„Ritzen“ – ein neuer Trend unter Jugendlichen?!

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„Ritzen“ – ein neuer Trend unter Jugendlichen?!
Einer aktuellen Studie der Klinik Ulm zufolge hat sich jeder 5. Jugendliche schon mindestens einmal selbstverletzt. 9% zeigen dieses selbstverletzende Verhalten (SVV)
regelmäßig. Dabei meint SVV die bewusste Schädigung des eigenen Körpers mit
dem Ziel der emotionalen Entlastung. Die meisten Betroffenen sind Mädchen. Sie
ritzen doppelt so häufig wie Jungen. Der Beginn liegt meist zwischen dem 12. und
14. Lebensjahr, also zu Beginn der Pubertät.
Häufig ist SVV gekennzeichnet durch ritzen, schneiden oder schnibbeln mit scharfen
Gegenständen (wie z. B. Rasierklingen), durch selbst schlagen oder auch durch
Verbrennungen. Am häufigsten sind Unterarme, Handgelenke, Oberschenkel und
Bauch betroffen. Aber auch Verletzungen an der Brust, im Genitalbereich oder an
den Fußsohlen kommen vor. Dabei ist SVV nicht als eine psychische Störung zu
verstehen, sondern als ein Symptom, dass durchaus Suchtcharakter annehmen
kann. SVV kann, muss aber nicht, mit suizidalen Gedanken kombiniert sein. Eine
diagnostische Abklärung dieser Frage ist für den therapeutischen Prozess notwendig: Bei suizidalen Gedanken kann ein stationärer Aufenthalt notwendig sein.
Bei der Frage, wie und warum SVV entsteht, greift die Forschung – wie so oft – auf
einen multifaktoriellen Ansatz zurück: Häufig zeigen Betroffene Defizite in ihren emotionalen Fähigkeiten sowie in ihren sozialen Kompetenzen. Auch pubertäre Anforderungen und Überforderungen können eine Ursache sein. Familiäre Belastungen und
psychische Störungen sind weitere Faktoren. Als Entstehungsbedingung werden
auch Traumaerfahrungen diskutiert, wie z. B. ein sexueller Missbrauch. Allerdings
gibt es hier keine kausalen Zusammenhänge: Nicht alle Betroffenen von Missbrauch
zeigen SVV und nicht alle Menschen mit SVV haben einen Missbrauch erlebt!
Fraglich ist auch, warum der eine sich nur einmalig ritzt, ein anderer dies aber wiederholt. Zunächst scheint immer ein negatives Erlebnis wie Misserfolg, Versagen oder Verlust der Auslöser zu sein.
Durch Verstärkung von außen kommt es bei einigen dann zu wiederholtem SVV.
Diese Verstärkung kann sowohl a) eine „negative“ als auch b) eine „positive Verstärkung“ sein:
a) Betroffene empfinden durch das SVV eine Reduktion eines subjektiv erlebten
unangenehmen Zustands und können ihre Emotionen regulieren.
b) Betroffene empfinden unerwarteterweise keine Schmerzen durch das SVV
sondern durch eine Endorphinausschüttung im Körper eine Art Wohlbefinden
wie durch einen Rausch. Diese Endorphinausschüttung kann auch zu einem
Suchtcharakter führen.
Positive Verstärker sind aber auch die erlebte Selbstkontrolle, Aufmerksamkeit
von Außen oder eine Gruppenzugehörigkeit (z. B. in Internetforen).
Die soziale Funktion von SVV spielt aber häufig eher keine große Rolle, da viele Jugendlichen ihr SVV verheimlichen.
Was kann man als Multiplikator tun?
- wachsam sein
- Hinweise wahrnehmen (lange Kleidung an warmen Tagen, Weigerung an
Sport teilzunehmen etc.)
- sichtbare Verletzung im Einzelgespräch offen ansprechen
-
nicht versuchen, SVV direkt zu unterbinden, da es keinen dauerhaften Effekt
bringt. Wer sich selbstverletzen will, schafft das auch mit den unmöglichsten
Dingen.
zuhören, Belastung anerkennen
keine Vorwürfe an Bezugspersonen/Eltern
Vermittlung an Fachleute (Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapeuten,
Beratungsstellen)
Die nächste Ambulanz der Kinder- und Jugendpsychiatrie Viersen/Süchteln im
Kreis Heinsberg finden Sie in Erkelenz, Freiheitsplatz 2, Tel.: 02431/945130.
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