FELIX BOLLIGER AKTIENGESELLSCHAFT FÜR VERMÖGENSVERWALTUNG Die automatische Mikrosteuer auf dem gesamten Zahlungsverkehr ersetzt ein hundertjähriges Steuer- und Abgabesystem. Sie unterstützt die Finanzpolitik mit ungebundenen Ressourcen. Die Mikrosteuer beruhigt die Finanzmärkte. Auslegeordnung und Hinterfragung Sowohl das Steuersystem und die damit verbundene Fiskalpolitik, wie auch das Finanzsystem haben Revisionsbedarf. Eine Auslegeordnung und Hinterfragung sind überfällig. Das Steuersystem beruht auf hundertjährigem Gedankengut, die Gesetzgebung dazu ist mittlerweile von absurder Komplexität - beides passt nicht länger in die globalisierte, digitalisierte Weltwirtschaft. Das gegenwärtige Finanzsystem seinerseits ist im eigentlichen Sinn ausser Rand und Band, es führt uns von Krise zu Krise. Kapital finanziert nicht länger Ideen eins zu eins, vielmehr werden mittels Kredit enorme virtuelle Spekulationen eingegangen. Im Devisenund Rohstoffhandel ist ein Leverage von 100:1 an der Tagesordnung, es erstaunt also nicht, wenn Kursbewegungen erratisch verlaufen und sich die Realwirtschaft ausserstande sieht, zuverlässige Planung und Budgetierung zu betreiben. Die laufende Pervertierung des Kapitalismus wird irgendwie nicht in Frage gestellt, als habe man es mit einem Naturgesetz zu tun (1). Effiziente und gerechte Einheitssteuer Die automatische Mikrosteuer auf dem gesamten Zahlungsverkehr bietet sich als Lösung an, um das Fiskal- wie auch das Finanzsystem wieder auf ein normales Gleis zu stellen. Die Mikrosteuer verzahnt die beiden Bereiche, wodurch der gesamte Zahlungsverkehr sich plötzlich als enormes Steuersubstrat entpuppt. Der Zahlungsverkehr einer modernen Wirtschaft ist immens, eine Besteuerung im Promillebereich genügt, um nationale Budgets zu finanzieren. Die Gesamtwirtschaft hat sich in den letzten 20 Jahren unter dem Phänomen „financialization of the economy“ stark verändert, und wir stehen heute vor neuen Konstellationen. An Einfluss zugenommen hat der Finanzsektor, was sich am klarsten in der Ausweitung des Zahlungsverkehrs widerspiegelt. Je nach OECD Land spielt sich dieser in Giga- bis Peta-Summen ab (2). Allerdings, trotz seines enormen Ausmasses wird er empirisch kaum erforscht, so wie seinerzeit der Blutkreislauf für die Medizin von geringem Interesse war. In der Schweiz macht der Zahlungsverkehr 150-mal das Bruttoinlandprodukt aus - einem BIP von CHF 650 Milliarden stehen Zahlungstransaktionen in der Höhe von über CHF 100‘000 Milliarden gegenüber, die sich für die Jahre 2012 und 2013 wie folgt aufgliedern lassen: . die Zahlungen via Swiss Interbank Clearing SIC belaufen sich 2012 exklusive Giroüberträge der Finanzinstitute auf ihren jeweiligen SNB-Konti auf netto CHF 30‘000 Milliarden, respektive auf CHF 95‘000 Milliarden, wenn man die Giroüberträge miteinbezieht. Es handelt sich um Summen, die 50 - respektive 150 Mal - das Bruttoinlandprodukt (BIP) darstellen; . der hiesige Devisenhandel (Forex) nimmt CHF 40‘000 bis CHF 50‘000 Milliarden für sich in Anspruch (4), also 60 bis 80 Mal das BIP. Aus Sicherheitsgründen werden Forex-Geschäfte über spezielle Plattformen wie CLS abgerechnet . weitere Zahlungsströme liegen vor, die statistisch offiziell nicht erfasst werden, wie zum Beispiel Zahlungen innerhalb PostFinance, in-house Zahlungen der Banken, sowie Zahlungen über das Korrespondenzbankennetz. 1 Rebhusstrasse 48 . 8126 Zumikon/Zurich . Switzerland Telephone +41 44 918 1235 . Telefax +41 44 918 1667 FELIX BOLLIGER AKTIENGESELLSCHAFT FÜR VERMÖGENSVERWALTUNG Geldströme von über CHF 100‘000 Milliarden zu erfassen ist nur dank der Computerisierung möglich. Die neue Wirtschaftsordnung, in der das digitalisierte Finanzsystem einen dominanten Platz einnimmt, eröffnet neue Horizonte. Möglich werden fiskalpolitische Überlegungen wie etwa folgende Promille-Rechnung: 2011 ergeben Steuern und Sozialabgaben in der Schweiz Gesamteinnahmen von CHF 170 Milliarden. Wird ein Zahlungsverkehr von CHF 100‘000 Milliarden mit zwei Promille automatische Mikrosteuer belegt (1 Promille je Belastung und Gutschrift), resultieren Einnahmen von CHF 200 Milliarden. Bestehende Steuern und Abgaben können im Prinzip allesamt abgelöst werden. Der hier vorgeschlagene Systemwechsel impliziert jedoch eine grundlegend neue Sichtweise; mit der Mikrosteuer werden weder natürliche noch juristische Personen, weder der Konsum noch ein Verhalten usw. besteuert - besteuert wird der gemeinsame Nenner einer Volkswirtschaft, nämlich der gesamte Zahlungsverkehr. Mit der neuen Steuerordnung erfahren Steuerbürger und Unternehmen eine finanzielle wie administrative Erleichterung im grossen Stil. Der Wirtschaftsstandort Schweiz wird erheblich gestärkt, für Start-up Unternehmen ist die Mikrosteuer ein Befreiungsschlag. Indem Grossrechner die Mikrosteuer automatisiert belasten und an den Bund weiterleiten, ist das neue System nicht länger „inquisitorisch“, im Gegenteil, es ist frei von jeglicher Ideologie. Administrativ ist es von höchster Simplizität und Klarheit, es ist ergiebig, günstig zu handhaben und gerecht. Die Vorzüge sind derart, dass sich das Ausklügeln von Steueroptimierung in Form von Panama Konstrukten, Tax inversion, etc. erübrigt. Implementierung der neuen Steuerordnung Die hier vorgeschlagene Mikrosteuer wird mit ihrer Simplizität und Effizienz nicht alle Finanz- und Steuerexperten begeistern. Die automatische Mikrosteuer dringt in Hoheitsgebiete vor, die bis anhin als unantastbar galten. Bedenken der Fachleute, die Mikrosteuer sei einfach zu umgehen, sind leicht zu entkräften. Umgehungsgeschäfte sind in der Finanzbuchhaltung ersichtlich und können entsprechend geahndet werden. Prinzipiell kann das Gesetz auch vorsehen, dass wer die Mikrosteuer umgeht, nach altem System besteuert wird, nämlich auf Einkommen und Gewinn. Von den Vorteilen und Erleichterungen, welche die Mikrosteuer mit sich bringt, profitiert somit nur wer Sinn und Zweck der neuen Steuerordnung respektiert. Ein weiterer Einwand dürfte sein, die Schweiz könne ein - aus heutiger Sicht - so revolutionäres Steuersystem nicht im Alleingang einführen. Doch genau das kann sie, da sie über das Instrument der Volksinitiative verfügt. Die Mikrosteuer-Debatte hierzulande wird im Übrigen auch dem Ausland vor Augen führen, in welch astronomischer Grössenordnung sich der Zahlungsverkehr einer OECD Wirtschaft abspielt, und welches enorme, bis anhin unentdeckte Steuersubstrat „schmerzlos“ angezapft werden kann. Mit der Einführung der automatischen Mikrosteuer kann die Schweiz für einmal eine Vorreiterrolle übernehmen. Die automatische Mikrosteuer ist Neuland. Da wie erwähnt für diverse Zahlungsverkehr-Ströme keine offiziellen Statistiken vorliegen, sich allenfalls auch Doppelzählungen ergeben können, ist die Mikrosteuer pragmatisch einzuführen, indem - parallel zu den normalen Steuern - ein 12-monatiger Probelauf vorgesehen wird. Beim Probelauf werden „unmerkliche“ 0.05 Promille auf jeder Belastung und Gutschrift erhoben, das heisst fünf Rappen pro tausend Franken, resp. CHF 50‘000 pro Milliarde. Der Probelauf hat auch die oben aufgezeigten Giroüberträge miteinzubeziehen, womit die Dimension und die Struktur des gesamten Zahlungsverkehrs lückenlos erfasst wird. Einmal definitiv aufgeschaltet, kann die Mikrosteuer als Erstes die Mehrwertsteuer und in der Folge weitere Steuern und 2 Rebhusstrasse 48 . 8126 Zumikon/Zurich . Switzerland Telephone +41 44 918 1235 . Telefax +41 44 918 1667 FELIX BOLLIGER AKTIENGESELLSCHAFT FÜR VERMÖGENSVERWALTUNG Abgaben auf Bundesebene ablösen. Bei bedeutenden Überschüssen sind Schuldenabbau sowie Steuerrückvergütungen direkt an den Steuerzahler vorzusehen, analog zu den amerikanischen Tax refunds. Aufgrund der hier vorgeschlagenen Pragmatik bleibt die föderalistische Maxime der kantonalen und kommunalen Steuerhoheit gewahrt, was allerdings bedeutet, dass die Steuererklärung nicht von heute auf morgen überflüssig wird. Innerhalb weniger Jahre ergeben sich Erfahrungswerte, die Aufschluss über die Ertragskraft der Mikrosteuer geben. Der Anspruch auf Steuerhoheit seitens Kantone und Gemeinden kann dann überprüft werden, allenfalls erhält er einen anderen Stellenwert. Ausblick Die Mikrosteuer ist nicht nur sehr ergiebig, sie bringt auch Transparenz ins Finanzsystem. Wir haben ein Anrecht auf Transparenz, denn kommt es wie 2008 zu einer Finanz-Krise, haften wir letztendlich kollektiv mit unseren Steuergeldern; pro Memoriam: damals mussten Bund und SNB zu Gunsten der Finanzwirtschaft intervenieren, um einen Kollaps mit verheerenden Folgen zu verhindern. Auch wird die Mikrosteuer die Finanzmärkte beruhigen, da kurzfristige Operationen mit zu hohem Leverage nicht länger interessant sein dürften. Der Realwirtschaft ist zweifelsohne gedient, wenn sie sich mit weniger Volatilität auf den Devisen-, Rohstoff- und Kapitalmärkten konfrontiert sieht. Da die Geldpolitik nicht länger greifen wird - das Zinsniveau liegt heute im negativen Bereich -, ist sie durch finanzpolitische Massnahmen zu ersetzen. Hier geht es um echtes Geld, um Investitionen in Infrastruktur, in Bildung und Forschung und das Sozialwesen. Wird der Zahlungsverkehr als Steuersubstrat anvisiert, erhält die Finanzpolitik genügend - und ungebundene - Ressourcen, um Wirtschafts- und Sozialpolitik auf Augenhöhe mit der laufenden Industrierevolution zu betreiben. Fazit: Die automatische Mikrosteuer verschiebt die Steuerlast auf eine andere und sehr viel breitere Schulter. Im Fall Schweiz sind nicht länger CHF 650 Milliarden Bruttoinlandprodukt einer Besteuerung von insgesamt 30 Prozent unterworfen, sondern beispielsweise CHF 100‘000 Milliarden Zahlungsverkehr werden mit 2 Promille mikrobesteuert. Der Schweizer Haushalt erhält bedeutend mehr verfügbares Einkommen: wer ein Einkommen von CHF 100‘000 erhält und ausgibt, bezahlt mit dem neuen System CHF 200 Mikrosteuer, anstelle der aktuellen CHF 20‘000 Einkommenssteuer, Mehrwertsteuer, etc. Arbeit wird mit Steuerregression belohnt, und nicht durch Steuerprogression bestraft. Die Investitionskraft der Unternehmen wird gestärkt. Die automatische Mikrosteuer kommt dem Ideal einer gerechten Besteuerung am nächsten. (1) Felix Bolliger, „Reinvent the System“. Mikrosteuer auf dem Zahlungsverkehr. (2) Siehe auch Edgar Feige, Wisconsin University, «The Automated Payment Transaction Tax», kurz APT Tax; Simon Thorpe, CNRS Toulouse, «A Flat Rate Financial Tax to replace all taxes?». (3) SNB Statistisches Monatsheft, C1, Januar 2013. (Alte Statistikmethode inklusive Giroüberträge zwischen SNB und Banken). (4) BIS Triennial Central Bank Survey September 2013. 3 Rebhusstrasse 48 . 8126 Zumikon/Zurich . Switzerland Telephone +41 44 918 1235 . Telefax +41 44 918 1667