Volumetrische Bestimmungsverfahren - Ruhr

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Volumetrische Bestimmungsverfahren
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Volumetrische Bestimmungsverfahren
Die Titrimetrie oder Maßanalyse wurde 1830 von J.L. GAY-LUSSAC in die analytische
Chemie eingeführt. Hierunter versteht man ein Verfahren zur quantitativen Bestimmung
eines gelösten Stoffes durch Zugabe einer geeigneten Reagenzlösung mit bekanntem
Gehalt (Titerlösung). Die Reaktion erfolgt bis zur quantitativen Umsetzung (Reaktionsendpunkt oder Äquivalenzpunkt). Wenn der Reaktionsablauf bekannt ist, kann aus dem
Verbrauch und der Konzentration der Reagenzlösung die gesuchte Stoffmenge
berechnet werden.
Gegenüber der Gravimetrie haben die maßanalytischen Verfahren eine Reihe von Vorteilen. So wird nur das Ablesen von Volumenmessungen benötigt, während in der Gravimetrie viele Einzelwägungen nötig sind. Die analytische Waage wird nur noch zur
Herstellung der Titerlösung benutzt. Es entfallen alle langwierigen Arbeitsgänge der
Gravimetrie. Die Maßanalyse wird vor allem für Reihenuntersuchungen in der Betriebsanalyse verwendet. Nach der Probenvorbereitung lassen sich die Titrationen automatisiert über Nacht analysieren.
Es darf nicht vergessen werden, dass es in der Maßanalyse sehr oft um nichtspezifische
Reaktionen handelt. Es ist wichtig, dass die qualitative Zusammensetzung des zu untersuchenden Materials genau bekannt ist. Es müssen Ionen, die die Reaktion stören, durch
geeignete Methoden, wie ausfällen, destillieren oder komplexieren, entfernt werden.
Grundlagen
Für die volumetrischen Bestimmungen sind folgende Voraussetzungen verbindlich:
a)
Eindeutiger Reaktionsverlauf mit schneller und quantitativer Umsetzung;
b)
Herstellung von Maßlösungen mit einem über längere Zeit konstanten Titer;
c)
Erkennbarkeit des Endpunktes der Titration.
Aus dem stöchiometrischen Verhältnis der Reaktionsgleichung kann der Zusammenhang zwischen der gesuchten Masse und dem verbrauchten Volumen der Maßlösung
abgeleitet werden. Die allgemeine Reaktionsgleichung lautet:
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x⋅B + y⋅R
BxRy
B = Teilchen des zu bestimmenden Stoffes
R = Reagenzteilchen
x und y = stöchiometrische Koeffizienten
Aus dieser Gleichung ergibt sich, dass ein Teilchen B auf y/x Reagenzteilchen R
kommt. Somit lassen sich daraus die Stoffmengen berechnen, aber auch das MWG ableiten (siehe dazu die Übungen zur Vorlesung „Analytische Chemie I“ im 1.Semester).
Ein Idealfall in der Maßanalyse liegt vor, wenn die Umsetzung des zu bestimmenden
Moleküls bzw. Ions mit dem Molekül bzw. Ions des Reagenzes im Verhältnis 1:1 stattfindet. Die häufigsten Umsetzungen erfolgt aber mit einem gedachten Bruchteil des tatsächlich vorliegenden Moleküls bzw. Ions des Reagenzes. Somit werden aus einem
Reagenzteil z* Äquivalent-Teilchen. Ein Äquivalent-Teilchen enthält nur ein einziges
ersetzbares H-Atom oder bei der Redoxtitration nur ein Elektron zum Aufnehmen oder
Abgeben. Durch z* wird die Äquivalentzahl angegeben.
Es werden für die maßanalytischen Methoden folgende Untergruppen unterschieden:
Neutralisationstitration
dabei ist z* die Zahl der reaktionsfähigen H+- oder OH–-Ionen
Redoxtitrationen
dabei ist z* die Zahl der aufgenommenen oder abgegebenen Elektronen
Fällungstitrationen
dabei ist z* die Zahl der reagierenden Verbindungsanteile
Komplexbildungstitrationen
dabei ist z* die Zahl der den Komplex bildenden Liganden
Wird die molare Masse auf die Äquivalent-Teilchen bezogen, wird die Äquivalentmasse
erhalten. Diese ist abhängig von der Umsetzung und dem Reaktionstyp.
Die Äquivalentmasse erhält man in dem die molare Masse des Molekül durch die sich
aus der Reaktionsgleichung ergebene Äquivalentzahl z* teilt.
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Beispiel:
Im sauren Medium sollen 10 mL einer 0,1 M FeII-Lösung mit einer
Kaliumpermanganat-Lsg. umgesetzt werden.
Die Reaktionsgleichung für das Permanganat lautet:
+ VII
+ II
Mn O 4− + 8H + + 5e − → Mn 2 + + 4H 2 O
Die Äquivalentzahl ist in diesem Fall 5. Es werden von dem 7-wertigen
Mangan 5 Elektronen aufgenommen.
Die Reaktion des Eisen(II) liefert aber nur 1 Elektron.
Fe 2 + → Fe3 + + 1e −
Wird die Titration mit einer 0,1 M Permanganatlösung durchgeführt, wird
wenig der Reagenzlösung verbraucht. Es sind in diesem Fall 2 mL Reagenz, ein Wert dessen Fehler hoch ist.
Wird z*=5 bei der Erstellung der Lösung berücksichtigt, ist die Reagenzlösung 0,02 M bzw. 1/50 M und es werden 10 mL Reagenz
verbraucht. Der Fehler wird geringer.
Für eine 0,1 M Kaliumpermanganat-Lsg müssen 15,804 g⋅L-1 eingewogen werden,
während für die 0,02 M Lösung nur 3,1608 g⋅L-1 benötigt werden.
Wird die Kaliumpermanganat-Lsg. im alkalischen Medium benutzt, eine
in der Maßanalyse nicht angewendete Methode, findet eine ganz andere
Reaktion des Permanganats statt.
+ VII
+ IV
Mn O −4 + 2H 2 O + 3e − → Mn O 2 ↓ +4OH −
Bei dieser Reaktion bildet sich Braunstein, das ausfällt.
Diese Reaktion von Permanganat wird benutzt um Messgeräte zu entfetten und um als Maskierungsmittel eingesetztes Cyanid zu zerstören.
Die Reagenzlösungen werden in der Maßanalyse als Maßlösungen bezeichnet. Die
Herstellung kann direkt und indirekt erfolgen. Die direkte Herstellung geschieht durch
die genaue Einwaage von Substanzen hoher Reinheit und dem Lösen in Messkolben.
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Die normale Darstellung der Maßlösungen geschieht durch die indirekte Herstellung.
Dabei wird die ungefähre Masse an Reagenz eingewogen und im Messkolben gelöst.
Für diese Lösung muss eine Titereinstellung erfolgen. Dieses geschieht durch die
Titration mit einem Titranten mit bekanntem Gehalt, oder wenn diese nicht zur
Verfügung stehen mit so genannten „Urtiter“-Substanzen. Die Praxis hat gezeigt, dass
es von Vorteil ist, wenn die Maßlösungen überwiegend über Urtitersubstanzen
eingestellt werden. Bei der Titration mit anderen Reagenzlösungen kann es zu
Additionen von eventuellen Messfehlern kommen.
Als „Urtiter“-Substanzen können nur Substanzen eingesetzt werden, die folgende
Eigenschaften haben:
a)
Sie müssen absolut rein und definiert zusammengesetzt sein.
b)
Sie müssen unbegrenzt haltbar und chemisch stabil sein, keine Reaktion mit dem
Wasser, dem CO2 und dem Sauerstoff in der Luft.
c)
Sie müssen mit der Maßlösung rasch und einheitlich reagieren.
d)
Sie müssen eine hohe Äquivalentmasse haben, um den Wägefehler klein zu halten.
e)
Sie müssen bei der Verwendung als Maßlösung über längere Zeit einen stabilen
Titer haben.
Als Urtiter werden nachstehende Substanzen verwendet:
Kaliumbromat
KBrO3
Kaliumdichromat
K2Cr2O7
Natriumcarbonat, wasserfrei
Na2CO3
Oxalsäure
H2C2O4
Nicht geeignet sind:
Natriumhydroxid
Säure
Kaliumpermanganat
Silbersalze
NaOH
KMnO4
Reaktion mit Bestandteilen der Luft
Reaktion mit Wasser aus der Luft
Reaktion mit Staub und Verunreinigungen
Zersetzung durch Licht
Eine maßanalytische Bestimmung ist dann abgeschlossen, wenn die Umsetzung des zu
bestimmenden Stoffes mit dem Reagenz vollständig ist. Dieser Punkt wird als Äquivalenzpunkt bezeichnet. Um die richtige Erkennung (Indikation) dieses Punktes zu ge-
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währleisten, wird der Lösung ein Indikator zu gesetzt. Dieser Stoff hat die Eigenschaft,
mit dem zu bestimmenden Molekül bzw. Ion oder mit einem geringen Überschuss an
Reagenz eine Farbreaktion einzugehen (siehe Versuch Titereinstellung).
Berechnung des Umsatzes bei titrimetrischen Bestimmungen
Diese Vorbemerkung gilt für alle Bestimmungen, bei denen der Gehalt einer Lösung
bestimmt werden soll. Dieses soll an dem Beispiel der Titration von Essigsäure mit Natronlauge erläutert werden.
Dazu wird als eine der wichtigsten Bedingungen die Reaktionsgleichung benötigt.
CH3COOH + NaOH
CH3COONa + H2O
Wie aus der Reaktionsgleichung ersichtlich ist, verbraucht 1 Teil Natronlauge auch
1 Teil Essigsäure.
Daraus ergeben sich nachfolgende Zusammenhänge:
M = molare Masse [g⋅mol-1]
-1
M = molar, Konzentrationsangabe, 1 M = 1 mol⋅L
n = Stoffmenge, mol = Mol
Berechnungsformel:
n=cβˆ™Vβˆ™f
π‘šπ‘š
n = 𝑀𝑀
Vorgaben:
𝑐𝑐(𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁) = 𝑐𝑐(𝐢𝐢𝐢𝐢3 𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢) = 1π‘šπ‘šπ‘šπ‘šπ‘šπ‘š βˆ™ 𝐿𝐿−1
𝑉𝑉(𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁) = 𝑉𝑉(𝐢𝐢𝐢𝐢3 𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢) = 1𝐿𝐿
𝑓𝑓(𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁) = 𝑓𝑓(𝐢𝐢𝐢𝐢3 𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢) = 1,0000
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Am Äquivalenzpunkt ist
𝑛𝑛(𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁) = 𝑛𝑛(𝐢𝐢𝐢𝐢3 𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢)
𝑛𝑛(𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁) = 𝑐𝑐(𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁) βˆ™ 𝑉𝑉(𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁) βˆ™ 𝑓𝑓(𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁)
𝑛𝑛(𝐢𝐢𝐢𝐢3 𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢) = 𝑐𝑐(𝐢𝐢𝐢𝐢3 𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢) βˆ™ 𝑉𝑉(𝐢𝐢𝐢𝐢3 𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢) βˆ™ 𝑓𝑓(𝐢𝐢𝐢𝐢3 𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢)
π‘šπ‘š(𝐢𝐢𝐢𝐢3 𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢)
𝑛𝑛(𝐢𝐢𝐢𝐢3 𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢) =
𝑀𝑀(𝐢𝐢𝐢𝐢3 𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢)
π‘šπ‘š(𝐢𝐢𝐢𝐢3 𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢)
𝑐𝑐(𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁) βˆ™ 𝑉𝑉(𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁) βˆ™ 𝑓𝑓(𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁) =
𝑀𝑀(𝐢𝐢𝐢𝐢3 𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢)
π‘šπ‘š(𝐢𝐢𝐢𝐢3 𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢) = 𝑐𝑐(𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁) βˆ™ 𝑉𝑉(𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁) βˆ™ 𝑓𝑓(𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁𝑁) βˆ™ 𝑀𝑀(𝐢𝐢𝐢𝐢3 𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢)
π‘šπ‘š(𝐢𝐢𝐢𝐢3 𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢) = 1π‘šπ‘šπ‘šπ‘šπ‘šπ‘š βˆ™ 𝐿𝐿−1 βˆ™ 1𝐿𝐿 βˆ™ 1,0000 βˆ™ 60,054𝑔𝑔 βˆ™ π‘šπ‘šπ‘šπ‘šπ‘šπ‘š −1
π‘šπ‘š(𝐢𝐢𝐢𝐢3 𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢𝐢) = 60,054𝑔𝑔
Durch die Änderung von c, V, f und M für die jeweiligen Titrationen sind die zu
bestimmenden Mengen errechenbar.
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