H 64122 ISSN 1439-1139 6/2006 Dezember 8. Jahrgang Onkologie Algesiologie @ O N KO LO G I E Tumortherapie – Standard oder Sonderfall? @ O N KO LO G I E Lesen Sie mehr dazu ab Seite 23 Wachstumsfaktoren @ A LG ES I O LO G I E Therapie von Tumorschmerzen @ A N G I O LO G I E Geriatrische Gefäßchirurgie www.gerikomm.de EDITORIAL Überall Geriatrie? S chaut man sich derzeit in den medizinischen Fachjournalen, auf Symposien und Kongressen der diversen Fachgebiete und wissenschaftlichen Gesellschaften um, so hat man den Eindruck, als würde überall der ältere Patient entdeckt. Inhalte geriatrischer Medizin schleichen sich als Zitat in medizinische Bereiche, die früher der Altersmedizin, wenn nicht eindeutig abwehrend so doch zumindest sehr kritisch gegenüber standen. Auch der Jahreskongress 2007 der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) steht unter dem Leitthema „Der ältere Patient”. Ich möchte aus der Einladung des Kongresspräsidenten, Prof. W. Hiddemann, zitieren: „Angesichts der Tatsache, dass das Lebensalter kontinuierlich steigt und der Anteil älterer Menschen kontinuierlich zunimmt, stehen wir vor der Herausforderung, unsere Behandlungskonzepte an die besondere Situation älterer Menschen zu adaptieren. Neben bestehenden Komorbiditäten oder altersbedingten Einschränkungen der Organfunktionen, leiden ältere Menschen oft an Isolation, Einsamkeit und Depression. „Der ältere Patient“ bedarf daher einer Betreuungs-angemessenen und umfassenden (Behandlung) unter Berücksichtigung seiner oft komplexen gesundheitlichen, aber auch sozialen Probleme. Mit der steigenden Lebenserwartung eng verknüpft, ist auch die seit vielen Jahren zunehmende Häufigkeit von malignen Erkrankungen. Ihre Behandlung ist oft multimodal und erfordert die Kooperation unterschiedlicher Disziplinen. Die interdisziplinäre Onkologie ist daher ein weiteres Hauptthema des Kongresses 2007. Um die interdisziplinäre Kooperation im Rahmen der Onkologie strukturell zu unterstützen, haben sich an vielen Stellen interdisziplinäre onkologische Spitzenzentren sogenannte Comprehensive Cancer Centers gebildet. Sie sind ein gutes Beispiel dafür, wie den Herausforderungen der modernen Medizin auch durch neue Strukturen begegnet werden kann.“ Dem wäre aus geriatrischer Sicht nichts hinzuzufügen außer Zustimmung; wäre da nicht der kleine Schönheitsfehler, dass weder die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie noch die Arbeitsgruppe Geriatrische Onkologie DGG/DGHO angesprochen wurde, bei der Gestaltung des Kongresses mitzuarbeiten. Themen zur Altersmedizin sucht Interdisziplinarität war man im vorläufigen und ist ein zentrales Thema Programm weitgegeriatrischer Medizin. hend erfolglos. Ein einzelner Plenarvortrag, auch wenn es unser Präsident ist, der dazu eingeladen wurde, reicht für einen Kongress, der das Schwerpunktthema „der ältere Patienten“ gewählt hat, nicht aus. Tempora mutantur – die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin weniger. Was uns – gewissermaßen die „Ur-Geriater“ – betrifft, heißt es, jetzt erst recht auf dem beschrittenen Wege weiter zu gehen. Interdisziplinarität war und ist ein zentrales Thema geriatrischer Medizin. Dies zeigt sich auch in diesem Geriatrie Journal. Die Verbindungen zur Gefäßchirurgie ebenso wie zur Onkologie haben in der Geriatrie eine gute Tradition und sind in diesem Heft mit Übersichtsarbeiten vertreten. Auch die Schmerztherapie ist seit langem ein Feld organisierter und fruchtbarer Kooperation. Eine fachliche Zusammenarbeit war noch immer die beste Grundlage jeder berufspolitischen Betätigung, die ohnehin für sich ja isoliert gesehen vergleichsweise kurzfristige Erfolge, wenn überhaupt, zeitigt. Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien ein gutes und erfolgreiches Jahr 2007 in Gesundheit. Ihr Prof. Dr. Dr. Gerald F. Kolb Past-Präsident DGG I N H A LT EDITORIAL Foto: Rob Bouwman – Fotolia Überall Geriatrie? Gerald F. Kolb, Lingen 3 NACHRICHTEN: TRENDS & THEMEN Wichtige Informationen in Kürze Das Knochenmark älterer Patienten weist eine verminderte Reserve an stimulierbaren Stammzellen und eine verminderte Aktivität der reifen Granulozyten auf. Aus diesem Grund bedürfen Ältere dringender der Supportion mit Wachstumsfaktoren als Jüngere. Seite 26 6 TA G U N G S B E R I C H T : J A H R ES KO N G R ESS DER DGG Alter ist Vielfalt 10 T A G U N G S B E R I C H T : 1 . S T A R N B E R G E R G E R I AT R I E - G E S P R Ä C H E Biographisches Arbeiten 12 Foto: Dmitriy Aseev – Fotolia L I T E R AT U R O N K O L O G I E -S P E Z I A L : R E F E R I E R T & K O M M E N T I E R T Altersphysiologische Veränderungen und Multimorbidität beeinflussen bei geriatrischen Patienten Effektivität und Sicherheit der Analgetika gemäß des WHO-Stufenschemas. Auch Kontraindikationen und Medikamenteninteraktionen schränken die Anwendung von Nichtopioiden und schwachwirksamen Opioiden ein. Die Auswahl der Applikationsform stark wirksamer Opioide sollte nach pharmakokinetischen Erwägungen erfolgen. Seite 31 Erhöhtes Brustkrebsrisiko: Adipositas Diabetiker (Typ 2): Erhöhtes Risiko für Demenzerkrankungen vom Alzheimer Typ Bisphosphonate bei metastasiertem Mammakarzinom: Verhinderung von Frakturen bei Knochenmetastasen Gerinnungsaktivierung durch Tumorwachstum: D-Dimere als prognostische Marker bei kolorektalen Karzinomen Hochmaligne Non-Hodgkin-Lymphome: CHOP-14 deutlich besser als CHOP-21 Höheres Alter und Strahlentherapie: Stadium I bis II Endometriumkarzinome Gute Nachricht für ältere Patientinnen mit Brustkrebs: Axilladissektion in vielen Fällen verzichtbar Brustkrebs: Lokalisation und Risikoprofil Prognostik: Überlebens-Score? 14 15 16 16 17 18 18 19 A K T U E L L : G K V-W E T T B E W E R B S S T Ä R K U N G S G E S E T Z Forderungen für das GKV-WSG aus ärztlich-geriatrischer Sicht Ingo Füsgen, Wuppertal O N K O L O G I E : S I T U AT I O N G E R I AT R I S C H E R O N KO LO G I E : K N O C H E N M A R KS - © absolut_100 – Fotolia Wachstumsfaktoren in der Altersonkologie Gerald F. Kolb, Lingen UND 20 P AT I E N T E N Tumortherapie – Standard oder Sonderfall? Werner Freier, Hildesheim Titelbild 4 14 23 G R A N U LOZ Y T E N F U N K T I O N 26 GERIATRIE JOURNAL 6/06 Zeichnung: Autor I N H A LT A LG ES I O LO G I E : T U M O R S C H M E R Z E N Therapie von Tumorschmerzen Stefan Wirz, Bonn 31 A N G I O LO G I E : C H I R U R G I S C H E M A ß N A H M E N Geriatrische Gefäßchirurgie S. Jonas, W. Berg und L. G. Claeys, Herne ARTHROSE: PFLANZLICHE NUTRITIVE 36 T H E R A P I E - A LT E R N AT I V E Schmerzreduktion und Entzündungshemmung durch Hagebuttenextrakt 41 Jens Bielenberg, Westerhorn Geriatrische Gefäßchirurgie kann dazu beitragen, die Lebensqualität älterer Patienten zu verbessern. Der Artikel diskutiert allgemeine Prinzipien der Diagnose- und Indikationsstellung, Wahl der Therapieverfahren und Ergebnisse der geriatrischen Gefäßchirurgie. Als Beispiele dienen die Aneurysma-, Karotis und periphere Bypasschirurgie sowie der akute Mesenterial-Gefäßverschluss. Seite 36 P U B L I K AT I O N E N : F A C H B Ü C H E R Aktive Gesundheitsförderung im Alter Älter werden wir jetzt – Lebenskunst statt Anti-Aging Sicher wohnen: Wenn Alzheimer-Patienten weglaufen Sicher leben auch im Alter – Sturzunfälle sind vermeidbar 44 44 45 45 P H A R M A : S Y M P O S I E N & P R A X I S I N F O R M AT I O N E N 46 46 47 47 48 49 49 50 50 DIVERSES Termine/Impressum GERIATRIE JOURNAL 6/06 51 Foto: Rolf Zapf – Fotolia Therapie des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms: Sorafenib verdoppelt das progressionsfreie Überleben Orales Hydromorphon bei chronischen Schmerzen: Neue Galenik ermöglicht 24-h-Wirkung Ankylosierende Spondylitis: Zulassungserweiterung für Adalimumab Insomnie: Gute Erfahrungen mit Chloralhydrat Restless Legs Syndrom: Vier Kriterien für die korrekte Diagnose Krebserkrankungen der Frau: Lymphödeme vermeiden Behandlung des nicht-kleinzelligen Bonchialkarzinoms: Klare Vorteile von Docetaxel Arzneimittel- und Therapiesicherheit: Neue Software erleichtert den Verordnungsprozess Generalisierte Angststörungen: Pregabalin als neue Behandlungsoption Bei der Suche nach neuen Strategien zur Linderung degenerativer Prozesse der Arthrose ist das Arsenal von Pflanzenstoffen durch ein standardisiertes Nahrungsergänzungsmittel aus Hagebuttenpulver erweitert worden. Der Artikel gibt einen Überblick über das zur Zeit vorliegende wissenschaftliche Erkenntnismaterial. Seite 41 5 NACHRICHTEN: TRENDS & THEMEN Schlechte Blutzuckereinstellung erhöht Demenz-Risiko Insulin spielt nicht nur bei der Regulierung des Blutzuckers eine Schlüsselrolle, sondern ist vermutlich auch an der Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen wie Morbus Alzheimer beteiligt, berichtet Ernährungswissenschaftlerin Irina Baumbach von der Gesellschaft für Ernährungsmedizin und Diätetik e. V. in Aachen. Ergebnisse mehrerer Untersuchungen lassen vermuten, dass zwischen Diabetes mellitus Typ 2 und Morbus Alzheimer mehr Zusammenhänge bestehen, als Wissenschaftler bislang vermuten. Um diese aufzudecken, trafen sich Mitte Juli 2006 fünftausend Forscher auf der International Conference on Alzheimer´s Disease and Related Disorders (ICAD) in Madrid. Sie diskutierten unter anderem über mögliche Verkettungen zwischen dem Insulinspiegel im Gehirn und dem Auftreten von Morbus Alzheimer. Studien an Ratten zeigten, dass Insulin im Gehirn eine wichtige Rolle als Wachstumsfaktor spielt. Nervenzellen produzieren die Wachstumsfaktoren insulinlike growth factor (IGF) vom Typ I und II. Zu geringe Konzentrationen dieser Botenstoffe führten bei den Versuchstie- Telemedizin verbessert Schlaganfallbehandlung Patienten, die in einer ländlichen Region leben und einen Schlaganfall erleiden, haben in der Regel schlechtere Chancen für das Überleben oder ein unabhängiges Leben im Alltag als diejenigen, die in einer größeren Stadt leben. Zu den Gründen dafür zählen die Stroke Units, die bislang überwiegend in größeren Städten eingerichtet wurden. In Südostbayern ist die Situation anders. Hier entstand vor drei Jahren das „Telemedizinische Pilotprojekt zur integrierten Schlaganfallversorgung“ (TEMPiS). Dabei wurden zwölf regionale Krankenhäuser im Aufbau einer Schlaganfall-Schwerpunktstation durch die beiden Schlaganfallzentren in München-Harlaching und Regensburg unterstützt. Zusätzlich sind die Krankenhäuser rund um die Uhr in der Lage, Schlaganfall-Patienten über eine High-Tech-Vernetzung telemedizinisch den Experten in den Schlaganfallzentren vorzustellen. Nach einer Untersuchung vor der Kamera und einer Mitbeurteilung der Computertomographie- bzw. Kernspinaufnahmen wird dann gemeinsam die weitere Diagnostik und Therapie festgelegt. Eine Projektanalyse mit fünf anderen Krankenhäusern zeigte, dass weniger Patienten in den TEMPiS-Krankenhäusern verstarben, ins Pflegeheim aufgenommen 6 wurden oder eine schwere Behinderung zurückbehielten. Auch bei der Behandlung zeigten sich Unterschiede: Während in TEMPiS 4,6% der Patienten eine Lysetherapie erhielten, waren es in der Kontrollgruppe nur 0,4%. Neben einer frühen diagnostischen Abklärung wurden bei den TEMPiS-Patienten auch signifikant häufiger rehabilitative Therapien durchge- ren zum Untergang von Nervengewebe. Die auf Grund dieser Beobachtungen durchgeführte Analyse von Gehirngewebe verstorbener Diabetiker zeigte einen deutlichen Mangel an IGF I und II. Rachel Whitmer vom Forschungszentrum der Kaiser Permanente Krankenkasse in Oakland sowie schwedische Wissenschaftler werteten Daten über zehn Jahre von 23.000 Versicherten mit Diabetes mellitus aus. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass Personen mit einer langfristigen schlechten Blutzuckereinstellung ein um bis zu 78% erhöhtes Risiko an Alzheimer zu erkranken, aufwiesen. Quelle: Gesellschaft für Ernährungsmedizin und Diätetik e.V. führt. Trotz einer geringeren Verlegungsquote hatten die telemedizinisch unterstützten Kliniken eine kürzere akutstationäre Aufenthaltsdauer. Auf Grund der Ergebnisse wurde das Projekt in Bayern in die Regelversorgung aufgenommen. Ansprechpartner: Dr. med. Heinrich Audebert, Städt. Krankenhaus MünchenHarlaching, Tel. 089/62 10-26 88-22 57; Vertretung Dr. med. Johannes Schenkel, Tel. 089/62 10-22 55 Quelle: Kompetenznetz Schlaganfall Vertrag zur besseren Patientenbegleitung Die Bosch Betriebskrankenkasse (BKK) hat mit dem Ärzteverbund MEDI BadenWürttemberg, dem landesweit rund 6.000 niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten angehören, einen Vertrag über neue Versorgungsformen (§ 73 ff SGB V) abgeschlossen. Dieser intensiviert die Betreuung von Patienten mit akuten Erkrankungen wie Schlaganfall, Herz- oder Krebserkrankungen. Darüber hinaus richten die Vertragspartner ihr Augenmerk auf die über 75-jährigen Versicherten: Sie werden künftig zu ihrer gesundheitlichen Situation umfassend beraten, damit sie möglichst lange gesund bleiben und notwendig werdende Pflegemaßnahmen rechtzeitig eingeleitet werden können. Um die Überleitung aus dem stationären in den ambulanten Bereich zu verbessern, wird die Bosch BKK auch mit Krankenhäusern Vereinbarungen schließen. Die neue Zusammenarbeit startet am 1. Januar 2007. Die Ärzte und die BKK versprechen sich davon eine höhere Versorgungsqualität und eine größere Patientenzufriedenheit. Ein wichtiger Vorteil für Ärzte ist die unbürokratische Vorgehensweise und die extrabudgetäre Vergütung. Quelle: Bosch BKK GERIATRIE JOURNAL 6/06 NACHRICHTEN: TRENDS & THEMEN Interdisziplinäre Ausbildung zum zertifizierten Wundexperten Die Versorgung chronischer Wunden ist in Deutschland unzureichend, denn nur jede 5. chronische Wunde wird richtig versorgt. Würden Prophylaxe und Therapie zeitgemäß erfolgen, könnten nach Angaben der Initiative Chronische Wunden e.V. (ICW) bis zu 90% der Druckgeschwüre, ein Teil der jährlich ca. 28.000 Amputationen diabetischer Füße vermieden und bis 1,5 Mrd. Euro pro Jahr eingespart werden. Um die Versorgungssituation zu verbessern, entwickelte die ICW ein interdisziplinäres Schulungskonzept für Ärzte, Pflegefachkräfte, Apotheker, Arzthelferinnen, Podologen und Diabetesberater, das bundesweit von zahlreichen Bildungseinrichtungen angeboten wird. Die ICW wurde 1995 gegründet und setzt sich seitdem für die Verbesserung chronischer Wunden ein. Für den Medizinischen Dienst der Krankenkassen ist die Qualifikation zum Wundexperten ICW e.V. mittlerweile wichtiger Qualitätsstandard. Vereinheitlichtes Arbeiten, ständige Entwicklung und eine reibungslose Kommunikation sind ent- scheidend für die Vermeidung von Versorgungsbrüchen, und dienen letztendlich der Qualität der Versorgung des Patienten. Auch der Deutsche Berufsver- band für Pflegeberufe (DBfK) und der Deutsche Pflegeverband (DPV) unterstützen die ICW, die seit April 2006 mit der TÜV Rheinland Group eine gemeinsame Zertifizierungsstelle betreibt. Dieses zusätzliche Qualitätskriterium haben inzwischen bundesweit 44 Bildungseinrichtungen erkannt. Im Jahr 2006 nutzten 1.480 Fachkräfte im Gesundheitsweisen (vor allem Pflegefachkräfte und Ärzte) das Angebot und ließen sich zum Wundexperten ICW e.V. ausbilden. Für 2007 erwartet die Initivative über 4300 zertifizierte Wundexperten ICW e.V. Nähere Informationen und Hinweise zu anerkannten Einrichtungen gibt es im Internet unter www.icwunden.de Quelle: ICW e.V. Modellprojekt zur besseren Versorgung Demenzkranker vorgestellt Am 27. Oktober wurde in Nürnberg das Projekt „Initiative Demenzversorgung in der Allgemeinmedizin“ (IDA, www.projekt-ida.de) vorgestellt. Ziel des Modellvorhabens ist es, die Versorgung von Menschen mit Demenz stärker auf ihre Bedürfnisse und ihr Lebensumfeld auszurichten. Betroffene sollen in ihrer gewohnten häuslichen Umgebung bleiben und durch verbesserte hausärztliche Betreuung mehr Lebensqualität erfahren. Angehörige werden in das Betreuungskonzept einbezogen. Im Rahmen des Modellvorhabens sollen unterstützende GERIATRIE JOURNAL 6/06 Angebote für Demenzpatienten und ihre Angehörigen entwickelt sowie Erkenntnisse darüber gewonnen werden, welche nicht-medikamentösen Versorgungsangebote bei Demenzkranken besonders wirksam sind. Die Ergebnisse werden im Jahr 2008 vorgestellt. Träger des IDA-Projekts sind der AOK-Bundesverband, die AOK-Bayern sowie die beiden Pharmaunternehmen Eisai und Pfizer. Quelle: Bundesministerium für Gesundheit (BMG) NACHRICHTEN: TRENDS & THEMEN Zahnersatz statt Totalprothesen Angesichts der demografischen Entwicklung werden in der modernen Zahnmedizin und -technik zunehmend individuelle Behandlungskonzepte für ältere Patienten entwickelt oder auf diese abgestimmt. Generell ist das Älterwerden nicht mit dem Verlust der Zähne verbunden, denn gründliche häusliche Zahnpflege, regelmäßige Kontrolluntersuchungen beim Zahnarzt, zahngesunde Ernährung und professionelle Zahnreinigung schützen auch im Alter vor Zahnverlust. Haben jedoch Karies, Parodontitis und Zahnunfälle Spuren hinterlassen, gilt es, entstandene Zahnlücken dauerhaft zu schließen, um Folgeschäden zu vermeiden. Eine Stunde Musik am Tag kann, wie eine Studie der amerikanischen Cleveland Clinic Foundation, Ohio, herausfand, chronische Schmerzen lindern. Sechzig untersuchte Schmerzpatienten litten seit mehr als sechs Jahren unter Arthrose, rheumatoider Arthritis, Bandscheibenproblemen oder anderen Gelenkerkrankungen. Während des Versuchs führten die Teilnehmer ein Schmerztagebuch. Mit einer Stunde Musik am Tag reduzierten sich die Schmerzen um bis zu 21%. Dabei war es egal, ob sie ihre eigene Lieblingsmusik hörten oder die von den Forschern ausgewählten Entspannungsklänge. Weiterer Foto: jh Musik hören kann chronische Schmerzen dämpfen Pluspunkt der therapeutischen Töne: Die Teilnehmer fühlten sich danach auffallend weniger depressiv. Quelle: Senioren Ratgeber Risiko-Skala zur Vorhersage von Demenz entwickelt Eine neue Risiko-Skala zur Vorhersage von Demenz soll es ermöglichen, betroffene Personen früher und gezielter zu behandeln. Ein schwedisches Forscherteam hat eine neue Methode entwickelt, mit der sich einschätzen lässt, wie hoch das Risiko eines Menschen ist, später einmal an Demenz zu erkranken. Mithilfe des Scores sollen Betroffene gezielt Verhaltensempfehlungen oder eine medikamentöse Therapie erhalten. Ziel ist, die Allgemeinheit aufzuklären und möglichst früh Vorsorge- bzw. Therapiemaßnahmen ergreifen zu können. Die Risiko-Skala für Demenz entwickelten Miia Kivipelto und Kollegen vom Karolinska-Institut in Stockholm auf der Daten-Basis von 1.409 Personen, die in mittleren Lebensjahren und 20 Jahre später untersucht 8 wurden. Grundlage der Bewertung bildeten der Blutdruck, der Body-Mass-Index, Cholesterin-Werte, Rauchgewohnheiten und körperliche Aktivität. Das Team kam zu dem Ergebnis, dass Demenz häufig in direktem Zusammenhang mit fortgeschrittenem Alter, geringer Bildung, Bluthochdruck, überhöhten Cholesterinwerten und Übergewicht steht. Für Personen, die im mittleren Lebensalter mehrere dieser Risikofaktoren aufweisen, könnten Mediziner Therapien in die Wege leiten, um die spätere Demenzgefahr zu minimieren. Die Studienergebnisse sind der OnlineAusgabe von The Lancet Neurology veröffentlicht. Quelle: Focus-Online Denn: fehlende Zähne können bei älteren Menschen zu Fehl- oder Mangelernährung führen. Ein Patient, der seine gewohnte Nahrung nicht mehr ausreichend zerkleinern kann, weicht gezwungenermaßen auf breiige, flüssige Speisen aus und ernährt sich damit oft nicht mehr ausgewogen und reichhaltig genug. Außerdem können Zahnlücken das komplette Gebiss aus dem Takt bringen. Die restlichen Zähne wandern oder kippen in die Lücken. Insbesondere Frontzahnlücken verursachen älteren Menschen erhebliche Sprechprobleme. Früher war die Teil- oder Totalprothese bei mehreren Lücken die Lösung. Heute setzen Zahnmedizin und -technik auf festsitzenden, insbesondere implantatgetragenen Zahnersatz. Dieser wird von den meisten Patienten als sehr angenehm empfunden, kann auch leicht gereinigt werden und weist eine hohe Haltbarkeit auf. Sind die Zähne wieder komplett, sind der Einsatz des Patienten und auch die Aufmerksamkeit des Hausarztes gefragt. Neben der sorgfältigen Pflege sind halbjährliche Kontrolluntersuchungen beim Zahnarzt notwendig. Verbleiben sie, kann dies für die Gesundheit des Patienten negative Folgen haben, denn Munderkrankungen stehen mit Allgemeinerkrankungen in einem engen Zusammenhang. Quelle: Initiative proDente e.V Hausärzte für Palliativgesetz Die Deutsche Hospiz Stiftung und der Deutsche Hausärzteverband haben sich über die Inhalte eines Palliativleistungsgesetzes verständigt. Einen entsprechenden Entwurf hatte die Deutsche Hospiz Stiftung im Mai 2006 vorgelegt. Das Ziel des Gesetzentwurfs ist eine flächendeckende palliative Versorgung von Menschen, bei denen eine heilende Behandlung ausgeschlossen ist. Damit soll insbesondere der ambulante Leistungsbereich gestärkt werden. Die Hausärzte erhalten darin eine wichtige Rolle. Weiterbildung und hausärztliche Fortbildung sichern die Kompetenz der VerGERIATRIE JOURNAL 6/06 NACHRICHTEN: TRENDS & THEMEN sorgungsebene für die palliative Betreuung der lebensbegleitend versorgten Patienten. Darüber hinaus können erfahrene und zusätzlich qualifizierte Hausärzte in den Palliativdiensten tätig werden. Die „Lotsenfunktion“ des Hausarztes kann – falls von den Patienten gewünscht – durch sog. Palliative-Care-Teams ergänzt werden. Sie sollen die hausärztliche Behandlung durch vertiefende palliativärztliche und -pflegerische Beratungen und Leistungen in einem multiprofessionellen Team mit entsprechendem Fachwissen und Erfahrungen unterstützen. Der Gesetzentwurf sieht einen Rechtsanspruch auf eine Versorgung mit ambulanten palliativen Leistungen vor, welcher im neuen § 37a SGB V definiert wird. Quelle: Deutsche Hospiz Stiftung Vor drei Jahren wurde das Projekt Schmerzfreies Krankenhaus, an dem 25 Kliniken beteiligt sind, ins Leben gerufen. Durch Fragebögen, Interviews und Beobachtungen wurde der Ist-Zustand erfasst. Ein Expertenteam befragte chirurgisch und konservativ behandelte Patienten, Pflegende sowie Ärzte aus verschiedenen Disziplinen. Nach einer Erstevaluation erhielten die Krankenhäuser einen Ergebnisbereicht und ein individuelles Optimierungskonzept, das sich an den medizinischen und pflegerischen Qualitätsstandards orientiert. Ab Sommer 2005 wurde die Schmerztherapie in den ersten fünf Kliniken erneut begutachtet und in einem Ergebnisbericht zusammengefasst. „Unsere Ausgangshypothese hat sich bestätigt. Die Kompetenz in der Schmerztherapie war bereits vorhanden, wurde aber nicht ausreichend umgesetzt“, berichtete Prof. Christoph Maier von der Universitätskli- Foto: Mundipharma Bildarchiv Projekt „Schmerzfreies Krankenhaus“ erfolgreich leiden und Diabetes oder nach Operationen erheblich unterschätzt. „Wir haben neue Strukturen geschaffen, die ein effektives Schmerzmanagement sicherstellen“, nik Bochum im Rahmen einer Presse- erläuterten Maier und sein Kollege Prof. konferenz auf der Medica 2006 in Düs- Jürgen Osterbrink, beide wissenschaftliche seldorf. Zu häufig wurden Schmerzen bei Leiter des von Mundipharma unterstützten chronischen Erkrankungen wie Rücken- Projekts. So wurden zum Beispiel multiprofessionelle Arbeitsgruppen etabliert. Die Ergebnisse: Ärzte und Pflegende messen die Schmerzen ihrer Patienten heute zu beinahe 100%. Mehr Patienten erhalten wirksame Schmerzmittel. Sie werden regelmäßig und nicht nur bei Bedarf verabreicht. Die Patienten sind aktiver geworden und teilen ihre Schmerzen mit. Die Ein interprofessionelles Schmerzmanagement mit Ärzten, optimierte SchmerzPflegenden und Patienten ist ein wesentlicher Pfeiler auf therapie bedeutet für dem Weg zum Schmerzfreien Krankenhaus. die Patienten Lebensqualität, denn Essen, Aufrichten oder Lagewechsel verursachen keine Schmerzen mehr. Aktivitäten wie Aufstehen, Spazierengehen oder Krankengymnastik werden dadurch erst ermöglicht. Kein Patient muss länger als 30 Min. auf sein Schmerzmittel warten. Der erweiterte Zuständigkeitsbereich der Pflegenden trägt nach Pflegewissenschaftler Osterbrink wesentlich zu diesen Fortschritten bei. Doch nicht nur die Patienten sind zufriedener. Aus Sicht der Pflegenden haben sich Schmerzmessung um 98% und die medikamentöse Schmerztherapie um 88% verbessert. Ärzte beurteilen das Funktionieren interdisziplinärer Absprachen um 71% besser. Bei dem Projekt wurden Daten von über 4.600 Patienten, 2.200 Pflegenden und mehr als 1.500 Ärzten ausgewertet. Professor Yang Yang von der Universität Illinois in Urbana-Champaign (USA) überprüfte in einer Studie mit durchschnittlich 80-jährigen Teilnehmern, ob sich die asiatischen Bewegungs- und Meditationsübungen des Tai-Chi und Qigong positiv auf deren Gesundheit auswirkt. Das Ergebnis: Schon nach zwei Monaten regelmäßigem Training verbesserten sich Gleichgewichtsgefühl, Standfestigkeit und Konzentrationsvermögen der Senioren. Quelle: Senioren Ratgeber Foto: Maceo-Fotolia Tai-Chi: Studie weist positiven Einfluss auf Senioren nach GERIATRIE JOURNAL 6/06 9 TA G U N G S B E R I C H T : J A H R ES KO N G R ESS DER Alter ist Vielfalt In Berlin fand der erste gemeinsame Jahreskongress der DGG und ÖGGG statt. Über 500 Teilnehmer nutzten die Gelegenheit, sich über neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zu informieren. V mindern und über eine ausgewogende Ernährung mit viel Antioxidantien in den Körper gelangen. Protektiv wirken weiterhin eine gute Schulbildung verbunden mit interaktiven Tätigkeiten bis ins hohe Alter. Wichtig ist auch die Schlaganfallvorbeugung, denn „der Schlaganfall trifft besonders viele Menschen im höheren Alter“, verdeutlichte Prof. Roland Hardt, Schatzmeister der DGG. Angesichts der demografischen Entwicklung wird sich die Anzahl der Schlaganfälle erhöhen und darum gilt es, auch bei alten Menschen Foto: jh om 16. bis 18. November 2006 veranstalteten die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG) und die Österreichische Gesellschaft für Geriatrie und Gerontologie (ÖGGG) ihren ersten gemeinsamen Jahreskongress. Er stand unter dem Motto „Alter ist Vielfalt“, denn „alte Menschen sind keine homogene Gruppe und Altern ist ein individueller Prozess“, erläuterte Prim. Prof. Franz Böhmer, Präsident der ÖGGG, im Rahmen einer Pressekonferenz den Leitgedanken. Doch da Vielfalt auch ein Ziel eines jeden Kongresses sein muss, war Im Rahmen eines Pressegesprächs erläuterten DGG und ÖGGG die Inhalte und Schwerpunkte des Kongresses, von links: Prof. Wolfgang von Renteln-Kruse, Prof. Cornel Sieber, Moderator Justin Westhoff, Prof. Roland Hardt und Prim. Prof. Franz Böhmer das Programm trotz inhaltlicher Schwerpunkte breit gefächert. „In Deutschland leidet heute schon weit über eine Million Menschen an einer Demenz, weltweit sind es fast 30 Millionen. Angesichts der demografischen Entwicklung ist mit einer Verdopplung zu rechnen“, erklärte DGGPräsident Prof. Cornel Sieber und berichtete während des Pressegesprächs über erste Versuche mit einem Impfstoff. Derzeit werden die Möglichkeiten, einer Demenz vorzubeugen, ausgelotet. Für das pflanzliche Präparat Gingko biloba gibt es einige Daten. Vielsprechend sind auch Substanzen, die den oxidativen Stress ver- 10 die Möglichkeiten der Primärprophylaxe in verstärktem Maße zu nutzen. Dazu zählt neben Verhaltensänderungen wie Raucherentwöhnung, mehr Bewegung und gesündere Ernährung u.a. die konsequente Behandlung des Bluthochdrucks. Ältere Menschen leiden an mehreren Krankheiten und benötigen oft viele Medikamente. Prof. Wolfgang von RentelnKruse, Präsident elect der DGG, wies im Rahmen des Pressegesprächs darauf hin, dass „dies besonders häufig zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen führt. Eine neuere deutsche Studie belegt, dass ältere Menschen häufiger als jüngere des- DGG wegen in Notfallambulanzen und Krankenhäusern eingeliefert werden.“ Zu berücksichtigen ist unter anderem, dass sich der Stoffwechsel mit zunehmendem Alter ändert und Medikamente anders bei als jungen Menschen wirken können. Er kritisierte, dass es noch immer zu wenig Studien gibt, in die auch ältere Patienten einbezogen werden und wies auf die angepasste, individualisierte Arzneimittelbehandlung hin, die gerade für Geriater von großem Interesse ist. Während etwa bis zum 65. Lebensjahr das Übergewicht das größte ernährungsbedingte gesundheitsproblem darstellt, leiden alte Menschen und insbesondere Hochbetagte an Unterernährung. „Etwa 15% der Betagten, die zu Hause leben, weisen eine Malnutrition auf. Diese Zahl steigt auf 40-50% bei alten Menschen, die akut ins Krankenhaus kommen. Noch schlimmer ist die Situation bei Bewohnern in Langzeitpflege-Einrichtungen“, berichtete Prof. C. Sieber. Unternährung ist aber grundsätzlich mit einer erhöhten Krankheitsrate und verfrühtem Tod verbunden. Die Themen, die während des Pressegesprächs erläutert wurden, bildeten auch die Schwerpunkte, mit denen sich Referenten und Teilnehmer während des Kongresses befassten. Außerdem gab es Vorträge zur geriatrischen Onkologie, zur palliativen und ambulanten Geriatrie sowie über die Leistungen des medizinischen Nachwuchses. Ergänzt wurde das umfangreiche wissenschaftliche Programm mit inhaltlich darauf abgestimmten Satelliten-Symposien und eine Industrie-Ausstellung, an der sich knapp 30 Firmen beteiligten. Über 500 Teilnehmer waren nach Berlin gekommen, um sich über die vielfältigen Aspekte rund um die Geriatrie zu informieren und in den Gesprächen mischten sich die österreichischen Mundarten munter mit den deutschen Dialekten. Der 2. gemeinsame Jahreskongress von DGG und ÖGGG findet vom 9. bis 12. Mai 2007 in Wien statt und steht unter dem Thema „Kreativität im Alter – Kreativität für das Alter“. Es ist zu hoffen, dass sich dann die bundesdeutschen Klänge recht zahlreich unter die österreichischen mischen. jh GERIATRIE JOURNAL 6/06 TA G U N G S B E R I C H T : 1 . STA R N B E R G E R INTERDISZIPLINÄRE Biographisches Arbeiten D er menschliche Umgang mit alten und kranken Menschen in ihrer vertrauten Umgebung stellt in der Regel eine große Herausforderung dar und erfordert im Falle einer Pflege gravierende Veränderungen im Zusammenleben. Vor diesem Hintergrund hat sich das Projekt „Humane Pflege im Alter“ u.a. die Aufgabe gestellt, @ Betroffene und Angehörige zu unterstützen, die vorhandenen Versorgungsstrukturen zu nutzen und die Lebensqualität älterer MitbürgerInnen auch bei Pflegeabhängigkeit zu erhalten und @ Anlaufstelle für Betroffene und Angehörige in Fragen der Pflege und zu medizinischen Problemen im Alter zu sein. Ein weiteres Ziel ist, Fortbildungsmöglichkeiten für Ärzte und Pflegende zu geriatrischen Fragestellungen anzubieten. Aus diesem Grund fanden vom 22. bis 25. November 2006 die 1. Starnberger interdisziplinären Geriatrie-Gespräche statt, deren Konzept Prof. Helmut Lydtin, Vorsitzender des Stiftungsbeirates, und Prof. Cornel Sieber, Nürnberg, entwickelt haben. „Die Gespräche sollen“, wie Barbara Kieslich, Leiterin des Ilse Kubaschewski Zentrums für Humane Pflege im Alter, in ihrer Begrüßung erklärte, „einen engen Bezug zwischen täglicher klinischer Tätigkeit und wissenschaftstheoretischen Grundlagen herstellen.“ Die erste Veranstaltung widmete sich dem Thema „Biografisches Arbeiten“. Zu den Voraussetzungen für die Biografiearbeit zählt das Wissen um die Funktionsweise des Gehirns, das „bei der Geburt unreif ist und sich durch die sozialen und kulturellen Gegebenheiten entwickelt“, wie Prof. Harald Welzer, Witten/Herdecke, in seinem Vortrag erläuterte. Das menschliche Gehirn ist auf Kommunikation und sozialen Austausch angewiesen und daher nur innerhalb eines Netzwerkes, also im Kontakt mit anderen Gehirnen, entwicklungsfähig. Im Laufe des Lebens erweitert sich das Gehirn, die Integration in das soziale Netzwerk wächst und der Mensch ist Mitglied seines Umfelds. Über die Entstehung der Erinnerungskompetenz referierte Prof. Hans J. Mar- Ilse Kubaschewski Stiftung Ilse Kubaschewski war eine der großen Persönlichkeiten des deutschen Films. Sie wurde 1907 geboren und gründete 1949 die „Gloria-Film“, bis zum Verkauf im Jahr 1974 eines der erfolgreichsten deutschen Filmverleihunternehmen. In den 1980er Jahren lebte sie am Starnberger See und gründete 1994 die Ilse Kubaschewski Stiftung. 2001 verstarb sie im Alter von 94 Jahren. Ilse Kubaschewski hat schon zu Lebzeiten Schauspieler finanziell unterstützt und immer wieder Projekte des damaligen Kreiskrankenhauses Starnberg gefördert. Die damit verbundenen Anliegen bildeten die Grundlage für den Zweck der Stiftung. Die Ilse Kubaschewski Stiftung unterstützt zum einen Darsteller, die im Alter keine 12 Beschäftigungsmöglichkeiten mehr finden und dadurch in schwierige finanzielle Verhältnisse geraten. Zum anderen war I. Kubaschewski zu der Überzeugung gekommen, dass die Zunahme medizinischer Möglichkeiten mit ärztlicher und pflegerischer Überspezialisierung die humane und mitmenschliche Pflege in der Begleitung alter Menschen in den Hintergrund geraten lässt. Sie will mit der Stiftung dabei helfen, dass die medizinische Akutversorgung in eine besonders humane und mitmenschliche Pflege von alten Menschen eingebunden wird. Im Rahmen dieses Stiftungszwecks entwickelte die Stiftung gemeinsam mit dem Klinikum Starnberg das Projekt „Humane Pflege im Alter“. G E R I AT R I E - G E S P R Ä C H E kowitsch, Bielefeld. Er wies darauf hin, dass das Bewusstsein eine für den Menschen spezifische Eigenschaft ist und dass Wahrnehmungen und ihre Interpretationen die Voraussetzungen für die Funktion des Gedächtnisses bilden „Das menschliche Gehirn ist nicht mit einem Computer vergleichbar, denn der Mensch speichert Erlebnisse zustandsabhängig. Wir vergessen wenig, haben aber Probleme, es aktuell abzurufen.“ Er erläuterte, dass in Kindheit und Jugend Erlebtes im Gedächtnis verhaftet bleibt und sich alte Menschen aus diesem Grund auch gut an Ereignisse aus ihrer Kindheit erinnern können. Mit den Auswirkungen, die diese Erinnerungen haben können, befasste sich erläuterte Dr. Corinne Adler, Nürnberg, in ihrem Vortrag mit dem Thema „Die Kriegskinder werden alt“. Sie zeigte nicht nur anhand einiger Fallbeispiele die Zusammenhänge zwischen traumatischen Erfahrungen und der psychogenen Beeinträchtigung älterer Menschen auf, sondern berichtete über die Erlebnisse der Kriegsgeneration. Etwa 14 Millionen Menschen flüchteten am Ende des 2. Weltkriegs oder wurden vertrieben. Eine Studie mit Betroffenen ergab, dass die Frauen damals zwischen 9 und 21 und die Männer zwischen 7 und 15 Jahre alt waren und heute im Mittel 69 Jahre sind. 82% der Betroffenen erlitten während der durchschnittlich 13 Monate dauernden Flucht Hunger, 75% den Verlust von Familienangehörigen, 70% erlebten durch Beschuss Todesängste und über 50% der Frauen wurden vergewaltigt. Nahezu die Hälfte der Studienteilnehmer (43%) litt deutlich unter psychischen Belastungen und körperlichen Erkrankungen. Bei 62% löste die Erinnerung an die traumatischen Ereignisse reale Sinneseindrücke wie Bilder, Geräusche und Gerüche aus. Die Lebensgeschichten alter Frauen weisen häufig sexuelle und körperliche Gewalterlebnisse auf. Schätzungen gehen davon aus, dass 1,9 Millionen Frauen und Mädchen während und nach dem Krieg vergewaltigt wurden. 60 bis 70% der Frauen, die in Berlin lebten, wurden vergewaltigt, 40% von ihnen mehrfach. Viele Frauen litten doppelt, denn viele EheGERIATRIE JOURNAL 6/06 TA G U N G S B E R I C H T : 1 . STA R N B E R G E R männer fühlten sich durch die Vergewaltigung in ihrer Ehre verletzt. Im Laufe des Alternsprozesses kann sich, wie Dr. C. Adler abschließend in ihrem Vortrag erläuterte, eine durch das Trauma mitbedingte Symptomatik entwickeln, die sich nicht selten in Form einer Depression zeigt. „Depressionen verbunden mit einer Reihe somatischer Erkrankungen werden im Jahr 2020 zu den wichtigsten Krankheiten zählen“, berichtete Dr. Peter Bäuerle, Münsterlingen (Schweiz), der in seinem Vortrag „Psychotherapie im Alter – Was ist anders?“ darauf hinwies, dass sich bei älteren Menschen häufig körperliche und psychische Krankheiten mischen und dass eine Psychotherapie im Alter durchaus erfolgreich ist. Spirituelle und religiöse Fragen spielen häufiger als bei jüngeren Patienten eine wichtige Rolle. Er empfahl u.a. einen kollaborativen Behandlungsstil, den Gebrauch von Metaphern und Geschichten, die Einbeziehung der Erfahrungen INTERDISZIPLINÄRE G E R I AT R I E - G E S P R Ä C H E des Patienten sowie häufiges Nachfragen und Zusammenfassen. Prof. Erwin Böhm, Breitenau (Österreich), machte deutlich, dass man zwischen der Gefühlsbiografie und der Datenbiografie unterscheiden müsse. Zu beachten seien weiterhin das soziale Milieu, in dem Mensch gelebt habe, und seine Tagesbiografie. So hat beispielsweise ein Bäcker, der jahrzehntelang nachts aufgestanden ist, Probleme mit dem Tagesablauf in einem Pflegeheim. Über die Möglichkeiten der Musiktherapie beim älteren Menschen berichtete Prof. David Aldrige, Witten/Herdecke. Er erläuterte, dass Musik soziale und emotionale Fähigkeiten fördern und problematische Verhaltensweisen verringern kann. Außerdem kann Musik ein Medium sein, mit dessen Hilfe Alzheimer Patienten kommunizieren und Zugang zu ihren Erinnerungen finden können. Er wies in diesem Zusammenhang auf eine CD-Sammlung* hin, die über 70 verschiedene Musiktitel aus den Jahren 1930 bis 1956 enthält. Da es für das Erinnerungsvermögen wichtig ist, den ursprünglichen Klang zu hören, handelt es sich bei den meisten Titeln um Aufnahmen mit den Originalkünstlern. Weitere Vorträge befassten sich mit „Tanz und Rhythmik mit dementen Menschen“ (Prof. Reto Kressig, Basel) sowie mit der „Inszenierung des Lebens in der Krankheit“ (Prof. Annelie Keil, Bremen). Auf reges Interesse stießen die Workshops, in denen sich Referenten und Teilnehmer mit der Umsetzung der Vortragsinhalte in die Praxis befassten. 75 Ärzte, Psychologen, Psychiater und leitende Pflegekräfte haben an der Veranstaltung teilgenommen und weil die 1. Starnberger interdisziplinären GeriatrieGespräche viel positive Resonanz erhalten haben, ist geplant, in zwei Jahren die nächste Tagung durchzuführen. jh * „Meine Musik Vol I; Schellack-Schlager, Klassische Meisterwerke, Sanfter Swing & Jazz, Hits zum Tanzen und Träumen“; Box mit vier CDs im Schelllack-Look; 19,95 Euro inkl. Versand; erhältlich über www.nordoff-robbins.org ANZEIGE GERIATRIE JOURNAL 6/06 13 L I T E R AT U R O N K O L O G I E -S P E Z I A L : R E F E R I E R T & K O M M E N T I E R T Erhöhtes Brustkrebsrisiko Adipositas Auf der Suche nach Risikofaktoren für Brustkrebs sind neben den klassischen Risiken wie Familienanamnese, Hormongaben, späte Schwangerschaft und Stillverhalten auch andere Faktoren unter Verdacht. Gemutmaßt wurde seit langem, dass erhebliches Übergewicht und körperliche Inaktivität eine Rolle spielen könnten. S tudie: In einer groß angelegten FallKontrollstudie im Bundesstaat Los Angeles wurde der Einfluss von Fettleibigkeit und andauernder, nahezu lebenslanger geringer körperlicher Aktivität auf das Brustkrebsrisiko der postmonopausalen Frau untersucht. Berücksichtigt wurden dabei klassische Risikofaktoren, insbesondere natürlich auch Mammakarzinome in der Familie. Es wurden insgesamt 1.883 Brustkrebspatientinnen sowie 1.628 Frauen ohne Brustkrebs, die alters- und biometrisch vergleichbar waren gegenübergestellt. Altersbereich: 55 bis 72 Jahre. Mittels strukturiertem Interview wurden alle biometrisch relevanten Fakten, dazu Größe, Gewicht, körperliche Aktivität im gesamten bisherigen Leben sowie die Familienanamnese hinsichtlich Brustkrebs und anderer bösartiger Tumore erfasst. Ergebnisse: Während der Untersuchung fand sich ein signifikant erhöhtes Risiko für Brustkrebs bei Frauen mit mindestens einem solchen Tumor bei weiblichen Verwandten ersten Grades. Dies Ergebnis entsprach den Erwartungen: Odds Ratio (OR) 1,68. Bei steigendem Body-Mass-Index (BMI) stieg auch das Risiko, an einem Mammakarzinom zu erkranken. OR bei Übergewichtigen 1,14, bei manifest Adipösen 1,22 im Vergleich zu Frauen, die zum Zeitpunkt der Untersuchung normalgewichtig waren. Vermindert war das Krebsrisiko hingegen bei den Frauen, die seit der Menarche eine körperliche Aktivität von durchschnittlich sog. 17,6 MET-Stunden pro Woche auswiesen. Ein MET ist das metabolische Äquivalent der Sauerstoffaufnahme im Sitzen, also 3,5 ml/kg/min. Die OR hierfür war 0,66. Besonders auffällig war der Zusammenhang mit der familiären Brustkrebsbelastung. Bei Frauen mit positiver Familienanamnese hing 14 das Brustkrebsrisiko in erheblichem Maß vom BMI (adjustiert hinsichtlich körperlicher Aktivität) ab. Diese Beziehung war bei in der Familienanamnese nicht belasteten Frauen kaum nachweisbar (ebenfalls BMI-adjustiert). Diskussion: Die Studie belegt eine Abhängigkeit eines Brustkrebsrisikos von deutlich erhöhtem Körpergewicht und mangelnder körperlicher Aktivität. Besonders ausgeprägt waren die Effekten bei familiärer Vorbelastung mit Brustkrebs. Ursächlich dafür diskutiert wird die Konversion von Androgenen (Androstendion) und ihren Vorstufen in Estron im Fettgewebe. Dieser Effekt wird in der Postmonopause bedeutsam, da der An- teil des so produzierten Östrogens relativ zunimmt. Kommentar: Neben den bekannten günstigen Effekten in der Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen kann nun auch auf die günstige Wirkung zur Vorbeugung von Brustkrebs hingewiesen werden. Dies ist insofern wichtig, da Frauen mit familiärer Vorbelastung ein Vorschlag zur selbst verantworteten Vorbeugung gemacht werden kann, der wissenschaftlich untermauert ist und zudem noch viele andere weitreichende günstige Effekte hat. Prof. Dr. Dr. Gerald F. Kolb, Lingen (Ems) Carpenter, Catherine L., Ross Ronald L., Paganini-Hill A., Bernstein L. Departement of Preventive Medicine, USC/Norris Comprehensive Cancer Center, Keck School of Medicine at the University of Southern California, Los Angeles, CA, USA. Effect of family history; obesity and exercise on breast cancer risk among postmenopausal women. Int. J. Cancer 2003; 106: 96-102 Diabetiker (Typ 2) Erhöhtes Risiko für Demenzerkrankungen vom Alzheimer Typ Demenzielle Erkrankungen speziell vom Alzheimertyp und Typ 2 Diabetiker sind gegenseitig und risikoverwandt, sie treten komorbide auf; Mit zunehmendem Alter häufiger, mit einer genetischen (familienanamnestischen) Prädisposition und sie haben überdies pathophysiologisch ähnliche Muster im Hinblick auf degenerative Veränderungen der pankreatischen Inselzellen und AmyloidAblagerungen im Hirngewebe. S tudie: Auf Grund der genannten epidemiologisch-pathophysiologischen Gemeinsamkeiten wurde eine Fall-Kontrollstudie der Mayo Klinik initiiert, die Patienten mit Diabetes Typ 2 in Komorbidität mit Alzheimer-Demenz und als Kontrolle eine Gruppe mit Alzheimer-Demenz ohne Diabetes-Erkrankung untersuchte. In Ergänzung dieser klinisch-epidemiologischen-Studie wurde eine pathologische Untersuchung von Autopsiefällen aus dem gleichen Unter- suchungsraum initiiert, um zum evaluieren, ob eine erhöhte Prävalenz von Inselzell-Amyloid-Ablagerungen im Patienten mit Alzheimer-Demenz und Patienten mit Hirngewebe vom Diabetes Typ 2 oder gestörter Glukosetoleranz nachgewiesen werden kann. Ergebnisse: Beide Fälle, sowohl Typ 2 Diabetiker (35% vs. 18%, p < 0,05) und bei gestörter Glukosetoleranz (46% vs. 24%, P < 0,01) kamen deutlich häufiger in der Demenzgruppe vor, als in der GERIATRIE JOURNAL 6/06 L I T E R AT U R O N K O L O G I E -S P E Z I A L : R E F E R I E R T & K O M M E N T I E R T Nicht-Demenz-Kontrolle. 81% der Patienten mit Morbus Alzheimer hatten entweder einen Typ 2 Diabetes oder eine gestörte Glukosetoleranz. Eine gestörte Glukosetoleranz war auch häufiger in der Gruppe der Demenz-Erkrankten als bei der Kontrollgruppe (p < 0,01). Amyloid-Ablagerungen in den Inselzellen waren ebenfalls häufiger (p < 0,05) bei Patienten mit Demenz als in der Kontrollgruppe. Dennoch, diffuse PlaqueFormationen und neuritische Plaques kamen bei den Diabetikern nicht häufiger als in der Kontrollgruppe vor. Diskussion: Die Daten unterstützen eindeutig die Hypothese, dass Patienten mit Morbus Alzheimer häufiger anfällig sind für Typ 2 Diabetes und dass eine – kausale – Verbindung besteht zwischen der Pathophysiologie der Entwicklung eines Typ 2 Diabetes und der Entwicklung einer Alzheimer Demenz. Beide Er- krankungen sind gleichermaßen verantwortlich für die Degeneration und den Verlust von neuronalem Gewebe als auch von Pankreas Beta-Zellen. Kommentar: Diese Studie knüpft insbesondere an hypothesenbildende biochemische Studien der frühen und mittleren 1980er Jahre an, die eine Verbindung zwischen Fettstoffwechselstörungen, speziell der Apo-Lipoproteine, Adipositas und Typ 2 Diabetes und der erhöhten Prävalenz von Beta-Amyloid-Ablagerungen bei Demenzerkrankungen prognostizieren. Es ist sicherlich sinnvoll aus klinischer Betrachtung Vorsorgeprogramme, wie sie für Diabetes mellitus, metabolisches Syndrom und zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen empfohlen werden, auch auf die Nützlichkeit zur Vorbeugung von demenziellen Erkrankungen speziell bei familiär Belasteten im ArztPatienten-Beratungsgespräch hinzuwei- Bisphosphonate bei metastasiertem Mammakarzinom Verhinderung von Frakturen bei Knochenmetastasen Bereits in einigen früheren Studien wurde der günstige Einfluss von Bisphosphonaten auf das Auftreten und Zunehmen von Knochenmetastasen hingewiesen. Unklar war jedoch bisher, welche speziellen Patientengruppen und in welcher Dosierung und wie lange man sie behandeln sollte, um den besten progessionshemmenden Effekt zu erzielen. S tudie: In einer Meta-Analyse an 30 Studienteilnehmern wurde ermittelt, welchen Effekt Bisphosphonate beim Mammakarzinom aber auch beim multiplen Myelom haben. Es wurden unterschiedliche orale und intravenöse Bisphosphonatregime gegeneinander gestellt. Ergebnisse: Wurden die Bisphosphonate zumindest über einen Zeitraum von sechs Monaten appliziert, so fand sich eine signifikante Risikoreduktion für Frakturen (vertebrale und non-vertebrale Frakturen): Odds-Ratios (OR) naheGERIATRIE JOURNAL 6/06 zu 0,70 beim Ko-Infidenz-Intervall (CI) von 0,57-0,84, Signifikanzniveau p < 0,0001. Im Hinblick auf das Risiko zur Hyperkalzämie ergab sich ebenfalls ein Vorteil: OR 0,54 bei CI 95% 0,36 bis 0,81, p = 0,0003. Hingegen konnten Myelokompressionen, die zwar sehr selten auftraten und im Übrigen auch nicht durch ossäre Metastasen verursacht werden, durch die Bisphosphonatgabe erwartungsgemäss nicht beeinflusst werden. Wurde die Laufzeit der Bisphosphonatapplikation mit mehr als einem Jahr angesetzt, so ergab sich zusätzlich zu den oben bereits genannten Vorteilen, seltener die Notwendigkeit zu Operationen im Vergleich zu Plazebo – OR 0,60 bei einem CI von 0,39% bis 0,88, p = 0,009. In allen untersuchten Gruppen ergab sich kein Einfluss auf die Überlebenszeit. Der Studienvergleich zeigte weiterhin, dass die Erfolge am ehesten auf die intravenöse Aminobisphosphonat-Applikation zu- sen. Dies ist insofern bedeutsam, als Vorsorge-Empfehlungen zur Vorbeugung dementieller Syndrome ansonsten praktisch nicht existieren. Anmerkung: Vergleiche hierzu auch: Carpenter, Catherine L., Ross Ronald L., Paganini-Hill A., Bernstein L. Departement of Preventive Medicine, USC/Norris Comprehensive Cancer Center, Keck School of Medicine at the University of Southern California, Los Angeles, CA, USA. Effect of family history; obesity and exercise on breast cancer risk among postmenopausal women. Int. J. Cancer 2003; 106: 96-102 Prof. Dr. Dr. Gerald F. Kolb, Lingen (Ems) Janson J., Laedtke T., Parisi J.E., O’Brien P., Petersen R.C., and Butler P.C. Increased Risk of Type 2 Diabetes in Alzheimer Disease. Diabetes 2004; 53: 474-481 rückgeführt werden konnte. Die Verträglichkeit, war sowohl bei der intravenösen als auch bei der oralen Gabe gut. Diskussion: Insbesondere die gute Verträglichkeit der Bisphosphonate prädestiniert sie zur Langzeitbehandlung. Obwohl in den Studien nicht die Lebensqualität untersucht wurde, kann davon ausgegangen werden, dass durch signifikantes Senken der Skelettmorbidität die Lebensqualität verbessert wurde. Die Überlebenszeit wurde hingegen durch Bisphosphonate erwartungsgemäß nicht eingeschränkt, da die letalen Komplikationen beim metastasierten Mammakarzinom in der Regel nicht von der Skelettmetastasierung ausgeht. Kommentar: Die Studien-Metaanalyse führt zur klaren Empfehlung für eine Langzeitbehandlung skelettmetastasierter Mammakarzinome mit Bisphosphonaten. Prof. Dr. Dr. Gerald F. Kolb, Lingen (Ems) Ross J. R., Saunders Y., Edmonds P. M., Patel S., Broadley K. E., Johnston S.R.D. Systematic review of role of bisphosphonates on skeletal morbidity in metastatic cancer. BMU 2003; 327: 469-474 15 L I T E R AT U R O N K O L O G I E -S P E Z I A L : R E F E R I E R T & K O M M E N T I E R T Gerinnungsaktivierung durch Tumorwachstum D-Dimere als prognostische Marker bei kolorektalen Karzinomen Gerinnung und Fibrinolyse sind ein homöostatisches System, das sich im physiologischen Normalzustand in einem ausgewogenen Gleichgewicht befindet. Die Gerinnungsvorgänge anzeigenden Fibrin-D-Dimere sind in diesem Zustand nur in einem niedrigen Spiegel im Plasma nachweisbar. Zu stärkeren, teilweise ausgesprochen starken Anstiegen kommt es bekannterweise bei Thromboembolien, Myokardinfarkten, aber auch bei einer Reihe von soliden Tumoren. In einer prospektiven, randomisierten Studie wurde nunmehr gezeigt, dass Fibrin-D-Dimere auch als Marker für das Überleben und für Tumorwachstum gelten können. S tudie: Blackwell und Mitarbeiter haben in einer randomisierten PhaseII-Studie – durchgeführt bei Patienten mit metastasierten, kolorektalen Karzinomen – untersucht, ob die F-D-DimerSpiegel als Surrogat Parameter für Tumorwachstum und/oder Neo-Angiogenese angesehen werden können. Die Bestimmung der F-D-Dimere erfolgte per Immunassay im Plasma der Patienten (n = 104) vor Beginn der Behandlung (neoadjuvante Chemotherapie) vor jedem Therapiezyklus und am Studienende sowie bei klinischem Progress. Die Patienten erhielten an Chemotherapie entweder 5-Fluorouracil/Folinsäure (5FU/FS) oder 5-FU/FS plus zusätzlich Bevacizumab in der Dosierung 5 mg/kg Körpergewicht. Der Antikörper Bevacizumab ist ein neuerer Angiogenesehemmer. Weitere Laborparameter: Neben dem F-D-Dimeren wurden das Karzinoembryogenale Antigen (CEA), Serumalbumin und als Erfolgsparameter das Ansprechen der Therapie in Bezug auf Metastasengröße und Überlebenszeit ermittelt. Ergebnisse: Zu Beginn der Behandlung korrelierten die F-D-Dimere mit CEA und Albuminspiegel (p = 0,002) mit den subjektiv geschilderten Beschwerden durch den Tumor (p = 0,003) und der Metastasenzahl (p = 0,004). Weiters war der F-D-Dimer-Ausgangswert auch ein klarer Prognosefaktor für das erwartete Gesamtüberleben (p = 0,008), nicht jedoch für das progressionsfreie Überleben. Zum Zeitpunkt der Progression stiegen die Werte der F-DDimere im Vergleich zum Ausgangswert 16 bei 85% der Patienten auf ein Maximum, während der CEA-Level „nur“ bei 71% gleichartig, d.h. maximal erhöht war. Bei der Gesamtauswertung der Studie zeigte sich, dass als Prognosefaktor die Therapie mit 5-FU/FS und Bevacizumab sowie der Ausgangswert des F-D-Dimer-Plasmaspiegel galt, zumindest was das Gesamtüberleben betraf (p < 0,05). Diskussion: In dieser Studie konnte bei Patienten mit metastasiertem kolorekta- len Karzinom erstmals bewiesen werden, dass eine direkte Korrelation zwischen den F-D-Dimer-Spiegeln und dem tumorrelevanten Gesamtüberleben besteht. Kommentar: Sicherlich zeigt die Studie eindrucksvoll, dass die Gerinnungsaktivierung mithin der Fibrin-Turnover ein wichtiger Aktivitäts-Parameter und mithin prognostisches Merkmal bei kolorektalen Karzinomen und wahrscheinlich auch bei anderen Tumoren ist. Eine besondere therapierelevante Bedeutung bekommt dieser Parameter sicherlich immer dann, wenn eine Therapie mit Angiogeneseinhibitoren i.e. mit (Neo-)Angiogeneseinhibitoren ansteht. Prof. Dr. Dr. Gerald F. Kolb, Lingen (Ems) Blackwell K., Hurwitz H., Lieberman G., Novotny W., Snyder St., Dewhirst M., Greenberg C. Circulatin D-Dimer Levesl Are Better Predictors of Overall Survival and Disease Progression than Carconoembryonic Antigen Levels in Patients with Metastatic Colorectal Carcinoma. Cancer 2004; 101: 77-82 Hochmaligne Non-Hodgkin-Lymphome CHOP-14 deutlich besser als CHOP-21 Patienten über 60 Jahre oder gar über 70 Jahre haben nach bisheriger Vorstellung eine ungünstige Prognose bei aggressiven (hochmalignen) Non-HodgkinLymphomen (NHL). Die übliche Langzeit-Überlebensrate beträgt fünf Jahre nach Standardchemotherapie (CHOP-21) nunmehr rund 30 bis 40%, bezogen auf rezidiv freies Überleben bzw. frei von Krankheitszeichen. Dies war Grund genug, über Alternativen nachzudenken, insbesondere bei älteren Patienten auch im Hinblick auf die Verträglichkeit. S tudie: Die deutsche Studiengruppe hochmaligne Non-Hodgkin-Lymphom (DSHNHL) stand vor der Aufgabe zum Erreichen des Ziels entweder die Therapie zu intensivieren über eine Verkürzung der Behandlungsintervalle von 3 auf 2 Wochen (CHOP-21 zu CHOP14) oder über die zusätzliche Gabe von Etoposid (100 mg/m2 Körperoberflächeanteil 1-3 CHOEP-21 bzw. CHOEP14). Unter diesen Prämissen wurden 689 Lymphompatienten im Alter zwischen 61 und 75 Jahren in vier Studienarme randomisiert. Die Patienten erhielten jeweils sechs Zyklen CHOP-21, CHOP-14, CHOEP-21 oder CHOEP-14. Alle Patienten mit Zwei-Wochen-Protokollen erhielten zusätzlich eine unterstützende Therapie mit Granulozyten-Kolonie-stimulierenden Faktor (G-CSF) Stellen mit bulky disease mit, d.h. mit ausgedehnten Tumormassen erhielten zusätzlich eine extranondale Bestrahlung. Ergebnisse: Komplette Remission unter CHOP-21 60% versus CHOP-14 76%, bei CHOP-21 70% versus CHOEP-14 knapp oberhalb 70%. Im Vergleich mit dem Standardregime GERIATRIE JOURNAL 6/06 L I T E R AT U R O N K O L O G I E -S P E Z I A L : R E F E R I E R T & K O M M E N T I E R T (CHOP-21) schnitt das verkürzte Zeitintervall des „Klassikers“ als CHOP-14 somit am besten ab. Nach fünf Jahren: ereignisfreie Überlebensrate rund 44%, die Gesamtüberlebensrate rund 53%. Im Vergleich dazu CHOP-21 32,5% bzw. 40,6% und CHOEP-21 41% bzw. knapp 46%. CHOEP-14: rund 40 bzw. knapp 50%. Die Multivarianzanalyse ergab für CHOP-14 eine relative Risikoreduktion von 0,66 Betreff das ereignisfreie Überleben von 0,58 für das Gesamtüberleben im Vergleich zu CHOP-21. Diskussion: Bemerkenswert war, dass CHOP-14 signifikant besser als das Standardprodukt (CHOP-21) ausfiel und zwar bei gleicher Toxizität. Hinsichtlich der zusätzlichen Gabe von Etoposid (CHOEP) war im Hinblick auf die Wirksamkeit kein statistisch signifikanter Voroder Nachteil gegenüber CHOP-pur zu verzeichnen, allerdings beim verkürzten, 14-tägigen Intervall (CHOEP-14) wurden toxische Probleme durch Etoposid wahrnehmbar. Kommentar: Ältere Patienten profitieren durchaus von einer Intensivierung, hier von einer Intervall-verkürzten-Therapie. Es ist sicherlich so, dass die Fortschritte in der unterstützenden Therapie mit Wachstumsfaktoren (G-CSF) toxische Therapien weniger toxisch und intensivierte Therapien weniger toxisch haben werden lassen. Damit sind derartige Therapieregime für Ältere zugänglich geworden und – wirksam. Prof. Dr. Dr. Gerald F. Kolb, Lingen (Ems) Pfreundschuh M., Trümper L., Kloess M., Schmits R., Feller A. C., Rübe C., Rudolph C., Reiser M., Hossfeld D. K., Eimermacher H., Hasenclever D., Schmitz N. and Loeffler M., for the German High-Grade Non-Hodgkin’s Lymphoma Study Group (DSHNHL). Two-weekly or 3-weekly CHOP chemotherapy with or without etoposide for the treatment of elderly patients with aggressive lymphomas: results of the NHL-B2 trial of the DSHNHL. Blood 2004; 104:634-641 Höheres Alter und Strahlentherapie Stadium I bis II Endometriumkarzinome Es gilt der Grundsatz, dass adjuvante Therapien, so optimal sie auch gestaltet werden, suboptimales, chirurgisches Vorgehen nicht ausgleichen können. Studien in der Vergangenheit an einer großen Zahl der Patienten haben deshalb übereinstimmend gezeigt, dass die adjuvante perkukante Strahlentherapie bei suboptimal im Sinne von nicht radikal operierten Endometriumkarzinomen Stadium I zwar die lokale Tumorkontrolle verbessert, aber dies zum Preis einer erheblich erhöhten Toxizität. Eine Verbesserung des Gesamtüberlebens wird durch die Bestrahlung in diesen Fällen jedoch nicht erreicht. S tudie: Die Untersuchung von Citron und Mitarbeitern, ausgelegt als eine retrospektive Analyse an Krankenakten von 79 älteren Patientinnen (>75 Jahre, Stadium I bis IIB Endometriumkarzinom, Erfassungszeitraum 1980 bis 2001) untersucht die Rolle der Strahlung aufs Neue. Das Sensationelle an der Studie war, dass als unterstellter Vorteil angenommen wurde, dass ältere Patientinnen auf Grund schlechterer Verträglichkeit besser von einer adjuvanten Strahlentherapie ausgenommen würden. GERIATRIE JOURNAL 6/06 @ Datensatz: Zwei Jahrzehnte Klinikum der Universität von Chicago, Alter der Patientinnen über 75 Jahre. @ Therapie: Totale Hysterektomie mit bilateraler Entfernung von Ovarien und Eierstöcken (Salpingo-Oophorektomie inklusive pritonealer Biopsie zur Zytologie). Paraaortale Lymphknoten sowie Beckenlymphknoten wurden explorativ bei 39 bzw. 29% dieser Frauen entnommen. @ Risikoeinteilung: Stadium IB bis IIB = Hochrisiko, 46 Patientinnen fielen in diese Kategorie. Ergebnisse: Trotz des Vorliegens einer Indikation (Hochrisiko) wurden nur 31 der 46 Patientinnen, die potentiell in Frage dafür kamen (67%) adjuvant bestrahlt. Nach den Aufzeichnungen der Krankenakten wurde die Radiatio bis auf akute, übliche Nebenwirkungen in der Bestrahlungsphase selbst gut vertragen. Während der Dokumentationszeit (median 33,5 Monate) wurden 19 Tumorrezidive dokumentiert. Zehn Patientinnen (neun davon lediglich operiert) erlitten einen Rezidiv im Beckenbereich. Die 5-Jahres-Überlebensrate ohne Tumorrezidiv betrug nach adjuvanter Radiotherapie 97% versus 73% ohne. Für die Hoch-Risikogruppe betrug der Vergleich 97% versus 47% (p = 0,0001). Diskussion: Angesichts der deutlichen Verbesserung der Prognose bei akzeptabler, da auf die akut in der Bestrahlungsphase beschränkte Toxizität, empfehlen die Autoren insbesondere für Hochrisikopatienten in dem Stadium I und II unabhängig vom Alter, d.h. auch im höheren Lebensalter bei Endometriumkarzinomen die Radiatio. Kommentar: Diese retrospektive Analyse hat sicherlich nachvollziehbar und begründet Widerspruch hervorgerufen. Die meisten Fachgesellschaften empfehlen heute einen risikoadaptierten Einsatz der perkutanen, adjuvanten Strahlentherapie, d.h. bei nachgewiesenen Lymphknoten- und/oder Zervixbefall sowie beim Vorliegen einer High-Risk-Histologie. Es wird zudem von Experten kritisch bemerkt, dass die in die retrospektive Analyse aufgenommenen Patienten kollektiv hinsichtlich des Lymphknotenstatus nicht eindeutig exploriert war. Bei adäquatem, d.h. optimalem operativen Staging und interoperativem Vorgehen, wie bei der pNo-Situation wird hingegen die alleinige Brachytherapie als ausreichend angesehen. Prof. Dr. Dr. Gerald F. Kolb, Lingen (Ems) Citron J. R., Sutton H., Yamada S. D., Mehta N., Mundt A. J. Pathologic Stage I-II Endometrial carcinoma in the elderly: Radiotherapy indications and outcome. Int J Radiation Oncology Biol Phys 2004; 59: 1432-1438 17 L I T E R AT U R O N K O L O G I E -S P E Z I A L : R E F E R I E R T & K O M M E N T I E R T Gute Nachricht für ältere Patientinnen mit Brustkrebs Axilladissektion in vielen Fällen verzichtbar Die Bereitschaft sich der Vorsorge oder auch einer Therapie zu unterziehen, hängt nicht unentscheidend davon ab, ob und wie invasiv und damit belastend die chirurgische Primärbehandlung ausfällt. Das Mammakarzinom der älteren Frau weist im Vergleich zu den jüngeren Patientinnen die günstigeren prognostischen Determinanten auf. Damit lag die Frage nahe, ob man in der Postmenopause bei fehlendem Lymphknotenbefall nicht evtl. auf eine Axilladissektion verzichten könne, speziell um die unangenehmen Komplikationen und damit die Lebensqualitäteinschränkungen postoperativ zu reduzieren. S tudie: Von 1993 bis 2002 hat die Internationale Brustkrebsstudiengruppe (International Breast Cancer Study Group) 473 postmenopausale Frauen über 60 Jahre in einer Studie ausgewertet. Bei allen war ein operables, unilaterales Mammakarzinom ohne klinischen Lymphknotenbefund diagnostiziert worden. Es folgte die Operation in zwei Studienarmen: brusterhaltend (Lumpektomie) oder totale Mastektomie. Anschließend erfolgte eine weitere Randomisation nach Axilladissektion und Verzicht darauf. Alle erhielten fünf Jahre lang 20 mg Tamoxifen. Studienziele/Endpunkte waren Lebensqualität und Therapieeffektivität, d.h. Überlebensraten. Lebensqualität: Die größte Einschränkung der selbst berichteten und durch den behandelnden Arzt beschriebenen Lebensqualität fand sich zwischen Operation und dem ersten Nachsorgetermin. Danach litten unter eingeschränkter Beweglichkeit des Armes 39% der Patientinnen mit Axilladissektion, aber nur 15% ohne Lymphknotenausräumung der Axilla. Armschmerzen 23% vs. 7%. Ergebnisse: Nach einem halben Jahr, spätestens nach zwölf Monaten waren die Unterschiede nicht mehr signifikant. Hinsichtlich des Überlebens (Todesfälle durch Karzinomrezidiv oder Gesamttodesfälle) bestand kein signifikanter Unterschied: 66% bzw. 73% Lumpektomie resp. totale Mastektomie ohne Dissektion vs. 67% bzw. 75% mit Axilladissektion. Es wurde eine Auswertung der Daten nach dem Hormonrezeptorstatus (80% Rezeptor positiv vs. 20% negativ) 18 vorgenommen, dabei ergaben sich ebenfalls keine Unterschiede. Diskussion: Nach dieser Studie kann bei Patientinnen mit Brustkrebs über 60 Jahre und ohne klinischen Lymphknotenbefall auf die Axilladissektion verzichtet werden. Damit dürfte die Akzeptanz für alle Maßnahmen, die mit Diagnostik und Therapie des Mammakarzinoms zusammen hängen bei älteren Frauen steigen, zumal die unmittelbaren postoperativen Beschwerden minimiert werden. Zukünftige Entscheidungskriterien für oder gegen eine Axilladissektion sind sicherlich der Hormonrezeptorstatus, der Ersttumor, das Alter und die Menopause. Kommentar: Nachdem nunmehr Belastungen, die immerhin bei einem Großteil der Frauen zumindest in der unmittelbaren postoperativen Phase durch die Axilladissektion auftreten, vermieden werden können, dürfte in Zukunft vermehrt auf die Akzeptanz und die Bewerbung von Früherkennungsmaßnahmen, sprich Brustkrebsscreening bei der älteren Frau der Schwerpunkt gelegt werden. Es ist nicht einzusehen, dass viele nationale Screeningprogramme eine Alters-Obergrenze haben. Diese Daten sollten schnellstmöglich in die Beratung der Frauen durch ihre Ärzte Eingang finden. Eine offensive Werbung für die regelmäßige Vorsorge bei älteren Frauen ist erforderlich. Prof. Dr. Dr. Gerald G. Kolb, Lingen (Ems) International Breast Cancer Study Group. Randomized trial comparing axillary clearance versus no axillary clearance in older patients with breast cancer: First results of International Breast Cancer Study Group trial 10-93. J Clin Oncol 2006; 24: 337-344 Brustkrebs Lokalisation und Risikoprofil Die Lokalisation des Mammakarzinom-Primärtumors bestimmt die Prognose. Mediane Lokalisationen gelten prognostisch als eher ungünstig. Für die Wahl der adjuvanten Therapie jedoch spielt die Lokalisation durchweg keine Rolle. Die Analyse einer großen Zahl von Patienten, die in einer internationalen Brustkrebsstudie (International Breast Cancer Study Group) 1978-1999 eingingen, wurden analysiert hinsichtlich Lokalisation, Überlebensdaten und durchgeführten Therapien. S tudie: 8.422 Patientinnen waren seinerzeit mit langer Nachbeobachtung (median 11 Jahre) in die Brustkrebsstudie eingeschlossen worden. Davon wiesen 1.622 Patientinnen (19%) eine mediane Tumorlokalisation auf; 6.800 (81%) der Tumoren lagen lateral, zentral oder anders. Ergebnisse: Das krankheitsfreie Intervall der Patientinnen mit medianer Tumorlokalisation betrug 46% gegenüber 48% der anderen Lokalisation. Die 10jährige Überlebensrate betrug 59 gegen- über 61%, was sich bei der großen Patientenzahl als signifikant schlechter erwies. Wurden andere prognostisch wichtige Faktoren mit in die Auswertung hinzugezogen, wurde der Unterschied deutlicher. Dabei war die Subgruppe mit mittlerer Tumorlokalisation ohne Nachweis eines axillären Lymphknotenbefalls mit einer besonders schlechten Prognose behaftet (n = 2.931); bei dieser Gruppe betrug das krankheitsfreie 10-Jahres-Überleben 61% gegenüber 67% bei PatienGERIATRIE JOURNAL 6/06 L I T E R AT U R O N K O L O G I E -S P E Z I A L : R E F E R I E R T & K O M M E N T I E R T tinnen mit anderen Primärtumorlokalisationen, entsprechend unterschied sich das Gesamtüberleben mit 73% gegenüber 80%. Diskussion: Als Erklärung für das schlechtere Überleben insbesondere bei der Subgruppe ohne axillären Lymphknotenbefall-Nachweis wird eine weniger effektive adjuvante Therapie als Ursache diskutiert. Auch für Patientinnen mit größeren Tumoren (> 2 cm) waren die Unterschiede deutlich, d. h. auch hier war die mediane Tumorlokalisation prognostisch ungünstiger als eine laterale Lokalisation. Kommentar: Die Lokalisation des Tumors hat eine Auswirkung auf die Prognose, speziell bei Patienten ohne Nachweis eines axillären Lymphknotenbefalls bei größeren Tumoren im Zusammenhang mit einer medianen Primärtumorlokalisation. Bislang wird dieser Umstand bei der Auswahl der Art der adjuvanten Therapie nicht berücksichtigt. Offensichtlich reicht bei medianer Tumorlokalisation die axilläre Lymphknoten-Exploration nicht aus, um die optimale adjuvante Therapie festzulegen. Zu überlegen ist eine Veränderung des Staging bei diesen Patientinnen Prognostik schließlich Brustkrebs-Patientinnen mit gutem Allgemeinzustand und ohne visPrognostischer Faktor Punkte zerale Metastasen gefunden wurden. Karnofsky-Index 2 Diskussion: Spinale Metastasen ha@ 80-100 ben eine ungünstige Prognose. Grö1 @ 50-70 ßere, invasive, operative Maßnahmen, 0 @ 20-40 die prophylaktisch geplant sind, sollPrimärtumor Brust 3 @ ten daher nur nach strenger Abwägung Prostata 2 @ zum Einsatz kommen. Die StrahlenLunge 1 @ behandlung ist hingegen eine sichere, 0 @ Andere nicht-invasive und nach wie vor efViszerale Metastasen @ Nein 1 fektive Therapieoption, insbesondere 0 @ Ja im Hinblick auf die SchmerzbekämpGesamtpunktzahl @ Gruppe A 0-3 fung. Evtl. kann das neue Scoring-Sys@ Gruppe B 4-5 tem, das von der niederländischen Ar@ Gruppe C 6 beitsgruppe vorgestellt wurde in ZuLebenserwartung bei spinalen Metastasen: kunft dazu beitragen, die Patienten Ein Punktesystem auszuwählen, die lange genug leben und dadurch von einer radikalen Bespinales Kompressionssyndrom. Die me- handlung profitieren diane Gesamtüberlebenszeit betrug nur Kommentar: Kritisch anzumerken sieben Monate. bleibt, ob nicht überhaupt eine StratifikaSignifikante Vorhersagefaktoren (Prädik- tion nach dem Primärtumor ausreichend toren) für das Überleben waren der Kar- erscheint, zumindest beim Mammakarzinofsky-Index, aber auch die Art des Primär- nom scheint dieses zuzutreffen. Für die tumors und die An- oder Abwesenheit von anderen untersuchten Tumore ist wahrviszeralen Metastasen. Andere Faktoren scheinlich die Zahl zu klein, d.h. aber auch, schienen keinen signifikanten Vorhersage- dass die Vorteile nicht so klar statistisch erwert zu haben. Gut ein Drittel der Patien- fasst sein können und daher die Situation ten mit 0-3 Punkten (Gruppe A) lebte individueller zu betrachten ist. durchschnittlich (median) noch drei Mo- Prof. Dr. Dr. Gerald F. Kolb, Lingen (Ems) nate. Rund die Hälfte der Patienten mit 4 bis 5 Punkten (Gruppe B) lebte im Medi- Van der Linden,Y., Dijkstra S. D. S., an noch neun Monate und lediglich 18% Vonk E. J. A., Marijnen C. A. M., Leer J. der Patienten, die 6 Punkte erreichten W. H., for The Dutch Bone Metastasis (Gruppe C) hatten eine länge Lebenser- Study Group. Prediction of Survival in wartung von im Median 19 Monaten. Auf- Patients with Metastases in the Spinal fällig war, dass in dieser Gruppe aus- Column. Cancer 2005; 103: 320-328 Überlebens-Score? Seit Hippokrates von Kos ist die Prognostik die heikelste und gleichzeitig effektvollste Seite der ärztlichen Kunst. Besonders bei Tumorerkrankungen ist die Frage der zu erwartenden Überlebenszeit nicht unentscheidend für die Wahl der Therapie – besonders im Alter. Eine niederländische Arbeitsgruppe hat ein Punktesystem vorgestellt, mit dem sie die Lebenserwartung von Patienten mit spinalen Metastasen vorhersagen kann. S tudie: 342 Patienten mit schmerzhaften Spinalstenosen, jedoch ohne neurologische Funktionsstörungen, wurden in die Studie eingeschlossen. Datengrundlage war eine Datenbank der Dutch Bone Metastasis Study. Vorausgehend waren alle Patienten konservativ im Rahmen einer randomisierten, prospektiven Radio-Therapie-Studie behandelt. Als Bewertungsgrundlage-System wurde schlicht der Karnofsky-Index kombiniert mit Fragen zum Primärtumor (Kategorien: Brust, Prostata, Lunge, andere) und das Vorhandensein viszeraler Metastasen (ja/nein). Aus diesen Daten wurden ein wichtiges Score-System erstellt (Tab.) und eine Unterscheidung in drei Gruppen nach der Gesamtpunktzahl vorgenommen. Ergebnisse: 73% der Patienten sprachen auf die Radio-Therapie an, 3% erlitten nach im Durchschnitt 3,5 Monaten ein GERIATRIE JOURNAL 6/06 mit Einschluss z. B. der Mammaria-interna-Sentinellymphknoten-Biopsie. Prof. Dr. Dr. Gerald F. Kolb, Lingen (Ems) Colleoni, M., Zahrieh D., Gelber R. D., Holmberg S. B., Mattsson J. E., Rudenstam C-M., Lindtner J., Erzen D., Snyder R., Collins J., Fey M. F., Catiglione-Gertsch M., Coates A. S., Price K., and Goldhirsch A. Site of Primary Tumor Has a Prognostic Role in Operable Breast Cancer: The International Breast Cancer Study Group Experience. J Clin Oncol 2005; 23: 1390-1400 Tabelle: 19 A K T U E L L : G K V-W E T T B E W E R B S S T Ä R K U N G S G E S E T Z Forderungen für das GKV-WSG aus ärztlich-geriatrischer Sicht Ingo Füsgen, Wuppertal Mit der Gesundheitsreform 2006 und der darauf folgenden Reform der Pflegeversicherung sollte man alle Möglichkeiten, die Ressourcen von chronisch kranken Menschen zu erhalten, damit Leiden zu mindern und letztlich auch Kosten zu senken, bewusster aufgreifen und umsetzen. Der Beitrag präzisiert die Forderungen an die Reform der Kranken- und Pflegeversicherung aus ärztlich-geriatrischer Sicht am Beispiel der Demenz. D 20 nen. Dazu habe ich mir folgende Frage gestellt: „Welche Bedeutung hat die Demenzerkrankung für die Medizin und welche Konsequenzen ergeben sich daraus?“ Aus den Antworten auf diese Frage ergibt sich natürlich die nächste Frage: „Welche gesundheitspolitischen Änderungen sind für eine erfolgreiche Medizin dann wichtig, wenn man die Konsequenzen für eine erfolgreichere Diagnostik und Behandlung des Krank- © Philippe Devanne/Fotolia ie Vorstellungen der Koalitionsregierung zu einer Gesundheitsreform liegen nun in 542 Seiten vor und beschäftigen alle am Gesundheitswesen Beteiligten. Dieses GKVWettbewerbsstärkungsgesetz (GKVWSG) betrifft direkt und indirekt natürlich auch die medizinische Versorgung von Demenzkranken, wenn man beispielhaft an die weitere Budgetierung der Ärztehonorare oder an die festgelegten Beiträge zur Krankenkasse denkt. Bei aller Kritik an den bestehenden gesundheitspolitischen Entscheidungen der Regierung ergeben sich aber auch einige positive Zukunftsaspekte. Hier seien nur die geriatrische Rehabilitation als Pflichtleistung oder die integrierten Modelle mit Einbezug von pflegerischen Maßnahmen genannt. Auch die Verlängerung der Behandlungspflege in der Pflegeversicherung muss aus Sicht der Betreuung Demenzkranker als sinnvoll angesehen werden. Zu hoffen ist auch, dass die anstehende Reform der Pflegeversicherung eine Erweiterung des Pflegebegriffes insbesondere auch im Hinblick auf den psychischen Bereich bringt und vielleicht sogar auch die Rehabilitation mit einschließt. Es ist Zeit, einmal grundsätzlich darüber nachzudenken, wie wir besser die älteren chronisch Kranken, beispielhaft hierfür die Demenzkranken, in unserer Gesellschaft medizinisch versorgen kön- heitsbildes Demenz auch gesundheitspolitisch erfolgreich umsetzen will?“ Eine solch grundsätzliche Diskussion erscheint mir momentan wichtig, wenn ich an die kurze Halbwertszeit der verschiedenen Gesundheitsreformen denke. Beispielhaft seien dafür die Regelungen des ArzneimittelversorgungsWirtschaftlichkeitsgesetzes vom Mai 2006 genannt. Sie sind noch nicht vollständig umgesetzt und schon stehen mit der geplanten Gesundheitsreform neue Veränderungen ins Haus. Hier ist es wichtiger, nicht nur daran zu arbeiten, wie man im Gesundheitswesen Kosten einsparen kann, sondern wie man die inhaltlichen Schwerpunkte zur Bewältigung eines für die Gesellschaft so bedeutsamen Krankheitsbildes wie die Demenz zentraler in den Vordergrund rücken lässt und dies unabhängig von GERIATRIE JOURNAL 6/06 A K T U E L L : G K V-W E T T B E W E R B S S T Ä R K U N G S G E S E T Z der gerade anstehenden Reform des Gesundheitswesens. die Unsicherheit, Angehörige und Be- nischen Krankheiten besondere Bedeutroffene mit der Diagnose zu konfron- tung in unserem Gesundheitssystem tieren. Wahrscheinlich kommt aber gewinnen und auch entsprechend geauch noch bei vielen Ärzten eine unzu- sundheitspolitisch verankert werden. Welche Bedeutung hat die DemenzerDiese Enttabuisierung muss von einer reichende Kompetenz im Hinblick auf krankung für die Medizin und welche dieses Krankheitsbild hinzu. Der Satz Strukturanpassung begleitet werden. Konsequenzen ergeben sich daraus? „Das ist halt im Alter so!“ wird zu häu- Aufeinander abgestimmte Präven„Demenz“ ist trotz ihrer Verbreitung fig benutzt. Nicht vergessen darf man tions-, Diagnostik- und Behandlungsund auch der zwischenzeitlich erfolgten sicherlich die Skepsis gegenüber dem angebote müssen definiert werden. Es öffentlichen Thematisierung nach wie Nutzen einer Behandlung. kann nicht sein, dass Betroffene und vor noch ein weitgehendes Tabuthema Man kann zusammenfassen, dass die Angehörige auf der Suche nach Inforin unserer Gesellschaft und das bezieht medizinische Versorgung der Dementen mation und Beratung sich eines in der auch die Ärzteschaft und hier speziell die und hier insgesamt geriatrischer Pa- Regel unüberschaubaren Angebots Hausärzte mit ein. Sie tienten noch unbefrie- gegenüber sehen, das meist noch durch sind es, die in erster Lidigend ist und auch verschiedene Leistungssysteme geprägt Zu hoffen ist auch, nie mit dem Krankdie pflegerische Be- ist. Obwohl insbesondere in städtischen dass die Reform der heitsbild konfrontiert treuung noch Hand- Regionen eine große Zahl an ambulanPflegeversicherung werden. Die neuropsylungsbedarf hat. Dafür ten pflegerischen Diensten ihre Leiseine Erweiterung chologischen Testververantwortlich ist si- tungen anbietet, lässt sich nur in Ausfahren sind meist nicht cherlich ein hoher nahmefällen ein Dienst mit einem des Pflegebegriffes vorrätig. Die TheraGrad an Tabuisierung, spezifischen geronto-psychiatrischen bringt und die Rehabilipieleitlinien sind häuder durchbrochen wer- Leistungsprofil finden, das geronto-psytation mit einschließt fig nicht bekannt und den muss. Für die Me- chiatrische Pflegekompetenz, zeitliche in 40 bis 60% der Fäldizin bedeutet dies Flexibilität, zusätzliche Betreuungsanle wird vom Hausarzt das Krankheits- Aus- und Weiterbildung, um die nöti- gebote und enge Zusammenarbeit mit bild der Demenz nicht richtig einge- ge Kompetenz für den Umgang mit den Fachärzten miteinander verbindet. Hier schätzt. So werden nur 30% der zu Krankheitsbildern geriatrischer Patien- sind passgenaue, flexible Versorgung Hause lebenden Demenzkranker kon- ten bzw. der Demenz zu erwerben. und Hilfe gefordert. Das System muss tinuierlich behandelt. Natürlich spielt hier auch die entspre- sich alltagskompatibel für den von DeObwohl die Langzeitbehandlung in chende Leistungsfinanzierung eine gro- menz Betroffenen und seinen Angehöder Regel beim Hausarzt liegt, verrin- ße Rolle, die zur Zeit noch nicht vor- rigen darstellen und möglichst wenig gert sich die Konsultationsrate von 15 liegt. Schnittstellen haben. Der immer wieKontakten bei Patienten mit leichter der geforderte Ansprechpartner („CaseDemenz auf einen Kontakt von PatienManager“) gerade für den Bereich des Welche gesundheitspolitischen Änten mit schwerer Demenz. Nur jeder geriatrischen Patienten müsste umge8. Demenzkranke wird fachärztlich be- derungen sind für eine erfolgreiche setzt werden. treut bzw. mitbetreut. Antidementiva Medizin wichtig? Eine wichtige Forderung betrifft die erhalten in Alten- und Pflegeheimen Auf Grund der geschichtlichen Ent- Anpassung der Finanzierungsstruktunur 10% der Demenzkranken, aber wicklung ist es sicherlich nicht mög- ren. Es muss endlich gelingen, finan50% werden mit Neuroleptika mehr lich, radikale Strukturänderungen in zielle Anreizstrukturen für die Behandoder weniger „ruhiggestellt“. Diese in unserem Gesundheitslung von Demenz einNur jeder der Literatur genannten Zahlen konn- system umzusetzen. Dies zuführen. Es kann ten wir auch gerade in einer eigenen ändert jedoch nichts dar8. Demenzkranke wird nicht sein, dass die ärztUntersuchung an Altenheimbewohnern an, dass man versuchen lichen und pflegerifachärztlich betreut im Raum Wuppertal/Velbert nachwei- muss, dem bestehenden schen Leistungen in fibzw. mitbetreut sen. Neben der nicht bedarfsgerechten Bedarf mit einer Zunahnanzieller Sicht sich Diagnostik und Therapie von haus- me chronischer Kranknicht am Erfolg orienärztlicher Seite scheint auch die pflege- heiten, z.B. der Demenz, besser gerecht tieren. Dies hat in hohem Maße mit rische Versorgung noch große Lücken zu werden. Drei Punkte sind hier aus unzureichenden Präventions- und Reaufzuweisen, wie die Ergebnisse des Me- meiner Sicht vorrangig anzusprechen. habilitationsleistungen zu tun. Das von Die Enttabuisierung des Themas, hier gesetzlicher Kranken- und gesetzlicher dizinischen Dienstes der Krankenkassen sowohl im ambulanten als auch im sta- am Beispiel der „Demenz“ ist nicht nur Pflegeversicherung geprägte soziale Siwichtig für den Bereich der Ärzteschaft, cherungssystem schafft eine spezifische tionären Pflegebereich aufweisen. Ein Grund für das unzureichende sondern betrifft die gesamte Gesell- Schnittstellenproblematik für den Menhausärztliche Engagement ist sicherlich schaft. Entsprechend müssen diese chro- schen mit Demenz, die letztlich zu GERIATRIE JOURNAL 6/06 21 A K T U E L L : G K V-W E T T B E W E R B S S T Ä R K U N G S G E S E T Z einem Verschiebebahnhof und nicht zu einer erfolgreichen Behandlung führt (Tab. 1 und 2): Während der Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung je nach Krankenkasse zwischen 13 und 15% liegt und unter beachtlichem Wettbewerbsdruck steht, ist der Beitragssatz in der Pflegeversicherung mit 1,7% bundeseinheitlich und starr. Da jede Krankenkasse auch eine Pflegekasse einrichten muss, deren Defizite aus einem gemeinsamen Topf aller Pflegekassen bedient werden und in den auch die möglichen Überschüsse abgeführt werden, ist das GKV-System nicht motiviert, Kosten in der Pflegekasse zu vermeiden, sondern eher motiviert, Kos- Tabelle 1: Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) @ bei jeder Gesetzlichen Krankenkasse besteht auch eine Gesetzliche Pflegekasse @ Beitragssatz steht unter Wettbewerbsdruck (13-15%) @ Beitragssatzveränderungen sind zu 90% Grund für einen Krankenkassenwechsel (es wechseln fast nur relativ junge und gesunde Versicherte) nach Sauerbrey 2006 @ Krankenkassen vermeiden Kosten im Sinne der Beitragssatzorientierung @ Einnahmen und Ausgaben müssen ausgeglichen sein ten in der gesetzlichen Krankenversi- um ein Ausufern der finanziellen Koscherung zu verhindern und Defizite in ten zu verhindern. Gleichzeitig wird der Pflegekasse durch den gemeinsa- man die Möglichkeiten für Leistungsmen Topf bedienen zu lassen. Vor die- erbringer zur eigenverantwortlichen sem Hintergrund fordert und flexiblen Mittelver50% der Demenzder Sachverständigenrat wendung stärken müskranken werden die Anerkennung der Pflesen. gekassen als RehabilitaDie Ressourcen chromit Neuroleptika tionsträger, um auf diese nisch kranker Menschen mehr oder weniger Weise die Trennung zwizu erhalten, ist aus hu„ruhiggestellt“ schen den finanziellen Lasmanen und ökonomiten und dem Erfolgsinteschen Gründen geboten. resse (z.B. bei der geriatrischen Reha- Allerdings muss sowohl die Ärzteschaft bilitation) aufzuheben. Hier wird man als auch die Gesundheitspolitik erkensicherlich eine Festlegung der benötig- nen, dass man mit den jetzigen Strukten Fachlichkeit für die Erbringung be- turen und Abläufen diesem nicht gestimmter Leistungen festlegen müssen, recht wird. Gerade mit Blick auf die Gesundheitsreform 2006 und die darauf folgende Reform der Pflegeversicherung sollte man die pflegerischen, Gesetzliche Pflegeversicherung medizinischen, institutionellen und ge(GPV) setzlichen Möglichkeiten, Ressourcen @ Bundeseinheitlicher Beitragssatz sowohl der Demenzkranken als auch über alle Pflegekassen (1,7%) der betreuenden Angehörigen zu erhalten, das Leiden zu mindern und letzt@ Wegen der Leistungen der Pflegekasse wird nur selten die Krankenlich auch Kosten im Gesundheitswesen kasse gewechselt zu senken, bewusster aufgreifen und umsetzen. Wir sollten mithelfen, den @ Krankenkassen verschieben gerne Kosten in die Pflegekasse Betroffenen und Angehörigen eine Zukunftsperspektive bei ihrem lebensqua@ Defizite werden aus dem gemeinsamen Topf aller Pflegekassen belitätsvermindernden Krankheitsbild zu dient, in den auch die Überschüsse geben und ihnen bei der Eigeninitiatiabgeführt werden ve zu helfen, wie sie anlässlich der Seniorenmesse 2006 in Velbert von einem Betroffenen formuliert wurde „Ich werde anstreben, länger im Leben zu bleiben“. Ursachen für die Schnittstellen-Probleme in der Versorgung Demenzkranker zwischen GKV und GPV. Tabelle 2: @ die Pflegekassen erstatten ihren jeweiligen Krankenkassen die Verwaltungskosten pauschal (3,5% des Mittelwertes aus Leistungsausgaben und Beitragseinnahmen) [s. §46 SDB XI] ➛ d.h. je höher der Pflegeaufwand und die Pflegeausgaben in der Pflegekasse sind, umso mehr Geld fließt in die Krankenkasse!! Prof. Dr. med. Ingo Füsgen, Ärztlicher Direktor des Zentrums für Geriatrie, Lehrstuhl für Geriatrie der Universität Witten-Herdecke, Carnaperstr. 60, 42283 Wuppertal @ im derzeitigen System in Deutschland ➛ gesundheitsökonomische Daten, nach Sauerbrey 2006 finden gesundheitsökonomische Daten ein umso höheres Interesse, wenn die Effekte der jeweiligen Krankenkasse zugute kommen die die Pflegekassen entlasten, werden erst Interesse finden, wenn das Finanzpolster der Pflegeversicherung aufgebraucht ist. Die gesetzlich geregelten Beziehungen zwischen Krankenkasse und Pflegekasse verhindern wirtschaftliches Denken der Verantwortlichen. 22 GERIATRIE JOURNAL 6/06 O N K O L O G I E : S I T U AT I O N G E R I AT R I S C H E R P AT I E N T E N Tumortherapie – Standard oder Sonderfall? Werner Freier, Hildesheim Jeder 2. an Krebs Erkrankte ist über 65 Jahre. Damit ist Krebs eine Erkrankung des Alters, doch viele geriatrische Patienten werden nicht angemessen behandelt. Zu den Gründen zählen fehlende wissenschaftliche Grundlagen und Irrtümer hinsichtlich einer medikamentösen Therapie. D ie Diskussion um die medikamentöse (chemotherapeutische) Behandlung betagter Tumor-Patienten ist noch immer von einer Reihe von Missverständnissen und Irrtümern gekennzeichnet. Einerseits unterschätzen Nicht-Onkologen das therapeutische Repertoire und überschätzen die Toxizität der Therapien. Andererseits überschätzen Onkologen häufig den Faktor Lebensalter und unterschätzen die Möglichkeiten, die darin liegen, geriatrische Patienten über funktionelle Parameter (Assessments) zu definieren. Therapiesituationen Medikamentöse Tumortherapie findet in vier therapeutischen Situationen statt. @ Die „prophylaktische“ Anwendung einer Chemotherapie nach erfolgreicher Operation wird als adjuvante Situation bezeichnet. Diese Behandlung ist indiziert, um das Rezidivrisiko zu senken und die Überlebenswahrscheinlichkeit durch Reduktion der Metastasierung zu verbessern. @ Kurative, auf Heilung ausgelegte Therapien, sind in der Onkologie nur bei wenigen Tumorentitäten (z.B. Hoden CA) oder bei Lymphomen anzutreffen. @ Die weitaus größte Anzahl der onkologischen Patienten wird in palliativer Situation behandelt. Palliativ bedeutet, dass das Therapieziel in Lebensverlängerung oder Symptomlinderung besteht. Auf Heilung besteht bei diesen Patienten keine Aussicht. GERIATRIE JOURNAL 6/06 In palliativer Therapieindikation wird meist anders begründet, um eine tumorspezifische Therapie zu verwerfen. Irrtum 2: Chemotherapie muss im Alter dosisreduziert werden. Ohne Zweifel gibt es einen engen Zusammenhang @ Die Supportivtherapie ist meist keine zwischen der Therapiesituation (adjuvant tumorspezifische medikamentöse The- oder palliativ) und der vom Therapeuten rapie. Hier wird mit nicht zytotoxischen zugemuteten und vom Patienten akzepMedikamenten behandelt, um Symp- tierten Toxizität einer Behandlung. Je stärtome wie z.B. Schmerzen zu lindern. ker der Erfolg einer Therapie von der applizierten Dosisdichte abzuhängen scheint, Irrtum 1: Therapie hat keinen Sinn desto mehr Therapietoxizität wird akzepmehr, denn der Patient ist zu alt. In der tiert. Das betrifft sowohl kurative als auch Vergangenheit herrschte bei Patienten jen- adjuvante Therapiesituationen, in denen seits der 70 Jahre oft ein therapeutischer eine Reduktion der Dosisdichte entweder Nihilismus. Eine Chemotherapie zur Sen- den kurativen Ansatz der Behandlung oder kung des Rezidiv- oder Metastasierungs- die Reduktion des Metastasierungsrisikos risikos – also die adjuvante Therapie – in Frage stellen würde. wurde mit Hinweis auf die (kurze) verDie am häufigsten adjuvant behandelbleibende Lebenszeit abgelehnt [2]. Die ten Tumoren sind das Mammakarzinom prospektive altersbezogene Lebenserwar- und das Kolonkarzinom. Die Behandlung tung eines betagten Patienten wird jedoch des Kolonkarzinoms ist dabei viel wenioft unterschätzt. Ein Blick in die alters- ger hämatotoxisch als die des Mammabezogenen Sterbetafeln lehrt, dass die Le- karzinoms. Hämatotoxizität ist bei älteren benserwartung mit der Patienten insofern proDie Lebenserwartung Anzahl der bereits überblematisch, als der Pool lebten Jahre wächst. Wähan hämatopoetischen eines betagten rend die durchschnittliche Stammzellen im Alter Patienten wird oft Lebenserwartung männdeutlich abnimmt. Der unterschätzt. licher Neugeborener heutLeukozytennadir einer zutage fast 76 Jahre beadjuvanten Chemotheraträgt, steigt die Lebenserwartung eines pie bei Mammakarzinom sinkt daher bei heute 75-Jährigen um weitere elf Jahre, die Älteren im Fortschritt der Therapiezyklen eines 85-jährigen um weitere fünf Jahre [5]. viel stärker ab als bei Jüngeren, was zur FolAus diesem Grund wurde die Altersgren- ge hat, dass seltener die vorgesehene Doze zur Indikation einer adjuvanten The- sisdichte erreicht wird [4]. Andererseits rapie bei kolorektalem Karzinom in den finden sich in der Literatur auch Berichaktualisierten Leitlinien aufgegeben [1]. Bei te über identische Toxizitäten von Cheder Planung einer adjuvanten Therapie motherapien in den Altersstufen über bzw. muss also sorgfältig zwischen altersbezo- unter 70 Jahren [3]. Die Datenlage ist hier gener Lebenserwartung und Überlebens- zu dünn, um eine allgemeine Dosisrewahrscheinlichkeit ohne adjuvante The- duktionsrichtlinie, wie gelegentlich vorrapie abgewogen werden. geschlagen [6], zu unterstützen. 23 O N K O L O G I E : S I T U AT I O N G E R I AT R I S C H E R P AT I E N T E N Tab. 1: Toxizität der Chemotherapeutika In palliativer Therapiesituation werden Kompromisse in der Dosierung im Allgemeinen leichter akzeptiert. Eine Abwägung zwischen Toxizität und therapeutischem Nutzen ist hier auch bei jüngeren Patienten angebracht, um den Erhalt der Lebensqualität – das therapeutische Hauptziel – nicht zu gefährden. Kürzlich konnte gezeigt werden, dass selbst in fortgeschrittener Therapielinie die Toxizität der Therapie bei Älteren (> 70) überraschenderweise nicht höher liegt als bei Jüngeren [7]. Studiengruppe (D-CLLSG) stratifizierten die abgeschlossenen Studien CLL-4 und CLL-5 die Patienten anhand ihres Lebensalters. Es wurde deutlich, dass diese Einteilung dazu führte, dass fitte PaNSCLC* Gemcitabine Ifophamid tienten, die das 65. LeVinorelbine Cisplatin bensjahr überschritten hatCisplatin Etoposid ten, möglicherweise unterIfosphamid Vinorelbine therapiert wurden. In der Nachfolgestudie (CLL-9) Etoposid Gemzitabine wurde daher ein EinKolon FOLFOX Bolus 5-FU teilungsvorschlag nach FOLFIRI FOLFIRI Balducci in den StratifiInfus. 5-FU/Capecitabine FOLFOX zierungsalgorithmus aufBolus 5-FU Infus. 5-FU/Capecitabine genommen. Danach werden Patienten ohne schwe* nicht kleinzelliges ■ höchste Effektivität ■ höchste Toxizität Bronchialkarzinom ■ niedrigste Effektivität ■ niedrigste Toxizität Irrtum 3: Chemotherare Komorbiditäten (go-go) pie ist immer schlecht verintensiver therapiert. Die träglich. In der Bevölkerung, aber auch gen im Allgemeinen über eine große the- intermediäre Gruppe (slow-go) wird mit bei großen Teilen der nicht mit Tumor- rapeutische Breite. Die Grenzziehung mittlerer Intensität behandelt, und die therapie vertrauten Mediziner, herrscht zwischen palliativer Tumortherapie und Gruppe der deutlich gehandicapten Panoch immer die Ansicht, dass Chemo- palliativmedizinischer, symptomorien- tienten (no go) erhält keine zytostatische therapie immer mit belastenden Symp- terter Therapie verschiebt sich dadurch Therapie (Abb. 2). tomen (Alopezie, Nausea, Emesis usw.) immer weiter zugunsten der Möglichkeit verknüpft ist. Wahrscheinlich ist diese der tumorspezifischen (onkologischen) Geriatrische Onkologie in der DGHO Meinung deswegen so weit verbreitet, Therapie (Abb. 1). Krebs ist eine Erkrankung des Alters. weil in der adjuvanten Chemotherapie des Mammakarzinoms auch heute noch stark Irrtum 4: Die Therapiefähigkeit ei- Schon heute ist jeder zweite Betroffene nebenwirkungsbehaftete Medikamente nes Patienten ist durch sein Lebensal- älter als 65 Jahre. Doch während die Zahl Verwendung finden (Tab. 1). Die große ter definiert. Tumorerkrankungen des älterer und sehr alter Krebspatienten seit Zahl der so behandelten Frauen steht höheren Lebensalters machen eine diffe- Jahren steigt, sind die behandelnden Ärzmitten im Leben und kommuniziert die renziertere Betrachtung des geriatrischen te bei ihrer Therapieentscheidung weitNebenwirkungen im sozialen Umfeld. Patienten notwendig. Zum Beispiel im gehend auf sich allein gestellt. Weil älteChemotherapeutische Innovationen, Fall der Chronisch Lymphatischen Leu- re Tumorpatienten in klinischen Studien bei denen das Toxizitätsprofil deutlich kämie (CLL). Die CLL ist eine Erkran- stark unterrepräsentiert sind, fehlt die verbessert wurde, die allerdings oftmals kung, die oftmals erst in einem höheren Grundlage für wissenschaftlich fundiernoch nicht Eingang breite adjuvante The- Lebensalter in ein therapiebedürftiges te Therapieentscheidungen. Die Folge: rapie gefunden haben, werden in der Öf- Stadium übergeht. In der Deutschen CLL Viele Patienten können nicht angemesfentlichkeit viel weniger wahrgenommen. So kann etwa die Therapie des nicht kleinAbbildung 1: Therapeutischer Index zelligen Bronchialkarzinoms heutzutage Überlebenszeit mit sehr gut verträglichen Substanzen Zeit bis Prozess durchgeführt werden (Tab. 1). Symptomverbesserung In diesem Kontext kommt dem Begriff des therapeutischen Index besondeSystemische Therapie re Bedeutung zu. Symptomverbesserung, Verlängerung der progressionsfreien Zeit und Verbesserung des Gesamtüberlebens stehen dabei den Nebenwirkungen der Therapie gegenüber. Moderne Zytostatika, Therapien mit monoklonalen AntiNebenwirkungen körpern oder Enzyminhibitoren verfüToxizität Anthracycline Docetaxel Vinorelbine Paclitaxel Capecitabine nach Possinger 2005 Effektivität Mamma Anthracycline Docetacel Capecitabine Paclitaxel Vinorelbine 24 GERIATRIE JOURNAL 6/06 O N K O L O G I E : S I T U AT I O N sen behandelt werden. Um dieser Tatsache Rechnung zu tragen, hat die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) vor einigen Jahren die Arbeitsgruppe Geriatrische Onkologie gegründet. Initiative Geriatrische Hämatologie und Onkologie Eine weitere wichtige Aktivität ist die von der Fa. Ortho-Biotec unterstützte „Initiative Geriatrische Hämatologie und Onkologie – IN-GHO®“. Sie setzt sich dafür ein, die medizinische Versorgung geriatrischer Krebspatienten durch Informationsangebote sowie durch Forschungsförderung und Fortbildung zu verbessern. Auf der Internetseite www.in-gho.de bietet sich für den Interessierten ein Por- G E R I AT R I S C H E R P AT I E N T E N tal zur Informationsgewinnung. Es können darüber hinaus webbasiert zertifizierte CME-Fortbildungsmodule durchgeführt werden. Das IN-GHO-Patientenregister sammelt seit ca. einem Jahr Daten, die die gegenwärtige Versorgungsrealität geriatrischer Patienten in onkologischen Therapieeinrichtungen abbilden, wobei parallel eine Auswahl geriatrischer Basis-Assessments miterhoben wird (Tab. 2). Implementierung geriatrischer Assessments in eine onkologische Praxis. Bereits in der Pilotphase des IN-GHOPatientenregisters nahm meine Praxis an dieser Untersuchung teil. Zugegebenermaßen war die Implementierung der geriatrischen Assessments für eine hämatologische Praxis überaus ungewohnt. Aller- Abbildung 2: Geriatrisches Assessment Gruppe 1 go go Gruppe 2 slow go Gruppe 3 no go (Unabhängig und ohne schwere Komorbidität) (Abhängig in 1-2 iADL ± 1-2 Komorbidität) (Abhängig in ≥ 1 ADL, ≥ 3 Komorbidität) Lebenserwartung Limitiert durch Tumorerkrankung Limitiert durch Komorbidität Erwartete Erträglichkeit Gut Tumorspezifische Therapie Schlecht Zusammenfassung In der Tumortherapie geriatrischer Patienten können Geriater und Onkologen voneinander lernen. Geriater müssen lernen, dass Chemotherapie in toxizitätsund dosisadaptierter Form auch betagten Patienten angeboten werden kann. Onkologen müssen lernen, dass sich betagte Patienten weniger über ihr Lebensalter, als durch Funktionsparameter definieren. Geriatrische Assessments können in der onkologischen Therapiefindung hilfreich sein. Die Initiative Geriatrische Hämatologie und Onkologie IN-GHO bietet hierbei sowohl für Geriater als auch für Onkologen eine gute Plattform. Literatur Symptomorientierte Therapie (best supportive care) Management of Cancer in the Older Person: A Practical Approach, Balducci L, Extermann M. The Oncologist 2000, 5, 224-237 Mit der Stratifizierung der Patienten mittels eines geriatrischen Assessments stellt die CLL-9-Studie zurzeit einen Meilenstein in der deutschen hämatologischen Studienlandschaft dar. Tab. 2: Geriatrische Assessments im IN-GHO Patientenregister @ iADL – instrumentelle Aktivitäten des täglichen Lebens @ Timed-Up & Go-Test @ ADL – Aktivitäten des täglichen Lebens @ Charlson-Komorbiditätsindex @ MMSE-Test (Mini-Mental State Examination) @ Zwei Fragen aus SKID (Strukturiertes Klinisches Interview nach DSM-IV) GERIATRIE JOURNAL 6/06 dings wurde rasch eine gewisse Routine entwickelt. Mittlerweile wird der Patient bereits beim Einlesen seiner Versichertenkarte für das Patientenregister gescreent. Erteilt der Patient sein Einverständnis, liegen die Daten der Assessments bereits vor, wenn der Patient das Sprechzimmer betritt. Nach anfänglicher Skepsis ist die Akzeptanz geriatrischer Assessments sowohl bei weiteren teilnehmenden Praxen und Kliniken als auch auf Seiten der Patienten sehr gut. Für eine detaillierte Auswertung ist es noch zu früh und es muss sich zeigen, ob die gewählten geriatrischen Assessments für die onkologische Therapieentscheidung hilfreich sein können. 1. AWMF Leitlinien-Register Nr. 032/011; Stand 01/2004 2. Ayanian, J.; JCO 2003; 21; 7: 1293-1300 3. Cascinu, Am. J. Clin. Oncol., 1996; 19: 371-374 4. Dees E, Cancer Invest. 2000; 18: 521-529 5. Oeppen, J., Vaupel, JW., Sience 2002; 296: 10291031 6. Schmoll, HJ; Kompendium internistische Onkologie; Springer 2004 7. Weiss, GJ; J Clin Oncol. 2006 Sep 20; 24 (27): 4405-4411 Dr. Werner Freier, Onkologische Schwerpunktpraxis für Hämatologie und internistische Onkologie Hildesheim und Mitglied Wissenschaftlicher Beirat der Initiative Geriatrische Hämatologie und Onkologie – IN-GHO®. 25 O N KO LO G I E : K N O C H E N M A R KS - UND G R A N U LOZ Y T E N F U N K T I O N Wachstumsfaktoren in der Altersonkologie Gerald F. Kolb, Lingen Das Knochenmark älterer Patienten weist eine verminderte Reserve an stimulierbaren Stammzellen und eine verminderte Aktivität der reifen Granulozyten auf. Aus diesem Grund bedürfen Ältere dringender der Supportion mit Wachstumsfaktoren als Jüngere. B Foto: Rob Bouwman – Fotolia is vor kurzem haben ältere Tumorpatienten nicht im gleichen Ausmaß wie jüngere Patienten von den aktuellen Entwicklungen der medikamentösen Tumortherapie profitiert, da zum einen Risiken und mögliche Erfolge einer Chemotherapie in dieser Altergruppe nur wenig untersucht waren und zum anderen höheres Lebensalter, eingeschränkter Allgemeinzustand oder Komorbidität häufig Ausschlusskriterien klinischer Studien darstellten. Interdisziplinäre Zusammenarbeit auf dem Gebiet der „Geriatrischen Onkologie“ hat zur Erarbeitung aus Therapieempfehlungen zur Tumortherapie bei älteren Patienten geführt, sowie die klinisch-wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Besonderheiten der Tumortherapie im höheren Lebensalter stimuliert [5, 35]. Die interdis- Optimierte Tumortherapie beginnt bereits bei der Auswahl der in Frage kommenden Substanz(en) 26 Abhängigkeit) sowie ihrer Gemütslage erfahren, insbesondere wenn es zum Auftreten schwerer Toxizitäten kommt. Auf der anderen Seite erleben ältere Patienten, die eine effektive Therapie erhalten und keine schweren Nebenwirkungen erziplinäre Arbeitsgruppe „Geriatrische On- leiden, eine messbare Verbesserung ihres kologie“ der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinzustands [10]. Im fortgeGeriatrie und der Deutschen Gesellschaft schrittenen Alter ist somit eine sorgfältifür Hämatologie und Onkologie hat in ei- ge Nutzen-Risiko-Abwägung besonders ner Reihe von Übersichtswichtig [17]. Optimierte … erleben ältere arbeiten zu einzelnen TuTumortherapie beginnt morentitäten sowie zu Patienten eine mess- bereits bei der Auswahl Aspekten der Supportivder in Frage kommenden bare Verbesserung therapie, insbesondere Substanz(en) unter Beihres Allgemeindem Einsatz hämatopoerücksichtigung der indizustands tischer Wachstumsfaktoviduellen Risikosituation ren, den derzeitigen Stand des Patienten. Weitere der klinisch-wissenschaftlichen Forschung Komponenten einer auf Patientensizusammengefasst und Therapieempfeh- cherheit bedachten Therapie sind ein inlungen ausgesprochen [8, 20, 26, 49]. tensiviertes Monitoring von Patienten mit erhöhtem Toxizitätsrisiko und Maßnahmen, um eine adäquate BegleittheChemotherapie und Toxizität bei rapie sowie eine frühzeitige Detektion älteren Tumorpatienten von schwerwiegender Toxizität sicherzuIn vielen Fällen wird bei älteren Tumor- stellen (Tab. 1). Aus diesen Gründen gepatienten auf Grund physiologischer, kog- hört die Tumortherapie älterer Patienten nitiver, emotionaler und sozio-ökono- in die Hände eines speziell geschulten mischer Veränderungen auf die Durch- Personals mit Erfahrung im Umgang mit führung einer zytostatischen Therapie diesen Behandlungen, die zum Teil unverzichtet. So weisen viele Chemothera- versehens letale Risiken bergen können. peutika eine geringe therapeutische Brei- So muss bei älteren Patienten mit einer te auf und es kann bei einer Verminde- höheren Inzidenz folgender Toxizitäten rung der hepatischen und renalen Clea- unter Chemotherapie gerechnet werden: rance zu einer gefährlichen Kumulation Schleimhauttoxizität (Mukositis und der Substanzen oder ihrer Metaboliten Diarrhöe), Kardiotoxizität, Neurotoxikommen. Altersbedingte Änderungen zität, Myelosuppression und schwere Inpharmakokinetischer Parameter können fektionen. Als Ursache hierfür werden somit bei der Wahl der Arzneimitteldo- verschiedene Mechanismen diskutiert: sis bedeutsam werden [4, 7, 36]. Ältere @ Abnahme des Stammzell-Pools, aus dem eine Regeneration insbesondere Patienten können unter einer Chemoschnell profilferierender Gewebe ertherapie eine signifikante Verschlechtefolgt; rung ihres Allgemeinzustands, der Bewältigung instrumentellen Aktivitäten @ reduziert Verstoffwechselung und Ausscheidung zytotoxischer Substanzen; des täglichen Lebens (und somit ihrer GERIATRIE JOURNAL 6/06 O N KO LO G I E : K N O C H E N M A R KS - @ verringerte Reparaturmechanismen nach Zellschädigung; @ kritische Reduktion des funktionellen Gewebes, potentiell mit der Folge, dass zusätzliche Zellschädigung zu Organversagen führen kann. Veränderungen biologischer Funktionen im Alter Tab. 2 bietet eine Übersicht über eine Reihe von biologischen Veränderungen im Alter. Diese können mit einer großen interindividuellen Variabilität bei älteren Menschen angetroffen werden und haben bei starker Ausprägung Konsequenzen für eine medikamentöse Tumortherapie. Mit zunehmendem Alter kommt es unter anderem zu einer Einschränkung der Organfunktionen von Nieren (Abnahme der GFR), Leber (Abnahme der Phase-I-Stoffwechselvorgänge und verminderter hepatischer Blutfluss), Lunge (Abnahme der Elastizität und der Gasaustauschfläche), Herz (Verlust an kardialem Muskelgewebe) und Knochenmark (abnehmende Plastizität und reduzierte Kompensationsfähigkeit in Situationen erhöhten Bedarfs wie unter einer Chemotherapie). Möglicherweise auf Grund einer reduzierten Aktivität der neutrophilen Granulozyten und einer eingeschränkten Lymphozytenfunktion ist außerdem eine Abnahme der Infektabwehr im Alter postuliert worden. Diese können neben der bei älteren Patienten gehäuft auftretenden Myelosuppression ein Grund für septische Komplikationen in der Neutropenie sein. GERIATRIE JOURNAL 6/06 G R A N U LOZ Y T E N F U N K T I O N chenmarksgewebe, das sog. Stroma er- Sinne einer Sepsisepisode, aber auch im fährt im Alter einen deutlichen Umbau Rahmen einer Chemotherapie zunächst mit Vermehrung von Fasern und Fett- auf eine gegenüber Jüngeren nicht vermarksanteilen. Die minderte Anzahl von Zu den wichtigsten Zahl der hämatopluripotenten hämapoetischen Stammtopoetischen StammInnovationen in der Alterszellen hingegen fällt zellen (PHSC) trifft. onkologie zählen neuere gegenüber den jünWir wissen aber auch, nebenwirkungsärmere antigeren Individuen zudass Sepsisepisoden tumoröse Substanzen nächst nicht signifiund auch Chemokant ab. Gleichwohl therapie die Zahl der lässt die Kompensationsfähigkeit gegen- funktionellen Stammzellen bei den älteüber „hämatopoetischem Stress“ nach, ren mindern [39]. insbesondere wenn dieser Stress anhaltend Granulozytenzahl und Granulozytenoder repetitiv auftritt [45]. Wir wissen funktion spielen eine zentrale Rolle soheute, dass hämatopoetischer Stress im wohl hinsichtlich des Erfolges aber auch Tab. 1: Organsystem Nieren Herz Gastrointestinaltrakt Myelotoxizität und Granulozytenfunktion im Alter Ein besonderes Problem im Alter stellt die Hämatotoxizität vieler antitumoröser Therapien dar. Die Veränderungen oder Nichtveränderungen, die das hämatopoetische Organ im Laufe des Alterns aufweist, sind seit längerem Gegenstand einer kontrovers geführten Debatte [38]. Es fällt auf, dass die Zahl aplastischer und dysplastischer Störungen exponentiell mit dem Alter anwächst, wobei der eigentliche Anstieg deutlich jenseits des 75. Lebensjahres liegt. Das funktionelle Kno- UND Nervensystem Supportive Maßnahmen und Monitoring @ Regelmäßige Bestimmung der glomerulären Filtrationsrate (GFR), @ Sicherstellung der Diurese durch Hyperhydratation und Flüssigkeitsbilanzierung, @ Vermeidung der gleichzeitigen Gabe nephrotoxischer Substanzen unter Chemotherapie (cave nicht-steroidale Antiphlogistika!) @ Nephroprotektion mit Theophyllin oder Amifostin, insbesondere bei platinhaltiger Therapie @ Echokardiographische Bestimmung der linksventrikulären Auswurffraktion, eventuell Bestimmung von Troponin vor und unter Antrazyklintherapie @ Verlängerte Infusionsdauer von Anthrazyklinen, @ Beachtung der kumulativen Gesamtdosis, @ Einsatz liposomaler Anthrazykline, @ Organprotektive Pharmaka (Dexrazoxan) zur Prävention der Antrhazyklin-induzierten Kardiomyopathie @ Beachtung von Therapiekontrollen mit geringerem Toxizitätsprofil: z.B. Dauerinfusion statt Bolusgabe von 5-FU, dreiwöchentliche statt wöchentlicher Gabe von Irinotecan, @ Monitoring der Stuhlfrequenz, Einsatz von Loperamid in der Frühphase bei Irinotecan-induzierter Diarrhoe, aggressiver Ausgleich von Wasserhaushalts- und Elektrolytstörungen bei schwerer Diarrhoe, @ Muskositisprophylaxe mit Eiswürfeln bei 5-FU Bolusgaben, penible orale Hygiene und topischer Einsatz von Antimykotika, @ Möglicherweise intravenöser Einsatz von Keratiozyten-Wachstumsfaktor bei 5-FU induzierter Mukositis @ Klinische Untersuchung auf Anzeichen einer zunehmenden Polyneuropathie vor und während einer potentiell neurotoxischen Therapie und frühes Aussetzen bei Anzeichen von Neurotoxizität, @ Limitierung der Gesamtdosis von Vinvristin auf 2 mg absolut alle 14 Tage, Verlängerung der Applikationsdauer von Vinkaalkaoiden, @ Ileusprophylaxe bei Neigung zu Vinkaalkaoid-induzierter Obstipation, @ Versuch einer Prophylaxe mit Amifostin bei platinhaltiger Therapie Möglichkeiten zur supportiven Therapie und der frühen Detektion von Toxizitäten bei der Chemotherapie älterer Patienten. 27 O N KO LO G I E : K N O C H E N M A R KS - der Komplikationsträchtigkeit einer zytoreduktiven Tumortherapie. Von Wichtigkeit ist daher die Frage, ob altersbedingte Veränderungen existieren und ob sie entsprechend kompensiert werden können. Betrachtet man die Reaktion des Knochenmarkes auf „hämatopoetischen Stress“ wie etwa eine Sepsis oder jede ausgeprägte zytoreduktive Chemotherapie, so findet man bei den Älteren im Vergleich zu den Jüngeren eine reduzierte Stammzellenzahl [39]. Diese UND G R A N U LOZ Y T E N F U N K T I O N Veränderungen sind relevant etwa ab dem 70. Lebensjahr und somit Ausdruck einer verminderten Kompensationsfähigkeit zum Ausgleich solcher Stresszustände. Daneben finden sich aber auch Störungen der eigentlichen Granulozytenfunktion i.e. Phagozytose und Bakterizidie, oxydativer Metabolismus und intrazelluläre Kalziumkonzentration sowie Hexosemonophosphatshunt aber auch Chemotaxis und Chemokinese. In Tab. 2: Parameter Veränderung beim alten Patienten Renale Abnahme der Anzahl funktioFunktion neller Nephrone, glomeruläre Filtrationsrate geht zurück Leberfunktion Reduzierter hepatischer Blutfluss, quantitativ verminderte te Phase-I-Reaktion der Metabolisierung von Substanzen Lungenfunktion Abnahme der Lungenkapazität auf Grund Abnahme von Elastizität und Gasaustauschfläche der Lunge Herzfunktion Herabgesetzte Überleitungsgeschwindigkeit der Reizleitung, Abnahme der Myozytenzahl, Lipidablagerungen interamyokardial und in Arterien Knochenmark Verringerte Plastizität der Blutbildung, Abnahme der hämatopoetischen Reservekapazität Immunsystem Gastrointestinaltrakt Fettanteil Gesamtkörperwasser Serumalbumin Abnahme der zellulären und humoralen Immunantwort, reduzierte Aktivität von Granulozyten Reduktion der intestinalen Mukosoberfläche, reduzierte Regenerationsfähigkeit der Mukosa nach Schädigung Zunahme des Fettanteils an der Gesamtkörpermasse Abnahme des Gesamtkörperwassers Abnahme der Serumalbuminkonzentration Auswirkungen für eine zytostatische Therapie Verlängerte Halbwertzeit und Gefahr derAkkumulation renal eliminierter Substanzen Nur bei ausgeprägter Leberfunktionsstörung unmittelbare Auswirkungen auf ZytostatikaGabe Gefahr einer kritischen Lungenschädigung durch potentiell pulmotoxische Zytostatika Erhöhte Ischämiegefahr und gesteigertes Risiko einer Kardiomyopathie durch potentiell kardiotoxische Zytostatika Potentiell schwere Neutrooder Thrombopenie, höheres Anämierisiko unter Chemotherapie Erhöhtes Infektrisiko unter Chemotherapie Verringerte orale Bioverfügbarkeit bestimmter Pharmaka, höheres Risiko für Schleimhauttoxität (Diarrhoe, Obstipation) Verlängerte Halbwertzeit und Gefahr der Akkumulation lipophiler Substanzen auf Grund des größeren Verteilungsvolumens Abnahme des Verteilungsvolumens hydrophiler Wirkstoffe Zunahme frei verfügbarer Zytostatika mit hoher Plasmaeiweißbildung Veränderungen körperlicher Funktonen im Alter mit möglicher Relevanz bei Durchführung einer Chemotherapie 28 jüngsten Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass Phagozytose aber auch der Hexosemonophospattransport signififkant in Abhängigkeit vom Lebensalter verändert, d.h. im Alter reduziert sind. So haben die Granulozyten eines 80-Jährigen nunmehr etwa die Hälfte der phagozytischen Kompetenz wie die eines jugendlichen, etwa 20-jährigen Menschen [48]. Der intrazelluläre Kalziumgehalt, von dem ein negativer Effekt auf die phagozytische Aktivität bekannt ist, steigt hingegen in Abhängigkeit vom Lebensalter kontinuierlich an. Andere Funktionen wie die Chemotaxis zeigen ebenfalls eine Altersabhängigkeit, jedoch mit geringerer statistischer Signifikanz. Ähnliches gilt für die Bakteriezidie (i.e. bacterial killing). Die geschilderten Veränderungen zeigen durchaus Parallelen zu Befunden, wie man sie in früheren Untersuchungen bei Patienten mit Diabetes mellitus und/oder chronischer Niereninsuffizienz unter Hämodialysebehandlung messen konnte [32]. Die klinische Relevanz dieser Ex-vivo-Daten, d.h. im Sinne einer zunehmenden Sepsisgefährdung während einer Chemotherapie, ist bislang nicht bewiesen, aber evidenz-trächtig, zumal speziell im Fall der chronischen Hämodialyse bekannt ist, dass repetetive Stimulation kompromittierter Granulozyten sowohl mit akuten Komplikationen im Sinne einer „Schocklunge“ [31, 33] u.a. als auch mit einem schlechten klinischen Ausgang korreliert sind. Es ist daher überlegenswert, ob neben den proliferationsfördernden, auch die funktionsstimulierenden Eigenschaften von Wachstumsfaktoren im Fall der älteren Patienten wirken. Für die Praxis. Ältere bedürfen dringender der Supportion mit Wachstumsfaktoren als Jüngere, da ihr Knochenmark eine verminderte Reserve an stimulierbaren Stammzellen aufweist [9]. Insgesamt resultiert für Patienten ab dem 70./75. Lebensjahr die Empfehlung, zumindest in den ersten beiden Zyklen Chemotherapeutika vorsichtig zu dosieren. Insbesondere bei einer mehrzyklischen und kombinierten Zytostatikabehandlung gilt der Grundsatz: „start low, go GERIATRIE JOURNAL 6/06 O N KO LO G I E : K N O C H E N M A R KS - UND G R A N U LOZ Y T E N F U N K T I O N slow“, anders ausgedrückt ist es die Auf- der Schädigung korreliert mit der kuforderung zur Nadir-adaptierten Che- mulativen Gesamtdosis von Doxorubicin. motherapie. Mitoxantrone ist als synthetisches AnaZusammengefasst: Granulozytenzahl logon den klassischen Anthrazyklinen und Granulozytenfunktion spielen eine verwandt, aber geringer kardiotoxisch als zentrale Rolle sowohl hinsichtlich des Er- Doxorubicin [23, 43]; ein Vorteil bei der folges aber auch der Komplikations- Behandlung von älteren, kardial komträchtigkeit einer zytorepromittierten Patienten Granulozytenzahl duktiven Tumortherapie. z.B. mit Akuter MyeloiDiese Veränderungen sind scher Leukämie (AML) und Granulozytenrelevant etwa ab dem 70. funktion spielen eine wird propagiert [14]. Lebensjahr und somit Die Neurotoxizität ist zentrale Rolle Ausdruck einer verminein Problem vieler Zytoderten Kompensationsfästatika, wobei außer bei higkeit zum Ausgleich hämatologischer Hochdosisbehandlung mit Cytarabin bisStresszustände, von Wichtigkeit ist daher lang keine Aussagen über ein spezielles die Frage, ob sie entsprechend kompen- neurotoxisches Risiko bei älteren Patiensiert werden können. ten vorliegen [22]. Neuroprotektiv wirkt eine Beimedikation mit Glutaminsäure, Resultierende Therapieempfehlung. der Effekt ist allerdings auf das Vinca-AlDie aktuelle ASCO-Empfehlungen emp- kaloid Vincristin beschränkt [27]. fehlen den prophylaktischen Einsatz von Granulozyten-stimulierenden WachsAdditive Therapien. Additive Theratumsfaktoren bei Patienten >70; wenn ei- pien z.B. Bisphosphonate werden im Alne Hämatotoxizität von ≥ 40% erwartet ter seltener angewandt, obwohl sie im wird. Alter wesentlich häufiger als bei jüngeren Patienten benötigt würden [6]. Ähnliches gilt für den Einsatz von hämatoTherapeutische Alternativen, poetischen Wachstumsfaktoren. Dabei supportive und additive Therapien wird das oben beschriebene besondere und Maßnahmen Problem der Hämatotoxizität von CheZu den wichtigsten Innovationen in der motherapie im Alter durch den Einsatz Altersonkologie zählen neben Antidots von granulopoetischen Wachstumsfakund Antibiotika, neuere nebenwirkungs- toren gemildert. Inwieweit diese Faktoärmere antitumoröse Substanzen. Anti- ren (Granulozyten-Kolonie-stimulierenkörper werden derzeit bei einer Reihe der Faktor = G-CSF und Granulozytenvon soliden Tumoren, besonders aber bei Makrophagen-Kolonie-stimulierender Lymphomen erprobt, eine allgemeine Faktor = GM-CSF) ihrerseits als hämaEmpfehlung kann dabei noch nicht ge- tologischer Stress, insbesondere bei regeben werden [42]. Grundsätzlich ist die- petitiver Anwendung im Alter die Knose praktisch untoxische Option jedoch chenmarksreserve reduzieren, ist bislang gerade für die Gruppe der älteren Pa- nicht untersucht. Gesichert ist ein Vortienten interessant, da neben den An- teil des Einsatzes von Wachstumsfaktothrazyklinen auch für 5-Fluorouracil (5- ren bei Patienten ab einem Alter von 60 FU) ein kardiotoxischer Effekt bekannt Jahren mit AML [17, 24, 46, 47]. Empist. Insbesondere bei vorbestehender fohlen wird die Gabe von G(M)-CSF, ischämischer koronarer Herzerkrankung wenn eine Granulozytopenie von <1.000 ist bei 5-FU Vorsicht geboten [12, 40]. Granulozyten/µl erwartet wird. Die Kardiotoxizität von Doxorubicin hinDie medikamentöse Unterdrückung gegen basiert auf einer Schädigung myo- von Nausea und Erbrechen als Nebenkardialer Sarkolemme [41] durch freie wirkung von Chemotherapie erfordert Radikale, die über eine Reaktion des Me- bei älteren keine besonderen, von den dikaments mit sarkolemmalen Eisenionen Behandlungen jüngerer Patienten abentstehen, was klinisch zu dilatativen weichenden Richtlinien und MaßnahHerzerkrankungen führt. Das Ausmaß men [13]. Wichtig für die Compliance GERIATRIE JOURNAL 6/06 ist, dass die Behandlung konsequent und prophylaktisch gehandhabt wird. Supportive Maßnahmen. Zu den supportiven Maßnahmen gehört die antibiotische Therapie bei einer therapie-induzierten Granulozytopenie mit Sepsis. Diese erfolgt nach Stufenplan, wobei idealerweise die lokale Resistenzsituation Berücksichtigung findet. Inwieweit eine hin und wieder propagierte prophylaktische Antibiotikagabe einen Vorteil für ältere Patienten bringt, muss sehr kritisch hinterfragt werden. Wichtig hingegen und viel zuwenig beachtet ist eine optimierte Ernährung als Infektionsprophylaxe gerade für ältere Tumorpatienten [15]. Zur Supportion zählt aber auch ein regelmäßig zu wiederholendes geriatrisches Funktionsassessment [19]. Letzteres ist in einem Beitrag von L. Balducci im Schwerpunktheft Geriatrische Onkologie des European Journal of Geriatrics [4] ausführlich dargelegt und bedarf daher hier keiner weiteren Erläuterung. Wer soll die geriatrischen Tumorpatienten behandeln? Bislang völlig unterentwickelt ist die Zusammenarbeit zwischen Onkologen und Geriatern. Dabei ist aus amerikanischen Untersuchungen bekannt, dass ein interdisziplinäres Training beider Fachgruppen die rechtzeitige Diagnosestellung, die Therapieentscheidung und den Behandlungserfolg nachhaltig beeinflussen [21, 29, 30]. Interdisziplinarität und Wissenstransfer von Geriatrie zur Onkologie und vice versa sind gefragt [44]. Trotz erster Ansätze für ein derartiges, standardisiertes geriatrisch-onkologisches Training [11] bleibt festzustellen, dass die klassische Onkologie sich nur viel zu selten mit geriatrischen Tumorpatienten beschäftigt. Die Gründe hierfür sind vielfältiger Natur. Jedenfalls ist die systematische Erarbeitung von Therapiestandards anhand klinischer Studien bei jüngeren Patienten Routine, bei älteren die rare Ausnahme. Im Endergebnis führt die mangelhafte Datenlage, die aus der weitgehenden Unterrepräsentanz von älteren Tumorpatienten in klinischen Studien 29 O N KO LO G I E : K N O C H E N M A R KS - UND G R A N U LOZ Y T E N F U N K T I O N herrührt dazu, dass es keine für höhere schlechter aus, als sie es unter günstigen Lebensalter spezifische Diagnose- und Bedingungen müssten. Die defizitäre SiBehandlungsstandards gibt. tuation und der daraus resultierende AufAus diesem Grunde hat sich eine inter- trag sind hingegen klar. Wollen wir erdisziplinäre Arbeitsgruppe* aus den Be- folgreiche Sachwalter unserer älteren Tureichen Onkologie und Geriatrie for- morpatienten sein, so müssen wir die miert, die Ende 1999 offiziell durch die Datenlage zur Wirksamkeit und Effektibeiden wissenschaftlichen Gesellschaf- vität der Tumorbehandlung älterer Paten, Deutsche Gesellschaft für Geriatrie tienten verbessern. Dies wird in Zukunft und Deutsche Gesellschaft für Hämato- der beste Schutz vor einem scheinbar geOnkologie, autorisiert sundheits-ökonomisch, Additive Therapien wurden. Selbstgesetzte in Wirklichkeit aber Aufgaben dieser Ar- werden im Alter seltener monetär begründeten beitsgruppe sind Sichethischen Utilarismus angewandt, obwohl tung und Auswertung [1, 28] sein. Der beste sie wesentlich häufiger der aktuellen DatenlaWeg, hin zu einer gebenötigt würden ge hinsichtlich Aussasundheitspolitisch und gefähigkeit bezüglich ethisch gleichermaßen älterer Krebspatienten [7, 26, 34, 37] vertretbaren Behandlung älterer Tumorund daraus abgeleitet die Feststellung patienten, führt deshalb unabdingbar von Defiziten und eine aktuelle Darle- über kontrollierte prospektive Studien gung des klinischen Forschungsbedarfs. zur Wirksamkeit und Effizienz der DiaIn Zusammenarbeit mit der deutschen gnose- und Behandlungsmaßnahmen Krebsgesellschaft ist es die Formulierung beim älteren Tumorpatienten. von Empfehlungen für die zukünftige Ausgestaltung klinisch-onkologischer Literatur 1. Bailes JS (1997) Health care economics of cancer in Studien durch Aufnahme einer ausreithe elderly. Cancer 80: 1348-1350 chenden Zahl von älteren Patienten, 2. Balducci L, Corcoran MB (2000). Antineoplastic chemotherapy of the older cancer patient. 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Blood 84: 29232929 Behandlungsversuche im Alter fallen * Mitglieder der Arbeitsgruppe „Geriatrische Onkologie“ DGG/DGHO: C. Bokemeyer, Hamburg; T. Beinert, Wartenberg; C. Friedrich, Bochum; M. Freund, Rostock; M. Görner, Bielefeld; M. Graubner, Schotten; K.P. Hellriegel, Berlin; F. Honecker, Hamburg; K.-M. Koeppen, Berlin; G. Kolb, Lingen (Ems); J. Meran, Wien; H.-G. Mergenthaler, Stuttgart; L. Pientka, Bochum; H. Schmidt, Hameln; S. Schmitz, Köln; Schröder M, Duisburg; E. Spät-Schwalbe, Berlin; R. Stauder, Innsbruck; U. Wedding, Jena; G. Wendt, Jena; 30 10. Chen H, Cantor A, Meyer J, Corcoran MB, Grendys E, Cavanaugh D, Antonek S, Camarata A, Haley W, Balducci L, Exterman M (2003) Can older cancer patients tolerate chemotherapy? Cancer 97: 11071114 11. Cohen HJ (1997) The oncology geriatric education retreat. Commentary and conclusions. Cancer 80: 1354-1356 12. Collins C, Weiden PL (1987) Cardiotoxicity of 5fluorouracil. Cancer Treat Rep 71: 733-736 13. 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Auch Kontraindikationen und Medikamenteninteraktionen schränken die Anwendung von Nichtopioiden und schwachwirksamen Opioiden ein. Die Auswahl der Applikationsform stark wirksamer Opioide sollte nach pharmakokinetischen Erwägungen erfolgen. E pidemiologische Daten zu Tumorschmerzen in der deutschen Bevölkerung basieren hauptsächlich auf Hochrechnungen und nicht auf direkten epidemiologischen Erhebungen. Man geht in Deutschland von einer Prävalenz von 672.200 Tumorerkrankungen, einer Inzidenz von 336.100 und einer Mortalität von 212.913 Fällen aus [10]. Unter der Annahme, dass ca. 30-50% aller Tumorerkrankten, die sich dem Versuch einer kurativen Behandlung unterziehen, und ca. 70-90% der Patienten in fortgeschrittenen Tumorstadien unter schweren Schmerzzuständen leiden, müsste demnach die Zahl der Tumorschmerzpatienten ca. 220.000 bis 530.000 betragen [12, 23, 32, 37, 41, 67]. verändern das Verteilungsvolumen von Pharmaka. Bei Analgetika mit einer hohen Plasmaproteinbindung kann ein pathologisch erniedrigter Plasmaeiweißgehalt zu Wirkverstärkungen in einem unkalkulierbaren Ausmaß führen. Durch Verminderung des Herzzeitvolumens, der Leber- und Nierenperfusion, welche regelhaft mit einer Einschränkung der hepatischen Metabolisierungskapazität und renalen Eliminationseinschränkung einhergeht, kommt es zu einer verzögerten Rückverteilung und Metabolisierung verschiedener Pharmaka mit der Folge einer Verlängerung der Halbwertszeit [16, 17, 18, 25, 57, 60, 65, 72, 73, 86]. Schmerzen Schmerzen durch tumorbedingte direkte Gewebeschädigung nehmen den Hauptanteil (60-90%) therapiebedürftiger Alters„physiologische“ Veränderungen Der Umbau der Körpergewebe und die Veränderungen der Perfusion führen zu einer Einschränkung physiologischer Kompensationsmechanismen. So ist im Alter die enterale Resorption von Analgetika beeinträchtigt. Insbesondere bei Medikamenten in nicht retardierter Galenik besteht hierbei die Gefahr einer Überdosierung, weil diese Resorptionsverzögerung als unzureichende Dosierung fehlinterpretiert werden kann und deshalb zu frühzeitig erneute Applikationen erfolgen. Die Zunahme des Fettgehaltes am Körpergewicht, die Verringerung der Muskelmasse und des intrazellulären Wassergehalts Foto: Dmitriy Aseev - Fotolia 33. Kolb G (1996) Pulmonale (Neben)Wirkungen extrakorporaler Therapieverfahren. Wien Klin Wochschr 108: 15-20 34. Kolb G (2000) Geriatrische Onkologie als Herausforderung. Euro J Ger 2: 155-162 35. Kolb G, Bokemeyer C (2002) Aktivitäten der AG „Geriatrische Onkologie DGG/DGHO“. Euro J Ger 4: 19 36. Lichtman SM, Villani G (2000) Chemotherapy in the elderly: Pharmacologic considerations. Cancer Control 7: 548-556 37. Lipp HP, Bokemeyer C (2000) Supportivtherapie in der klinischen Onkologie. Krankenhauspharmazie 21: 559-575 38. Lipschitz DA, Udupa KB (1986) Age and the hematopoetic system. 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Reader erhältlich über Prof. Dr. Illiger, Klinik für Innere Medizin II, Städt. Kliniken Oldenburg, Dr. EdenStr. 10, 26133 Oldenburg Bis zu 67% der Tumorschmerzpatienten sind unzureichend analgetisch versorgt. 31 A LG ES I O LO G I E : T U M O R S C H M E R Z E N Symptome Symptome müssen hinsichtlich ihrer Ätiologie nach tumorbedingten oder therapiebedingten unterschieden werden. Die Inzidenz verschiedener Symptome beträgt bei Tumorpatienten bis zu 70%. Eine unzureichende Symptomkontrolle kann zum Abbruch einer Schmerztherapie führen. Gerade geriatrische Tumorpatienten stellen eine Risikogruppe bezüglich zentralnervöser oder gastrointestinaler Symptome dar. Beim Auftreten von zentralen Nebenwirkungen – wie der einer Sedation, Halluzinationen, Verwirrtheit, Pseudodemenz – sollte nach Ausschluss tumorassoziierter Ursachen (z.B. zerebrale Metastase, Hyperkalziämie) zunächst eine abgestufte Dosisreduktion zentral wirksamer Analgetika in Abhängigkeit von der Schmerzausprägung erfolgen. Im Falle einer ausbleibenden Linderung dieser zentralen Symptome stellt die Technik der Opioidrotation eine Alternative dar. Dabei wird zunächst die morphinäquivalente Dosis des Ursprungsopioids errechnet. Die Dosis des Folge- 32 opioids sollte zunächst zwei Drittel dieser morphinäquivalenten Dosis betragen und dann gemäß Schmerzniveau und dem Auftreten von Nebenwirkungen titrierend „einjustiert“ werden. Als Faustformel für die Dosierung bei der Behandlung von Schmerzspitzen sollte man 1/6 der Tagesdosis wählen (Abb. 2) [19, 55]. Häufig sind Medikamenteninteraktionen Ursachen von „opioidartigen“ Neben- wirksame Laxanzien eingesetzt werden, welche bei ggf. ausbleibenden Erfolg höher dosiert werden können und durch propulsiv wirksame Laxanzien ergänzt werden können. Ein abgestuftes Vorgehen nach einem festgelegten Schema ist empfehlenswert [88]. Bei der Symptomkontrolle von Nausea und Emesis ist bei geriatrischen Patienten nicht nur die Verwendung von Neuro- Abb. 2: Technik der Opioidrotation Tagesdosis des Ursprungsopioids (mg/d) ➡ ➡ ➡ ➡ Schmerzen ein. Organisch begründete Schmerzursachen werden bei vielen Patienten durch psychosoziale Faktoren verstärkt oder unterhalten [35]. Tumorschmerzen sollten nach Topographie, Schmerzqualität und Schmerzmechanismus klassifiziert werden, um eine dem neurophysiologischen Korrelat gemäße Therapie einleiten zu können. So bedingt ein nozizeptiver Schmerz eine Therapie mit Nicht-Opioiden (saure und nicht-saure) und Opioiden, während neuropathische Schmerzen zunächst mit Antidepressiva und Antiepileptika behandelt werden [42]. Durchbruchschmerzen, die als „breakthrough pain“ zusätzlich zu einem stabilen Ruheschmerz auftreten, oder Belastungsschmerzen („incident pain“), die bei Bewegungen oder anderen Patientenaktionen, wie Schlucken, Wasserlassen oder Husten entstehen, komplizieren die Schmerzsymptomatik. Diese Schmerzen erfordern eine schnell wirksame Bedarfsmedikation neben einer ausreichenden Basisanalgesie (Opioid, Nicht-Opioid, Koanalgetikum) [81]. Umrechnung in morphinäquivalente Tagesdosis (mg/d) Reduktion auf 66% Umrechnung auf Zielopioid (mg/d) Aufteilung in zwei Tagesdosen (orale Retardopioide) + Zusätzliche Bedarfsmedikation (1/6 der Tagesdosis)Autor: wirkungen. Zentralwirksame Substanzen wie Benzoediazepine, Barbiturate, Neuroleptika, MAO-Inhibitoren, Antiepileptika oder trizyklische Antidepressiva intensivieren die sedierenden Effekte von Opioiden. Weitere Wirkverstärkungen von zentralen Effekten unter einer Opioidtherapie treten unter Kalziumantagonisten, alpha1-Blockern, H1/H2-Inhibitoren und Antiemetika auf [18, 56, 76, 83]. Der Beginn einer Opioidtherapie verlangt eine konsequente Prophylaxe und Therapie der gastrointestinalen Symptome Nausea, Emesis und Obstipation durch den Einsatz von Antiemetika und Laxanzien. Gerade der immobile und exsikkierte Patient unter einer Polymedikation ist hinsichtlich des Auftretens einer Obstipation stark gefährdet. Butylscopolamin, Antidepressiva, Neuroleptika, Anticholinergika, Antihistaminika, Kalziumantagonisten oder Diuretika begünstigen ihrerseits eine Obstipation [26]. Neben (oft schwierig durchführbaren) Basismaßnahmen, wie dem Versuch einer Mobilisation oder der Flüssigkeitszufuhr, sollten prophylaktisch Laxanzien verabreicht werden. Nach physiologischen Gesichtspunkten sollten zunächst osmotisch leptika (Haloperidol, Promethazin, etc.) problematisch, sondern auch von Antiemetika vom Typ des Metoclopramid, da diese Substanzen ein Parkinson-Syndrom auslösen oder verstärken können. WHO-Stufenschema Hauptprinzip des von der World Health Organisation (WHO) empfohlenen Stufenplans zur Therapie von Tumorschmerzen, heutzutage Standard der Schmerztherapie überhaupt, ist die Gewährleistung eines konstanten Blutspiegels der Analgetika über eine nicht invasive (oral oder transdermal) regelmäßige Einnahme nach einem zeitlich festgelegten Schema. Die Wirkdauer bestimmt das Dosisintervall. Entsprechend des therapeutischen Erfolges kommen die Analgetika in eskalierender Weise gemäß einem vorgegebenen Stufenplan zum Einsatz. Die Stufe I beinhaltet die Anwendung von Nichtopioiden, die bei unzureichender Wirkung in der Stufe II mit schwachwirksamen Opioiden ergänzt wird. Stufe III bedeutet den Austausch dieser schwach wirksamen durch stark wirksame Opioide. Ko-Analgetika, symptomkontrollieGERIATRIE JOURNAL 6/06 A LG ES I O LO G I E : T U M O R S C H M E R Z E N rende Medikamente und Minimal-invasive Maßnahmen sind auf jeder Stufe möglich (Tab. 1) [6, 42, 43, 81, 89]. Trotz dieses eingängigen Konzeptes bereitet die praktische Umsetzung des WHO-Schemas große Probleme. Bis zu 67% der Tumorschmerzpatienten sind unzureichend analgetisch versorgt. Die Gründe dafür liegen in Wissens- und Ausbildungsdefiziten von Ärzten, aber auch in ringeres gastrointestinales Risiko auf, dem gegenüber steht aber eine erhöhte Inzidenz von kardiovaskulären und zerebrovaskulären Komplikationen. Zudem besteht für die Therapie von Tumorschmerzen keine offizielle Indikation von Coxiben. Neuere Publikationen weisen darauf hin, dass auch die unselektiven ein den selektiven Zyklooxygenase-Inhibitoren et- Tab. 1: WHO Stufenschema Stufe 1 Nicht-Opioide Stufe 2 Schwach wirksame Opioide + Nicht-Opioide Stufe 3 Stark wirksame Opioide (Ersatz der schwach wirksamen Opioide) + Nicht-Opioide Auf jeder Stufe möglich: Ko-Analgetika, Adjuvanzien, minimalinvasive Verfahren Anwendungs- und Complianceproblemen von Patienten. Oft werden Opioide wegen vermeintlicher Obergrenzen nur unzureichend dosiert [40, 46, 50]. Stufe I – Nicht-Opioide Die hohe Wirksamkeit der NSAR bei Tumorschmerzen, insbesondere bei Knochenmetastasen, ist gut belegt [3, 59]. Dabei ist die Effektivität der einzelnen NSAR vergleichbar [22, 85]. Für die Therapie mit Zyklooxygenasehemmern im Alter stellt das häufigere Auftreten von gastrointestinalen und renalen Nebenwirkungen eine gravierende Einschränkung dar. Gerade ältere Patienten sind als Risikogruppe für das Auftreten solcher Komplikationen anzusehen [8, 27, 29, 83]. Einschränkungen der renalen Funktion werden regelmäßig bei selektiven und nicht-selektiven Zyklooxygenasehemmern gesehen. Für Deutschland wird die Rate von NSAR-bedingten Ulkuskomplikationen mit letalem Ausgang auf 2.200 geschätzt [15]. Deshalb sollte eine NSARTherapie ausschließlich unter einer Prophylaxe mit Magenschutztherapeutika vom Typ der Protonenpumpeninhibitoren erfolgen [90]. Die Therapie mit „selektiven“ Zyklooxygenase-II-Hemmern weist zwar ein geGERIATRIE JOURNAL 6/06 wa gleichwertiges kardiovaskuläres Risiko aufweisen. Damit ist die Einsetzbarkeit dieser Medikamente bei der Risikogruppe „Geriatrischer Patient“ mit einer erhöhten Inzidenz alterstypischer Befunde wie der einer arteriellen Hypertonie oder einer koronaren Herzerkrankung eingeschränkt. Dennoch sollte im Einzelfall eine Kosten-Nutzen-Risiko-Analyse erfolgen. In Einzelfallentscheidungen kann bei inkurablen Erkrankungen mit infauster Prognose, begrenzter Lebenserwartung und starken, anders nicht zu behandelnden Schmerzen das erhöhte kardiovaskuläre Risiko von Zyklooxygenase-Inhibitoren vernachlässigt werden, wenn dies mit Patienten und deren Angehörigen besprochen wird [9, 38, 39, 61]. Metamizol und Paracetamol weisen ein niedriges Gastropathierisiko auf. Allerdings ist die therapeutische Breite von oral appliziertem Paracetamol eng, so dass die Gefahr hepatotoxischer Effekte besteht. Deshalb ist eine Dosisreduktion von Paracetamol bei malnutritierten, alten Patienten angezeigt. Metamizol besitzt gute analgetische Eigenschaften. Wegen seiner spasmolytischen Potenz ist insbesondere der viszerale nozizeptive Schmerz Hauptindikation. Der Beipackzettel von Metamizol führt die besonders strenge Indikationsstellung bei Nieren- oder Leberinsuffzienz an, dennoch ist die Anwendung unter Überwachung der entsprechenden Laborparameter möglich. Die entsprechende Inzidenz der Nebenwirkung Agranulozytose wird zurzeit kontrovers diskutiert. Eine in Schweden durchgeführte Studie ergab ein erhöhtes Risiko für diese nach Absetzen zumeist reversible Komplikation. Aus Sicherheitsgründen sollten regelmäßig Blutbildkontrollen erfolgen [10, 35, 36, 45, 54, 69, 85]. Insgesamt ist somit die WHOStufe I bei älteren Tumorschmerzpatienten nur bedingt anwendbar [9, 66]. Opioide – pharmakokinetische Aspekte und Applikationsformen Im Gegensatz zu den Nichtopioiden zeigen Opioide keine organtoxischen Effekte. Grundsätzlich sollten Schmerzpatienten Retardpräparate erhalten, um konstante Blutspiegel zu erreichen. Dennoch sollte die Steuerbarkeit erhalten bleiben, damit auch kurzfristige Dosisanpassungen möglich sind. Schmerzspitzen sollten mit kurzwirksamen Formulierungen der gewählten Retardopioide therapiert werden, ohne dass verschiedene Opioide gemischt werden. Opioide mit einer langen Eliminationshalbwertszeit, wie z.B. Methadon oder die langwirksame Matrixpflasterapplikationen von Buprenorphin und Fentanyl sind wegen der erhöhten Kumulationsgefahren bei geriatrischen Patienten wenig vorteilhaft. Insbesondere opioidnaive Patienten sind bei der Gabe dieser Zubereitungen für gravierende Nebenwirkungen, wie einer Sedation oder respiratorische Depression, prädisponiert. Dadurch wird gerade bei geriatrischen Patienten mit einer vorbestehenden oralen Polymedikation der Vorteil der technisch einfachen transdermalen Opioidapplikation konterkariert. Dennoch bleibt die transdermale Opioidapplikation bei Patienten mit Schwierigkeiten der oralen Aufnahme, z.B. bei ausgedehnten oropharyngealen Tumoren oder enteralen Resorptionsstörungen, oft die einzige Möglichkeit einer suffizienten Schmerztherapie. Umrechnungsfaktoren der verschiedenen Opioidzubereitungen finden sich in Tabelle 2 [13, 24, 25, 57, 60, 84]. 33 A LG ES I O LO G I E : T U M O R S C H M E R Z E N Stufe II – schwach wirksame Opioide mit anderen Antidepressiva [1, 28, 51, 56]. Ein weiteres Interaktionspotential im Sinne einer Wirkabschwächung besteht auch bei der gleichzeitigen Anwendung von Antiemetika, wie dem Ondansetron, und der emetogen Substanz Tramadol [7]. Tilidin unterliegt in der Kombination mit dem Opioid-Antagonisten Naloxon nicht der Betäubungsmittelverordnung. Tilidin ist ein Prodrug mit einem hohen First-Pass-Effekt, welches zu Nortilidin metabolisiert wird. Bei leberinsuffizienten Patienten reduziert sich der First-PassEffekt, so dass unbedingt eine Dosisreduktion erfolgen sollte. Da bei niereninsuffizienten Patienten die plasmatische Konzentration von Nortilidin unverändert bleibt, scheint dahingegen eine Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz nicht erforderlich [82]. Insgesamt sind Opioide der WHO-Stufe II in der Anwendung bei multimorbiden älteren Patienten eher problematisch, obwohl die Tatsache, dass sie in Deutschland nicht der Betäubungsmittelverordnung unterliegen, das Gegenteil suggeriert. Diese Medikamente unterliegen in Deutschland nicht der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BTMVV), was dazu geführt hat, dass sie in Deutschland zu den am häufigsten verschriebenen Opioiden zählen. Dabei birgt im Alter die Einschränkung der hepatischen Aktivität bzw. des Cytochrom P450 die Gefahr einer verminderten Metabolisierung der Opioide Tramadol, Codein und Dihydrocodein in sich. Diese WHO-Stufe-II-Opioide werden in diesem Fall in nicht ausreichender Menge in ihren analgetisch wirksamen Metaboliten (Tramadol > M1 ((+)O-Desmethyl-Tramadol), Codein > Morphin) überführt, so dass klinisch eine verminderte Wirksamkeit dieser Substanzen resultiert. Ca. 10% der Bevölkerung Europas sind zudem als „poor metabolizers“ mit einer Defizienz des Cytochrom 4502D6 Systems auf Grund eines genetischen Polymorphismus anzusehen. Bei dieser Bevölkerungsgruppe muss man also per se mit einer reduzierten analgetischen Wirksamkeit rechnen. Die gleichzeitige Kumulation aktiver Metabolite erzeugt bei renaler Einschränkung gravierende Nebenwirkungen [25, 31, 49, 79]. Zusätzlich zeigt der µ-Agonist Tramadol über die Wiederaufnahmehemmung von Serotonin und Noradrenalin im synaptischen Spalt einen dualen Wirkmechanismus. Damit besitzt dieser Stoff nicht nur die Eigenschaften trizyklischer Antidepressiva, sondern auch deren Nebenwirkungsprofil mit der Gefahr der Interaktion Stufe III – stark wirksame Opioide Auch das stark wirksame Opioid Morphin bildet beim Abbau aktive Metabolite, die ihrerseits analgetisch effektiv sind und Nebenwirkungen erzeugen können. Die Metabolite Morphin-3- und Morphin-6-Glucuronid wirken gegensätzlich, da Morphin-6-Glucuronid analgetische Potenz besitzt, während Morphin-3-Glucuronid sogar algetisch wirkt. Bei einer renalen Funktionseinschränkung besteht für Morphin-6-Glucuronid Kumulationsgefahr [20, 65, 77]. Eine geringe Plasmaeiweißbindung bei nur geringer Bildung aktiver Metabolite zeigen die Substanzen Hydromorphon und Oxycodon. Insofern könnte der Einsatz dieser Opioide gerade bei geriatrischen Patienten vorteilhaft sein. Möglicherweise besitzen Oxycodon und Hydromorphon gegenüber Morphin ein geringeres Potential von Opioidnebenwirkungen. Obwohl prinzipiell bei beiden Substanzen eine vorsichtige Dosierung für die Anwendung bei geriatrischen Patienten angezeigt ist, scheint bei oralem Hydromorphon seltener eine Dosisreduktion notwendig zu sein. Für Hydromorphon bestehen Hinweise auf eine potentielle Differentialindikation bei renaler Insuffizienz [20, 33, 52, 55, 71]. Da beim Abbau von Methadon keine aktiven Metabolite entstehen, könnte diese Substanz bei renaler Insuffizienz vorteilhaft sein, aber eine lange Halbwertszeit schränkt den Einsatz unter dem Aspekt von Steuerbarkeit und Sicherheit bei alten Patienten ein [20, 48]. Bei geriatrischen Patienten kann die transdermale Applikation von Fentanyl zu Kumulation führen. Obwohl häufig ein günstigeres Nebenwirkungsspektrum für die transdermale Applikation von Fentanyl angenommen wird, ergeben Unter- Tab. 2: Äquivalenzdosen von Opioiden – Anhaltswerte nach [40] Substanz Tramadol ret. (oral) mg Tilidin/Naloxon ret. (oral) mg Dihydrocodein* ret. (oral) mg Morphin (oral) mg Morphin parenteral (i.v., s.c.) Oxycodon (oral) mg L-Methadon (oral) mg Hydromorphon ret. (oral) mg Buprenorphin sublingual mg Buprenorphin transdermal (µg/h) Fentanyl transdermal (µg/h) 34 Tagesdosis 200 300 200 300 120 240 20 30 5 10 10 15 7,5 4 0,4 0,6 – – – – 600 600 480 720 60 90 120 20 30 40 30 60 60 Individuelle Titration 8 12 16 0,8 1,2 1,6 35 52,5 70 25 1 50 180 60 90 300 100 200 480 160 240 600 200 900 300 24 40 64 80 120 2,4 3,2 3,6 4 105 höhere Dosierungen nicht empfohlen 75 125 200 250 375 Faktor 0,1 0,1 0,15 1 2-3 2 4 (5-) 7,5 75 100 GERIATRIE JOURNAL 6/06 A LG ES I O LO G I E : T U M O R S C H M E R Z E N suchungen zur Lebensqualität im Vergleich zu einer oralen Opioidmedikation keine Hinweise auf Vorteile, sondern beschreiben im Gegenteil höhere Therapieabbruchraten von Patienten mit transdermalem Fentanyl. Die Interpretation von Studien, die geringere Inzidenzen und Schweregrade einer opioidvermittelten Obstipation beschreiben, führt zu teilweise widersprüchlichen Ergebnissen. Für die Therapie von Schmerzen, die in ihrer Intensität stark schwanken, ist die alleinige transdermale Applikationsform nicht geeignet. Der transmukosal-bukkale Applikationsweg stellt eine sinnvolle Ergänzung zur Behandlung von Durchbruchsschmerzen dar, könnte aber bei alten Patienten zu Handhabungsproblemen führen. Zurzeit liegen allerdings dazu keine Untersuchungen bei geriatrischen Patienten vor [2, 4, 5, 49, 53, 68, 78]. Für die transdermale Gabe von Buprenorphin bestehen prinzipiell die gleichen Einschränkungen wie für die von transdermalen Fentanyl. Für die Therapie von Schmerzspitzen steht zusätzlich die sublinguale Applikationsform zur Verfügung. Publikationen zur Pharmakokinetik von transdermalem Buprenorphin finden sich nicht, wohl aber zur sublingualen Anwendung bei geriatrischen Patienten. In Anwendungsbeobachtungen fällt ein hoher Anteil des Beigebrauchs weiterer Opioidsubstanzen auf. Der Äquipotenzfaktor zum transdermalen Fentanyl und die Höhe der Dosis, bei dem der Ceiling-Effekt eintritt, sind umstritten. Bei Patienten mit renaler Funktionseinschränkung ist die Gabe von Buprenorphin sicher, obwohl der Anstieg der Plasmakonzentration von Metaboliten beschrieben wird. Der Metabolit Norbuprenorphin besitzt allerdings eine zehnmal stärkere atemdepressive Potenz als die Muttersubstanz [14, 34, 44, 58, 62, 63, 75, 76, 80, 87]. Ko-Analgetika Auf jeder Stufe des WHO Schemas sind die so genannten Koanalgetika anwendbar. Trizyklische Antidepressiva, wie Amitryptilin oder Doxepin, und Antiepileptika, wie Gabapentin oder Pregabalin, dienen klassischerweise zur Behandlung von neuropathischen Schmerzen. Auch BisGERIATRIE JOURNAL 6/06 rungen mit einer erhöhten Gefahr von Nebenwirkungen bei geringer individueller Vorhersehbarkeit. Dies erfordert ein spezifisches Vorgehen entsprechend des Schweregrades der jeweiligen Organdysfunktion. Bei Patienten mit altersbedingten Einschränkungen der Organfunktion ist die Anwendung der Nichtopioide und Weitere Verfahren schwach wirksamen Opioide häufig Beispiele für minimalinvasive oder anäs- kontraindiziert oder unvorteilhaft. Desthesiologische Verfahren sind die Anwen- wegen stellt sich bei dieser Klientel die dung von Peridural- oder Spinalkathetern Frage nach der generellen Indikation für entsprechend dem Dermatom der die Medikamente der Stufe I und II und Schmerzlokalisation, die Zöliakusblocka- damit für die Anwendbarkeit des WHOde bei Oberbauchtumoren, Stufenschemas insgeIm Alter ist die Blockaden des Ganglion samt. stellatum bei TumorinfiltraFür geriatrische Paenterale Resorption tion des Plexus brachialis, tienten könnte der folvon Analgetika Blockaden des lumbalen gende Alternativvorbeeinträchtigt Grenzstrangs bei Tumoren schlag praktikabel sein: des kleinen Beckens oder Bei gegebener Indikation auch die Chordotomie als ultima ratio bei erfolgt ein primärer Behandlungsversuch begrenzter Lebenserwartung. Insbeson- mit Koanalgetika. Hierbei beschränkt sich dere bei stärksten Schmerzen, starken oder die Therapie zunächst auf die Gabe von nur schwierig behandelbaren Nebenwir- Antidepressiva, Antiepileptika, Bisphoskungen einer systemischen Therapie oder phonaten und Kortikosteroiden. Die zweidem Eintritt in die Terminalphase sind te Stufe beinhaltet die Entscheidung zwiminimalinvasive Techniken effektiv. Dem schen zwei unterschiedlichen Therapiescheinbaren Nachteil der Invasivität steht verfahren, entweder einer Opioidtherapie der immense Vorteil geringerer systemi- oder eines minimalinvasiven Verfahrens. scher Nebenwirkungen und fehlender kog- Stark wirksame Opioide werden eingangs nitiver Beeinträchtigung gegenüber. Bei niedrig dosiert und in kurzer Zeit individer Durchführung eines minimalinvasiven duell entsprechend der Schmerzstärke Verfahrens unter laufender Opioidthera- hochtitriert. Dies setzt eine gute Steuerpie ist allerdings eine engmaschige Über- barkeit dieser Opioide voraus. Die Effekwachung der Vitalfunktionen notwendig, tivität einer solchen Opioidtherapie muss denn durch den abrupten Wegfall nozi- frühzeitig überprüft werden. Sollte sie nur zeptiver Afferenzen kann es zu einer opioid- eine unzureichende Schmerzreduktion erbedingten Atemdepression kommen. Trotz zielen, sollte es frühzeitig durch ein minimangelhafter Studienlage sollte dieser Be- malinvasives Verfahren ergänzt oder erstandteil der Schmerztherapie bei multi- setzt werden. morbiden und geriatrischen Patienten häufiger und frühzeitiger erfolgen. Wegen un- Literatur beim Verfasser. nötiger bürokratischer Hindernisse durch die Kostenträger sind invasive schmerz- Dr. med. Stefan Wirz, therapeutische Eingriffe in Deutschland Sprecher des Arbeitskreises Tumormittlerweile deutlich seltener als im be- schmerz der DGSS (Deutsche Gesellnachbarten europäischen Ausland [6, 70, schaft zum Studium des Schmerzes), Klinik und Poliklinik für Anästhesio73, 74, 81]. logie und Operative Intensivmedizin, Rheinische Friedrich-WilhelmsFazit – Schlussfolgerung Universität, Aus den altersphysiologischen Verände- Sigmund-Freud-Str. 25, 53105 Bonn, rungen geriatrischer Tumorpatienten re- eMail: [email protected]; sultieren pharmakokinetische Verände- [email protected] phosphonate stellen sinnvolle Koanalgetika bei osteolytischen Metastasen dar. Kortikosteroide haben ihre Indikation in der Therapie eines perineuralen Ödems oder eines Leberkapselspannungsschmerzes [6, 67]. 35 A N G I O LO G I E : C H I R U R G I S C H E M A ß N A H M E N Geriatrische Gefäßchirurgie S. Jonas, W. Berg und L. G. Claeys, Herne Geriatrische Gefäßchirurgie kann dazu beitragen, die Lebensqualität älterer Patienten zu verbessern. Der Artikel diskutiert allgemeine Prinzipien der Diagnose- und Indikationsstellung, Wahl der Therapieverfahren und Ergebnisse der geriatrischen Gefäßchirurgie. Als Beispiele dienen die Aneurysma-, Karotis und periphere Bypasschirurgie sowie der akute Mesenterial-Gefäßverschluss. Ä Chirurgische Therapie des infrarenalen Bauchaortenaneurysmas Mit zunehmendem Lebensalter steigt die Prävalenz des infrarenalen Aortenaneurysmas von 2,6% bei 60 bis 56-Jährigen bis auf 9% bei > 75-Jährigen an. Die Inzidenz liegt bei 38 pro 100.000 Einwohner. Die Chirurgie abdominaler Aortenaneurysmen hat auf Grund einer verbesserten Frühdiagnostik mittels Sonographie und Computertomographie (Abb. 1, 2) sowie einer sehr niedrigen Operationsle- Fotos: Autor ltere Menschen weisen – verglichen des geriatrischen Patienten zu gewährleismit jüngeren Menschen – andere ten und Risiken auf Grund seiner GefäßErkrankungen, Krankheitsverläufe erkrankung zu beseitigen. sowie Risikofaktoren auf. Heutzutage sind Das erhöhte Operationsrisiko bei beknapp 50% aller Todesfälle auf Folgeer- grenzter Lebenserwartung erfordert eine scheinungen der Arteriosklerose zurück- besonders kritische Indikationsstellung zur zuführen. Neben den Hauptrisikofakto- Intervention bzw. Operation, vor allem bei ren Nikotinabusus, Hyperlipoproteinämie prophylaktischen Eingriffen. Eine sorgfälund Hypertonie ist der Ritige Anamnese, Fremdsikofaktor „Alter“ insofern Das erhöhte Operations- anamnese und körperlivon Bedeutung, als das Alche Untersuchung sorisiko erfordert ter einer Person die Daueine besonders kritische wie eine exakte, nicht er der individuellen Exbelastende und aussageIndikationsstellung position für bestimmte Rikräftige Diagnostik in sikofaktoren widerspiegelt. interdisziplinärer ZuAbzugrenzen hiervon sind Veränderungen sammenarbeit sind notwendig, um die der körperlichen Funktionen sowie der sinnvollste Therapie festzulegen. In die BeOrgansystemen die durch das „normale“ trachtung des Risikos müssen neben der Altern an sich entstehen. persönlichen Situation auch der mentale Der grundsätzliche Wunsch des älteren Status des alten Patienten sowie die noch Gefäßpatienten besteht – neben dem un- vorhandene und zu erwartende Leisbeschadeten Überleben des Eingriffs – in tungsfähigkeit eingehen. Dagegen abzuder Minderung seiner Beschwerden, ei- wägen sind die individuellen Ergebnisse nem Zugewinn an körperlicher Leis- des Chirurgen-Teams. In der Regel sollten tungsfähigkeit und Lebensqualität sowie in große Eingriffe, wie zum Beispiel die Ereiner verlängerten Lebensdauer. Mittels öffnung der Körperhöhlen, vermieden werinterventioneller und chirurgischer Maßnahmen kann grundsätzlich die Lebensqualität des Gefäßpatienten erhöht werden. Auf Grund des systemischen Charakters der Arteriosklerose sind diese Eingriffe jedoch selten heilend, sondern nur fakultativ lebensverlängernd. Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, mit äußerster Sorgfalt Indikation und Belastbarkeit des älteren Patienten zu überdenken, das Sinnvolle und nicht das rein technisch Machbare anzustreben. Die Gefäßchirurgie hat somit die Abb. 1: Sonographie eines asymptoAufgabe, neben Erhaltung bzw. Verbesse- matischen infrarenalen Aortenrung der Organfunktionen, die Mobilität aneurysma. den. Dagegen sind die minimal-invasiven Therapieverfahren in einer engen interdiszipinären Zusammenarbeit auszuschöpfen. Die Grenze zwischen Indikation und Kontraindikation liegt in der Abwägung zwischen effektiver Nützlichkeit und zumutbarer Belastbarkeit für den Patienten. Kontraindikationen für jegliche Intervention bzw. Operation sind die bewusste Verweigerung des kranken Patienten und der unaufhaltsame Ausfall vitaler Organfunktionen. Allgemeine Prinzipien der Diagnoseund Indikationsstellung, Wahl der Therapieverfahren und Ergebnisse der geriatrischen Gefäßchirurgie werden diskutiert. Dies geschieht am Beispiel der Aneurysma-, Karotis und periphere Bypasschirurgie sowie des akuten Mesenterial-Gefäßverschlusses. 36 Abb. 2: Computertomographie eines asymptomatischen infrarenalen Aneurysma. GERIATRIE JOURNAL 6/06 A N G I O LO G I E : C H I R U R G I S C H E M A ß N A H M E N talität bei elektiven Eingriffen die letzten Jahrzehnte einen bedeutenden Wandel durchgemacht. Alternativ zur offenen Aneurysmaausschaltung eröffnet die endoluminale Aneurysma-Behandlung neue Perspektiven. niedrigen Wachstumsrate (0,2 cm/Jahr) gering (< 5%). Bei Aneurysmen größer als 5-6 cm und mehr beträgt die jährliche Rupturrate 15 bis 30% [10]. Aus diesem Grund können Aneurysmen kleiner als 5 cm bei älteren Patienten mit eingeschränkter Lebenserwartung oder einem erhöhten Operationsrisiko sonographischen zunächst 3- und später 6-monatlichen Kontrollen unterzogen werden. Operationsindikation. Die Indikation beim symptomatischen und rupturierten Aneurysma ist, bis auf wenige Ausnahmen, absolut und unbestritten. Die Ruptur bedarf einer sofortigen Notoperation, Operationstechnik. Allgemein durchdas symptomatische Aneurysma einer gesetzt hat sich die Technik der Aneurysdringlichen Operation. Die Prognose im maausschaltungsoperation mit nachfolFall einer Aneurysmarupgender Tubegraft- oder In der Regel tur ist beim älteren PatienBifukationsprotheseninten sehr schlecht, und die sollten große Eingriffe terposition in der InkluMortalitätsrate steigt deutsionstechnik (Abb. 3). Es vermieden werden lich mit zunehmenden Alist heute noch nicht mögter oder/und Schweregrad lich, das transfemorale der Begleitrisikofaktoren an [6, 8]. Die endovaskuläre Stentgraftverfahren als stanIndikation beim asymptomatischen An- dardisiert zu bezeichnen (Abb. 4). Bei ereurysma ist abhängig von Aneurysma- füllten Indikationskriterien, vorhandenem durchmesser, Morphologie und Wachs- technischen Know-how und entspretumsgeschwindigkeit sowie von beste- chender interdisziplinärer Erfahrung kann henden Risikofaktoren bzw. Begleiter- dieses Verfahren bei gut selektierten Pakrankungen, dem biologischen Alter des tienten als Alternativverfahren zur AnPatienten, Allgemeinzustand und Organ- wendung kommen [12]. funktionsparametern. Kontraindikationen sind gegeben, wenn Ergebnisse. Beim infrarenalen Aortenbei Patienten über 75 Jahren schwerwie- aneurysma ist es durch eine verbesserte gende Krankheiten vorlegen wie z.B. ein Frühdiagnose, Standardisierung der Opepostapoplektischer Zustand, eine schwe- rationstechniken, Entwicklung von neure Herzinsuffizienz oder koronare Herz- en Gefäßersatzmaterialien sowie durch krankheit, eine ausgeprägte zerebrovasku- interdisziplinäre Kooperation mit Anäsläre Insuffizienz oder eine kurze Lebens- thesisten und Intensivmedizinern gelunerwartung. gen, die Ergebnisse signifikant zu verbesDie Rupturgefahr ist bei einem Durch- sern. Die postoperative 30-Tage-Mortalität messer von weniger als 5-6 cm und einer nach offener elektiver Ausschaltungsope- Abb. 3: Operationstechnik der offenen Aneurysmaausschaltung mit Implantation einer Bifurkationsprothese. GERIATRIE JOURNAL 6/06 Abb. 4: Operationstechnik der transfemoralen endovaskulären Stentgraftimplantation. ration beträgt bei Patienten zwischen 70 und 80 Jahren ± 3%. Nach transfemoraler endovaskulärer Implantation einer Stentgraftprothese beträgt die Mortalitätsrate ebenfalls ± 3%. Bei über 80-Jährigen liegt die Mortalität des offenen Eingriffes zwischen 6-15%, lässt sich jedoch mittels endovaskulärer Verfahren auf 5% senken [15]. Verbesserung von Transportsystemen und Logistik von NotfallAufnahmeeinheiten sowie Intensivstationen haben dazu beigetragen, die operative Letalität von Patienten mit Ruptur und Schock auf etwa 50-60% zu reduzieren. Bei über 80-Jährigen ist die Prognose nach Ruptur sehr schlecht, die Letalität beläuft sich auf 80% und mehr [15]. Chirurgische Therapie der Arteria carotis-Stenose Diagnostik – Operationsindikation. Die Farbduplexsonographie besitzt eine hohe Sensitivität und Spezifität und ist die Methode der ersten Wahl zur Diagnosestellung. Sie ermöglicht sowohl die Berechnung des Stenosegrads als auch eine detaillierte Studie der Plaque-Oberfläche. Ergänzende Untersuchungen sind die transkranielle Dopplersonographie, Magnetresonanz-Angiographie oder CT-Angiographie. Die intraarterielle digitale Subtraktionsangiographie ist mit dem Risiko eines permanenten neurologischen Defizits von 0,3% bis 1,2% für die selektive Form belastet und sollte nur im Ausnahmefall durchgeführt werden. Die native kraniale Computertomographie ist bei symptomatischen Patienten präoperativ obligat. Zur korrekten Indikationsstellung gehört an erster Stelle die Einschätzung des Operationsrisikos, und bei jedem Patienten geht der Operation eine gründliche internistisch-kardiologische sowie neurologische Evaluierung voraus. Die Operationsindikation ist von der Lokalisation, Ausdehnung und Morphologie des Verschlussprozesses sowie vom Schweregrad der Ischämie abhängig (Abb. 5). Schwere Begleiterkrankungen, wie z.B. kardiale Erkrankungen (NYHA Stadium IV oder instabile Angina pectoris) oder Systemerkrankungen mit kurzer Lebenserwartung, sind als Kontraindikation für diesen Eingriff zu werten. 37 A N G I O LO G I E : C H I R U R G I S C H E M A ß N A H M E N Operationstechnik. Die offene Thrombendarteriektomie mit Erweiterungsplastik stellt nach wie vor das häufigste angewandte Verfahren dar. Die Diskrepanz der Meinungen konzentriert sich u.a. auf die Verwendung eines Shunts und die Notwendigkeit eines Neuromonitorings (Abb. 6, 7). Abb. 5: Farbduplexsonographische Aufnahme einer hochgradigen Stenose der Arteria carotis interna. @ Stadium I: Bei Patienten mit asymptomatischer hochgradiger Stenose (mehr als 70%) der A. carotis interna konnte die ACST-Studie belegen, dass durch die TEA bei asymptomatischen Patienten das Schlaganfallrisiko im weiteren Verlauf siginifikant gesenkt werden kann, vorausgesetzt die perioperative Morbidität bzw. Mortalität übersteigen 2% nicht [13]. Zurzeit lassen sich folgende Indikationen aufstellen: eine höchstgradige Stenose beidseitig oder einseitig mit kontralateralem Verschluss, eine hochgradige progrediente Stenose und exulzerierende, stenosierende Plaques. @ Stadium II: Die NASCET- und ECSTStudien konnten die Überlegenheit der Operation über eine alleinige medikamentöse Behandlung nachweisen [2, 1]. Das symptomatische Stadium einer zerebrovaskulären Insuffizienz entweder als transitorisch ischämische Attacke (Stadium II a) oder als prolongiertes, reversibles, ischämisches, neurologisches Defizit (Stadium II b), gilt dann auch in internationaler Übereinstimmung als eine gesicherte Operationsindikation. @ Stadium III: Im Stadium des akuten frischen Schlaganfalls ist eine Operationsindikation selten gegeben. Bei fehlender Bewusstlosigkeit und Operation innerhalb von sechs Stunden ist eine Rückbildung der neurologischen Ausfälle in 50% der Patienten zu beobachten. Die Mortalität einer Notfall-Carotisoperation ist jedoch mit knapp 10% hoch. @ Stadium IV: Im Endstadium des ischämischen Infarktes kann die Indikation zur Operation bei Patienten, bei denen sich die neurologischen Ausfälle weitgehend zurückgebildet haben, diskutiert werden. 38 Ergebnisse. Bei erfüllten Indikationskriterien sowie entsprechender gefäßchirurgischer Erfahrung sind heutzutage exzellente Ergebnisse zu erzielen, mit perioperativen Mortalitätsraten zwischen 0% und 1% und einem Schlaganfallrisiko um 1% [3]. Chirurgische Therapie des akuten peripheren Gefäßverschlusses Operationsindikation. Akute Gefäßverschlüsse bedeuten immer eine medizinische Notfallsituation. Die Ätiologie kann häufig schon durch gezielte Anamnese und klinische Untersuchung geklärt werden. Eine akute Ischämie auf Grund einer Thrombembolie ist eine absolute und dringende Operationsindikation. Bei einer vorbestehenden arteriellen Verschlusskrankheit wird nur bei einem kompletten Ischämiesyndrom operiert. Ansonsten erfolgt die Wiederherstellung der Strombahn im Intervall. kutaner transluminaler Angioplastie, ermöglichen heute, im Fall einer akuten Extremitätenischämie auf Grund einer arteriellen Thrombose, ein funktionell gutes Ergebnis zu erzielen. Abhängig von Ausmaß und Dauer der Ischämie ist u.U. eine Fasziotomie notwendig. Im Fall eines drohenden Tourniquet-Syndrom ist eine intensivmedizinische Therapie indiziert. Bei einer schweren Ischämie von deutlich mehr als sechs Stunden ist ggf. eine primäre Amputation zu diskutieren [7]. Ergebnisse. Die Prognose quoad vitam ist abhängig vom Alter des Patienten, Begleitrisikofaktoren, Sitz des Verschlusses und von Zeitpunkt und Art der Behandlung. Ältere Patienten sowie Herzkranke haben eine signifikant schlechtere Prognose. Zentrale Verschlüsse sowie Verschlüsse lebenswichtiger Organarterien sind mit einer Sterblichkeit von 55-90% belastet. Die Prognose quoad functionem wird durch die Schwere der Ischämie und den Zeitpunkt des Behandlungsbeginns bestimmt. Chirurgische Therapie der chronischen pAVK Operationstechnik. Seit der Entwicklung des Ballonkatheters wird fast ausschließlich die so genannte Fernembolektomie, meist in Lokal- bzw. Regionalanästhesie, durchgeführt [14] Kombinierte Verfahren, bestehend aus Lyse und per- Die untere Extremität ist der Hauptlokalisationsort für die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK). Die Inzidenz der arteriellen Verschlusskrankheit beträgt bei über 70-Jährigen 20%. Die Lebenserwartung bei pAVK-Patienten ist im Durchschnitt um zehn Jahre verkürzt, mehr als die Hälfte der Betroffenen stirbt am Myokardinfarkt und etwas mehr als 10% an einem akuten zerebrovaskulären Ereignis. Abb. 6: Operationstechnik der Carotisthrombendarteriektomie Abb. 7: Operationspräparat nach Carotisthrombendarteriektomie. GERIATRIE JOURNAL 6/06 A N G I O LO G I E : C H I R U R G I S C H E M A ß N A H M E N Operationsindikation. Die Beschränkung der Operationsindikation ergibt sich aus den Kriterien der allgemeinen Operabilität. Risikofaktoren, wie pulmonale Erkrankungen, Niereninsuffizienz, zerebrale Durchblutungsstörungen, koronare Herzerkrankungen, Hypertonie, Diabetes mellitus und Adipositas, mahnen zur Zurückhaltung vor großen transperitonealen Rekonstruktionsverfahren. Grundsätzlich besteht eine Indikation zur Intervention bzw. Operation im Stadium II b nach Fontaine nur bei stark eingeschränkter Gehstrecke und im Stadium III und IV (Abb. 8). Der Gefäßchirurg hat sich bei seinen therapeutischen Überlegungen drei Fragen zu stellen: fahrung des Teams beeinflusst. Die Resultate kruraler bzw. pedaler Rekonstruktionen rechtfertigen eine chirurgische Revaskularisation bei Patienten mit kritischer Beinischämie auf Grund einer pAVK oder diabetischen Gangrän [16, 4] (Abb. 10). Eine Amputation sollte möglichst erst nach Erreichen einer maximalen Revaskularisation sowie nach Abklingen eines eventuellen Begleitinfektes vorgenommen werden. Von zentraler Bedeutung ist beim alten Menschen aus Gründen der Rehabilitation eine Verschiebung der Amputationsgrenze in die Peripherie. Oft sind auch interventionelle Eingriffe in der Lage, das Amputationsergebnis abzusichern und Teile der Extremität zu erhalten. Abb. 9: Angiographische Darstellung eines femorofemoralen Cross-over Bypass von rechts nach links. Abb. 8: Trockene Gangrän. @ Soll operiert werden? Eine absolute Indikation besteht bei Bedrohung der Extremität im Stadium III und IV (kritische Beinischämie). @ Darf operiert werden? Ist die Operationsindikation klinisch gegeben, so müssen allgemeine Operabilität und Spontanprognose des Patienten abgeklärt werden. @ Kann operiert werden? Sind klinische Indikation und allgemeine Operabilität gegeben, so wird die technische Operabilität mittels Farbduplexsonographie/ Angiographie (MR-Angiographie – digitale Subtraktionsangiographie) abgeklärt. Operationstechnische Überlegung. Weniger belastende Operationen, wie z.B. der femoro-femorale oder ilio-femorale Crossover-Bypass oder die axillo-femorale oder bi-femorale Rekonstruktion, die den zentralen Eingriff nach peripher verlagern, stellen hier eine äußerst sinnvolle GERIATRIE JOURNAL 6/06 Alternative zum transperitonealen Eingriff dar. Der Crossover-Bypass mit einer 5-jährigen Durchgängigkeitsrate von 85% ist dann auch beim älteren Patienten zu bevorzugen [9] (Abb. 9). Auch die kombinierte zentrale, perkutane transluminale Angioplastie (PTA) und die anschließende periphere Rekonstruktion ist ein geeignetes Konzept, um bei älteren Patienten die periphere Durchblutung risikoarm zu verbessern. Interventionelle Verfahren sind in enger Zusammenarbeit mit Angiologen und interventionell tätigen Radiologen auszuschöpfen. Die invasiven, interventionellen und operativen Behandlungsmaßnahmen müssen getrennt nach verschiedenen Lokalisationen betrachtet werden. Als operative Therapiemöglichkeit stehen die verschiedenen Bypass-Verfahren mit Kunststoffprothesen oder autologem Venenmaterial zur Verfügung. Es ist zu berücksichtigen, dass die chirurgische Gefäßrekonstruktion in der Gliedmaßenperipherie ein weitaus geringeres Risiko quoad vitam einschließt, als beispielsweise wiederherstellende Eingriffe an der großen Bauchschlagader. Andererseits ist das Risiko quoad functionem wesentlich größer. Der klinische Erfolg wird einerseits vom Kaliber der distalen Empfängerarterie, vom Strömungswiderstand sowie von Durchflussgröße und Bypassmaterial und nicht zuletzt auch von der gefäßchirurgischen Er- Ergebnisse. Früh- und Spätergebnisse der Eingriffe iliakaler Gefäßabschnitte variieren in Abhängigkeit von der Ausdehnung des Gefäßprozesses und der Existenz der Begleiterkrankungen. Die Operationsletalität liegt heute zwischen 1% Abb. 10: Periphere Revaskularisation im Sinne eines femoropoplitealen und cruropedalen Venenbypass. 39 A N G I O LO G I E : C H I R U R G I S C H E M A ß N A H M E N und 3%. Nach fünf Jahren sind durch- werden zwecks Beurteilung bewusst zuschnittlich noch 95% der rekonstruierten rückgelassener fraglich vitaler DarmabGefäße funktionstüchtig. Die Sterberate schnitte, bei Neuauftreten peritonitischer beträgt nach fünf Jahren 20-25%. Für die Symptome, pathologischer Serum-LakSpätletalität stehen kardiale Ursachen, Ma- tat-Spiegel, und beim nachgewiesenen Melignome und zerebrovaskuläre Komplika- senterial-Arterienreverschluss. tionen an den ersten Stellen. Die Langzeitergebnisse der perkutanen Ergebnisse. Die Operationsletalität zeigt transluminalen Angioplastie im femoro- im Laufe der letzten zehn Jahre einen deutpoplitealen Gefäßabschnitt sind bei älte- lichen Rückgang [15]. Hierfür sind zum ren Patienten praktisch gleich günstig wie einen die Fortschritte in der radiologibei den jüngeren Geschen und laborchemiMinimal-invasive fäßpatienten. Für den schen Diagnostik, zum femoro-popliteo-kruraanderen auch die AusTherapieverfahren sind len Abschnitt sind die in enger interdiszipinärer schöpfung der chirurgiautologen Wiederherschen Therapie, sowie Zusammenarbeit stellungs-Verfahren als die Fortschritte auf dem auszuschöpfen die Methode der Wahl Gebiet der Anästhesie anzusehen. Die Operaund Intensivmedizin tionsletalität beträgt ca. 4%. Die Lebens- verantwortlich. Wesentlich ist jedoch das erwartung, abhängig vom biologischen „Darandenken“, wodurch das Zeitintervall Alter der Patienten und seiner Risikofak- zwischen Krankheitsbeginn und Operatoren, liegt bei 50% nach fünf Jahren. tion verkürzt werden kann [5, 11]. Chirurgische Therapie des akuten Mesenterialgefäßverschlusses Die akute mesenteriale Ischämie, der am häufigsten eine Embolie bzw. Thrombose der Arteria mesenterica superior zugrunde liegt, manifestiert sich mit anfangs klinisch unspezifischen, wechselnden abdominellen Symptomen, wodurch die korrekte Diagnose meist erst spät gestellt wird. Diese Verzögerung in der Diagnosestellung erhöht die Mortalität sehr [5]. Operationsindikation. Bei akutem Abdomen und embolischem Streuherd ist die akute mesenteriale Ischämie immer in die Differentialdiagnostik einzubeziehen. Im Zweifelsfall besteht stets die Indikation zur notfallmäßigen Laparatomie. Operationstechnik. Folgende Verfahren kommen in Betracht: Embolektomie, Thrombendateriektomie, Bypass oder Reinsertion der A. mesenterica superior, Darmresektion oder Kombinationseingriffe im Sinne von Gefäßrekonstruktion und Darmresektion. Die venöse Thrombektomie kommt zum Einsatz, wenn eine venöse Thrombose ursächlich für die akute Mesenterialischämie ist. Die Secondlook-Operation sollte nur durchgeführt 40 Schlussfolgerung Ziel ist eine menschlich ethische Medizin bzw. Chirurgie mit zurückhaltender, sinnvoller Operationsindikation unter Abwägung der Durchführbarkeit, des Risikos und der Alternativen einzelner Verfahren, unter dem Primat der geringsten Invasivität und größtmöglicher Schonung des Patienten. Dieses Vorgehen geschieht idealerweise in einer engen, interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Angiologen, interventionellen Radiologen und Gefäßchirurgen, um mit dem kleinsten Aufwand die Organfunktion, Extremitäten und Integrität des Patienten für möglichst lange Zeit zu erhalten. Die Entwicklung und Anwendung neuer Techniken und Therapien sind im interdisziplinären Konzept am sinnvollsten und effizientesten. Ein gefäßchirurgisches Zentrum ist heute in der Lage, bei allen Altersgruppen eine adäquate Behandlung mit möglichst geringer Mortalität und Morbidität zu gewährleisten. Dies gilt insbesondere für unsere hochbetagten Patienten und Hochrisikopatienten. Literatur 1. 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Arzt der Abteilung für Gefäßchirurgie, Marienhospital Herne, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum, Hölkeskampring 40, 44625 Herne, eMail: Luc.Claeys@ ruhr-uni-bochum.de GERIATRIE JOURNAL 6/06 ARTHROSE: PFLANZLICHE NUTRITIVE T H E R A P I E - A LT E R N AT I V E Schmerzreduktion und Entzündungshemmung durch Hagebuttenextrakt Jens Bielenberg, Westerhorn Bei der Suche nach neuen Strategien zur Linderung degenerativer Prozesse der Arthrose ist das Arsenal von Pflanzenstoffen durch ein standardisiertes Nahrungsergänzungsmittel aus Hagebuttenpulver erweitert worden. Der Artikel gibt einen Überblick über das zur Zeit vorliegende wissenschaftliche Erkenntnismaterial. GERIATRIE JOURNAL 6/06 Foto: Rolf Zapf – FOTOLIA A rthrose ist eine der häufigsten Ge- tamin C, E und Selen genutzt. Klinische lenkerkrankungen überhaupt und Studien haben gezeigt, dass das nach den sie kann jeden treffen. Die Ursa- bisherigen Erkenntnissen gut verträglichen sind zahlreich, z.B. das Älterwerden. che standardisierte Pulver aus dem Samen Über viele Jahre und und der Schale der Nach bisherigen Jahrzehnte hinweg wird Früchte der Hagebutte, Erkenntnissen hemmt die schützende Knoreines Subtyps von Rosa pelschicht im Gelenk canina, bestimmte Funkdas Pulver bestimmte täglich beansprucht. tionen der Leukozyten, Funktionen der Elastizität und Widerdie bei der Arthrose zu Leukozyten, die bei standskraft des KnorEntzündungen und Geder Arthrose zu pelgewebes gehen im webeschädigungen fühLaufe der Zeit verloren. ren können, hemmt. FerEntzündungen und Der Knorpel wird dünGewebeschädigungen ner weisen die Studien ner und raut auf. Dies ist darauf hin, dass das Pulführen können einer der Gründe, waver schützend auf Zellrum die Arthrose bei älmembranen und damit teren Menschen so häufig ist. Ab 60 ist den Aufbau und den Zerfall des Knorfast jeder vom Gelenkverschleiß betrof- pelgewebes wirkt. fen (Abb. 1). Dies bedeutet aber nicht, dass jeder ältere Mensch zwangsläufig Anwendung der Hagebutte und im Wortsinne unter Arthrose leidet. Zu welchem Zeitpunkt der Ge- In Nord- und Mitteleuropa steht die Anlenkverschleiß schmerzhaft und damit wendung von Hagebutte gegen Erkälwirklich krankhaft wird, ist individuell tungserkrankungen im Vordergrund. In der Türkei wird Rosa canina L traditiosehr verschieden. Diätetische Maßnahmen gehören ge- nell als Magentee aufgrund der gastronau wie physikalische Therapien zum protektiven Eigenschaften angewendet. Präventions- und Behandlungskonzept bei Beschwerden des Bewegungsapparates. Der Zusammenhang zwischen entzündlichen Prozessen – speziell bei Erkrankungen der Gelenke – und der Ernährung ist seit langem bekannt. In der Ernährungstherapie werden z.B. die Effekte der Omega-3-Fettsäuren auf die Prostaglandin- und Leukotrienbildung sowie die antioxidativen Effekte von Vi- Studien weisen darauf hin, dass das Pulver der Hagebutte schützend gegenüber dem Zerfall des Knorpelgewebes wirkt. Eine Untersuchung am Institut für Pharmakognosie der Universität Ankara, Türkei, ergab, dass die frischen Früchte von Rosa canina einen statistisch signifikanten gastroprotektiven Effekt haben, der stärker als der der Referenzsubstanz Misoprostol war [6]. Dioscurides empfahl die getrockneten Früchte bei Darmkatarrh. Bock beschrieb die stopfenden Eigenschaften, Matthiolus verwendete die Beeren gegen Ruhr, die Kerne gegen Steinleiden [1]. Im Mittelalter wurde die Hagebutte in der tradi- Abb. 1: Elastizität und Widerstandskraft des Knorpelgewebes gehen im Laufe der Zeit verloren. 41 ARTHROSE: PFLANZLICHE tionellen europäischen Medizin zum Ausschwemmen angewendet [3]. Hagebutten werden frisch, getrocknet oder als Lebensmittelzubereitung in Form von Suppen, Likören, Gelee oder Marmelade verzehrt oder als Früchtetee angeboten. Bekannt ist der hohe Gehalt an Vitamin C. Die Hagebutte liefert darüber hinaus aber auch Ballaststoffe, ein breites Spektrum an Vitaminen und Spurenelementen sowie sekundären Pflanzenstoffen wie z.B. Lycopin. Inhaltsstoffe und Wirkungsweise Klinische Studien haben gezeigt, dass standardisiertes GOPO®-Hagebuttenpulver die Symptome der Arthrose deutlich reduzieren kann. Die Patienten berichten von einer Linderung der Schmerzen und einer Zunahme der Beweglichkeit der Gelenke. Schmerzmittel können durch die Ernährungstherapie eingespart werden. Die aktiven Inhaltsstoffe der Hagebutte sind hitzelabil und dürfen nicht über 40 °C erhitzt werden, so dass die Zubereitung durch ein schonendes Verfahren erfolgen muss. In Hagebuttentee oder -marmelade ist die ernährungsphysiologisch wichtige aber hitzelabile Komponente nur in geringen NUTRITIVE T H E R A P I E - A LT E R N AT I V E Mengen enthalten ist. Die Haupteffekte der Hagebutte sind: @ Hemmung der Chemotaxis von Leukozyten @ Senkung der Menge an C-reaktiven Protein @ Antioxidative Wirkung Weiße Blukörperchen (Leukozyten) wie polymorphkernige Leukozyten sind an Entzündungen beteiligt, indem sie in dem von der Arthrose betroffenen Gelenk Gewebsschäden und Schmerzen auslösen. Sie schädigen das Gelenk, indem sie abbauende Enzyme sowie toxische, freie Radikale freisetzen. Die Leukozyten werden ins Entzündungsgebiet gelockt (Chemotaxis) und zeigen eine amöboide Be- weglichkeit, die es ihnen ermöglicht, durch Zellwände hindurchzutreten und ins Bindegewebe zu wandern, wo sie Gewebetrümmer, Fremdmaterial sowie Krankheitserreger phagozytieren. Bei Aktivierung setzen sie Leukotriene und reaktive Sauerstoffspezies, die am Entzündungsgeschehen beteiligt sind und Target etablierter Antiphlogistika sind. Hagebuttenpulver bremst die Anlockung, so dass weniger Leukozyten in das geschädigte Gelenk einwandern und der Entzündungsprozess unterbrochen wird. Zusätzlich wirkt GOPO-Hagebuttenpulver antioxidativ und neutralisiert die reaktiven Sauerstoffspezies, die knorpelabbauend wirken. Im Laboratoire de Abb 2. Chemotaxis von Leukozyten Der Enzündungsprozess CRP 42 GOPO®: ein Galaktolipid Abb. 3: Ergebnisse der dänischen Studie 100 Studienbeginn mit Litozin® 80 -50% -44% 60 % Das C-reaktive Protein ist ein sehr empfindlicher Laborwert für krankhafte Veränderungen, besonders für Entzündungen und speziell bei bakteriellen und viralen Infektionen sowie bei rheumatisch und immunologisch bedingten Entzündungen. CRP ist bei folgenden Erkrankungen deutlich erhöht: bei allen akuten Arthritiden, Löfgren Syndrom, infektreaktiven Arthritiden, M. Reiter, rheumatischem Fieber, juveniler chronischer Arthrits, M. Bechterew und Psoriasisarthritis. In der Rheumatologie ermöglicht das C-reaktive Protein zum einen eine Unterscheidung zwischen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen und nicht entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, andererseits ist es ein wichtiger Laborwert für die Verlaufskontrolle von Erkrankungen und die Therapiekontrolle. 40 20 0 Schmerzen Schmerzmittel* GERIATRIE JOURNAL 6/06 ARTHROSE: PFLANZLICHE NUTRITIVE T H E R A P I E - A LT E R N AT I V E Pharmacologie et Pharmacie in Lille, Frankreich, konnte ein Forscherteam belegen, dass die antioxidativen Effekte von Rosa canina nicht nur auf Ascorbinsäure zurückzuführen sind, sondern ebenfalls auf die in der Pflanze vorkommenden Phenole, wie Proanthocyanidine und Flavonoide [5]. Die positiven ernährungsphysiologischen Effekte bei Arthrose werden jedoch einem anderen Inhaltsstoff zugeschrieben. In einer Gemeinschaftsstudie dreier Forschungseinrichtungen in Dänemark – des dänischen Instituts für Landwirtschaft, des Kopenhagener Universitätskrankenhauses und dem Institut für Pharmazie – konnte mit GOPO, einem Galaktolipid, der aktive Inhaltsstoff identifiziert und mittels eines komplizierten Fraktionierungsverfahrens isoliert wer- Anzahl Patienten (%) den. Das Galaktolipid wurde in Verbin- und fanden beim Crotonöl-induzierten dung mit dem speziellen Herstellungs- Ohrödem der Maus dosis-abhängig eine verfahren patentiert. Es konnte in vitro stärker entzündungshemmende Eigennachgewiesen werden, schaft als die VergleichsStudien zeigten dass GOPO die Migrasubstanz Bethametason. eine Verbesserung tion polymorphkerniger Beim Carragenin induLeukozyten hemmt und der Gelenkschmerzen zierten Pfotenödem der in vivo die Serum-konMaus zeigte Monogalaknach 3-4 Monaten zentrationen an C-reaktosyldiacylglycerol sogar tiven Protein senkt [10]. eine stärker entzünIn einer klinischen Studie mit GOPO dungshemmende Wirkung als Indosank der CRP-Wert bereits nach zehn methacin bei erheblich geringerer ToxiTagen um durchschnittlich 39% [7] zität. (Abb. 2). Die Wirksamkeit von GOPO beruht Ein italienisches Forscherteam unter- nicht auf einer Blockade des Cyclooxysuchte verschiedene Galaktolipide (Mo- genase-Weges im Arachidonsäurestoffnogalaktosyldiacylglycerol, Digalak- wechsel, wie durch andere nichtsteroitosyldiacylglycerol und Sulphoquino- dale Antiphlogistika. Die Thrombozyvosyldiacylglycerol) auf ihre in vivo ent- tenaggregation wird durch hohe Dosen zündungs-hemmenden Eigenschaften GOPO nicht beeinflusst. Winther konnte in einer Untersuchung eine Interaktion zwischen Hagebutten und Warfarin hinAbb. 4: Ergebnisse der norwegischen Studie sichtlich Effekten auf die Blutkoagulation 25 und die Plättchenaggregation ausschlie® Litozin Plazebo signifikant mit p = 0,035 ßen [11] (Abb. 3). 20 15 Wirksamkeitsnachweis 10 Chrubasik und Mitarbeiter sichteten in einer weltweiten Datenbankrecherche zurück bis 1985 Studien zu Rosa canina. Insgesamt wurden 88 Zitate geprüft und vier randomisierte kontrollierte Studien [8, 9] identifiziert sowie zwei Untergruppenanalysen [7] berücksichtigt. Alle Studien wurden mit einem Pulver aus den Samen und der Schale der Früchte eines Subtypes von Rosa canina L bei Patienten mit Osteoarthritis durchgeführt. Die zwei großen Studien waren von hoher Qualität und zeigten eine Verbesserung der Gelenkschmerzen nach 3-4 Monaten. Die Ernährungstherapie mit 5 g Pulver war in beiden Studien signifikant gegen Plazebo (n = 112, p < 0,01; n = 100, p < 0,05). Die Aktivitäten des täglichen Lebens fielen den Probanden leichter, die Begleitmedikation konnte deutlich reduziert werden [4] (Abb. 4 und 5). 5 0 starke Schmerzreduktion fast völlige Schmerzfreiheit Patienten mit starker Schmerzreduktion und fast völliger Schmerzfreiheit nach vier Monaten Behandlung. Abb. 5: Ergebnisse der norwegischen Studie Verbesserung mit @ Litozin® @ Plazebo Passive Beweglichkeit der Hüfte GERIATRIE JOURNAL 6/06 Streckung 40,0% 6,7% Innenrotation 35,0% 24,0% Außenrotation 17,1% 10,0% Fazit Der Hagebuttenextrakt GOPO bzw. die entsprechenden Nahrungsergänzungsmittel erweitern das Arsenal von Thera- 43 ARTHROSE piestrategien zur Behandlung der Arthritis um eine interessante nutritive Komponente. In Grundlagenstudien wurde eine Hemmung der Lipid-Oxidation sowie der Leukozyteneinwanderung in das Entzündungsgeschehen nachgewiesen. GOPO konnte den Serumspiegel des C-reaktiven Proteins deutlich senken. Die Symptome der Patienten, wie Schmerzen und Morgensteifigkeit, erfuhren bei einer guten Verträglichkeit eine signifikante Besserung. Der Schmerzmittelverbrauch konnte deutlich reduziert werden. Literatur 1. Benedum J, Loew D, Schilcher H: Arzneipflanzen in der tradiotionellen Medizin Kooperation Phytotherapie, 3. Auflage 2000 2. Clegg, D et al: Glucosamine, chondroitinsulfate , and the two in combi-nation for painful knee osteoarthritis. N Engl. J. Med. 354, 795-808 (2006) 3. Chrubasik, S: Hagebuttenpulver Litozin: Die pflanzliche Arznei hält der wissenschaftlichen Prüfung stand. Studienpräsentation am OARSI (OsteoArthritis Research Society International) 25 Dezember 04, Chicago 4. Chrubasik, C, Duke, RK, Chrubasik,S: The evidance of clinical Efficacy of Rose Hip and Seed: A Systematic review Phytother. Res. 2006; 20: 1-3 5. Daels-Rakotoarison D et al: Effects of Rosa canina fruit extract on neutrophil respiratory burst. Phytother Res 16, 2; 157-61 (2002) 6. Gurbuz I, Ustun O, Yesilada E, Sezik E, Kutsal, O: Anti-ulcerogenic activity of some plants used as folk remedy in Turkey Ethnopharmacol. 88, 1, 93-7 (2003) 7. Kharazmi A, Winther K: Rose-hip inhibits chemotaxis and chemilumenescence of human periphal blood neutrophils in vitro and reduces certain inflammatory parameters in vivo. Inflammopharmacology 7, 377-386 (1999) 8. Rein, E; Kharazmi, A; Winther, K: A herbal remedy, Hyben Vital (stand.powder of a subspecies of Rosa canina fruits), reduces pain and improves general wellbeing in patients with osteoarthitis- a double-blind, placebo-controlled, randomises trial, Phytomedicine 2004, 11: 383-391 9. Warholm, O, Skaar ,S, Hedman, E: The Effects of a Standardized Herbal Remedy made from a subtype of Rosa canina in patients with Osteoarthritis: A double-blind, randomised, placebo-controlled clinical trial. Current Theapeutic research 2003, 64 (1): 21-31. 10. Winther K, Rein E, Kharazmi A: The anti-inflammatory properties of rose-hip. Inflammopharmacology 7, 63-8 (1999) 11. Winther K: Rose-Hip in the form of Hyben Vital has no impact on coagulation platelet function and fibrinolysis. In: Proceedings of the Third international Exhibition and conference on Nutraceuticals and Food for Vitality Geneve, May 2000 Switzerland Apotheker Jens Bielenberg, Bahnhofstr. 53, 25364 Westerhorn 44 P U B L I K AT I O N E N : F A C H B Ü C H E R Aktive Gesundheitsförderung im Alter Gerade ist die zweite aktualisierte und erweiterte Auflage des Präventionsprogrammes für Ältere aus dem AlbertinenHaus erschienen. Unter der Leitung von Professor Dr. H. P. Meier-Baumgartner hat das Team am Albertinen-Haus ein Programm zur aktiven Gesundheitsförderung im Alter entworfen und auch auf den Weg gebracht. Hier wird das für die Geriatrie so wichtige Thema Prävention in einer einfachen und überzeugenden Anleitung zur Erarbeitung und Umsetzung eines individuellen Präventionskonzeptes angeboten. Es ist auf die Bedürfnisse von Durchschnittsbürgern zugeschnitten und baut auf Eigenverantwortung. Ein spannendes und wichtiges Buch für jeden in der Geriatrie Tätigen. In diesem Sinne ist auch nicht verwunderlich, dass dieses Präventionsprogramm den Deutschen Präventionspreis 2005 erhielt. Die erste Auflage von 2004 war schnell vergriffen, denn das Programm „Aktive Gesundheitsförderung im Alter“ ist für uns alle wichtig. Im Vorwort wird darauf hingewiesen, dass alle gesetzlichen Krankenkassen inzwischen ihre Bereitschaft zur Kostenübernahme gemäß der jeweiligen Satzung erklärt haben. So ist eine wichtige Voraussetzung geschaffen, dass das Präventionsprogramm tatsächlich breitenwirksam umgesetzt werden kann. Aktive Gesundheitsförderung im Alter – Ein neuartiges Präventionsprogramm für Senioren. Von Hans Peter Meier-Baumgartner, Ulrike Dapp, Jennifer Anders. 2. aktualisierte und erweiterte Auflage, Kohlhammer Verlag 2006, 183 Seiten, Format 23,5 cm, ISBN 3-17-019327-9, Euro 29,00 Älter werden wir jetzt – Lebenskunst statt Anti-Aging Die Wissenschaftsjournalisten Eva Tenzer (Die Zeit, Bild der Wissenschaft, Geo, Psychologie heute) wirft mit diesem niveauvollen und leicht lesbaren Ratgeber einen positiven und wohwollenden Blick auf das Älterwerden. Unter dem Motto „Lebenskunst statt Anti-Aging“ trägt sie wissenschaftliche Erkenntnisse aus vielen verschiedenen Fachdisziplinen von Geriatrie und Alternsforschung über Sport- und Ernährungswissenschaften sowie Psychologie zusammen und präsentiert die Ergebnisse dieser Studien unterhaltsam und sachlich auf den Punkt gebracht im Reportage-Stil. Eva Tenzer zeigt unter anderem anhand von Lebensgeschichten und Experteninterviews auf, wie erfülltes und erfolgreiches Älterwerden konkret aussehen kann und auf was es dabei ankommt. Im Unterschied zu vielen anderen populären Ratgebern auf diesem Gebiet, setzt die Autorin nicht auf Euphemismen und Verdrängungsstrategien, sondern auf eine realistische, selbstbewusste Grundhaltung im Alter. Sie beschreibt, wie Menschen ihre physischen und psychischen Ressourcen optimal nützen können, um im Alter glücklich zu leben. Das Buch vermittelt vielfältige Strategien, die das Wohlbefinden fördern. Für den schnellen Leser sind die GERIATRIE JOURNAL 6/06 P U B L I K AT I O N E N : F A C H B Ü C H E R wichtigsten Punkte am Ende der Kapitel in Listen mit jeweils zehn konkreten Tipps zusammengefasst. Viele dieser Ratschläge können auch Ärzte mit wenigen Worten regelmäßig in die Beratung ihrer älteren Patienten einfließen lassen, denn so manche medizinische Therapie wird durch eine stabilisierte Psyche sicher noch effektiver. Das Buch sollte deshalb nicht nur im Wartezimmer ausliegen … isi Älter werden wir jetzt – Happy Aging statt Forever Young. Eva Tenzer. Krüger Verlag, Frankfurt a. M., 2005, broschiert: 284 Seiten, ISBN 3-8105-2022-5, Euro 13,90. Sicher wohnen: Wenn Alzheimer-Patienten weglaufen Zu den typischen Verhaltensmustern von Alzheimer-Patienten gehören die Ruhelosigkeit und das Weglaufen. Sie stellen für die Pflegenden ein besonderes Problem dar, da der Patient durch den Verlust seiner Orientierungsfähigkeit oft nicht mehr nach Hause findet. Deshalb ist ein Erkrankter, der alleine unterwegs ist, in Gefahr. Besonders im mittleren Stadium der Krankheit ist es enorm wichtig, Schutzmaßnahmen zu treffen, die dem Weglaufen vorbeugen. Auch ist es hilfreich zu wissen, was zu tun ist, wenn der Alzheimer-Kranke vermisst wird. Die Broschüre „Wenn Alzheimer-Patienten weglaufen“ gibt Hinweise, warum ein Patient weglaufen will und wie man dem vorbeugen kann. Da es fast unmöglich ist, den Erkrankten immer im Auge zu haben, sollten Vorkehrun- Sicher leben auch im Alter – Sturzunfälle sind vermeidbar Im Jahr 2005 sind in Deutschland rund 5.600 Senioren durch einen Haushaltsunfall gestorben, rund 4.800 von ihnen durch einen Sturz. Die Zahl der Verletzten und Schwerverletzten lässt sich nur schätzen, misst sich aber nach Hunderttausenden. Tipps, wie Senioren einen Sturzunfall vermeiden können, gibt die aktualisierte Neuauflage der Broschüre „Sicher leben auch im Alter. Sturzunfälle sind vermeidbar“ der Aktion Das sichere Haus (DSH), Hamburg. Auf 32 Seiten geht es etwa um Stolperfallen wie hochstehende TepGERIATRIE JOURNAL 6/06 pichkanten, lose Badezimmermatten und lange Telefonkabel, und gutes Licht auf Treppen oder um riskante Steighilfen (Bierkästen, Telefonbücher, Sofalehnen) anstelle der sicheren Haushaltsleiter. Auf aktuellem Stand sind Ratschläge, Literatur und Adressen für Wohnraumanpassung und selbst bestimmtes Wohnen im Alter. Viele Sturzunfälle von Senioren haben nur bedingt äußere Ursachen. Deshalb geht die Broschüre auch auf gesunde Ernährung, Osteoporose oder sportliche gen getroffen werden, die das Verlassen der Wohnung oder des Hauses verhindern. Aber selbst alle Sicherheitsmaßnahmen können nicht garantieren, dass ein Alzheimer-Kranker nicht doch unbemerkt das Haus verlassen kann. Dann ist sofort die Polizei zu informieren, denn ein vermisster Alzheimer-Patient sollte immer wie ein Notfall behandelt werden. Welche Schritte darüber hinaus helfen, den Kranken so schnell wie möglich zu finden, werden ebenfalls erklärt. Die Broschüre „Sicher wohnen: Wenn Alzheimer-Patienten weglaufen“ kann bei der Alzheimer Forschung Initiative eV., Grabenstraße 5, 40213 Düsseldorf, kostenfrei angefordert werden. Bewegung für Senioren ein, um Kraft und Reaktionsvermögen zu stärken. Ein weiterer Abschnitt richtet sich an pflegende Angehörige. Ob Hautschutz, rückenschonendes Heben und Tragen, der manchmal nötige „gesunde“ Egoismus oder die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Broschüre „Sicher leben auch im Alter – Sturzunfälle sind vermeidbar“ gibt es bei der Aktion DSH, Stichwort „Senioren“, Holsteinischer Kamp 62, 22081 Hamburg. 45 P H A R M A : S Y M P O S I E N & P R A X I S I N F O R M AT I O N E N Therapie des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms Sorafenib verdoppelt das progressionsfreie Überleben Das neue Nierenkrebsmedikament Sorafenib (Nexavar®) ist nun auch in Deutschland erhältlich. Die Zulassung erfolgte für die Therapie des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms bei Patienten, bei denen eine Behandlung mit Interferon-alpha oder Interleukin 2 erfolglos blieb bzw. die für eine solche Therapie nicht geeignet sind. Damit steht für das fortgeschrittene Nierenzellkarzinom eine neue und effektive Therapieoption für diesen aggressiven Tumor zur Verfügung, denn Sorafenib verdoppelt die progressionsfreie Überlebenszeit. Dies belegen die Ergebnisse der Plazebo-kontrollierten Phase-III-Studie TARGETs (Treatment Approaches in Renal Cancer Global Evaluation Trial) an insgesamt 905 Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom. Die progres- sionsfreie Überlebensrate konnte unter Sorafenib signifikant verlängert werden (24 Wochen versus 12 Wochen unter Plazebo). Auch die Gesamtüberlebensrate konnte signifikant verbessert werden, erläuterte Priv.-Doz. Dr. med. D. Strumberg aus Herne anlässlich eines PresseWorkshops in Köln. Auf Grund dieser Daten wurde die Plazebo-Gabe gestoppt und alle Patienten erhielten Sorafenib. Die Verlaufsuntersuchung ergab auch bei den zuvor mit Plazebo-behandelten Patienten ähnlich gute Ergebnisse hinsichtlich der objektiven Remission, progressionsfreien Überlebenszeit und Gesamtüberlebenszeit. Derzeit laufen Studien, in denen die Wirksamkeit von Sorafenib bei Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom ohne Vorbehandlung geprüft wird. Orales Hydromorphon bei chronischen Schmerzen Neue Galenik ermöglicht 24-h-Wirkung Während die meisten oralen Opioide eine Wirkdauer von acht bis zwölf Stunden haben, vereinfacht das Stufe-IIIOpioid Hydromorphon unter dem Handelsnamen Jurnista® das Management chronischer Schmerzen: Bei einer einmal täglichen Einnahme hat es eine Wirkdauer von 24 Stunden. Bei dem Präparat handelt es sich um ein osmotisch aktives System, das auf der OROS®-Technologie basiert und das Prinzip der Osmose nutzt, wie Prof. Dr. R. Gröning aus Münster anlässlich einer Pressekonferenz in München erläuterte. Dieses Hightech-Arzneimittel besteht aus einer semipermeablen Außenhülle aus Zelluloseacetat, überzogen von einer dünnen Ummantelung. Im Inneren befinden sich ein Quellkörper und der Wirkstoff. Nach Einnahme des Präparates dringt Wasser ins Innere (Pull- 46 Komponente), der Quellkörper dehnt sich aus und gibt kontinuierlich über 24 Stunden Hydromorphon nach außen ab (Push-Komponente). Auf diese Weise wird ein gleichmäßiger Plasmaspiegel erreicht, der von der Nahrungsaufnahme nahezu unabhängig ist. Die analgetische Wirksamkeit von Hydromorphon wurde in zahlreichen Studien nachgewiesen. Schmerzfreiheit bedeutet auch eine bessere Schlafqualität, wie Priv.-Doz. Dr. R. Sabatowski aus Köln erläuterte. Dies zeigte eine Studie an 140 Patienten mit Arthroseschmerzen. Die Scorewerte des Medical Outcomes Study (MOS) Sleep Problem Index I wurden unter Jurnista deutlich stärker reduziert als in der Vergleichsgruppe unter retardiertem Oxycodon. Mit anderen Worten: Der Nachtschlaf konnte verbessert und damit die Tagesschläfrigkeit reduziert werden. Sorafenib eröffnet neue Wege in der Tumortherapie und stellt eine neue Behandlungsstrategie dar. Als MultikinaseInhibitor hemmt Sorafenib sowohl die Proliferation der Tumorzellen als auch die Tumorangiogenese – zwei Prozesse, die das Tumorwachstum ermöglichen. Damit wirkt Sorafenib gezielt auf die Tumorzelle ein, während die konventionellen Chemotherapeutika unspezifisch alle Körperzellen angreifen. Zudem bietet Sorafenib den Vorteil, dass es auch in Tablettenform eingenommen werden kann. Dadurch wird die gezielte ambulante Therapie möglich – ein eindeutiger Fortschritt, so Dr. A. Tsamaloukas, niedergelassener Onkologe in Hilden. Denn die Darreichungsform vereinfacht die Behandlung und ist weniger belastend für die Patienten als Injektionen oder Infusionen. RM Presse-Workshop „Neue Entwicklungen in der Therapie des Nierenzellkarzinoms“, 6. Juli 2006 in Köln, Bayer HealthCare, Leverkusen; www.bayerhealthcare.com Schmerzfreiheit und erholsamer Schlaf sind zwei Faktoren, die für den Patienten mit chronischen Schmerzen besonders wichtig sind, damit sie ihren üblichen Alltagsaktivitäten nachkommen und aktiv am Leben teilnehmen können, betonte Dr. J. Horlemann aus Kevelaer. Die einmal tägliche Einnahme des Präparates fördert zudem die Compliance der Patienten. Die Tageseinteilung wird für die Betroffenen flexibler. Fazit: Jurnista vereinfacht die Therapie bei chronischen Schmerzen. Es erfüllt die geforderten Ziele an ein modernes Analgetikum wie lang andauernde Schmerzfreiheit, Erhalt der täglichen Aktivität, Einfachheit der Durchführung und Verbesserung der Schlafqualität. RM Pressekonferenz „Jurnista – Eine neue Klasse in der Schmerztherapie“, 9. August 2006 in München, Janssen-Cilag, GmbH, Neuss; http://www.janssen-cilag.de GERIATRIE JOURNAL 6/06 P H A R M A : S Y M P O S I E N & P R A X I S I N F O R M AT I O N E N Ankylosierende Spondylitis Zulassungserweiterung für Adalimumab Adalimumab (Humira®), ein TNF-alphaBlocker, wird bereits bei der aktiven rheumatoiden Arthritis und der Psoriasis-Arthritis erfolgreich eingesetzt. Mittlerweile wurde Adalimumab für eine weitere Autoimmunerkrankung zugelassen, nämlich zur Behandlung der ankylosierenden Spondylitis (AS, Morbus Bechterew). Die Zulassungserweiterung stellt eine neue Therapieoption dar, von der die Betroffenen in hohem Maße profitieren können, so das Fazit einer Pressekonferenz in Frankfurt. Denn Adalimumab führt nicht nur zur Symptombesserung der artikulären und extrartikulären Ma- nifestationen, sondern auch zur Hemmung der Progression der Erkrankung. Dies belegen u.a. die Ergebnisse der ATLAS-Studie (Adalimumab Trial Evaluating Long-Term Efficacy and Safety in AS), einer doppelblinden, plazebokontrollierten Phase-III-Studie an insgesamt 315 Patienten mit ankylosierender Spondylitis. Wie Prof. Dr. med. J. Sieper aus Berlin ausführte, erhielten die Patienten alle 14 Tage Adalimumab über einen Zeitraum von 24 Wochen. Bereits zwölf Wochen nach Therapiebeginn erreichten 58% der Patienten unter Adalimumab (Plazebo 21%) den primären Endpunkt Insomnie Gute Erfahrungen mit Chloralhydrat Es gibt Erholungsfunktionen, die ausschließlich im Schlaf stattfinden. Tiefschlaf in den ersten 4-5 Stunden sei z.B. wichtig für ein intaktes Immunsystem, erklärte Prof. Dr. Jürgen Zulley im Rahmen eines Satelliten-Symposiums, das anlässlich 14. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin (DGSM) in Regensburg stattfand. Entscheidende Funktionen brauchen Ruhe, so auch die Verdauung. Nachtarbeiter haben häufiger Magen-Darm-Erkrankungen. Trotz bedrohlicher Einschränkungen wird gestörter Schlaf oft nicht ernst genommen, doch die Folgen sind erheblich. 50% der Schlafgestörten haben mehr Gesundheitsprobleme als Normalschläfer und zusätzlich ein erhöhtes Risiko für weitere Erkrankungen, die auch Einfluss auf die Mortalität haben. Insomnie kann eine Vorstufe der Depression sein und eine Insomniebehandlung dient der Prävention. Die Gesundheitskosten bei Patienten mit Insomnie sind doppelt so hoch wie ohne. Bei der Diagnose der Insomnie sind organische Ursachen, eine gestörte Schilddrüsenfunktion und andere Schlafstörungen, wie die Schlafapnoe, das Restless-Legs-Syndrom, exogene oder psychiGERIATRIE JOURNAL 6/06 atrische Ursachen abzugrenzen. Die Erkrankung ist gekennzeichnet durch Müdigkeit oder Mattigkeit am Tage. Insomnie lässt sich durch Schlafhygiene und/oder medikamentös behandeln. Die Schlafqualität kann aber durch Schlafmittel auch abnehmen. Sie ermöglichen zwar das Einschlafen, aber Benzodiazepine beeinträchtigen den Tiefschlaf oder Antidepressiva verändern den REMSchlaf. Viele Schlafmittel führen also zum Schlaf, aber nicht zu einem erholsamen. Das Behandlungsziel lautet: Verbesserung der Befindlichkeit und Leistungsfähigkeit am Tag. Die Frage des Arztes an den Patienten, so Prof. Dr. Göran Hajak, Regensburg, müsse darauf abgestimmt sein, sie dürfe nicht lauten „Wie haben sie geschlafen?“ sondern „Wie haben sie den Tag verbracht?“. Den Nachtschlaf verlängern verschiedene Schlafmittel etwa gleich und auch unter Plazebo ist eine deutliche Verlängerung der Schlafdauer erkennbar. Bei Messung der Tagesbefindlichkeit sind jedoch Unterschiede sichtbar. Zopiclon schneidet dabei z.B. besser ab, als ein Benzodiazepin, wie z.B. Flunitrazepam. Dessen Einfluss auf die Tagesbefindlichkeit ist der Studie (ASAS20-Ansprechen in Woche 12). Eine partielle Remission konnte nach 24 Wochen unter Adalimumab bei 22,1% erzielt werden (5,6% unter Plazebo). Weiterhin wurde eine im Vergleich zu Plazebo signifikante Reduktion der Krankheitsaktivität sowie der Sehnenentzündungen nachgewiesen. Mit der Zulassungserweiterung von Adalimumab steht ein hochwirksamer TNF-alphaBlocker zur Verfügung, der Schmerzen und Entzündungen lindern und zu einer partiellen Remission führen kann. RM Launch-Pressekonferenz „Humira® – neue Therapieoption bei ankylosierender Spondylitis“, 11. Juli 2006 in Frankfurt, Abbott GmbH & Co. KG, Wiesbaden; www.abbott.de nicht größer als der von Plazebo. Neuroleptika sind in Bezug auf die Insomnie wenig dokumentiert. Eine Überraschung sah Prof. Hajak im Chloralhydrat: Chloralhydrat mache Schlaf und zwar tatsächlich ein physiologisches Schlafprofil. Das machten die Antidepressiva nicht, die Neuroleptika nicht, die Benzodiazepine nicht. Tiefschlaf, Non-REM 3 + 4 werden vermehrt, REM normalisiert. Es gebe keinen REM-Rebound, kein Hangover, keine muskelrelaxierende Wirkung wie bei den Benzodiazepinen. Er konkretisierte dies mit einem Datenpool von 4.000 Patienten, die in einer groß angelegten Untersuchung mit Schulnoten ihre morgendlich erreichte Erholung benotet hatten. Unter der Therapie mit Chloraldurat® sei sichtbar: Fast alle Patienten bewerteten ihre morgendliche Erholung als gut bis sehr gut, ein kleinerer Teil mit 3 bis 4, man „shiftet“, verschiebt zu perfekter Schlafqualität hin. Die Verhaltenstherapie hat die gleiche Berechtigung wie die medikamentöse Therapie. Aber bei drei Minuten Beratungszeit in der Allgemeinpraxis sah Prof. Hajak dort keine Chance. Doch der Arzt solle aus dem Spektrum der verhaltenstherapeutischen Möglichkeiten dem Patienten stets mind. einen Tipp mit nach Hause geben. Dann hat der Patient das Gefühl, dass er mitarbeitet und nicht in 47 P H A R M A : S Y M P O S I E N & P R A X I S I N F O R M AT I O N E N der Schublade landet, er bräuchte nur ein Schlafmittel zu schlucken und alles wird besser. Prof. Dr. Jörg Schulz, Berlin, skizzierte die geriatrische Situation. Der Anteil der über 65-Jährigen in der Bevölkerung nimmt zu. 30% werden davon behandlungsbedürftig, davon die Hälfte pflegebedürftig sein. Der alte Patient ist multimorbid und hat zusätzlich noch eine Schlafstörung. Die Schlaffähigkeit nimmt ab, die Schlafdauer ist um bis zu 1,5 Stunden reduziert. Dagegen ist die benötigte Erholungszeit verlängert. Die Schlafstörung bedeutet eine Einschränkung der Lebensqualität, das treibt ihn bis zur Depression. Gerade in Pflegeheimen wird durch den falschen Rhythmus, z.B. infolge Schichtwechsel, ein Circulus vitiosus ausgelöst. Schwestern sollen einem festen Tagesablauf folgen. Der Pflegebedürftige liegt im Bett, wenn er noch nicht müde ist. Die Schlafumgebung spielt oft eine entscheidende Rolle, denn durch die Nähe zur S-Bahn oder ohne genügende Ab- dunklung von Verkehrslicht ist kein Schlaf möglich. Schlafhygiene und nichtmedikamentöse Therapie, das bleibt unter praktischen Bedingungen offen. In der Geriatrie gibt es häufig 6-8 verschiedene Medikamente pro Patient und die Frage der Wechselwirkungen ist unübersichtlich. Für die Compliance helfen feste Zeit und Dosis, generell wird an die niedrigste Dosierung angepasst. Theoretisch sind pflanzliche Schlafmittel einzubeziehen, dies ist aber unrealistisch, sie sind in der Klinik oft überhaupt nicht vorhanden. Prof. Schulz verwies auf seine persönlichen Erfahrungen in der Geriatrie. Nachdem er früher bereits mit Chloralhydrat gearbeitet habe, seien neuere Mittel gekommen, die ihn aber wegen Nachteilen gerade für ältere Patienten nicht überzeugt hätten. Vor allem gebe es paradoxe Reaktionen mit Verwirrtheit und muskelrelaxierenden Wirkungen dies ist ein Problem, da die Patienten ohnehin Gangstörungen haben und gefährdet sind für Stürze mit Frakturen. Prof. Restless Legs Syndrom Vier Kriterien für die korrekte Diagnose Das Restless Legs Syndrom (RLS) gehört neben der Migräne zu den häufigsten neurologischen Krankheitsbildern. Dennoch werden lediglich 13% der Patienten korrekt diagnostiziert. Dies liegt auch daran, dass die konsultierten Ärzte mit dem Krankheitsbild nicht genügend vertraut sind. Hinzu kommt, dass die Patienten Probleme haben, die Symptome präzise in Worte zu fassen. Diese reichen von Missempfindungen in den Beinen über Kribbeln bis hin zu quälenden Schmerzen. Die Folgen sind Fehldiagnosen wie Durchblutungsstörungen, Arthritis oder Rückenschmerzen. Am häufigsten erfolgt der Arztbesuch auf Grund von Schlafstörungen. Sie können zu Tagesmüdigkeit, Leistungsverlust, Problemen am Arbeitsplatz und in häufigen Fällen zu sekundären Erkrankungen wie Depressionen führen, so PD Dr. Ilonka Eisensehr, Fachärztin für Neurologie in München, anlässlich eines Journalisten-Workshops. 48 Dabei lässt sich die klinische Diagnose anhand von vier essentiellen Kriterien verifizieren, aufgestellt von der International Restless Legs Syndrome Study Group: @ Bewegungsdrang der Beine mit unangenehmen Missempfindungen, @ Verschlechterung der Symptome in Ruhe oder bei Inaktivität, @ Besserung der Symptome bei Bewegung und @ stärkere Ausprägung der Symptome nachts oder am Abend. Diese Minimalkriterien sind obligat für ein RLS. Im zweiten Schritt erfolgt der Ausschluss eines sekundären RLS, etwa durch Eisenmangel, Schilddrüsen- oder Nierenerkrankungen, bei dem zunächst eine Behandlung der Grunderkrankungen erfolgt. Mittel der ersten Wahl beim idiopathischen RLS sind Dopaminagonisten wie Pramipexol (Sifrol®). Es ist seit April 2006 zur symptomatischen Therapie bei mittelschwerem bis schwerem Schulz betonte, dass jetzt wieder Chloralhydrat eingesetzt wird, bei fast jeder Schlafstörung und bisher ohne negative Erfahrung, als Kapsel, wegen der schnellen Wirkung und wenig Nebenwirkungen sowie der erhaltenen Gangfähigkeit. Auf die Frage zur Relation zu Zolpidem und Zopiclon berichtete Prof. Schulz von Toleranzentwicklung und paradoxen Nebenwirkungen. Die Unruhezustände, das nächtliche Aufwachen hätten ihn am meisten gestört. Chloralhydrat gebe er auch bei Übereregbarkeit und bei zerebral bedingten Unruhezuständen. Seine Erfahrungen mit Chloraldurat® in der Geriatrie seien gut und er habe gute Erfahrungen mit 250 mg gemacht. Satelliten-Symposium auf der 14. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) am 7. Oktober 2006 in Regensburg, G. Pohl-Boskamp GmbH & Co. KG, Hohenlockstedt; www.pohl-boskamp.de idiopathischen RLS zugelassen. Die Substanz, die seit 1997 zur Behandlung des Morbus Parkinson zur Verfügung steht, zeigte in Studien eine rasche Wirksamkeit bei RLS. Die Beschwerden besserten sich bereits nach einer Behandlungswoche. Bei einer nur einmal täglichen (in der Regel abends) notwendigen Einnahme sorgt Pramipexol, nach Erreichen der vollen Wirkung, für eine ungestörte Nachtruhe. Die Folgen der massiven Ein- und Durchschlafstörungen beim RLS wie Tagesmüdigkeit, Konzentrationsschwäche bis hin zu schweren Depressionen werden verhindert beziehungsweise bilden sich zurück. Die damit verbundene Beeinträchtigung der Leistungsfähig wird im besten Fall vollkommen aufgehoben und die Lebensqualität deutlich verbessert. RM Journalisten-Workshop „Wenn die Nacht zum Tag wird: Restless Legs Syndrom“, 25.Oktober 2006 in Hamburg, Boehringer Ingelheim International GmbH, Ingelheim am Rhein; www.boehringer-ingelheim.de GERIATRIE JOURNAL 6/06 P H A R M A : S Y M P O S I E N & P R A X I S I N F O R M AT I O N E N Krebserkrankungen der Frau Lymphödeme vermeiden Die operative Therapie bei Krebserkrankungen der Frau hat oft Lymphödeme als Folge. In einem Vortrag erläuterte Oberarzt Dr. med. Hermann Hertel vom Zentrum für Frauenheilkunde in der Medizinischen Hochschule Hannover das Sentinelkonzept bei Mamma-, Vulva- und Zervixkarzinomen. Speziell beim Mammakarzinom wird das postoperative Lymphödem zum Problem. Mit dem Sentinelkonzept werden Lymphbahnen und -knoten im operativen Eingriffsbereich (Schulter/Achsel) mit Patentblau™ und/oder minimal radioaktiven Eiweiß (Technetium) markiert. Der Operateur kann so deren Beschädigungen zum ganz großen Teil vermeiden. Im Standardverfahren des Sentinelkonzeptes bei Tumoren von 2-3 cm und freien axilliären Lymphknoten können rund 80% des örtlichen Lymphsystems lokalisiert werden. Dadurch schnitt im Vergleich beim Mammakarzinom die Sentineltechnik mit 5% Lymphödem-Entstehung besser ab als die Axilladissektion mit 13% [2]. Hier sollte die postoperative Therapie klassisch in der Kombination Hautpflege, manuelle Lymphdrainage, Bewegungs- und Kompressionstherapie sowie der Komplexen Physikalischen Entstauungstherapie (KPE) gestaltet werden, so Dr. Hertel. Beim Vulvakarzinom stellt die Lymphabflussstörung der unteren Extremitäten ein häufiges Problem dar. Auch hier gibt es durch die modifizierte Vulvektomie gute Ergebnisse. Entsteht bei der radikalen Vulvektomie in rund 48% der Fälle ein Lymphödem, so sind es bei der modifizierten Vulvektomie nur 12% [1]. Beim Gebärmutterhalskrebs (Zervixkarzinom) zeigten Beobachtungen, dass 514% der Patientinnen postoperativ Lymphödeme erlitten. Bei der Anwendung des Sentinelkonzepts soll die Reduktion der Morbidität durch Verzicht der kompletten Lymphonodektomie bei SLN-negativen Patientinnen das Ziel sein. Zurzeit wird – gefördert von der Deutschen Krebshilfe – Behandlung des nicht-kleinzelligen Bonchialkarzinoms Klare Vorteile von Docetaxel Die Metaanalyse von sieben klinischen Studien an Patienten mit fortgeschrittenem nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom (NSCLC) zeigte folgendes: Patienten, die mit Docetaxel (Taxotere®) behandelt wurden, zeigten längere Überlebensraten und entwickelten seltener eine Granulozytopenie und febrile Neutropenien als Patienten, die mit Vinca-Alkaloiden behandelt wurden. Im Rahmen der Metaanalyse, die erstmals bei der 42. Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) in Atlanta vorgestellt wurde, wurden Studien berücksichtigt, in denen Patienten mit Docetaxel und Vinca-Alkaloiden allein und in Kombination als Firstline-Therapie behandelt wurden. Der Vergleich der sieben randomisierten Studien an insgesamt 2.867 Patienten mit NSCLC ergab unter Docetaxel (1.638 PaGERIATRIE JOURNAL 6/06 tienten) eine signifikant längere Überlebensrate gegenüber Vinca-Alkaloiden (1.229 Patienten). Die Neutropenie, ein häufiges unerwünschtes Ereignis in den Studien, trat unter Docetaxel signifikant seltener auf, so Prof. Dr. Frank Griesinger, Göttingen, anlässlich einer Pressekonferenz. Wurden nur die Studien berücksichtigt, in denen Patienten Docetaxel oder Vinca-Alkaloide als Firstline-Therapie erhielten, ergab die Auswertung ebenfalls signifikante Vorteile für Docetaxel. Dieses Ergebnis entspricht der TAX 326Studie, die als Grundlage für die Zulassung von Docetaxel als Firstline-Therapie bei NSCLC durchgeführt wurde. In der TAX 326-Studie erhielten die NSCLC-Patienten entweder die Kombination Docetaxel/Cisplatin bzw. Docetaxel/Carboplatin oder Vinorelbin/Cisplatin. Unter der Kom- eine prospektive, klinische Multicenterstudie zur Detektion des Sentinellymphknotens bei Patientinnen zur Operation des Zervixkarzinoms durchgeführt. Bisher schneidet die kombinierte Markierungsmethode Technetium mit Patentblau u.a. in den Bereichen Detektion und Sensitivität am Besten ab. Am Ende der Veranstaltung zog Dr. Hertel ein positives Fazit. „Durch Anwendung des Sentinelkonzepts kann die mit der Lymphonodektomie verbundene Morbidität beim Mammakarzinom reduziert werden. Die Reduktion der Rate an Lymphödemen kann erwartet werden. Trotzdem werden weiterhin Patientinnen mit postoperativen Lymphödemen konfrontiert und müssen einer adäquaten (komplexen) Entstauungstherapie zugeführt werden“. Literatur 1. Leminen el al., Eur Obstet Gynecol Reprod Biol, Dez., 2000 2. Mansel et al., ALMANAC Trail, J Natl. Cancer Inst, May, 2006 Vortragsreihe des Brandes & Diesing Vital-Centrums, Hannover bination Docetaxel/Cisplatin wurde eine signifikante Verbesserung der 2-JahresÜberlebensrate um 21% (14% in der Vergleichsgruppe) erzielt. Auch die Verträglichkeit war in der Docetaxel/CisplatinGruppe besser als in der Vergleichsgruppe. Die neueren Daten der Metaanalyse belegen ebenfalls den Nutzen der Kombinationstherapie Docetaxel/Cisplatin in der Firstline-Behandlung des NSCLC. Das nicht-kleinzellige Karzinom hat mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von ca. 10% ohnehin eine schlechte Prognose. Mit potenten Therapien können die Überlebensrate, die Symptomkontrolle und schließlich die Lebensqualität deutlich gebessert werden. RM Pressekonferenz „Post-ASCO: Aktuelle Therapie des NSCLC – Status Quo und Ausblick 2006“ 8./9. 06. 2006, Timmendorfer Strand, Sanofi-Aventis Deutschland GmbH; www.sanofi-aventis.de 49 P H A R M A : S Y M P O S I E N & P R A X I S I N F O R M AT I O N E N Arzneimittel- und Therapiesicherheit der Erhaltungstherapie als effektiv. Unter Pregabalin konnte eine signifikante Symptombesserung innerhalb der ersten Behandlungswoche erzielt werden. Diese hielt während des ganzen Beobachtungszeitraumes an. Vor allem das schnelle Ansprechen und die gute Kombinierbarkeit machen Pregabalin interessant für die Praxis, so Prof. Dr. T. R. Tölle aus München. Pregabalin hat sich mittlerweile in der Therapie neuropathischer Schmerzen etabliert. Die guten Erfahrungen stellen eine solide Basis für die Behandlung von generalisierten Angststörungen mit Pregabalin dar. RM rungsversion wird kostenlos angeboten. Die Nutzungsmöglichkeiten werden kontinuierlich ausgebaut, sagte Horn. Geplant ist die Einbeziehung patientenindividueller Daten wie z.B. Alter, BMI, Suchtverhalten, Allergie-Check sowie ein Dosiermanager, der neben Alter und BMI-Wert auch Laborwerte berücksichtigt. Die Vorteile des Sicherheitsmoduls i:fox bestätigte Dr. med. H. Stanik, niedergelassener Arzt in Starnberg. Er hatte die Möglichkeit, das System zu testen und beschrieb die Anwendung als unproblematisch, die Bedienung als einfach. i:fox erfüllt alle Anforderungen eines interaktiven Sicherheitschecks und ist ein unverzichtbares Hilfsmittel für die ärztliche Praxis, sagte Stanik. Angesichts der Todesfälle auf Grund unerwünschter Arzneimittelwirkungen – die Zahl liegt in Deutschland bei etwa 35.000 – ist die Risikoreduktion ein Muss. Wie Prof. Dr. med. habil. J. C. Frölich, Institut für Klinische Pharmakologie der Medizinischen Hochschule Hannover, erläuterte, ist das Wissen über die Arzneimitteltherapie in den letzten Jahrzehnten so umfangreich und komplex geworden, dass man es dem Arzt nicht aufbürden kann. Zudem werden immer mehr Medikamente gleichzeitig verordnet. Dies liegt an der Zunahme älterer, multimorbider Patienten sowie an der Vielzahl von Indikationen, bei denen eine Kombinationstherapie erforderlich ist. Fort- und Weiterbildung bilden zwar die Basis der täglichen Praxisarbeit, dennoch ist eine elektronische Unterstützung zu empfehlen. Arzneimittel-Sicherheits-Systeme können die Therapiesicherheit verbessern, die Kosten für Arzneimittel, Folgebehandlungen sowie ggf. für Krankenhauseinweisungen senken und reduzieren den Zeitaufwand für Recherchen im Rahmen des Verordnungsprozesses. Den zusätzlichen Zeitgewinn kann der Arzt für die Beratung der Patienten nutzen. Die elektronische Unterstützung der Rezeptierung ist eine gute Möglichkeit, die Zuverlässigkeit und Sicherheit in der Arzneimitteltherapie zu steigern. RM Pressekonferenz „Neue Behandlungsoption in der GAD – Zulassungserweiterung für Pregabalin“, 23. Juni 2006 in Frankfurt, Pfizer Pharma GmbH, Karlsruhe; www.pfizer.de Einführungspressekonferenz „i:fox® Arzneimittel-Sicherheits-Check – Sicherheit ist das beste Rezept“, 1. August 2006 in Berlin, ifap GmbH, München; www.ifap.de Neue Software erleichtert den Verordnungsprozess Das neue Sicherheitsmodul i:fox® des Praxis-Software-Spezialisten ifap in München eröffnet eine neue Dimension im Bereich Arzneimittelsicherheit. Mit Hilfe der Software kann der behandelnde Arzt alle Interaktionen und Kontraindikationen der aktuellen Rezeptierung sofort überprüfen, basierend auf den patientenindividuellen Diagnosen nach ICD-10 Code. Auch Interaktionen mit Lebensmitteln werden gecheckt und bestehende Dauermedikationen des Patienten berücksichtigt. Bei Vorhandensein von eventuellen Interaktionen zeigt unmittelbar nach Dateneingabe eine Rückmeldung mögliche Probleme auf. Zur weiteren Information kann der Arzt zusätzliche Daten des betreffenden Medikamentes einsehen, z.B. Basisinformationen, pharmakologische Effekte und Wirkmechanismen. Zudem bietet i:fox alternative Wirkstoffe an. Wie E. Horn, technischer Leiter des Projektes bei der ifap GmbH, anlässlich einer Pressekonferenz betonte, lässt sich das Sicherheitsmodul leicht in die EDV-Praxis integrieren: Der Austausch aller patientenindividuellen Daten zwischen i:fox und der Praxis-EDV erfolgt automatisch. Isolierte Abfragen außerhalb der EDV-Praxis entfallen damit. Zudem ermöglicht die Anbindung an einen Server für Arzneimittelsicherheit, dass der Arzt stets die aktuellsten Informationen erhält, so beispielsweise über neue Studienergebnisse, Fachinformationen, Meldungen des Bundesinstituts für Arzneimittel etc. Online-Updates erfolgen alle 14 Tage und i:fox wird alle drei Monate per CD aktualisiert. Damit erhält der Arzt stets die neuesten Informationen. Die Bedienung des Sicherheitsmoduls i:fox ist einfach und basiert auf dem bekannten Microsoft-Office-Stil. Die Einfüh- Generalisierte Angststörungen Pregabalin als neue Behandlungsoption Pregabalin wird seit zwei Jahren zur Therapie peripherer neuropathischer Schmerzen und als Zusatzmedikation bei fokalen Epilepsien erfolgreich eingesetzt. Seit März 2006 ist Pregabalin (Lyrica®) auf Grund seines starken anxiolytischen Effektes auch zur Behandlung von generalisierten Angststörungen zugelassen. Die Ergebnisse der Studien zur Wirksamkeit von Pregabalin bei generalisierten Angststörungen stellte Prof. Dr. H.J. Möller aus München anlässlich einer Pressekonferenz vor. Dabei zeigen die Daten zur Akutwirksamkeit, dass Pregabalin – wie die Benzodiazepine – einen raschen Wirkungseintritt, aber einen geringeren sedierenden Effekt aufweist. Initiale Angstzunahmen fehlen, wie sie bei serotonergen Substanzen auftreten. Ebenso kommt es zu keinen sexuellen Funktionsstörungen. Pregabalin erwies auch in 50 GERIATRIE JOURNAL 6/06 IMPRESSUM/TERMINE Impressum Termine 2007 Herausgeber: @ 17. Januar 2007, Coburg Prof. Dr. Dr. med. G. Kolb, Lingen; Prof. Dr. med. I. Füsgen, Wuppertal; Prof. Dr. med. C. Sieber, Nürnberg; Prof. Dr. med. B. Höltmann, Grevenbroich; Prof. Dr. R. Hardt, Trier; PD Dr. M. Haupt, Düsseldorf; Dr. D. Lüttje, Osnabrück Betreuungsrecht Redaktion: Jola Horschig (Ltd. Redakteurin, presserecht- Therapie der Demenz vom Alzheimer-Typ Informationen: Fachklinik für Rehabilitation & Geriatrie, Klinikum Coburg gGmbH, Ketschendorfer Str. 33, 96450 Coburg, Tel. 0 95 61 / 22 73 68, Fax 0 95 61 / 22 73 03 @ 14. Februar 2007, Coburg lich verantwortlich), Im Kampe 9, 31832 Springe, Telefon: 0 50 41 / 98 90 58, Telefax: 0 50 41/ 98 90 59, e-Mail: [email protected] Herstellung: Sabine Löffler (verantwortlich) Informationen: Fachklinik für Rehabilitation & Geriatrie, Klinikum Coburg gGmbH, Ketschendorfer Str. 33, 96450 Coburg, Tel. 0 95 61 / 22 73 68, Fax 0 95 61 / 22 73 03 Grafik: Sabine Löffler (verantwortlich) @ 16. Februar 2007, Wien Verlag: gerikomm Media, Kampstr. 7, 30629 Hannover Verlagsleiter: Uwe Wegner, Telefon: 05 11 / 58 15 84, Telefax: 05 11 / 58 32 84, e-Mail: [email protected] Anzeigen: Uwe Wegner, Telefon: 05 11 / 58 15 84, Telefax: 05 11 / 58 32 84, e-Mail: [email protected] Zur Zeit gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 01.01.2004 Anzeigenschluss: 3 Wochen vor Erscheinen Rechte: Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Bei- Die Rolle der Geriatrie im Akutkrankenhaus Informationen: Abteilung für Akutgeriatrie des Krankenhauses Hietzing, Elvira Kochtik, Tel. 00 43 / 1 / 801 10 / 33 42, eMail: [email protected] @ 27./28. Februar 2007, Nürnberg Herausforderung Demenz – Bewältigungsstrategien für die Zukunft träge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mirkoverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Verlag behält sich das ausschließliche Recht der Verbreitung, Übersetzung und jeglicher Wiedergabe auch von Teilen dieser Zeitschrift durch Nachdruck, Fotokopie, Mikrofilm, EDVVerwertung on- und off-line, Funk- oder Fernsehaufzeichnung vor. Jede gewerblich hergestellte oder benutzte Fotokopie verpflichtet nach Paragraph 54 (2) UrhRG zur Gebührenzahlung an die VG Wort, Abt. Wissenschaft, Goethestr. 49, 80336 München, von der die Modalitäten zu erfragen sind. Informationen: Diakonie Neuendettelsau, Internationale Akademie DiaLog, Christa Heubeck, Wilhelm-Löhe-Str. 23, 91564 Neuendettelsau, Tel. 0 98 74 / 8-26 73, Fax 0 98 74 / 8-26 74, eMail: [email protected], www.akademiedialog.de Hinweise: Die in dieser Zeitschrift angegebenen Dosie- Heidelberger Basiskurs Palliativmedizin/Palliative Geriatrie rungen vor allem von Neuzulassungen sollten in jedem Fall mit den Beipackzetteln der verwendeten Medikamente verglichen werden. Alle Informationen werden nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für die Richtigkeit gegeben. Vertrieb: gerikomm Media, Heike Niemann, @ 3. März 2007, Ulm 12. Ulmer Tagung für Alter(n)sfragen (UTA) „Häufige Fragen in der Behandlung älterer Patienten“ Informationen: Bethesda Geriatrische Klinik Ulm gGmbH, Veranstaltungssekretariat Regine Faul, Tel. 07 31 / 1 87-1 85, Fax 07 31 / 1 87-3 89, eMail: [email protected] @ 5.- 9. März 2007, Heidelberg Informationen: Agaplesion Akademie Heidelberg, Sekretariat/Organisation, Rohrbacher Str. 149, 69126 Heidelberg, Tel. 0 62 21 / 3 19-16 31, Fax 0 62 21 / 3 19-16 35, eMail: [email protected], www.agaplesion-akademie.de Telefon: 05 11 / 58 15 84, Telefax: 05 11 / 58 32 84 @ 23. März 2007 Bezugspreise: Jahresbezugspreise für 6 Ausgaben Geriatrie-Forum „Umgang mit verwirrten älteren Menschen“ inkl. Versandkosten: Inland: Euro 42,– Ausland: Euro 46,– Studenten/AiP (gegen Vorlage einer Bescheinigung): Inland: Euro 28,– Studenten/AiP (gegen Vorlage einer Bescheinigung): Ausland: Euro 32,– Institutionen: Euro 62,– Einzelheft: Euro 12,– Für Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag enthalten. Gerichtsstand und Erfüllungsort: Hannover. Druck: Verlag Gödicke Druck & Consulting, Hannover © gerikomm Media 2006 Druckauflage: 5.500 Exemplare GERIATRIE JOURNAL 6/06 ISSN 1439-1139 IV. Quartal 2006 4 Punkte bei der LÄK Hessen beantragt Informationen: Chefarzt PD Dr. Rupert Püllen, Medizinisch-Geriatrische Klinik der Frankfurter Diakonie-Kliniken, Diakonissen-Krankenhaus, Markus-Krankenhaus, Holzhausenstr. 72-92, 60322 Frankfurt/M., Tel. 0 69 / 9 59 37-53 11, Fax 0 69 / 9 59 37-53 12. @ 24. März 2007, Heidelberg SGS – Strukturierte Schulung von geriatrischen Patienten mit Diabetes mellitus, Train the Trainer Seminar Gemeinsame Teilnahme von einem Arzt/einer Ärztin und einer 2. Person mit Schulungserfahrung (z.B. Diabetesassistent/in bzw. -berater/in) ist erforderlich. Informationen: Agaplesion Akademie Heidelberg, Sekretariat/Organisation, Rohrbacher Str. 149, 69126 Heidelberg, Tel. 0 62 21 / 3 19-16 31, Fax 0 62 21 / 3 19-16 35, eMail: [email protected], www.agaplesion-akademie.de 51