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Jörg; Baenitz, Michael; Gippius, Andrei (Moscow State University, Moskau, Russland); Rabis, Annegrit;
Raychaudhuri, Pratap (Tata Institute of Fundamental Research, Mumbai, Indien); Sheet, Goutam (Tata
Institute of Fundamental Research, Mumbai, Indien); Burkhardt, Ulrich; Borrmann, Horst; Ramlau, Reiner;
Mydosh, John A.; Steglich, Frank; Grin, Juri | Gefüllte Skutterudite – Physik und Chemie von Eisen-Antimoniden
der Alkali-, Erdalkali- und Seltenerd-Metalle
Gefüllte Skutterudite – Physik und Chemie von Eisen-Antimoniden
der Alkali-, Erdalkali- und Seltenerd-Metalle
Filled Skutterudites – Physics and Chemistry of Iron-Antimonides of
Alkali, Alkaline-Earth, and Rare-Earth Metals
Leithe-Jasper, Andreas; Schnelle, Walter; Rosner, Helge; W irth, Steffen; Sichelschmidt, Jörg; Baenitz, Michael;
Gippius, Andrei (Moscow State University, Moskau, Russland); Rabis, Annegrit; Raychaudhuri, Pratap (Tata
Institute of Fundamental Research, Mumbai, Indien); Sheet, Goutam (Tata Institute of Fundamental Research,
Mumbai, Indien); Burkhardt, Ulrich; Borrmann, Horst; Ramlau, Reiner; Mydosh, John A.; Steglich, Frank; Grin,
Juri
Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe, Dresden
Korrespondierender Autor
E-Mail: [email protected]
Zusammenfassung
Neuartige ternäre intermetallische Verbindungen von Eisen und Antimon, in deren Kristallstruktur große, mit
elektropositiven Elementen besetzbare Hohlräume existieren, zeigen ungew öhnliche magnetische und
thermische Eigenschaften. Eine Untersuchung der chemischen Bindung und der Struktur-EigenschaftsBeziehungen w ird vorgestellt.
Summary
Novel ternary intermetallic compounds of iron and antimony w ith a crystal structure containing large cavities,
w hich can be filled by an electropositive element, show unusual magnetic and thermal properties. A study of
the chemical bonding and of the structure-properties relationship is presented.
Einleitung
Verbindungen mit der vom Skutterudit-Typ abgeleiteten Kristallstruktur sind in den letzten Jahren intensiv
untersucht w orden [1]. Diese Klasse von Substanzen leitet sich vom schon 1827 beschriebenen Kobalterz
Skutterudit CoAs 3 ab. Binäre Verbindungen dieses Typs haben die allgemeine chemische Formel TX3 , w obei T
= Co, Rh, Ir ein Übergangsmetall aus der neunten Gruppe des Periodensystems und X = P, As, Sb ein Pnictid
ist. Mit Eisen, Ruthenium und Osmium (achte Gruppe des Periodensystems) konnten keine binären Vertreter
des Skutterudit-Typs unter Gleichgew ichtbedingungen dargestellt w erden, offensichtlich w egen bindungselektronischer Inkompatibilitäten. Um in diesem Fall nun die Skutterudit-Struktur zu stabilisieren, benötigt man
als dritte Komponente ein elektropositives Element, w as zur allgemeinen Formel MyT4 X12 führt („gefüllte
Skutterudite“). Mittlerw eile w urden Verbindungen mit Seltenerd-, Erdalkali-Metallen sow ie Thallium, Uran und
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Thorium als Kation M synthetisiert. In den gefüllten Skutteruditen können sich die stabilisierenden M-Atome
nur in großen Leerräumen des [T4 X12 ]-Gerüstes aufhalten (Abb. 1). Der Füllgrad y kann bis hin zur
vollständigen Besetzung (y = 1) variieren. Die genauen Ursachen, die bei manchen Kationen M („Gast“) zu
einer Unterbesetzung (y T4 X12 ] führen, sind jedoch bisher nicht hinreichend verstanden.
Die kubisch-innenzentrierte Kristallstruktur der gefüllten Skutterudite ist anhand der Verbindung NaFe 4 Sb 12 in
Abbildung 1 dargestellt. An ihren Ecken verknüpfte, verkippte FeSb 6 -Oktaeder bilden ein dreidimensionales
Netzw erk, in dem unterschiedlich große Hohlräume auffallen. Die größten, die ikosaedrischen Hohlräume (im
Ursprung der Elementarzelle), w elche bei den binären Skutteruditen leer bleiben, sind bei den ternären
Verbindungen mit dem jew eiligen Kation gefüllt. Kleinere Hohlräume w erden durch nahezu quadratische,
planare Sb 4 -Gruppen gefüllt.
Eine Vielzahl von interessanten physikalischen Eigenschaften konnte bisher hauptsächlich in Skutteruditen mit
Seltenerd-Metallen als Kation beobachtet w erden. Zu nennen sind hier Metall-Isolator-Übergänge, komplexe
magnetische und quadrupolare Ordnungsphänomene, konventionelle und nicht-konventionelle Supraleitung,
Schw eres-Fermionen- oder Nicht-Fermi-Flüssigkeits-Verhalten sow ie fluktuierende Valenzzustände. Weiterhin
w ird
das
Interesse
an
Skutterudit-Abkömmlingen
durch
ihre
viel versprechenden
thermoelektrischen
Eigenschaften stimuliert: Anw endungen dieser Materialien zur direkten Umw andlung von W ärme in elektrische
Energie und in einer umw eltfreundlichen Kühltechnologie w erden derzeit w eltw eit erforscht. Die Grundlagen
hierzu sind allerdings noch nicht vollständig verstanden. Zahlreiche Studien deuten aber darauf hin, dass die
physikalischen Eigenschaften gefüllter Skutterudite durch ein subtiles Zusammenw irken der Gast-Kationen mit
der Übergangsmetall-Pnictogen-W irtsstruktur bestimmt w erden.
Krista llstruk tur von Eise n-Antim onide n ge füllte n Sk utte rudite
ist a nha nd de r Ve rbindung MFe 4Sb 12. Die da rge ste llte
Einhe itsze lle e nthä lt zwe i Form e le inhe ite n (W e iße Kuge ln: M =
Alk a li-, Erda lk a li-, bzw. Se lte ne rd-Me ta ll; rote Kuge ln: Eise n;
bla ue Kuge ln: Antim on).
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Um ein besseres Verständnis dieser Wechselw irkungen zu erhalten, muss man gefüllte Skutterudite ohne
magnetische Kationen untersuchen. Dazu w urden neue Alkalimetall-stabilisierte Eisen-Antimonide mit Natrium
und
Kalium
synthetisiert
[2,3].
Zusammen
mit
dem
Erdalkalimetallen
sind
diese
Kationen
relativ
unproblematische Gäste, die ausschließlich s-Elektronen beisteuern. Daher sind diese Verbindungen gut
geeignet, den Einfluss der d-Elektronen auf die Strukturchemie und die physikalischen Eigenschaften der
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gefüllten Skutterudite zu untersuchen.
Synthese und chemische Bindung
Die Verbindungen NaFe 4 Sb 12 und KFe 4 Sb 12 [2,3] mit den einw ertigen Alkalimetallen Natrium und Kalium
w erden aus den Zw ischenprodukten NaSb (bzw . KSb), FeSb 2 und metallischem Antimon bei einer relativ
niedrigen Temperatur von 400°C pulvermetallurgisch unter Argon-Schutzgas synthetisiert. Es entstehen
silbrig-graue, an Luft stabile polykristalline Materialien. Durch Züchtung in flüssigem Antimon konnten auch
größere Kristalle von Yb yFe 4 Sb 12 [4] und La yFe 4 Sb 12 dargestellt w erden. Durch Röntgendiffraktometrie und
andere Methoden (z.B. Mikrosonden-Analyse an metallographischen Schliffen) ließ sich die vollständige
Besetzung (y = 1) der kristallographischen Positionen der Gast-Atome in den Na-, K- und Ca-Verbindungen
MyFe 4 Sb 12 nachw eisen. In den Lanthan- und Ytterbium-Verbindungen ist der ikosaedrische Hohlraum dagegen
nicht vollständig besetzt (La 0.79 Fe 4 Sb 12 und Yb 0.95 Fe 4 Sb 12 ).
Da der ikosaedrische Käfig relativ groß ist, zeigen alle Gast-Kationen bei Raumtemperatur eine große, durch
die W ärmebew egung getriebene Oszillation um die Ruhelage im Mittelpunkt des Hohlraumes, die durch so
genannte Auslenkungsparameter beschrieben w erden kann. Mithilfe von Röntgen- bzw . NeutronenbeugungsExperimenten
konnte
gezeigt
w erden,
dass
nur
die
Auslenkungsparameter
der
Kationen
stark
temperaturabhängig sind. Bei der tiefsten Temperatur von 2 K sind die Auslenkungsparameter aller drei
Atomsorten etw a gleich und nahezu Null. Zusammen mit der relativ geringen thermischen Ausdehnung der
Struktur ergibt sich das Bild eines oszillierenden Gast-Atoms in einem starren Käfig aus Antimonatomen, das
durch das Modell eines einzelnen Einstein-Oszillators recht gut beschrieben w erden kann.
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Ele k trone n-Lok a lie rungs-Funk tion für Na Fe 4Sb 12. Die
Isoflä che n illustrie re n die k ova le nte Bindung zwische n Fe und
Sb (η = 0.53; he llgrün) sowie zwische n de n Sb-Atom e n im
Sb 4-Vie re ck (η= 0.56; grün). Die Isoflä che für η = 0.72
(ora nge ) ze igt e ine Struk turie rung de r dritte n
Ele k trone nscha le de r Fe -Atom e und da m it e ine Be te iligung
de r d-Ele k trone n a n de r che m ische n Bindung. Je de r Bindung
wird e ine Ele k trone na nza hl zuge ordne t.
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Diese experimentellen Befunde w erfen nun Fragen zur chemischen Bindung in dieser Klasse von Verbindungen
auf. Dazu ist die Analyse der chemischen Bindung im Ortsraum mit der Elektronen-Lokalisierungs-Funktion
(ELF, η) besonders hilfreich. Die Methode und ihr Nutzen w urde u.a. im Jahrbuch der MPG 2001 beschrieben.
Die ausgew ählten Isoflächen der ELF visualisieren die w ichtigsten Atomw echselw irkungen (Abb. 2). Kovalente
Wechselw irkungen sind zw ischen je zw ei Sb-Atomen der planaren Sb 4 -Gruppe sow ie zw ischen den Fe- und
Sb-Atomen im Oktaeder FeSb 6 zu finden [3]. Bemerkensw ert ist, dass bei dieser Analyse eine ionische Bindung
zw ischen dem Kation (Na +) und dem W irtsgitter [Fe 4 Sb 12 ]– gefunden w urde. Die w eitere Analyse zeigt, dass
da s s-Elektron des Alkalimetalls vollständig an die anionische W irtsstruktur abgegeben w ird. Der größte Teil
dieser Ladung w ird in das Sb 4 -Viereck transferiert. Der Bindungsanalyse folgend kann die NaFe 4 Sb 12 -Struktur
als ein dreidimensionales, kovalent gebundenes Polyanion aus Fe- und Sb-Atomen mit eingebetteten Na +Kationen beschrieben w erden. Dieses Szenario ist auch in Übereinstimmung mit der beobachteten großen
Steifigkeit der Struktur. So ändert sich zum Beispiel der Gitterparameter der kubischen Struktur nur sehr w enig
mit den verschiedenen Kationen.
Magnetische Eigenschaften
Überraschenderw eise zeigte sich, dass die neuen Na- und K-gefüllten Fe-Sb Skutterudite unterhalb von 85 K
ferromagnetisch ordnen [2]. W ird mehr als ein Elektron an das W irtsgitter abgegeben, w ie im Falle von Ca 2+,
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Sr2+, Ba 2+ oder Yb 2+ als Kation, kann bis zu den tiefsten Temperaturen keine ferromagnetische Ordnung
nachgew iesen w erden, d.h. die Materialien bleiben paramagnetisch. Dies ist in Abbildung 3 dargestellt. Durch
Röntgen-Absorptionsspektroskopie im HASYLAB am DESY in Hamburg w urde gezeigt, dass Ytterbium (Yb) in
Yb yFe 4 Sb 12 chemisch zw eiw ertig ist und damit kein magnetisches Moment besitzt. Das Seltenerd-Ion
Ytterbium in Yb yFe 4 Sb 12 verhält sich also sehr ähnlich dem Kalzium-Ion [4].
Isothe rm e Ma gne tisie rungsk urve n be i T = 1.8 K und in
Ma gne tfe lde rn bis zu 14 T für fe rrom a gne tische s Na Fe 4Sb 12
und pa ra m a gne tische s 4Sb 12. (rot, grün: SQ UID-Me ssunge n,
bla u, schwa rz: Ex tra k tions-Me thode ).
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Das temperaturabhängige Verhalten der Magnetisierung oberhalb der magnetischen Ordnungstemperatur
kann mit einem einfachen Curie-Weiss-Gesetz beschrieben w erden. Diese typische Temperaturabhängigkeit
der Magnetisierung w ird in den Skutteruditen aber nicht durch an den Gitteratomen lokalisierte magnetische
Momente, sondern durch Spinfluktuationen von itineranten (bew eglichen), vom Fe stammenden 3d-Elektronen,
hervorgerufen. Das paramagnetische Moment ist für die Alkali- und Erdalkali-Verbindungen etw a gleich groß
(1.5 bis 1.7 μ B/Fe-Atom) [3]. Für die ferromagnetischen Skutterudite ist – w ie erw artet – die W eiss-Temperatur
Θ positiv und nahezu identisch mit der ferromagnetischen Ordnungstemperatur. In den paramagnetischen
Verbindungen sind die Werte von Θ kleiner, aber immer noch positiv. Es gibt experimentelle Hinw eise dafür,
dass die paramagnetischen Verbindungen – speziell von Ca und Yb – sich nahe an einer ferromagnetischen
Instabilität befinden, das heißt, möglicherw eise durch Anw enden von hinreichend hohem Druck in einen
ferromagnetisch geordneten Zustand getrieben w erden können. Ein ferromagnetischer Zustand lässt sich
ebenfalls bei Anlegen genügend hoher Magnetfelder erw arten (metamagnetischer Übergang). Nur La yFe 4 Sb 12
m i t y = 0.79 (gefüllt mit dreiw ertigem Lanthan, d.h. maximal 2.37 transferierten Elektronen) zeigt ein
signifikant kleineres paramagnetisches Moment (1.2 μ B/Fe-Atom) und antiferromagnetische Korrelationen (Θ =
–50 K).
Die elektronische Bandstruktur von NaFe 4 Sb 12 w urde durch FPLO-Rechnungen (full potential local density)
untersucht [3]. Eine minimale Energie w ird durch eine Polarisierung der Elektronenzustände erreicht, w elche
eine ferromagnetische Ordnung des Materials impliziert. Entsprechend ist in Abbildung 4a die elektronische
Zustandsdichte in Abhängigkeit von der Energie des Elektrons für die beiden Spinrichtungen (auf, ab) getrennt
aufgetragen. Im Besonderen fällt auf, dass im Spin-ab-Band an der Fermienergie (hier Null auf der
Energieskala) eine
Lücke
in der Zustandsdichte
vorhanden ist. Das
bedeutet, dass
der Spin
der
Leitungselektronen – also eben jener Elektronen mit der Fermienergie – fast nur aufw ärts zeigen kann. Ein
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elektrischer Strom im ferromagnetischen NaFe 4 Sb 12 besteht daher fast ausschließlich aus Elektronen einer
Spinrichtung. Ein solches Material w ird auch als „ferromagnetisches Halbmetall“ bezeichnet. Derartige Stoffe
w erden auf die Eignung für eine völlig neuartige Elektronik, die zusätzlich zur Elektronenladung auch auf der
Kontrolle des Elektronenspins basiert (Spintronics), derzeit intensiv untersucht [5].
Die
theoretische
Vorhersage
einer hohen
Spinpolarisation
in
NaFe 4 Sb 12
findet
ihre
Bestätigung
in
Experimenten mit supraleitenden Punktkontakten (Andreev-Reflektions-Spektroskopie) [6]. Dazu w erden
scharfe Spitzen aus einem supraleitendem Metall auf das polierte Skutterudit-Material aufgesetzt. Die StromSpannungs-Kennlinie der Anordnung hängt nun vom Grad der Spinpolarisation im ferromagnetischen
Halbmetall ab. Die aus diesen Messungen bestimmte Spinpolarisation beträgt 60% für NaFe 4 Sb 12 und 67% für
KFe 4 Sb 12 . Dies ist zw ar w eniger als der theoretisch erw artete Wert. Es sind insbesondere die starken
Spinfluktuationen, die den Grad der Spinpolarisation reduzieren. Dennoch gehören die beiden genannten
Skutterudite damit zu der kleinen Gruppe von Materialien mit vergleichbarem Spinpolarisationsgrad. Einzig
CrO 2 zeigt eine höhere Spinpolarisation bei entsprechend höherer magnetischer Ordnungstemperatur.
Die Stabilität der ferromagnetischen Ordnung in gefüllten Skutteruditen mit [Fe 4 Sb 12 ]-W irtsgitter w urde
theoretisch mit der Methode der eingefrorenen magnetischen Momente untersucht [3]. Damit w ird die
Gesamtenergie der elektronischen Struktur für ein vorgegebenes magnetisches Moment berechnet. Für M =
Na, K (Abb. 4b, untere Kurven) ergibt die Berechnung einen Energiegew inn für ferromagnetische Ordnung.
Dieser ist groß genug, um die starken Fluktuationen des magnetischen Moments zu überw inden. Für M = Yb,
Ca, Ba und La ist der Energiegew inn deutlich kleiner (Abb. 4b, mittlere Kurven). Desw egen können die starken
ferromagnetischen Spinfluktuationen die
magnetische
Ausrichtung
der Spins
in diesen Verbindungen
behindern bzw . vollständig unterdrücken. Ein externes magnetisches Feld dämpft genau diese Fluktuationen.
Dies ist an einem langsamen Ansteigen der Magnetisierung von NaFe 4 Sb 12 mit dem äußeren Magnetfeld zu
beobachten (Abb. 3). Bei 14 Tesla ist die Magnetisierung nur noch w enig geringer als die von der
Bandstruktur-Rechnung vorhergesagte.
a ) Ele k tronische Zusta ndsdichte für Spin-a uf- und Spin-a bEle k trone n in Na Fe 4Sb 12. b) R e la tive Ene rgie da rge ste llt ge ge n
da s (vorge ge be ne ) m a gne tische Mom e nt pro Fe -Atom a us
Ba ndstruk tur-R e chnunge n für ve rschie de ne ge füllte
Sk utte rudite MFe 4Sb 12 (M = Na , K, C a , Ba , La , Yb; 1 Ha rtre e
27.2 e V).
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Thermische Eigenschaften — elektronische und strukturelle Beiträge
W ie bereits oben erw ähnt, zeigen die Kationen in gefüllten Skutteruditen anomal große thermische
Auslenkungsparameter, d.h. eine thermisch angeregte Vibrationsbew egung, die man auch als „rattling“
(„rasseln“
oder
„klappern“) bezeichnet. Die
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W ärmeleitfähigkeit
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gefüllter
Skutterudite
ist
etw a
eine
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Größenordnung geringer als die der äquivalenten ungefüllten Verbindungen. In Skutteruditen w ird W ärme
hauptsächlich durch Gitterschw ingungen (Phononen) transportiert. Diese Phononen w erden durch die lokalen
Schw ingungen der Kationen gestreut, w omit die W ärmeleitfähigkeit drastisch herabgesetzt w ird. Da nun
gefüllte Skutterudite mit sehr unterschiedlichen Kationenmassen vorhanden sind, eröffnet sich so die
Möglichkeit, mehr Informationen über den Einfluss des „rattling“ auf die elektronischen und thermischen
Eigenschaften zu gew innen.
Mit der molaren W ärme CP(T) w erden die Beiträge aller thermischen Anregungen des Festkörpers gemessen.
Daher ist eine Analyse von CP(T) notw endig, um diese verschiedenen Beiträge zu separieren (Abb. 5). Bei
tiefen Temperaturen folgen die Beiträge der Phononen des [Fe 4 Sb 12 ]-W irtsgitters der Debyeschen Näherung:
CW irt = βT3 + δT5 . Der Beitrag der Leitungselektronen in einem Metall führt zu einem Term mit linearer
Temperaturabhängigkeit: Ce le k tr. = γT. Diese zw ei Anteile reichen zur Beschreibung von CP(T) eines einfachen
Metalls aus. Bei den gefüllten Skutteruditen treten aber zusätzlich die starken Vibrationen der Kationen auf.
Sie können mit dem bereits erw ähnten Einstein-Modell beschrieben w erden. Die Einstein-Temperatur ΘE gibt
dabei die typische Energieskala der Schw ingung des Kations an. In Abbildung 5 ist exemplarisch eine Analyse
von CP(T) von CaFe 4 Sb 12 gezeigt.
Mola re W ä rm e CP(T)/T von C a Fe 4Sb 12 (rote Kre ise ) und
a nge pa sste s Mode ll (grüne Linie ). Die ve rschie de ne n Be iträ ge
zur CP(T) sind da rge ste llt (sie he Te x t).
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Der Sommerfeld-Koeffizient γ der elektronischen molaren W ärme für die Na-, K-, Ca- und Ba-Verbindungen
beträgt zw ischen 98 und 116 mJ mol–1 K–2 , und auch Yb 1–xFe 4 Sb 12 mit dem Seltenerd-Kation Ytterbium
besitzt einen Wert dieser Größe [4], konsistent mit den großen Ähnlichkeiten der verschiedenen gefüllten
Skutterudite
in
der
elektronischen
Zustandsdichte
(DOS) an
der
Fermikante. Der
Koeffizient β der
Phononenbeiträge des W irtsgitters sinkt von M = Na über K und Ca zu La hin ab und zeigt eine steigende
Steifigkeit des W irtsgitters [Fe 4 Sb 12 ] mit zunehmender Ladung des Kations M an. Offensichtlich w erden die
kovalenten Bindungen zunehmend stärker. Für die Einstein-Temperatur ΘE der Vibration der Kationen ergeben
sich W erte zw ischen 62 K und 104 K.
Pseudo-Bandlücke von Eisen-Zuständen
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Ein einfaches Metall reflektiert auftreffende elektromagnetische Strahlung in einem w eiten Frequenz- bzw .
Energiebereich. Metalle mit stark korrelierten Elektronen, hauptsächlich Seltenerd-Verbindungen mit 4 fElektronen, können gravierende Abw eichungen von diesem Reflektionsverhalten zeigen. Durch den so
genannten Kondo-Effekt kann es zu einem Minimum im Spektrum der optischen Reflektion bei niedrigen
Energien und bei tiefen Temperaturen kommen (Pseudolücke im „Kondo-Isolator“). Bei Yb yFe 4 Sb 12 w urde eine
solche Pseudolücke im infraroten Frequenzbereich kürzlich beobachtet. Sie verschw indet bei Temperaturen
oberhalb
von
etw a
80
K.
Da
aber
Ytterbium
in
Yb yFe 4 Sb 12
sich
in
einem
ionischen
Zustand
(Elektronenkonfiguration 4f14 , Yb 2+) befindet, der keine „magnetisch aktiven“ f-Elektronen besitzt, kann der
Kondo-Effekt als Ursache der Pseudolücke ausgeschlossen w erden [4,7]. Neue Messungen haben gezeigt,
dass auch in CaFe 4 Sb 12 und der homologen Ba-Verbindung eine sehr ähnliche Pseudolücke existiert, die
ebenfalls bei Temperaturen oberhalb von ca. 80 K verschw indet [7].
Tatsächlich kann das Auftreten dieser Pseudolücke in der optischen Reflektivität durch eine spezielle
Eigenschaft der elektronischen Bandstruktur der genannten Skutterudite erklärt w erden [7]: Besonders hoch
auflösende und sehr genaue LDA-Berechnungen (local density approximation) der Bandstruktur ergeben ein
ausgeprägtes schmales Maximum dicht oberhalb der Fermienergie, das von Eisen-3d-Zuständen dominiert
w ird. Das Schließen der Pseudolücke bei hohen Temperaturen lässt sich für eine solche Struktur durch einfache
thermische Verbreiterung erklären.
Originalveröffentlichungen
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