Mister Golfstrom - öffentliche Vortragsreihen am Physikalischen

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Nordbayerischer Kurier
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Bayreuth
Nordbayerischer Kurier - Freitag, 21. Januar 2011
Mister Golfstrom
Wie warm es der Erde in den nächsten Jahrzehnten wird, ist sein Gebiet: Jochem Marotzke spricht bei „Physik am Samstagvormittag“
BAYREUTH
Was ist dran an der Klimaerwärmung? Wird das Thema manchmal
nicht ein bisschen aufgebauscht?
Professor Jochem Marotzke vom
Hamburger Max-Planck-Institut für
Meteorologie widmet sich am
Samstag in einem Vortrag für interessierte Nichtphysiker diesem
Jahrhundertproblem. Vorab sprach
er mit Kurier-Redakteurin Christina Knorz.
zirkulation wirklich wichtig ist für Europa und es ist zumindest denkbar,
dass sie auch einmal ausfallen könnte. Es ist allerdings nicht sehr wahrscheinlich. In vielen Klimamodellen
ist es so, dass die Zirkulation des Golfstroms schwächer wird, insofern auch
die Warmwasserheizung für Europa.
Andererseits wirkt in den Modellen
der erhöhte Treibhauseffekt
für Europa. In unserem
Modell zum Beispiel ist es so,
Marotzke: Bis zum Jahr 2100 sind es
ungefähr drei Grad. Hängt natürlich
sehr davon ab, was wir für die Treibhausgaskonzentration annehmen –
das können wir nicht vorhersagen,
diesbezüglich gibt es zurzeit nur Annahmen. Wenn die Menschheit effektive
Emissions-
den in den reichen Ländern sehr viel
geringer ausfallen als in den armen.
Es wird vor allem Länder betreffen,
die wenig Ressourcen haben und die
sich nicht schützen können.
Frage: Bei Klimaentwicklungen heißt
es immer: „Seit Beginn der Wetteraufzeichnung ...“ Ist dieser Zeitraum
nicht ein bisschen kurz, um einen
belastbaren Maßstab zu liefern?
Marotzke: Nein, das
Frage: Die weltweit größten CO2Sünder, USA und China, machen weiter wie bisher. Was soll das kleine
Deutschland da ausgleichen?
Marotzke: Es geht nicht, dass Europa
sagt: „Wir sind kleiner, also machen
wir nichts.“ Wenn sich die EU auf
den Standpunkt stellen würde, dann
würde gar nichts passieren. Für
Deutschland und Europa stecken in
dem Thema große Chancen, dass
hier nämlich Exporttechnologien
entwickelt werden können. Um
die Chancen zu nutzen, ist ein
vorbildliches Vorgehen wichtig
für die langfristigen psychologischen und politischen Folgen. Wenn ein Land wie
Deutschland zeigen kann, dass
es mit neuen Technologien
sehr viel energieeffizienter
umgehen kann ohne Einschränkung der Lebensqualität, dann ist man auch überzeugend im Exportieren von
Technologien und Maßnahmen. Ich finde es sehr ermutigend, dass das deutsche
Energieeinspeisungsgesetz –
also wer hinter seinem Haus
mit der Windmühle Strom erzeugt, das einspeisen kann – von
47 Nationen übernommen wurde. Das ist wichtig für den Erfolg
von regenerativen Energien. Aber
so was muss man vormachen.
Frage: Ändert sich das Klima mehr
durch den Menschen oder mehr durch
Sonnenaktivitäten?
Jochem Marotzke: Durch den Menschen, und das ist auch für die letzten 40 Jahre nachgewiesen, dass die
Erwärmung nicht durch Sonnenaktivität erklärt werden kann. Die
Störung durch den Menschen ist
einfach stärker als die durch die
Sonne, um den Faktor acht, um
genau zu sein.
Frage: Klimaerwärmung ist
also kein Mythos?
Marotzke: Auf keinen Fall.
Die Erwärmung ist unbestreitbar und wir sind uns
sehr sicher, dass sie durch
den Menschen verursacht wird. Wir sind auch
sehr sicher, dass die
menschengemachte Erwärmung in den nächsten Jahrzehnten immer
deutlicher wird. Wer es
heute noch nicht ganz
glaubt, muss nur zehn
Jahre warten.
Frage: Leugner der menschengemachten
Erwärmung führen als Beleg an,
dass sich die Durchschnittstemperatur in den letzten zehn
Jahren nicht erhöht habe. Wie
passen diese Fakten mit Ihrer
Prognose der Erwärmung bis zum
Jahrhundertende zusammen?
Marotzke: Das passt gut zusammen.
Die letzten zehn Jahre war die wärmste Dekade, die es je gab. Es hat zwar
ein Plateau in der Erwärmung gegeben, aber auf sehr hohem Niveau. Was
wir dort sehen, ist eine Überlagerung
von natürlichen Schwankungen und
der menschengemachten Erwärmung. Denn auch in einer wärmer
werdenden Welt gibt es Phasen, in de- dass dieser Effekt
nen es nicht noch weiter steigt. Das drei- bis viermal stärker
ist als die Abkühlung durch die
ist normal.
abnehmende Ozeanzirkulation. In
Frage: Kinobesucher wurden von dem unserem Modell kommt also eine NetKatastrophenfilm „The Day after To- to-Erwärmung heraus. Der Film zeigt
morrow“ 2004 mit dem Szenario auf- darüber hinaus in der Geschwindiggeschreckt, der Golfstrom könne zum keit der Ereignisse und den globalen
Erliegen kommen und durch den Folgen etwas völlig Unrealistisches.
Wegfall dieser Warmwasserheizung Es kann nicht so schnell passieren, es
Europas eine neue Eiszeit anbrechen, kann auch nicht zu einer globalen Eissamt Tornados, Flutwellen und ext- zeit kommen, das ist völlig ausgeremen Temperaturstürzen. Ist da was schlossen.
dran?
Marotzke: Der Film hat einen wah- Frage: Um wie viel Grad wird es denn
ren Kern, nämlich dass die Warm- in den nächsten 100 Jahren wärmer
wasserheizung durch die Atlantik- werden nach Ihrem Modell?
Emissionsminderung von 50 Prozent
anstreben bis zur Mitte des Jahrhunderts, wenn wir das Zwei-Grad-Ziel
erreichen wollen. Die Nutzung von
regenerativen Energien in Deutschland hat zugenommen. Auch über einige brennende Fragen wie den Verkehr wird stärker geforscht. Grundsätzlich halte ich die Emissionsminderung für möglich, aber es sind enorme Anstrengungen nötig. Es erfordert eine Transformation der Gesellschaft.
INFO
minderungsmaßnahmen
ergreift,
wird die Erwärmung sehr viel schwächer ausfallen.
ist seriös. Wir wissen natürlich,
dass
es
vor
100 000 000 Jahren schon mal viel
wärmer auf der Erde war, vielleicht
so war, wie wir es für das Jahr 2100
erwarten. Der Unterschied liegt darin, dass sich die Erwärmung viel
schneller vollzieht als jemals in der
Erdgeschichte. Noch nie hat es so eine Phase gegeben. Es ist also nicht
der Wandel des Klimas an sich, sondern die Geschwindigkeit. Und die
ist ohne Parallele in der Weltgeschichte, so weit wir sie kennen.
Frage: Drei Grad klingen für einen
Laien nicht wirklich erschreckend,
warum sollten wir das trotzdem ernst
nehmen?
Marotzke: Drei Grad bedeuten, dass,
was extrem war, die Regel wird. Rekordsommer wie 2003 oder wie in
Russland vergangenes Jahr würden Frage: Was müssen also die Ziele sein?
eher normal. Die Auswirkungen wer- Marotzke: Wir müssen global eine
Professor Jochem Marotzke (Foto)
vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg spricht im
zweiten Teil der
Reihe
„Physik
am
Samstagvormittag“ am
22. Januar
ab
10.30 Uhr im H
15 des Gebäudes NW I der
Universität Bayreuth über die
Klimaerwärmung und die
Auswirkungen
für Europa. Marotzke zählt zu den weltweit führenden Klimaexperten und forscht auf
dem Gebiet der physikalischen Ozeanographie. Er widmet sich dabei
auch der Frage, wie eine globale Klimaerwärmung den Golfstrom, also
unsere „Heizung“ in Europa, stören
kann.
red
Indische Schwestern geben die Leitung ab
Nach 42 Jahren erstmals eine weltliche Kraft an der Spitze des Altenheims St. Martin
BAYREUTH
Von Sarah Striedl
Die Caritas ist in Bayreuth mit den indischen Schwestern zum Markenzeichen geworden, so Bozena Schiepert, die neue Leiterin des CaritasAlten- und Pflegeheims St. Martin.
42 Jahre lang standen indische
Schwestern an der Spitze des Hauses.
Jetzt gab Schwester Vinaya Thottathil
die Leitung ab. Die indischen Schwestern bleiben aber vor Ort. Neun Mitglieder der Sisters of Mary Immaculate
arbeiten in St. Martin weiter in der Pflege.
Mit Bozena Schiepert hat DiözesanCaritasdirektor Gerhard Öhlein erstmals eine weltliche Leiterin ins Amt
eingeführt. Schiepert, bislang Pflegedienstleiterin im Caritas-Altenheim
Hollfeld, ist 45 Jahre alt, hat zwei Söhne und ursprünglich in Polen Maschinenbautechnikerin gelernt. Dort arBozena Schiepert (links) ist die neue Leiterin im Caritas-Alten- und Pflege- beitete sie in einem Forschungsinstiheim St. Martin. Rechts: Vorgängerin Vinaya Thottathil.
Foto: Lammel tut, bevor sie vor 22 Jahren nach
Deutschland kam und in ihrem Beruf
kaum Chancen sah. 1994 begann sie
die Ausbildung zur Altenpflegerin und
studiert berufsbegleitend im sechsten
Semester an der Hamburger Fernhochschule Gesundheits- und Sozialmanagement.
Mit einem Gottesdienst wurde der
Wechsel in der Heimleitung in der
hauseigenen Kapelle gefeiert. Monsignore Edgar Hagel, erster Vorsitzender
des Caritasverbands für die Erzdiözese
Bamberg, sagte, wie ein unfertiges oder
renovierungsbedürftiges Haus ein Gerüst brauche, so benötige jeder Mensch
eine Stütze im Leben. Er dankte
Schwester Vinaya Thottathil, die dem
Heim, seinen Bewohnern sowie den
haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern in den vergangenen drei Jahren
ein solches Gerüst gewesen sei. Bozena Schiepert wisse „durch ihre langjährige Berufserfahrung, wo die
Schrauben am Gerüst nachzuziehen
sind“. Seit drei Wochen wirkt sie in St.
Martin. Wichtig sei es ihr, die Geschichte des Hauses weiterzutragen:
„St. Martin ist als das Heim der indischen Schwestern bekannt. Ich werde
dafür sorgen, dass sie weiter ihre spirituellen Bedürfnisse und Traditionen
leben können.“
Im St. Martin wirken neun der insgesamt 18 in Deutschland tätigen Sisters of Mary Immaculate, die laut Öhlein ein Garant für fürsorgliche Pflege
sind und mit ihrer Frömmigkeit die Caritas-Einrichtungen St. Heinrich in
Burgkunstadt und St. Martin in Bayreuth prägen. Sie seien auch mitverantwortlich für den hohen Qualitätsstandard. Erst im Juli letzten Jahres
wurde das Alten- und Pflegeheim St.
Martin vom medizinischen Dienst der
Krankenkassen mit 1,3 bewertet.
Ein besonderer Dank der zahlreichen Gäste, unter ihnen Bürgermeisterin Dr. Beate Kuhn (SPD), galt neben
den Schwestern auch den vielen ehrenamtlichen Mitarbeitern. Bozena
Schiepert lobte: „Ob es sich um die
Spiel- und Singgruppe handelt oder die
Cafeteria – immer ist ein Ehrenamtlicher zur Hand.“
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