amtd-gastartikel-deutsch-3-11-2016

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FELIX BOLLIGER AKTIENGESELLSCHAFT
FÜR VERMÖGENSVERWALTUNG
Die automatische Mikrosteuer auf dem gesamten Zahlungsverkehr ersetzt
ein hundertjähriges Steuer- und Abgabesystem. Sie unterstützt die
Finanzpolitik mit ungebundenen Ressourcen. Die Mikrosteuer beruhigt die
Finanzmärkte.
Auslegeordnung und Hinterfragung
Sowohl das Steuersystem und die damit verbundene Fiskalpolitik, wie auch das
Finanzsystem haben Revisionsbedarf. Eine Auslegeordnung und Hinterfragung
sind überfällig. Das Steuersystem beruht auf hundertjährigem Gedankengut, die
Gesetzgebung dazu ist mittlerweile von absurder Komplexität - beides passt nicht
länger in die globalisierte, digitalisierte Weltwirtschaft. Das gegenwärtige
Finanzsystem seinerseits ist im eigentlichen Sinn ausser Rand und Band, es führt
uns von Krise zu Krise. Kapital finanziert nicht länger Ideen eins zu eins, vielmehr
werden mittels Kredit enorme virtuelle Spekulationen eingegangen. Im Devisenund Rohstoffhandel ist ein Leverage von 100:1 an der Tagesordnung, es erstaunt
also nicht, wenn Kursbewegungen erratisch verlaufen und sich die Realwirtschaft
ausserstande sieht, zuverlässige Planung und Budgetierung zu betreiben. Die
laufende Pervertierung des Kapitalismus wird irgendwie nicht in Frage gestellt, als
habe man es mit einem Naturgesetz zu tun (1).
Effiziente und gerechte Einheitssteuer
Die automatische Mikrosteuer auf dem gesamten Zahlungsverkehr bietet sich als
Lösung an, um das Fiskal- wie auch das Finanzsystem wieder auf ein normales
Gleis zu stellen. Die Mikrosteuer verzahnt die beiden Bereiche, wodurch der
gesamte Zahlungsverkehr sich plötzlich als enormes Steuersubstrat entpuppt. Der
Zahlungsverkehr einer modernen Wirtschaft ist immens, eine Besteuerung im
Promillebereich genügt, um nationale Budgets zu finanzieren. Die
Gesamtwirtschaft hat sich in den letzten 20 Jahren unter dem Phänomen
„financialization of the economy“ stark verändert, und wir stehen heute vor neuen
Konstellationen. An Einfluss zugenommen hat der Finanzsektor, was sich am
klarsten in der Ausweitung des Zahlungsverkehrs widerspiegelt. Je nach OECD
Land spielt sich dieser in Giga- bis Peta-Summen ab (2). Allerdings, trotz seines
enormen Ausmasses wird er empirisch kaum erforscht, so wie seinerzeit der
Blutkreislauf für die Medizin von geringem Interesse war. In der Schweiz macht der
Zahlungsverkehr 150-mal das Bruttoinlandprodukt aus - einem BIP von CHF 650
Milliarden stehen Zahlungstransaktionen in der Höhe von über CHF 100‘000
Milliarden gegenüber, die sich für die Jahre 2012 und 2013 wie folgt aufgliedern
lassen:
. die Zahlungen via Swiss Interbank Clearing SIC belaufen sich 2012 exklusive
Giroüberträge der Finanzinstitute auf ihren jeweiligen SNB-Konti auf netto CHF
30‘000 Milliarden, respektive auf CHF 95‘000 Milliarden, wenn man die
Giroüberträge miteinbezieht. Es handelt sich um Summen, die 50 - respektive 150
Mal - das Bruttoinlandprodukt (BIP) darstellen;
. der hiesige Devisenhandel (Forex) nimmt CHF 40‘000 bis CHF 50‘000 Milliarden
für sich in Anspruch (4), also 60 bis 80 Mal das BIP. Aus Sicherheitsgründen
werden Forex-Geschäfte über spezielle Plattformen wie CLS abgerechnet
. weitere Zahlungsströme liegen vor, die statistisch offiziell nicht erfasst werden,
wie zum Beispiel Zahlungen innerhalb PostFinance, in-house Zahlungen der
Banken, sowie Zahlungen über das Korrespondenzbankennetz.
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Rebhusstrasse 48 . 8126 Zumikon/Zurich . Switzerland
Telephone +41 44 918 1235 . Telefax +41 44 918 1667
FELIX BOLLIGER AKTIENGESELLSCHAFT
FÜR VERMÖGENSVERWALTUNG
Geldströme von über CHF 100‘000 Milliarden zu erfassen ist nur dank der
Computerisierung möglich. Die neue Wirtschaftsordnung, in der das digitalisierte
Finanzsystem einen dominanten Platz einnimmt, eröffnet neue Horizonte. Möglich
werden fiskalpolitische Überlegungen wie etwa folgende Promille-Rechnung: 2011
ergeben Steuern und Sozialabgaben in der Schweiz Gesamteinnahmen von
CHF 170 Milliarden. Wird ein Zahlungsverkehr von CHF 100‘000 Milliarden mit
zwei Promille automatische Mikrosteuer belegt (1 Promille je Belastung und
Gutschrift), resultieren Einnahmen von CHF 200 Milliarden. Bestehende Steuern
und Abgaben können im Prinzip allesamt abgelöst werden. Der hier
vorgeschlagene Systemwechsel impliziert jedoch eine grundlegend neue
Sichtweise; mit der Mikrosteuer werden weder natürliche noch juristische
Personen, weder der Konsum noch ein Verhalten usw. besteuert - besteuert wird
der gemeinsame Nenner einer Volkswirtschaft, nämlich der gesamte
Zahlungsverkehr. Mit der neuen Steuerordnung erfahren Steuerbürger und
Unternehmen eine finanzielle wie administrative Erleichterung im grossen Stil. Der
Wirtschaftsstandort Schweiz wird erheblich gestärkt, für Start-up Unternehmen ist
die Mikrosteuer ein Befreiungsschlag.
Indem Grossrechner die Mikrosteuer automatisiert belasten und an den Bund
weiterleiten, ist das neue System nicht länger „inquisitorisch“, im Gegenteil, es ist
frei von jeglicher Ideologie. Administrativ ist es von höchster Simplizität und
Klarheit, es ist ergiebig, günstig zu handhaben und gerecht. Die Vorzüge sind
derart, dass sich das Ausklügeln von Steueroptimierung in Form von Panama
Konstrukten, Tax inversion, etc. erübrigt.
Implementierung der neuen Steuerordnung
Die hier vorgeschlagene Mikrosteuer wird mit ihrer Simplizität und Effizienz nicht
alle Finanz- und Steuerexperten begeistern. Die automatische Mikrosteuer dringt in
Hoheitsgebiete vor, die bis anhin als unantastbar galten. Bedenken der Fachleute,
die Mikrosteuer sei einfach zu umgehen, sind leicht zu entkräften.
Umgehungsgeschäfte sind in der Finanzbuchhaltung ersichtlich und können
entsprechend geahndet werden. Prinzipiell kann das Gesetz auch vorsehen, dass
wer die Mikrosteuer umgeht, nach altem System besteuert wird, nämlich auf
Einkommen und Gewinn. Von den Vorteilen und Erleichterungen, welche die
Mikrosteuer mit sich bringt, profitiert somit nur wer Sinn und Zweck der neuen
Steuerordnung respektiert. Ein weiterer Einwand dürfte sein, die Schweiz könne
ein - aus heutiger Sicht - so revolutionäres Steuersystem nicht im Alleingang
einführen. Doch genau das kann sie, da sie über das Instrument der Volksinitiative
verfügt. Die Mikrosteuer-Debatte hierzulande wird im Übrigen auch dem Ausland
vor Augen führen, in welch astronomischer Grössenordnung sich der
Zahlungsverkehr einer OECD Wirtschaft abspielt, und welches enorme, bis anhin
unentdeckte Steuersubstrat „schmerzlos“ angezapft werden kann. Mit der
Einführung der automatischen Mikrosteuer kann die Schweiz für einmal eine
Vorreiterrolle übernehmen.
Die automatische Mikrosteuer ist Neuland. Da wie erwähnt für diverse
Zahlungsverkehr-Ströme keine offiziellen Statistiken vorliegen, sich allenfalls auch
Doppelzählungen ergeben können, ist die Mikrosteuer pragmatisch einzuführen,
indem - parallel zu den normalen Steuern - ein 12-monatiger Probelauf vorgesehen
wird. Beim Probelauf werden „unmerkliche“ 0.05 Promille auf jeder Belastung und
Gutschrift erhoben, das heisst fünf Rappen pro tausend Franken, resp. CHF
50‘000 pro Milliarde. Der Probelauf hat auch die oben aufgezeigten Giroüberträge
miteinzubeziehen, womit die Dimension und die Struktur des gesamten
Zahlungsverkehrs lückenlos erfasst wird. Einmal definitiv aufgeschaltet, kann die
Mikrosteuer als Erstes die Mehrwertsteuer und in der Folge weitere Steuern und
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Abgaben auf Bundesebene ablösen. Bei bedeutenden Überschüssen sind
Schuldenabbau sowie Steuerrückvergütungen direkt an den Steuerzahler
vorzusehen, analog zu den amerikanischen Tax refunds. Aufgrund der hier
vorgeschlagenen Pragmatik bleibt die föderalistische Maxime der kantonalen und
kommunalen Steuerhoheit gewahrt, was allerdings bedeutet, dass die
Steuererklärung nicht von heute auf morgen überflüssig wird. Innerhalb weniger
Jahre ergeben sich Erfahrungswerte, die Aufschluss über die Ertragskraft der
Mikrosteuer geben. Der Anspruch auf Steuerhoheit seitens Kantone und
Gemeinden kann dann überprüft werden, allenfalls erhält er einen anderen
Stellenwert.
Ausblick
Die Mikrosteuer ist nicht nur sehr ergiebig, sie bringt auch Transparenz ins
Finanzsystem. Wir haben ein Anrecht auf Transparenz, denn kommt es wie 2008
zu einer Finanz-Krise, haften wir letztendlich kollektiv mit unseren Steuergeldern;
pro Memoriam: damals mussten Bund und SNB zu Gunsten der Finanzwirtschaft
intervenieren, um einen Kollaps mit verheerenden Folgen zu verhindern. Auch wird
die Mikrosteuer die Finanzmärkte beruhigen, da kurzfristige Operationen mit zu
hohem Leverage nicht länger interessant sein dürften. Der Realwirtschaft ist
zweifelsohne gedient, wenn sie sich mit weniger Volatilität auf den Devisen-,
Rohstoff- und Kapitalmärkten konfrontiert sieht.
Da die Geldpolitik nicht länger greifen wird - das Zinsniveau liegt heute im
negativen Bereich -, ist sie durch finanzpolitische Massnahmen zu ersetzen. Hier
geht es um echtes Geld, um Investitionen in Infrastruktur, in Bildung und
Forschung und das Sozialwesen. Wird der Zahlungsverkehr als Steuersubstrat
anvisiert, erhält die Finanzpolitik genügend - und ungebundene - Ressourcen, um
Wirtschafts- und Sozialpolitik auf Augenhöhe mit der laufenden Industrierevolution
zu betreiben.
Fazit: Die automatische Mikrosteuer verschiebt die Steuerlast auf eine andere und
sehr viel breitere Schulter. Im Fall Schweiz sind nicht länger CHF 650 Milliarden
Bruttoinlandprodukt einer Besteuerung von insgesamt 30 Prozent unterworfen,
sondern beispielsweise CHF 100‘000 Milliarden Zahlungsverkehr werden mit 2
Promille mikrobesteuert. Der Schweizer Haushalt erhält bedeutend mehr
verfügbares Einkommen: wer ein Einkommen von CHF 100‘000 erhält und ausgibt,
bezahlt mit dem neuen System CHF 200 Mikrosteuer, anstelle der aktuellen CHF
20‘000 Einkommenssteuer, Mehrwertsteuer, etc. Arbeit wird mit Steuerregression
belohnt, und nicht durch Steuerprogression bestraft. Die Investitionskraft der
Unternehmen wird gestärkt. Die automatische Mikrosteuer kommt dem Ideal einer
gerechten Besteuerung am nächsten.
(1) Felix Bolliger, „Reinvent the System“. Mikrosteuer auf dem
Zahlungsverkehr.
(2) Siehe auch Edgar Feige, Wisconsin University, «The Automated Payment
Transaction Tax», kurz APT Tax; Simon Thorpe, CNRS Toulouse, «A Flat
Rate Financial Tax to replace all taxes?».
(3) SNB Statistisches Monatsheft, C1, Januar 2013. (Alte Statistikmethode
inklusive Giroüberträge zwischen SNB und Banken).
(4) BIS Triennial Central Bank Survey September 2013.
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