Leseprobe Schindler Personalentwicklung PERSONALMANAGEMENT Studienbrief 2-034-0006 2. Auflage 2008 HDL HOCHSCHULVERBUND DISTANCE LEARNING Personalentwicklung Impressum Verfasser: Prof. Dipl.-Ök. Ulrich Schindler Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Personalwesen im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule Merseburg Der Studienbrief wurde auf der Grundlage des Curriculums für den Studienschwerpunkt „Personalmanagement“ verfasst. Die Bestätigung des Curriculums erfolgte durch den Fachausschuss für das modulare Fernstudienangebot Betriebswirtschaftslehre, dem folgende Professoren angehören: Dr. Arnold (FH Gießen-Friedberg), Dr. Götze (FH Stralsund), Dr. Heger (FHTW Berlin), Dr. Hofmeister (FH Erfurt), Dr. Nullmeier (FHTW Berlin), Dr. Pumpe (TFH Berlin), Rosemann M. A. (FH Braunschweig/ Wolfenbüttel), Dipl.-Ök. Schindler (HS Merseburg), Dr. Schleicher (HS Wismar), Dr. Schwill (FH Brandenburg), Dr. M. Strunz (FH Lausitz), Dr. H. Strunz (Westsächsische HS Zwickau), Dr. Tippe (TFH Wildau). 2., aktualisierte Auflage 2008 Redaktionsschluss: Juli 2008 © 2008 by Service-Agentur des Hochschulverbundes Distance Learning. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung und des Nachdrucks, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung der Service-Agentur des HDL reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Service-Agentur des HDL (Hochschulverbund Distance Learning) Leiter: Dr. Reinhard Wulfert c/o Agentur für wissenschaftliche Weiterbildung und Wissenstransfer e. V. Magdeburger Straße 50, 14770 Brandenburg Tel.: 0 33 81 - 35 57 40 E-Mail: [email protected] Fax: 0 33 81 - 35 57 49 Internet: http://www.aww-brandenburg.de Personalentwicklung Inhaltsverzeichnis Einleitung..........................................................................................................................................................................................5 Literaturempfehlung.....................................................................................................................................................................6 1 Grundlagen der Personalentwicklung................................................................................................................7 1.1 Begriff und Ziele der Personalentwicklung.....................................................................................................................................7 1.2 Grundprinzipien der Personalentwicklung.....................................................................................................................................9 1.3 Rahmenkonzept strategischer Personalentwicklung................................................................................................................11 2 Ermittlung des Personalentwicklungsbedarfs...............................................................................................15 2.1 Handhabung der Bedarfsanalyse..................................................................................................................................................... 15 2.2 Stellen- und Funktionsbeschreibungen......................................................................................................................................... 18 2.3 Anforderungsprofile und Kompetenzmodelle............................................................................................................................ 21 2.4 Potenzialdiagnosen und Personalportfolio.................................................................................................................................. 24 3 Maßnahmen der Personalentwicklung........................................................................................................... 28 3.1 Klassifikationen und Charakteristika .............................................................................................................................................. 28 3.2 Training-on-the-job............................................................................................................................................................................... 30 3.3 Training-off-the-job............................................................................................................................................................................... 30 3.4 Training-near-the-job............................................................................................................................................................................ 31 3.5 Modellentwicklungswege................................................................................................................................................................... 32 4 Erfolgssicherung in der Personalentwicklung.............................................................................................. 34 4.1 Förderung des Lerntransfers.............................................................................................................................................................. 35 4.2 Evaluation von Personalentwicklungsmaßnahmen.................................................................................................................. 38 4.3 Personalentwicklungscontrolling..................................................................................................................................................... 42 5 Personalentwicklung in der lernenden Organisation................................................................................ 47 5.1 Organisationales Lernen...................................................................................................................................................................... 47 5.2 Organisationsentwicklung.................................................................................................................................................................. 49 Lösungshinweise zu den Kontrollfragen............................................................................................................................ 52 Literaturverzeichnis.................................................................................................................................................................... 57 Sachwortverzeichnis.................................................................................................................................................................. 63 HDL Personalentwicklung Einleitung Längst sollte es den Entscheidungsträgern in Unternehmen klar sein, dass Wettbewerbsfähigkeit Investitionen im Bereich der Personalentwicklung verlangt. Selbst wenn es für Unternehmen – was sicherlich eine Ausnahme bleiben wird – keine wesentlichen Veränderungen mehr gibt, Innovationen in der Fertigung und Vermarktung ihrer Produkte oder ein organisatorischer Wandel als nicht erforderlich erscheinen, ist Personalentwicklung unentbehrlich, damit Wissen und Fähigkeiten aufseiten des Personals nicht verloren gehen. Dennoch wird dieser grundlegende Zusammenhang häufig missachtet. Der aktuelle Fachkräftemangel in weiten Teilen der Wirtschaft stellt nur einen Vorboten jener Engpässe dar, die u. a. aufgrund des demografischen Wandels absehbar sind. Wenn es Unternehmen nicht gelingen sollte, eine strategieadäquate und methodisch zweckmäßige Personalentwicklung zu betreiben, werden negative Konsequenzen auch für die Zukunft des Standortes Deutschland nicht ausbleiben. Neben der Personalauswahl und der Personalführung kann die Personalentwicklung als eine von drei personalwirtschaftlichen Kernfunktionen, über die ein direkter Einfluss auf die Qualifikation und Motivation der Humanressourcen eines Unternehmens erfolgt, angesehen werden. Mit ihr kann über die Erschließung, Förderung und Sicherung der Kompetenzen der Mitarbeiter ein sowohl unmittelbarer als auch nachhaltiger Beitrag zur Positionierung eines Unternehmens im Wettbewerb geleistet werden. Der vorliegende Studienbrief soll Sie im ersten Kapitel mit den wesentlichen Grundlagen unternehmerischer Personalentwicklung vertraut machen. Thematisiert werden die Ziele und Grundprinzipien der Personalentwicklung, die Rollenaufteilung zwischen den Beteiligten im Prozess der Personalentwicklung sowie ein Rahmenkonzept strategischer Personalentwicklung. Gegenstand des zweiten Kapitels ist die Ermittlung des Personalentwicklungsbedarfs. Hinsichtlich ihrer konzeptionellen und instrumentellen Gestalt werden vorgestellt: Stellen- und Funktionsbeschreibungen, Kompetenzmodelle und Anforderungsprofile, Verfahren der Bedarfsanalyse, der Potenzialdiagnose und die Entscheidungshilfe Personalportfolio, die für eine aussagefähige Kollektiv- und Individualplanung in der Personalentwicklung unverzichtbar sind. Das dritte Kapitel bietet einen Überblick über die wesentlichen Maßnahmen der Personalentwicklung. Neben der Vorstellung klassischer und moderner Methoden des Training-on-the-job, Training-near-the-job und Training-offthe-job soll Augenmerk auf die Gestaltung von Modellentwicklungswegen als besondere Form der Laufbahn- und Nachfolgeplanung in Unternehmen gerichtet werden. Wer die Einschätzung der Personalentwicklung als eine Investition in Humanressourcen und Wettbewerbsfähigkeit teilt, kommt nicht umhin, den Nutzen zu analysieren und zu optimieren. Die Förderung des Lerntransfers, die Evaluation von Personalentwicklungsmaßnahmen sowie das Personalentwicklungscontrolling – davon handelt das vierte Kapitel dieses Studienbriefes. HDL Personalentwicklung Abschließend erfolgt in Kapitel 5 eine Diskussion von Personalentwicklung im Kontext der lernenden Organisation. Dabei wird aufgezeigt, wie sich personales und organisationales Lernen idealerweise ergänzen und wie Personal- und Organisationsentwicklung wechselseitig funktionieren. Nach Durcharbeitung dieses Studienbriefes werden Sie in der Lage sein, folgende Fragen zu beantworten: Studienziele • Wie kann eine strategische Ausrichtung der unternehmerischen Personalentwicklung gewährleistet werden? • Welche Möglichkeiten bieten sich an, um für eine planungsgestützte Personalentwicklung zu sorgen? • Wie lassen sich relevante Personalentwicklungsmaßnahmen hinsichtlich ihrer Methodik und Wirksamkeit unterscheiden? • Welche konzeptionellen und instrumentellen Ansätze bieten sich zur Erfolgssicherung in der Personalentwicklung an? • Wie können Personalentwicklung und organisationales Lernen in Einklang gebracht werden? Literaturempfehlung Seit den 1980er-Jahren erfährt die Personalentwicklung eine starke Aufmerksamkeit in der wissenschaftlichen und anwendungsorientierten Personalmanagementliteratur. Für das Selbststudium über den vorliegenden Text hinaus seien vor allem folgende Monographien und Sammelbände empfohlen: – Becker, M. (2005a): „Personalentwicklung. Bildung, Förderung und Organisationsentwicklung in Theorie und Praxis“. – Bröckermann, R./Müller-Vorbrüggen, M. (Hrsg./2008): „Handbuch Personalentwicklung. Die Praxis der Personalbildung, Personalförderung und Arbeitsstrukturierung“. – Krämer, M. (2007): „Grundlagen und Praxis der Personalentwicklung“. – Mudra, P. (2004): „Personalentwicklung. Integrative Gestaltung betrieblicher Lern- und Veränderungsprozesse“. – Riekhof, H. C. (Hrsg./2006): „Strategien der Personalentwicklung. Mit Beispielen von Bosch, Linde, Philips, Siemens, Volkswagen und Weka“. – Ryschka, J./Solga, M./Mattenklott, A. (Hrsg./2005): „Praxishandbuch Personalentwicklung. Instrumente, Konzepte, Beispiele“. – Sonntag, K. (Hrsg./2006a): „Personalentwicklung in Organisationen“. – Thom, N./Zaugg, R. J. (Hrsg./2007): „Moderne Personalentwicklung. Mitarbeiterpotenziale erkennen, entwickeln und fördern“. – Auch die im Studienbrief „Grundlagen des Personalmanagements“ (Schindler, 2006a) aufgeführten personalwirtschaftlichen Standardwerke eignen sich zur Nachbereitung dieses Studientextes. HDL 28 Personalentwicklung inhaltlich und methodisch valider Verfahren der Potenzialdiagnose Grundvoraussetzungen dar. Da es sich bei einem Personalportfolio um die „Verortung von Menschen“ handelt, bedarf es ferner einer Akzeptanzsicherung im Sinne einer zusätzlichen sozialen Validität. In jedem Fall muss der Gefahr einer Etikettierung und einem Abstempeln von Mitarbeitern vorgebeugt werden. Kontrollfragen K 2.1 Welche Grundmerkmale charakterisieren eine partizipative Ermittlung von PE-Bedarfen? K 2.2 In seinem Aufsatz „Anforderungsprofile – eine Falle?“ setzt sich der Hochschullehrer und Managementexperte Fredmund Malik (1998) kritisch mit dem Auflisten von Kompetenzmerkmalen auseinander und formuliert: „Wirksame Menschen entsprechen keinen Anforderungskatalogen“. Sie hätten es gelernt, ihre Stärken und Schwächen zu erkennen, sich auf deren Nutzung zu konzentrieren, sich in Funktionen und Positionen zu manövrieren, in denen genau ihre Stärken zählen, und ein paar Grundsätze zu befolgen bzw. sich durch diese bei der Arbeit zu disziplinieren. Was halten Sie von dieser Meinung? Begründen Sie Ihre Einschätzung! K 2.3 Welche Regeln formuliert Becker (2005a) für die Durchführung einer Potenzialanalyse? Worauf sollte Ihres Erachtens noch eingegangen werden, um für eine aussagefähige und von allen Beteiligten akzeptierte Potenzialanalyse Sorge zu tragen? K 2.4 Welche Gefahren hinsichtlich einer zweckmäßigen Personalentwicklung sind mit dem Anlegen von Personalportfolios verbunden? Was kann unternommen werden, um derartigen Gefahren vorzubeugen bzw. um mit ihnen in einer sinnvollen Weise umzugehen? 3 Maßnahmen der Personalentwicklung Im folgenden Kapitel Studienziele • lernen Sie zahlreiche Maßnahmen der Personalentwicklung kennen und sind anschließend in der Lage, diese hinsichtlich ihrer methodischen Gestalt zu erläutern und ihre Wirksamkeit bei der Kompetenzsicherung in Unternehmen einzuschätzen; • verstehen Sie die konzeptionelle Grundausrichtung von Modellentwicklungswegen und sind damit fähig, einzelne PE-Maßnahmen strategieorientiert zu einer entwicklungsförderlichen und karrierebezogenen Kombination zu bündeln. 3.1 Klassifikationen und Charakteristika Nach der Ermittlung von PE-Bedarfen folgt die Auswahl von Maßnahmen der Personalentwicklung, die geeignet erscheinen, individuelle und kollektive Lücken zwischen Anforderungs- und Fähigkeitsprofilen zu schließen sowie Mitarbeiter potenzialorientiert zu fördern. Die Klassifizierung von PE-Maßnahmen HDL Personalentwicklung (Becker 2005a, S. 247 f., Schier, 2008, S. 191 f., und Zaugg, 2007, S. 25 f.) erfolgt üblicherweise nach dem Lernort bzw. ihrer Anbindung an die Arbeitsorganisation. Neben den bekannten Klassifikationen Training-on-the-job und Training-offthe-job gibt es das Training-near-the-job. Diese drei Trainingsformen werden im Folgenden ausführlicher behandelt. Darüber hinaus lassen sich das Training-into-the-job (z. B. Einarbeitung neuer Mitarbeiter), das Training-alongthe-job (z. B. Qualifizierung durch Stellvertretung) und das Training-out-ofthe-job (z. B. Ruhestandsvorbereitung) unterscheiden. Eine einwandfreie Zuordnung mancher Maßnahmen fällt dabei mitunter schwer. Ferner können PE-Maßnahmen wie folgt eingestuft werden: – Aktive und passive Lernmethoden Diese Differenzierung richtet sich nach dem Grad der Beteiligung der Lernenden an der Erarbeitung der Lernziele und Lerninhalte. Zu den aktiven Lernmethoden zählen u. a. Rollenspiele, Fallstudien, Workshops; hingegen sind Unterweisungen und Vorträge teilnehmerpassiv angelegt. – Einzel- und Gruppentraining Dabei kommt es nicht alleine auf die Anzahl der Lernenden an, sondern auch auf die lernbezogene Interaktion in der Gruppe. Verhaltensbezogen spielt das Gruppenlernen eine wichtige Rolle; Einzellernen kommt vor allem bei der Erschließung von Fachwissen zum Tragen. – Selbst- und fremdgesteuertes Lernen Selbstgesteuertes Lernen zeichnet sich für den Lernenden durch eine freie Wahl des Lernstoffes und der Lernmethoden aus; auch die Kontrolle von Lernerfolgen findet in eigener Verantwortung statt. Bei fremdgesteuertem Lernen übernehmen Dozenten und Trainer weitgehend die Verantwortung für die inhaltliche und methodische Gestaltung des Lernprozesses. Für die Auswahl von PE-Maßnahmen ist zu überlegen, mit welchen Trainingsformen und Ansätzen des Lernens die ermittelten PE-Bedarfe am besten gedeckt und die damit verbundenen Lernziele entsprechend erreicht werden können. Oftmals bietet es sich an, die einzelnen PE-Maßnahmen kombiniert anzuwenden, um angestrebte Lernerfolge zu sichern. Einige PE-Ansätze, z. B. Modellentwicklungswege, setzen sich generell aus verschiedenen Maßnahmen zusammen. Wenn in einem Unternehmen die Personalentwicklung als eine Investition in die Personalqualität und das Mitarbeiterpotenzial gesehen wird, sollten sachlogisch didaktische Argumente bei Entscheidungen über PE-Maßnahmen eine starke Beachtung finden. Was die Wirtschaftlichkeit angeht, so bieten sich u. a. Kosten-Nutzen-Analysen als Instrumente des Personalentwicklungscontrollings an (siehe hierzu Abschnitt 4.3). HDL 29 30 Personalentwicklung 3.2 Training-on-the-job Beim Training-on-the-job – besser: bei der Personalentwicklung-on-the-job – erfolgt eine Qualifizierung der Mitarbeiter im Rahmen ihrer Funktion bzw. durch Lernprozesse während der Arbeitsausführung (Sonntag, 2000, S. 181 ff.). Über eine entwicklungsorientierte Gestaltung individueller Arbeitssituationen ergibt sich eine zielgerichtete Aktivierung bzw. Vermittlung von Qualifikationen. Dem zugrunde liegt die Annahme, dass eine Tätigkeit durch den Vollzug eben dieser Tätigkeit im Arbeitsfeld auch erlernt werden kann („learning by doing“). „Diese Form der Personalentwicklung steht in einer ständigen Wechselbeziehung von Entwicklung und Einsatz, woraus ein prinzipieller Vorteil bezüglich der Praxisrelevanz resultiert. … Das Lernen in und an realen Arbeitssituationen lässt auch die Problematik des Transfers gelernter Inhalte von der Lernsituation auf die Arbeitssituation weitgehend entfallen“ (Berthel/Becker, 2007, S. 390 f.). Bild 3.1 gibt einen Überblick über grundlegende Alternativen der Personalentwicklung am Arbeitsplatz: Job Rotation Durch einen systematischen Arbeitsplatzwechsel zwischen den Mitarbeitern – innerhalb einer Organisationseinheit, bereichsübergreifend und unternehmensweit (mit eventueller Auslandsentsendung) – erhalten diese die Möglichkeit, zusätzliche fachliche Kenntnisse zu erwerben und funktions- bzw. unternehmensbezogene Erfahrungen zu sammeln. Job Enrichment Bei der Arbeitsbereicherung handelt es sich um eine quantitative Erweiterung der Arbeitsaufgaben durch Einbeziehung vor- und nachgelagerter Aufgabenbereiche, verbunden mit zusätzlichen Entscheidungskompetenzen und dem selbstständigen Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten. Job Enlargement Die Arbeitserweiterung erfolgt unter qualitativen Gesichtspunkten durch eine ganzheitliche Aufgabenzuordnung (Planung, Durchführung und Kontrolle), um den Mitarbeiter im Denken und Handeln vielseitig zu fordern. Einsatz als Stellvertreter Zwar dient die Stellvertretung primär der Sicherung von Fachund Führungskontinuität bei Abwesenheit des Stelleninhabers. Durch die Übernahme von Aufgaben, Verantwortung und Befugnissen unterstützt sie den Stellvertreter aber auch beim Erwerb von Kompetenzen im Rahmen der individuellen Laufbahn- und Karriereentwicklung. Unterweisung am Arbeitsplatz Diese Lernform dient der gelenkten Vermittlung von Erfahrungen durch eine vom Vorgesetzten kontrollierte Vorbereitung auf die Durchführung exakt definierter Aufgaben. Anwendung findet dabei die Vier-Stufen-Methode, mit einem zielgerichteten Ablauf von: Vorbereitung, Vorführen und Erklären durch den Unterweisenden, Ausführen/Nachmachen durch den Mitarbeiter und selbstständiges Üben. Bild 3.1 Grundlegende Alternativen der PE-on-the-job 3.3 Training-off-the-job Die Durchführung von Trainings-off-the-job erfolgt in räumlicher, zeitlicher und sachlicher Distanz zum Arbeitsumfeld. Dabei nutzen Unternehmen sowohl ihre innerbetrieblichen Einrichtungen, z. B. Ausbildungs- und SchulungsHDL Personalentwicklung zentren, als auch eine Zusammenarbeit mit außerbetrieblichen Kooperationspartnern, z. B. Fortbildungsinstitute und Managementakademien. Neben der Vermittlung von Fachwissen nehmen Verhaltenstrainings und Maßnahmen der Persönlichkeitsentwicklung einen größeren Raum ein (Schellschmidt, 2008, S. 208 ff.). Bild 3.2 stellt einige ausgewählte Maßnahmen des Training-off-the-job vor. Eine Vielzahl von Hemmnissen, das in derartigen Maßnahmen erworbene Fachwissen oder ein Mehr an Verhaltens- und Persönlichkeitskompetenz in konkreten Arbeitssituationen bzw. im unternehmerischen Funktionsfeld zur Anwendung bringen zu können, begrenzt allerdings ihre Erfolgswirksamkeit. Dafür ausschlaggebend sind insbesondere die Verschiedenheit von Lernaufgaben im Training und Handlungsspielräumen im Arbeitsalltag sowie eine veränderungsresistente Organisations- und Führungskultur (Berthel/Becker, 2007, S. 402 ff.). Fachseminare und -konferenzen Diese Maßnahmen zielen durch eine Vermittlung von Fach-, Instrumenten- und Methodenwissen auf die fachkompetenzbasierte Steigerung der beruflichen bzw. funktionalen Leistungsfähigkeit ab. Führungs- und Verhaltenstrainings Derartige Trainings fördern die Stabilisierung und Weiterentwicklung von Sozialkompetenz, z. B. die Kommunikations-, Kooperations- und Konfliktfähigkeit von Mitarbeitern sowie die Fähigkeit von Vorgesetzten, Führungsaufgaben effizient und effektiv wahrnehmen zu können. Managementplanspiele Managementplanspiele werden dazu genutzt, unternehmerisches Denken und Handeln zu trainieren, und zwar durch eine Simulation konkreter Problemstellungen. In mehreren Spielrunden sollen die Teilnehmer komplexe Entscheidungssituationen durchdringen und ein angemessenes Führungs- und Kooperationsverhalten entfalten. Sensitivity Trainings Während die übrigen Maßnahmen des Training-off-the-job explizite und klare Lernziele verfolgen, ist das Ziel von Sensitivity Trainings oftmals vage. Sie dienen der Persönlichkeitsentwicklung, sind selbsterfahrungsorientiert und ermöglichen es den Teilnehmern, eigenes Verhalten und Erleben in der Gemeinschaft mit anderen zu reflektieren, z. B. in gruppendynamischen Seminaren und Outdoor-Trainings. berufsbegleitendes Studium Parallel zu ihrer beruflichen Tätigkeit erwerben die Teilnehmer im Rahmen eines (Fern-)Studiums an einer Hochschule grundlagen- und anwendungsorientiertes wissenschaftliches Fachwissen. Ein berufsbegleitendes Studium stellt eine langfristige Form unternehmensexterner Personalentwicklung in Eigenverantwortung des Mitarbeiters dar. Bild 3.2 Maßnahmen des Training-off-the-job 3.4 Training-near-the-job Als räumlich, zeitlich und inhaltlich arbeitsplatznahe PE-Maßnahmen sollen Trainings-near-the-job es den beteiligten Mitarbeitern ermöglichen, „sich der eigenen Arbeitssituation angstfrei und kollektiv anzunähern und diese systematisch zu durchdringen“ (Schier, 2008, S. 194). Im Unterschied zur Personalentwicklung-on-the-job finden die Lernprozesse nicht unmittelbar während der Aufgabenerfüllung und nicht am Arbeitsplatz statt. Konkrete Probleme der HDL 31 32 Personalentwicklung Leistungserbringung und des Arbeitsumfeldes bilden jedoch den Gegenstand der Lernprozesse. „Vorteile sind die ungestörte Atmosphäre in ‚einer Lernecke‘, die mögliche Systematik, aber auch die Möglichkeit, das Gelernte unmittelbar am Arbeitsplatz zu erproben“ (Becker, 2008, S. 119). Bild 3.3 informiert über ausgewählte Formen des Training-near-the-job: Projektarbeit Als Projektleiter oder Mitglied einer Projektgruppe werden Mitarbeiter mit neuartigen, zeitlich begrenzten Aufgaben konfrontiert, die inhaltlich sowohl mit ihrer üblichen Arbeit in Beziehungen stehen als auch davon abweichen können. Projektarbeit (Erkelenz, 2008) fördert bereichsübergreifendes Denken, Problemlösungsgeschick sowie die Fähigkeit zur Führung von und Zusammenarbeit in Teams. Qualitätszirkel Qualitätszirkel (Strasmann, 2008) sind eine auf Dauer angelegte Form der Kleingruppenarbeit, in welcher die Beteiligten Probleme des Qualitätsmanagements im eigenen Arbeits- bzw. Funktionsbereich erörtern. Erarbeitete Problemlösungsvorschläge sind selbstständig in die Umsetzung zu bringen und ergebnisbezogen zu kontrollieren. Lerneffekte ergeben sich, wie bei der Projektarbeit, vor allem im Bereich der Problemlösungsfähigkeit und im Kooperationsverhalten. Lernstatt Der Lernstatt (Strasmann, 2008) liegt ein Konzept zugrunde, mit dem das Fachwissen der Mitarbeiter erweitert, Erfahrungen ausgetauscht sowie die Fähigkeiten zur Kommunikation und Kooperation weiterentwickelt werden sollen. In zeitlich begrenzten Kleingruppen bearbeiten Mitarbeiter mit einem gemeinsamen Bezugspunkt, z. B. Materialien, Produkte und Verfahren, Probleme ihrer Tätigkeit unter Hinzuziehung eines Moderators. Coaching Beim Coaching (Turck /Faerber /Zielke, 2007) handelt es sich um eine in der Regel psychologische Beratung von einzelnen Personen oder von Gruppen durch einen methodisch ausgewiesenen Coach, die mit Hilfe einer verhaltens- und wirksamkeitsbezogenen Problem- und Selbstreflexion auf eine bewusste Selbstentwicklung abzielt. Bild 3.3 Maßnahmen des Training-near-the-job 3.5 Modellentwicklungswege Um den für den Unternehmenserfolg notwendigen Bestand an Fach- und Führungskräften mittel- und langfristig zu sichern, bietet sich eine systematische Laufbahnplanung an (Becker, 2005a, S. 389 ff., und Berthel/Becker, 2007, S. 377 ff.). Bild 3.4 verdeutlich das „Konzept der Modellentwicklungswege“ (Meier/ Schindler, 2004) als besondere Form der Laufbahnplanung. Kern der Modellentwicklung sind Zielpositionstypen, die alle Positionen mit unternehmenseinheitlichen Anforderungs- bzw. Kompetenzmerkmalen auf einer möglichst hohen Ebene (z. B. Zentral- oder Geschäftsbereichsleiter) zusammenfassen und die Entwicklungs- und Nachfolgeplanung flexibel halten. HDL Personalentwicklung Strategische Lernziele der PE-Maßnahmen: 33 – Stärkung des bereichsübergreifenden, unternehmerischen Denkens und Handelns – Stärkung der Markt- und Kundenorientierung – Stärkung der Innovations- und Qualitätsorientierung – … Übernahme der Zielposition (z. B. Leitung Zentralbereich, Leitung Geschäftsbereich) Phase Training-on-the-job Training-off-/-near-the-job Spezialisierung (mind. 4 Jahre) Festlegung auf einen Zielpositionstyp und – … spezielle Vorbereitung auf mögliche Zielpositionen (Job Rotation, evtl. mit Auslandsent- – Projektleitung sendung) – Coaching Erweiterung (mind. 3 Jahre) verantwortliche Funktion/Position zur Erwei– Sensitivity Training terung und Vertiefung von Kenntnissen und Fähigkeiten (Job Enrichment, erste Führungs- – Managementplanspiel verantwortung) – Führungs- und qualifizierte Tätigkeiten in Geschäfts‑, BeVerhaltenstrainings triebs- und Stabsbereichen (Job Enlargement) – Lernstatt Traineeprogramm für Hochschulabsolventen – Fachseminare oder Ausbildung und Berufserfahrung Basis (mind. 3 Jahre) Einstieg Bild 3.4 Phasen und Inhalte von Modellentwicklungswegen Praktizieren Unternehmen eine derartige strategische Karriere- und Nachfolgeplanung, so vereinbaren sie mit Mitarbeitern, denen eine Potenzialdiagnose ein hohes Entwicklungspotenzial attestiert, analog zu einem idealtypischen Modellentwicklungsweg individuelle Entwicklungsprogramme. Diese sehen in einer Abfolge von Phasen des Training-on-the-job mit flankierenden bedarfsgerechten Maßnahmen des Training-off- und Training-near-the-job die Wahrnehmung zunehmend verantwortungsvollerer und höherwertiger Aufgaben vor und letztendlich die Übernahme einer strategischen Zielposition durch einen adäquat geförderten und qualifizierten Mitarbeiter. Modellentwicklungswege und entsprechende individuelle Entwicklungsprogramme sind als Planungs- und Gestaltungshilfe für eine konsequente Mitarbeiterförderung gedacht, nicht als restriktive Entwicklungsschemata. Sie gelten vornehmlich für große Unternehmen. In kleinen und mittleren Unternehmen könnte bei flachen Hierarchien und gegebenem Bedarf an Generalisten eine gezielte Karriereplanung für förderungswürdige Mitarbeiter durch eine horizontal angelegte Modellentwicklung erfolgen. K 3.1 Theorie und Praxis bezeichnen PE-Maßnahmen üblicherweise mit dem Begriff „Training“. Berthel/Becker (2007, S. 389 ff.) nutzen stattdessen selbst zur Klassifikation den Begriff „Personalentwicklung“ und sprechen somit von Personalentwicklung-into-the-job, Personalentwicklung-on-the-job, Personalentwicklung-off-the-job, Personalentwicklung-near-the-job und Personalentwicklung-out-ofthe-job. Was halten Sie davon? Begründen Sie Ihre Meinung! K 3.2 Welche Fähigkeiten bzw. Kompetenzen können Mitarbeiter durch Projektarbeit, Qualitätszirkel und Lernstatt als Maßnahmen der Personalentwicklung-near-the-job aufbauen und stärken? Kontrollfragen HDL 34 Personalentwicklung K 3.3 Was zeichnet Modellentwicklungswege als Element und Instrument der Personalentwicklung aus? K 3.4 Das weltweit agierende Chemieunternehmen Henkel KGaA (Kommanditgesellschaft auf Aktien), mit Stammsitz in Düsseldorf, verfolgt als grundlegendes Prinzip seiner Personalentwicklung: „Be your own career manager!“ Damit werden Mitarbeiter, die eine Anwartschaft auf eine anspruchsvolle Fach- und Führungsposition geltend machen, aufgefordert, ihre individuelle Förderung selbst in die Hand zu nehmen und – im Sinne einer Modellentwicklung – vor Übernahme einer herausgehobenen Zielposition den sogenannten „Triple Two“-Nachweis zu erbringen. Gewollt ist, dass der Einzelne für sich eine entwicklungsbezogene Selbstverantwortung übernimmt und innerhalb seiner unternehmerischen Laufbahnbzw. Karriereentwicklung (1.) in zwei unterschiedlichen Funktionen berufliche Erfahrungen sammelt, (2.) einen Einsatz in zwei Unternehmensbereichen absolviert und (3.) für das Unternehmen in zwei Ländern tätig gewesen sein muss. Ferner soll die Mindestverweildauer in jeweils beiden Stationen von (1.), (2.) und (3.) zwei Jahre betragen. Der Personalbereich und die unternehmensinternen PE-Spezialisten übernehmen dabei eine ausschließlich beratende Funktion, nicht mehr die Aufgabe, PE-Maßnahmen zu initiieren und zu koordinieren. Was halten Sie von den beiden Regeln der HenkelPersonalentwicklung? 4 Erfolgssicherung in der Personalentwicklung Nach dem Studium des folgenden Kapitels Studienziele • erfassen Sie die Bedeutung von transferförderlichen Maßnahmen und entwickeln ein Gespür dafür, wie Sie die bei eigenen Trainings-off-the-job erzielten persönlichen Lernerfolge in konkretes berufliches Handeln umsetzen können; • können Sie die Evaluation von Personalentwicklungsmaßnahmen in ihrer Intention, Vorgehensweise und Nützlichkeit erläutern und sind in der Lage, deren Möglichkeiten und Grenzen im Kontext eigener Erfahrungen zu reflektieren; • kennen Sie die grundlegenden Funktionen und relevanten Instrumente des Personalentwicklungscontrollings und sind in der Lage, Vorschläge für die Erfolgssteuerung und -kontrolle der Personalentwicklung Ihres Unternehmens zu formulieren. HDL