„Under the Radar“ 1) mein ungewöhnlicher Theaterbesuch in der Hauptstadt von Helmut Rodde-Worm 2 Das ist nicht korrekt beschrieben „Theaterbesuch“, den ich besuchte eine „TanzPerformance“3). Dieses Kunstwerk hat den Titel „Under the Radar“4) und Konzept und Regie ist von Jess Curtis 5), das bei DOCK11 in Berlin aufgeführt wird, gefördert vom Hauptstadtkulturfond. Nun versuche ich „Begriffe“ zu erklären, Worte zu übersetzen, zu definieren. Und da geht Jess mit dieser Performance seinen eigenen Weg und fragt in der Ankündigung „Wer entscheidet, was schön ist?“ oder „Was ist normal?“. Seine Antwort sind keine Worte. Und ich denke er hat Recht, die Performance, dieses Kunstwerk ist Antwort ohne Worte genug. Was hat mich so sehr berührt, beeindruckt, begeistert, nachdenklich gemacht? Es ist der enorme Mut, mit dem die Akteure auf die Bühne gehen, die bewundernswerte professionelle Darbietung. Und die Botschaft, die für mich damit transportiert wird. Eine sehr besondere Botschaft, die ich als ein „Mensch mit Behinderung“ sah und fühlte. Die Aufforderung „sieh her – guck genau hin“ war deutlich: keine Worte, eine Frau im Rollstuhl, deren Bewegungen, Gestik ich mit den Augen folgte und verzweifelt versuchte alle meine Gedanken zur Seite zu schieben, einfach wahrzunehmen. Das war der Auftakt. Dann mehr, viel mehr an Aktion und Interaktion von „normalen“ TänzerInnen und den „behinderten“ Tänzerinnen. Und plötzlich war alles anders: dieser Unterschied war verschwunden! Oder die Rollen waren vertauscht! Einfach so, ohne große Erläuterung oder Erklärung – ohne Worte. Vor der Pause dann eine Tanzperformance dreier Frauen mit „mixed abilities“ 6). Alle drei mit Krücken spielerisch, leichtfüßig tanzend zu wunderbarer E-Musik (Cello und Klarinette). Ich versuchte meine Tränen zu unterdrücken, was nicht ganz gelang. Schönheit der Leichtigkeit war da, zum Anfassen. Später dann Kraft und Schönheit. Und Grausamkeit, Wucht, erdrückender Lärm, erschütternde Reaktion eines menschlichen Körpers. Was ist normal? Alles? Nichts? Beides? Ich weiß es nicht mehr und es ist unwichtig geworden. Menschlichkeit, Mensch sein ist es, in der wir uns in diesem Leben auf dieser Erde begegnen. Bitte, liebe Mitmenschen, egal ob mit oder ohne äußere oder innere „Behinderung“: geht hin, guckt zu: ganz genau und guckt auch unter die Oberfläche, wie mit Röntgenstrahlen. Und: DANKE Jess und alle ihr anderen Mitwirkenden. 1 http://www.berlin.de/hauptstadtkulturfonds/typo/index.php 2 Helmut Rodde-Worm, Berater / Trainer, (jetzt Erwerbsunfähigkeits-Rentner), verheiratet mit Christine Worm Musik- und Tanzpädagogin), vier Kinder, Jahrgang 1944, erkrankte an Poliomyelitis (Kinderlähmung) 1946 3 Performance (englisch: Aufführung, Vorstellung, Vortrag, Darstellung, Spiel) Performance (Kunst): Performance ist die Kunst, eine Handlung durch eine Person als lebendiges Bild für sich selbst sprechen zu lassen. 4 „under the radar“ (englisch) wörtlich übersetzt „Unter dem Radar“ (deutsch). Im übertragenden Sinne von „unter die Haut gucken, wie mit einem Röntgenschirm“ 5 siehe http://www.jesscurtisgravity.org/ 6 „mixed abilities“ (englisch) wörtlich übersetzt „geistige Mischanlagen“