34
Ursprung in der Jägerkultur hat, setzt sich als
Symbol nach der ersten industriellen
Revolution durch. Vermutlich ist der Pfeil aber
auch schon in der Gesellschaft,
der er noch als Waffe diente, an
Bäumen oder Pfählen als
Richtungsangabe befestigt worden. Die seit
dem 17ten Jahrhundert nachweisbare
„Wegweiserhand“ mit dem ausgestreckten
Zeigefinger hat sich auf jeden Fall nicht in
gleichem Maße durchgesetzt wie der Pfeil.
Der Pfeil steht für Direktheit, Zielgerichtetheit
und Ehrlichkeit (vergl. Pfeil und Bogen,
S.24).
(aus: 3/14)
Skarabäus
Der Skarabäus ist in Ägypten ein heiliges Tier,
dessen Namen mit dem Wort für „aufgehende
Sonne“ übereinstimmt. Der Käfer formt
Kugeln aus Dung, die er vor sich herrollt. Er
hält in seinen Zangen das
Symbol der Sonne und wird zum
Träger des sich erneuernden
Lichtes. Ein Symbol der Auferstehung war er
in Form von Amuletten, deren größere
Exemplare der Mumie auf das Herz gelegt
wurden (vergl. Sonne, S.26).
(aus: 11)
Swastika
Die Bezeichnung Swastika kommt aus dem
Sanskrit und bedeutet „sich wohlfühlen“. Der
Ursprung der Swastika, die ein
weltweit verwendetes Symbol
ist, liegt zeitgleich in unterschiedlichsten Regionen. Das Swastikasymbol
ist zwischen den primitiven Kulturen so weit
voneinander entfernten Ländern wie Babylon,
Assyrien, Italien, Griechenland, Ungarn,
England, Mexiko und Peru, auffindbar. Dabei
macht der imperialistische Gehalt des
deutschen Hakenkreuzes aus dem 20ten Jahr­
hundert nur einen Bruchteil der Bedeutungen
aus.
Die Swastika ist abgeleitet aus dem
Sonnen­rad, dem vierspeichigen Radkreuz. Bei
arischen Völkern wie bei den Germanen war
sie ein vorchristliches Licht- und
Sonnensymbol und wurde durch
Unterbrechung des Umkreises zugunsten einer
eckigen Form zum Swastika­kreuz (vergl. Kreuz,
S.22). In ihrer runden, geschlossenen
Ausführung wurde sie auch im frühen
Christentum verwandt und galt dann als
„crux dissimilata“ (verhülltes Kreuz).
Die Swastika stand sehr häufig als eine
Darstellung der vier Grundkräfte, Welt­-­
richtungen oder Elemente. Unter anderem
erscheint sie darum in der frühen chinesischen
Kultur als Zeichen für „Gegend“ oder „Gebiet“.
Während aber das Viereck (vergl.
Quadrat, S. 25) als Zeichen der Materie die
Swastika als etwas Totes auffaßt, findet sich
im Swastika­kreuz die Vorstellung des Rades,
des Kreises, der Bewegung und damit der
Wandlung. Von vielen Indianerstämmen
Nordamerikas wird das Swastikakreuz als
wichtiges Symbol der Schöpfung gesehen, die
sich tanzend und drehend entfaltet. Die
Swastika fand sich auf präkolumbianischen
Handwerksstücken, und Navajos woben sie in
Decken und Körbe. In Indien verbinden sich die
äußeren Enden mit der Vorstellung des
maskulinen Prinzips und signifizieren den Weg
zur äußeren Welt. Die Ursprünge repräsentieren das Feminine alsleitenden Indikator zum
Inneren des Mensch­seins.
35
Die Swastika wurde von Indien nach Japan
durch China übertragen und dort mit
Buddhismus assoziiert (buddhistische
Swastika: Manji, ein Mengenbegriff für die
Zahl 10.000 und damit gleichbedeutend mit
„unendlich“). Häufig hervorgehoben, teilweise
auf buddhistischer Tempelarchitektur, trägt
sie eine Bedeutung des „Paradieschlüssels“ in
Japan. Vorrangig wurde sie im Osten als ein
Zeichen für Glück und Wohlstand interpretiert. Swastikas drehen sich in und gegen den
Uhrzeigersinn, und die Stellung der Haken
verleiht dem Zeichen eine Bedeutung. Diese
ist bei den gefundenen Darstellungen verschieden. Eine altchinesische Deutung besagt,
das das Zeichen mit linksdrehenden Haken
„Glück“, dasjenige mit rechtsdrehenden Haken
„Unglück“ bedeutet.
(aus: 2/3/4/10)
36
Literaturliste
1 Wolfgang Bauer, Irmtraut Dümotz, Sergius
13 C.G. Jung, Der Mensch und seine Symbole,
Golowin, Lexikon der Symbole,
Solothurn und Düsseldorf 1995
Wiesbaden 1996
C.G. Jung, Mandala, Bilder aus dem
Unbewußten
2 I. Schwarz-Winkelhofer, H. Biedermann, Das
Buch der Zeichen und Symbole, Graz 1994
14 Gerd Ziegler, Tarot der Seele,
Neuhausen 1995
3 Henry Dreyfuss, Symbol Sourcebook,
1972
15 Stilleben in Europa,
G. Langmeyer, H.-A. Peters, Münster 1979
4 John W. Dower, The Elements of japanese
Design, New York-Tokyo 1971
16 Joseph Campbell, Die Kraft der Mythen,
Zürich 1994
5 Udo Becker, Lexikon der Symbole,
Freiburg 1992
17 Aniela Jaffé: Bildende Kunst als Symbol, in:
C.G. Jung, Der Mensch und seine Symbole,
6 Gerd Heinz-Mohr, Lexikon der Symbole,
Olten 1968
Bilder und Zeichen der christlichen Kunst,
München 1988
18 Klaus Holitzka, Jochen Niemuth, Das
Mandala als Grudstruktur des Universums,
7 Horst E. Miers, Lexikon des Geheimwissens,
Seen 1994
Freiburg i. Br. 1987
8 Manfred Lurker, Wörterbuch der Symbolik,
Stuttgart 1979
9 Leonard Herman, Die Heraldik der
Wirtschaft, Düsseldorf 1971
10 Adrian Frutiger, Der Mensch und seine
Zeichen, Wiesbaden 1991
19 Jay Stattman
20 S.K. Langer, Psychologie auf neuem Wege,
Frankfurt/Main 1965
21 Ortrud Stumpfe, Die Symbolsprache der
Märchen, Münster 1992
22 Mircea Eliade
11 Herder Verlag, Lexikon der Symbole,
23 Rudolf Koch, das Zeichenbuch,
Freiburg 1978
Leipzig 1940
12 Gerhard Kurz, Metapher, Allegorie, Symbol,
Göttingen 1988
Herunterladen