Serie 10: Gewöhnliche Differenzialgleichungen

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Übungen zur Quantenphysik
Serie 10: Gewöhnliche Differenzialgleichungen
Differenzialgleichungen (DGLs) liegen sämtlicher weiterführender Physik zugrunde. In dieser Serie bearbeiten Sie zwei ausgesuchte Beispiele, die Ihnen hoffentlich auch zeigen, wie toll die Lösungen solcher DGLs
sind – resp. wie toll das Gefühl ist, die DGLs gelöst zu haben.
1. Das Zerfallsgesetz – nichts weiter als die Lösung einer DGL
Repetition zur Radioaktivität: In radioaktivem Material gibt es instabile Atomkerne, welche sich
über kurz oder lang in eine stabilere Form umwandeln und dabei hochenergetische Strahlung freisetzen (= radioaktiver Zerfall).
Zum Zeitpunkt t seien in einer radioaktiven Quelle (eines bestimmten Radioisotops, z.B. C–14) noch
N (t) Kerne nicht zerfallen. Im auf den Zeitpunkt t folgenden infinitesimalen Zeitintervall dt besitzt
jeder Kern eine ganz bestimmte, ebenfalls infinitesimale Wahrscheinlichkeit dp zu zerfallen:
dp = λ · dt
(1)
Zu jeder Sorte von Radionukliden gehört eine bestimmte Zerfallskonstante λ.1
Die Zerfallswahrscheinlichkeit für einen einzelnen radioaktiven Kern geht für viele Kerne derselben Sorte
in eine Zerfallsstatistik über. Bezeichnet dN die infinitesimale Anzahl im Zeitintervall dt zerfallender
Kerne, so gibt dp an, was für einen infinitesimalen Bruchteil dN an der insgesamt zum Zeitpunkt t
noch vorhandendenen Anzahl Kerne N (t) ausmacht. Es ist also:
dN
= −dp = −λ · dt
N (t)
(2)
Das Minuszeichen muss eingefügt werden, weil dN die infinitesimale Veränderung von N (t) beschreiben
soll – und da es sich dabei ja ganz bestimmt um eine Abnahme handelt, muss dN negativ sein!
Stellen wir die infinitesimale Gleichung (2) ein wenig um, so erhalten wir:
N ′ (t) =
dN
= −λ · N (t)
dt
(3)
Dies ist nun eine Differenzialgleichung für die Funktion N (t), welche angeben soll, wie viele Kerne zum
Zeitpunkt t noch vorhanden, also noch nicht zerfallen sind. Offenbar ist die Ableitung N ′ (t) proportional
zu N (t) selber. . .
(a) Studieren Sie im Ergänzungsskript den Abschnitt 3.2.2 auf den Seiten 27f. Machen Sie sich klar,
dass unsere DGL (3) für die Zerfallsfunktion N (t) genau der dortigen DGL y ′ (x) = ky(x) für die
Funktion y(x) entspricht. Dem entsprechend muss nun auch die allgemeine Lösung von (3) der
dort vorgestellten Lösung y(x) = C ekx entsprechen:
N (t) = C e−λt
(4)
(b) Um den freien Parameter C festzulegen bedarf es einer Randbedingung. Bei radioaktiven Quellen
lautet diese Randbedingung typischerweise, dass zum Zeitpunkt t = 0 noch N0 Kerne vorhanden
sind. Was folgt daraus für C?
1
Die Zerfallskonstante λ wird durch Gleichung (1) überhaupt erst definiert: λ ≡
einen Kern einer bestimmten Radionuklidsorte.
1
dp
dt
= Zerfallswahrscheinlichkeit pro Zeit für
(c) Nun haben Sie also herausgefunden, wie die Anzahl Kerne in einer radioaktiven Quelle mit der
Zeit abnimmt. Diese Gesetzmässigkeit wird als das Zerfallsgesetz bezeichnet. In der Kernphysik
hatten wir dafür notiert:
t
1 T1/2
N (t) = N0 ·
(5)
2
D.h., anstelle der Basis e hatten wir für die abfallende Exponenzialfunktion die Basis 12 verwendet.
Im Exponenten tauchte so die Halbwertzeit T1/2 anstelle der Zerfallskonstanten λ auf.
Wie hängen T1/2 und λ zusammen?
Tipp: Zu betrachten ist die folgende Gleichsetzung:
t
1 T1/2
e−λt =
2
Um einen direkten Zusammenhang zwischen λ und T1/2 herzustellen, sollte man zunächst mit
ln(. . .) logarithmieren. Anschliessend verwende man:
1
ln(ex ) = x
loga (bc ) = c · loga b
loga = − loga b
b
(d) Als Aktivität A(t) bezeichnen wir die Zerfallsrate zum Zeitpunkt t. Diese Zerfallsrate beschreibt
anschaulich die momentane Veränderung der Anzahl noch vorhandener Kerne in der Quelle. Damzufolge ist sie gegeben durch die zeitliche Ableitung von N (t). Allerdings fügen wir noch ein
Minuszeichen hinzu, denn die Aktivität soll eine positive Grösse sein:
dN
(6)
A(t) ≡ −
dt
Geben Sie die Aktivität einer Quelle mit Halbwertzeit T1/2 und N0 Radionukliden zum Zeitpunkt
t = 0 an.
2. Ein lustiges Gedankenexperiment mit der Erde und einem Stein
Angenommen, es gäbe einen schnurgeraden Tunnel durch die Erde vom Nord- zum Südpol und wir
würden vom Nordpol her einen Stein (Masse m) hineinfallen lassen, wie würde sich dieser Stein bewegen? In dieser Aufgabe ergründen Sie die Antwort auf diese zwar etwas abstrakte, aber doch ganz
unterhaltsame Frage.
2
Bereits Isaac Newton wusste, wie sich die Gewichtskraft im Erdinnern verhält. FG wird proportional
mit dem Abstand r zum Erdmittelpunkt stärker bis zum maximalen Wert an der Erdoberfläche. Legen
wir eine x-Achse durch unseren Tunnel mit x = 0 im Erdmittelpunkt, so gilt für die Gewichtskraft des
Steins:
x
FG = −m · g ·
(7)
RE
Dabei ist g ≈ 9.8 sm2 der Ortsfaktor an der Erdoberfläche und RE ≈ 6370 km der Erdradius. Das
Minuszeichen zeigt an, dass es sich um eine rücktreibende Kraft (stets in Richtung Erdmittelpunkt)
handelt. An den Polen ist x = ±RE und die Gewichtskraft beträgt |FG | = m · g.
Gehen wir davon aus, dass FG die einzige auf den Stein wirkende Kraft ist – der Tunnel sei evakuiert,
somit also luftwiderstandsfrei – so folgt aus dem Aktionsprinzip der Newton’schen Mechanik:
Fres = FG
⇒
m · a = −m · g ·
x
RE
⇒
a=−
g
x
RE
(8)
Notieren wir jetzt noch die Beschleunigung a als zweite Ableitung der Ortsfunktion x(t) nach der
Zeit t, so erhalten wir die DGL, die der Bewegung des Steins zugrunde liegt:
g
d2 x
=−
x(t)
2
dt
RE
(9)
(a) Studieren Sie im Ergänzungsskript den Abschnitt 3.2.3 auf den Seiten 28f. Werden Sie sich
bewusst, dass unsere DGL (9) für die Ortsfunktion x(t) des Steins genau der dortigen DGL
y ′′ (x) = −ky(x) für die Funktion y(x) entspricht. Dem entsprechend muss nun auch die allgemeine Lösung von (9) der dortigen Lösung entsprechen:
x(t) = A sin(ωt) + B cos(ωt)
(10)
Dabei ist ω = 2π
T die sogenannte Kreisfrequenz der durch die Sinus- resp. Cosinusfunktion
beschriebenen Schwingung mit Periode T .
(b) Unser Stein soll vom Nordpol aus fallen gelassen werden. Es gelten somit die Randbedingungen
x(0) = RE und x′ (0) = 0. (Wofür steht x′ (t) schon wieder?)
Wie lautet demnach unsere schlussendliche Lösung für die Ortsfunktion x(t) (immer noch ausgedrückt mit Hilfe der Kreisfrequenz ω)?
(c) Der Stein schwingt offenbar sinus- resp. cosinusförmig zwischen dem Nord- und dem Südpol hinund her – so wie ein Federpendel auf und ab schwingt! Wie hängt die Schwingungsperiode T vom
Ortsfaktor g und dem Erdradius RE ab und wie gross ist sie demnach?
Anders gefragt: Wie lange dauert es, bis der Stein zu mir zurückkehrt, nachdem ich ihn fallen
gelassen habe?
3. Weiterbildung in Sachen komplexe Zahlen: Die n-ten Einheitswurzeln
(a) Studieren Sie im Ergänzungsskript den Abschnitt 5.6.1, also die Seiten 79 bis 81.
(b) Wie lauten die Lösungen von x9 = 1 und x10 = 1 in R?
(c) Geben Sie nun alle Lösungen von z 9 = 1 und z 10 = 1 in C an und skizzieren Sie sie je in einer
Gauss’schen Zahlenebene.
3
4. Weiterbildung in Sachen Integralrechnung: Das Integral von sin2 x
In Kürze werden wir im QM-Buch von Griffiths Integralen begegnen, die Quadrate der Sinusfunktion
enthalten. Natürlich möchten wir diese Integrale berechnen können. Es stellt sich also die Frage nach
der Stammfunktion von sin2 x. Diese finden Sie auf Seite 15 des Ergänzungsskripts.2
(a) Wenden Sie die Stammfunktion von sin2 x an, um das folgende Integrale zu berechnen.
Z a
nπ sin2
x dx
mit n = 1, 2, 3, . . .
a
0
Tipps: Es empfiehlt sich die lineare Substitution s =
für alle n ∈ N.
nπ
a
x. Zudem sei angemerkt, dass sin(nπ) = 0
(b) Zusatzaufgabe für alle, die gerne Integral-Herausforderungen annehmen:
Z a
nπ x dx
mit n = 1, 2, 3, . . .
x sin2
a
0
Hier benötigen Sie neben der Substitution auch noch eine partielle Integration. Zudem sollte man
sich gegen Ende der Berechnung daran erinnern, dass cos x als Ableitung von sin x aufgefasst
werden kann. . .
2
Woher man diese Stammfunktion kennt, werden wir in einer der nächsten Übungsserien bei einer anderen Weiterbildung zu
den “Komplexen Zahlen” unter die Lupe nehmen.
4
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