5. Anwendungsbereiche

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106
Analyse mithilfe von Kennzahlen und Flussrechnungen
❑ haben Erklärungsfunktion;
❑ erfassen Abhängigkeiten zwischen den Bereichen und den Zielsetzungen;
❑ bilden in knapper und konzentrierter Form finanz- und betriebswirtschaftliche
Vorgänge ab;
❑ vermeiden Mehrdeutigkeiten und Missverständnisse bei der Interpretation;
❑ bilden Zielgrößen ab;
❑ haben auf die Adressaten bezogen eine externe und eine interne Funktion;
❑ sollen einzelne Entscheidungsträger genau und aktuell informieren;
❑ sind Analyse- und Planungsinstrument für die Unternehmenssteuerung.
29
Sie sind zuständig für Bilanzanalyse und Controlling. Eines Tages
legt Ihnen der Inhaber des Unternehmens einen Artikel aus einer
Fachzeitschrift vor, in dem ein Kennzahlensystem vorgestellt wird.
Werden Sie das Kennzahlensystem auf Wunsch des Inhabers unverändert übernehmen?
Welche Prüfungen werden Sie zunächst vornehmen?
30
Seite
209
In den Verbandsmitteilungen verschiedener Branchen werden immer wieder bilanzanalytische Durchschnittszahlen veröffentlicht.
Daneben ermitteln Unternehmen Kennzahlen aus den offen gelegten
Jahresabschlüssen von Konkurrenzunternehmen.
Wie zuverlässig ist der Kennzahlenvergleich?
Seite
209
5. Anwendungsbereiche
Der Unternehmer muss jederzeit einen Überblick über die Vermögens-, Finanzund Ertragslage seines Unternehmens haben. Dazu gehören insbesondere die
Beobachtung der Liquidität, der Verschuldung, der Rentabilität und der Bindung
des eingesetzten Kapitals.
5.1 Analyse der Vermögens- und Finanzlage
Gegenstand der Vermögens- und Finanzanalyse ist die Beurteilung der Vermögensund Kapitalrelationen, der Zahlungsströme und der Liquidität. Ziel ist die Beurteilung der Sicherheit der Einkommensquellen, der Unabhängigkeit des Unternehmens
und der Fähigkeit, nicht nur Engpässe und Anspannungen zu überstehen, sondern
auch notwendige Veränderungen und Wachstum finanzieren zu können.
Die finanzwirtschaftliche Analyse stellt im Rahmen der Vermögens- und Investitionsanalyse Informationen über die Kapitalverwendung zur Verfügung und im
Rahmen der Liquiditäts- und Finanzanalyse Informationen über die Kapitalaufbringung. Einen besonderen Stellenwert hat die Ermittlung der Liquidität. Die
Anwendungsbereiche
allein auf die Bilanzposten bezogenen Kennzahlen werden durch Cash-flow-Analysen,
sog. Stromgrößenbetrachtungen, ergänzt.
Das Unternehmen muss in der Lage sein, bereits eingegangene Zahlungsverpflichtungen aus kurz- und mittelfristigen Verbindlichkeiten und aus laufenden Neuverschuldungen (Lohnzahlungen, Warenlieferungen, Steuerzahlungen, Kreditaufnahmen) kurzfristig zu tilgen. Langfristig muss die Kapitalstruktur stimmen. Die
Analyse bezieht deshalb die Finanzierungspolitik als Bestandteil der Unternehmenspolitik mit ein.
5.1.1 Bilanzstrukturanalyse
Zunächst sollen die vier klassischen Kennzahlen zur Bilanzstrukturanalyse behandelt
werden. Dabei handelt es sich um die Vermögens- und Kapitalstruktur (vertikale
Kennzahlen), die Anlagendeckung und die Liquidität (horizontale Kennzahlen).
(1) Vermögensstruktur
Die Kennzahlen zur Vermögensstruktur geben Aufschluss über die Art und die
Zusammensetzung des Vermögens und die Dauer der Bindung. Jede Investition von
Kapital in Anlage- und Umlaufvermögen ist mit Risiken wie technische Überalterung
und Schaffung von Überkapazitäten oder von Ladenhütern infolge Veränderung der
Nachfrage und der Verbrauchergewohnheiten verbunden. Das Risiko nimmt ab mit
dem Grad der Flüssigkeit, d. h. der Geschwindigkeit, mit der die Vermögensgegenstände umgesetzt/wieder zu Geld werden.
Die Kennzahl zum Vermögensaufbau (= Vermögensstruktur) erfasst das Verhältnis des Anlagevermögens zum Umlaufvermögen. Diese Relation ist grundsätzlich
branchenabhängig und deshalb unterschiedlich auszulegen. Selbst innerhalb einer
Branche können Leasing und das Verbot der Aktivierung selbsterstellter immaterieller Vermögensgegenstände zu Unterschieden führen.
Vermögensstruktur =
Anlagevermögen
Umlaufvermögen
x 100
Die Anlagenintensität und die Arbeitsintensität sind Maßstab für die Anpassungsfähigkeit des Unternehmens.
Anlagenintensität =
Anlagevermögen
x 100
Gesamtvermögen
Arbeitsintensität =
Umlaufvermögen
x 100
Gesamtvermögen
108
Analyse mithilfe von Kennzahlen und Flussrechnungen
Das Anlagevermögen verursacht feste Kosten, wie Abschreibungen, Instandhaltungskosten, Versicherungsprämien, Steuern, Zinsen, die sich negativ auf den Erfolg
auswirken. Es birgt überdies ein wirtschaftliches und technisches Investitionsrisiko
und macht den Betrieb unflexibel. Bei Vorliegen stiller Reserven kann das Anlagevermögen erheblich umfangreicher sein, als der bilanzielle Ausweis vermuten lässt.
Aber auch das Umlaufvermögen bindet Kapital, verursacht Lagerkosten und
bringt Risiken mit. Da das Umlaufvermögen das Kapital für einen kürzeren Zeitraum bindet als das Anlagevermögen, sinkt der Fixkostenanteil und damit – je
nach Finanzierung – auch die Belastung durch Zins- und Tilgungsraten. Eine hohe
Umschlagshäufigkeit setzt immer wieder liquide Mittel frei, über die kurzfristig
disponiert werden kann. Je kleiner der Anteil des Anlagevermögens bzw. je größer
der Anteil des Umlaufvermögens ist, desto größer ist die Liquidität.
Für eine weitere Analyse sind Informationen über die branchenübliche Höhe des
Anlagevermögens, über die Auslastung des Unternehmens und Rationalisierungsbestrebungen erforderlich. So könnten
❑ das Anlagevermögen aufgrund von Rationalisierung und Outsourcing, aber
auch durch Leasing statt Kauf,
❑ das Umlaufvermögen aufgrund von Standardisierung und Normung oder durch
Kommissionsläger oder Just-in-time-Lieferungen
weiter abgebaut werden. Ziel eines jeden Unternehmens muss es sein, das Anlagevermögen und das Umlaufvermögen bei Sicherung der Betriebs- und der Lieferbereitschaft so gering wie möglich zu halten.
(2) Kapitalstruktur/Finanzierung (vertikale Finanzierung)
Die Kennzahl zur Finanzierung zeigt, mit welchem Anteil das Unternehmen jeweils mit Fremdkapital und mit Eigenkapital finanziert ist
Finanzierung =
bilanzanalytisches Eigenkapital
Eigenkapitalquote =
Fremdkapital
bilanzanalytisches Eigenkapital
Gesamtkapital
x 100
Die Eigenkapitalquote ist der Anteil des Eigenkapitals am Gesamtkapital, d. h.
an der Bilanzsumme. Je größer das Eigenkapital im Verhältnis zum Fremdkapital
ist, desto solider und krisenfester ist die Finanzierung. Je größer das Ertragsrisiko
ist, desto größer sollte die Eigenkapitalquote sein.
Anwendungsbereiche
31
Das Unternehmen erstellt folgende vereinfachte Strukturbilanz:
Aktiva
Anlagevermögen
Umlaufvermögen
Bilanz
55.000 EUR
45.000 EUR
100.000 EUR
Eigenkapital
Fremdkapital
Passiva
60.000 EUR
40.000 EUR
100.000 EUR
Zu ermitteln sind die Kennzahlen Vermögensstruktur, Anlagenintensität, Arbeitsintensität und Eigenkapitalquote.
Seite
209
Vorteile einer hohen Eigenkapitalquote:
❑ Das Eigenkapital wirkt als Verlustpuffer und beugt einer Insolvenz wegen Überschuldung vor.
❑ Das Eigenkapital ist unkündbar und steht dem Unternehmen langfristig zur
Verfügung.
❑ Eigenkapitalgeber sind i. d. R am Erfolg beteiligt und verursachen deshalb keine
Aufwendungen und keine Liquiditätsbelastung durch Zins- und Tilgungszahlungen, die selbst in Jahren ohne Gewinn aufgebracht werden müssen.
❑ Das Eigenkapital erhöht die Kreditwürdigkeit, da es für das Fremdkapital haftet.
❑ Ein hoher Eigenkapitalanteil garantiert Unabhängigkeit von Kreditgebern. Keine
Mitsprache der Gläubiger bei Investitionen und anderen Entscheidungen.
Die Eigenkapitalquote kann positiv beeinflusst werden durch den Abbau der Vorräte
und der Forderungen, den Verkauf von Finanzanlagevermögen, die Veräußerung
nicht betriebsnotwendiger Vermögensgegenstände des Sachanlagevermögens. Ein
„sale-and-lease-back“ betriebsnotwendigen Vermögens mit anschließender Tilgung
von Fremdkapital erhöht die Eigenkapitalquote.
Mit der Verschlankung der Aktiva geht eine Einsparung von Versicherungs-, Mietund Maintenance-Kosten einher, die sich positiv auf den Jahresüberschuss auswirkt.
Eine Eigenkapitalquote von mehr als 30 % ist als gut einzustufen.
Die Solidität der Finanzierung gilt als gewährleistet, wenn die folgenden Finanzierungsgrundsätze eingehalten wurden:
❑ Grundsatz der Liquiditätserhaltung: Das Unternehmen muss jederzeit in
der Lage sein, fälligen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen.
❑ Grundsatz der Risikoentsprechung: Unternehmen, deren Fortbestand weitgehend von der Anpassung an den technischen Fortschritt abhängen (New Economy) sollten über ein höheres Haftungskapital verfügen, als solche in langfristig
gesicherten stabilen Märkten.
110
Analyse mithilfe von Kennzahlen und Flussrechnungen
❑ Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Finanzierung: Die einzelnen Finanzierungsarten führen zu unterschiedlich hohen Finanzierungskosten, die möglichst
niedrig gehalten werden müssen.
❑ Grundsatz der Erhaltung der Unabhängigkeit des Unternehmens: Die
Art der Finanzierung kann die Entscheidungsfreiheit der Unternehmensführung
beeinflussen. Die Ausgabe junger Aktien kann die Verhältnisse des Mitsprachrechts verschieben. Bei hoher Verschuldung stellen die Kreditgeber Bedingungen
oder sie wollen bei wesentlichen Entscheidungen mitreden.
❑ Grundsatz der optimalen akquisitorischen Wirkung: Das Bild der Finanzierung in der Bilanz kann sich – wie auch die Rechtsform des Unternehmens
– auf das Verhalten der Geschäftspartner am Absatz- und insbesondere am
Beschaffungsmarkt des Unternehmens auswirken. Darauf muss bei der Gestaltung der Finanzierung Rücksicht genommen werden.
Im Zusammenhang mit der Finanzierung ist der Verschuldungsgrad (oder
Anpassungskoeffizient) eine beliebte Kennzahl:
Verschuldungsgrad =
Fremdkapital abzüglich Pensionsrückstellungen
bilanzanalytisches Eigenkapital
x 100
Erstrebenswert ist ein Verschuldungsgrad = 100 %. Während ein Verschuldungsgrad
= 200 % als gesund gilt, sind = 300 % zu hoch.
(3) Anlagendeckung oder Investierung (horizontale Finanzierung)
Aktivseite und Passivseite der Bilanz haben den gleichen Inhalt bei lediglich unterschiedlicher Betrachtungsweise. Die Passivseite oder Kapitalseite zeigt, wer
das Kapital zur Verfügung gestellt hat. Die Aktivseite oder Vermögensseite zeigt,
wie das Kapital investiert worden ist. Nach dem Prinzip der Fristenkongruenz
sind die Vermögensteile jeweils mit Mitteln zu finanzieren, die genauso lange zur
Verfügung stehen, wie das Kapital in den Vermögensteilen gebunden ist.
Aktiva
Bilanz
Passiva
Auskunft über die Verwendung des Kapitals
• Vermögensformen
• Mittelverwendung
(= Aktivmehrung, Passivminderung)
• Investierung
• Kapitalverwendung
Auskunft über die Herkunft des Kapitals
• Vermögensquellen
• Mittelherkunft
(= Aktivminderung, Passivmehrung)
• Finanzierung
• Kapitalgeber
summengleich mit Passivseite
summengleich mit Aktivseite
Deckungsgrad I
Der Anlagendeckungsgrad I bzw. die Investierung ist Maßstab für die Beurteilung
der Kapitalausstattung und damit der finanziellen Stabilität des Unternehmens.
Anwendungsbereiche
Anlagendeckung I =
bilanzanalytisches Eigenkapital
x 100
Anlagevermögen
Die Investierung ist krisensicher, wenn das gesamte Anlagevermögen und das kurzfristig notwendige Umlaufvermögen mit Eigenkapital finanziert sind. Unter dieser
Bedingung kann das Unternehmen i. d. R. auch dann weiter existieren, wenn die
Gläubiger das Fremdkapital abziehen.
Deckungsgrad II
Bei der Beurteilung der Investierung gilt, dass das langfristige Fremdkapital, wie
Pensionsrückstellungen und Festhypotheken mit einer langen Restlaufzeit, die
Investitionen fast so gut absichern wie das Eigenkapital.
Anlagendeckung II =
bilanzanalytisches Eigenkapital
+ langfristiges Fremdkapital
Anlagevermögen
x 100
Deckungsgrad III
Der Deckungsgrad III bezieht das dauernd benötigte Umlaufvermögen, z. B. Mindestbestände am Lager, bei den liquiden Mitteln und den kurzfristigen Forderungen,
mit ein.
Anlagendeckung III =
bilanzanalytisches Eigenkapital + langfristiges Fremdkapital
Anlagevermögen + dauernd benötigtes Umlaufvermögen
x 100
Entsprechend der goldenen Bilanzregel soll die Anlagendeckung größer oder
zumindest gleich 100 % sein, d. h. das Anlagevermögen soll voll durch Eigenkapital gedeckt sein. Die rechnerische Ermittlung i. e. S. erfolgt nach der Formel zur
Ermittlung des Anlagendeckungsgrads I, i. w. S. nach der Formel zur Ermittlung
des Anlagendeckungsgrads II.
Aus der goldenen Bilanzregel folgt die goldene Finanzierungsregel, die nach
dem Prinzip der Fristenkongruenz fordert, dass langfristig gebundenes Vermögen
mit langfristigem Kapital finanziert wird. Für den externen Bilanzanalytiker ist die
Einhaltung der Fristenkongruenz ebenfalls mit Hilfe der Formeln zur Ermittlung
des Anlagendeckungsgrads I und des Anlagendeckungsgrads II messbar.
Die Statistik der Deutschen Bundesbank zeigt, dass die Eigenkapitalquoten deutscher Unternehmen im Durchschnitt bei 20 % liegen. Auch im internationalen
Vergleich ist eine derartige Eigenkapitalquote erkennbar. Dennoch darf in den
meisten Fällen von einer soliden Finanzierung ausgegangen werden. Eine kritische
Kontrolle des Messkonzepts der Bilanzstatistik der Deutschen Bundesbank zeigt,
dass die Eigenkapitalquote eines bestehenden Unternehmens i. d. R. von Jahr zu
112
Analyse mithilfe von Kennzahlen und Flussrechnungen
Jahr aufgrund der Geldentwertung und der Bildung stiller Reserven abnimmt.
Würden die Vermögensgegenstände und Schulden unter Auflösung stiller Reserven
und Nichtbeachtung des Anschaffungswertprinzips zu aktuellen Liquidationswerten
oder Wiederbeschaffungswerten angesetzt, läge die Eigenkapitalquote in der Regel
erheblich höher.
Weitere Kennzahlen zur Bilanzstruktur sind der Rücklagenanteil und der
Selbstfinanzierungsgrad.
Rücklagenanteil =
Summe der Rücklagen
bilanzanalytisches Eigenkapital
x 100
Die Höhe des Rücklagenanteils zeigt an, in welchem Maße das Unternehmen
durch Gewinnthesaurierung bzw. Kapitalzuführungen das haftende Eigenkapital
gestärkt hat (Stabilitätspolitik des Unternehmens).
Der Selbstfinanzierungsgrad gibt an, in welchem Umfang in der Vergangenheit
Gewinne thesauriert werden konnten, d. h. in welchem Umfang die Gewinnrücklagen zur Bildung des Gesamtkapitals beigetragen haben:
Selbstfinanzierungsgrad =
32
Gewinnrücklagen
Gesamtkapital
x 100
Das Unternehmen erstellt folgende vereinfachte Strukturbilanz:
Aktiva
Anlagevermögen
Umlaufvermögen
Bilanz
55.000 EUR
45.000 EUR
100.000 EUR
Eigenkapital
Langfristiges
Fremdkapital
Kurzfristiges
Fremdkapital
Passiva
60.000 EUR
10.000 EUR
30.000 EUR
100.000 EUR
Zur Erhaltung der Betriebsbereitschaft ist ein Mindestumlaufvermögen von 15.000 EUR erforderlich.
Zu ermitteln sind die Kennzahlen Anlagendeckung I, II und III.
Seite
209
Anwendungsbereiche
33
Das Unternehmen erstellt folgende vereinfachte Strukturbilanz:
Aktiva
Bilanz
Anlagevermögen
55.000 EUR
Umlaufvermögen
45.000 EUR
Passiva
Gezeichnetes
Eigenkapital
Gewinnrücklagen
Langfristiges
Fremdkapital
Kurzfristiges
Fremdkapital
100.000 EUR
40.000 EUR
20.000 EUR
10.000 EUR
30.000 EUR
100.000 EUR
Zu ermitteln sind die Anlagendeckung nach der Goldenen Bilanzregel
i. w. S., der Rücklagenanteil und der Selbstfinanzierungsgrad.
Seite
209
(4) Liquidität
Die Liquidität ist die Fähigkeit eines Unternehmens, jederzeit seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können. Zu den liquiden Mitteln zählen Kassenbestand, Bundesbank- und Postbankguthaben, Guthaben bei Kreditinstituten
und Schecks. Diese können um die diskontfähigen Wechsel und börsengängigen
Wertpapiere des Umlaufvermögens ergänzt werden.
Je mehr flüssige Mittel das kurzfristige Fremdkapital decken, desto liquider und
sicherer ist das Unternehmen im Fortbestand. Bei der Liquiditätsanalyse werden
Positionen des Umlaufvermögens zu Positionen der kurzfristigen Verbindlichkeiten
in Relation gebracht.
Aktiva
Auszug aus der Bilanz
Vorräte
Forderungen aus L. u. L.
– davon
Wechsel 5.000 EUR
Börsengängige Wertpapiere
Flüssige Mittel
10.000 EUR
10.000 EUR
Summe Umlaufvermögen
30.000 EUR
Passiva
Kurzfristiges Fremdkapital
15.000 EUR
5.000 EUR
5.000 EUR
Liquidität I
Die Liquidität ersten Grades oder Barliquidität setzt die flüssigen Mittel, diskontfähige Wechsel und börsengängige Wertpapiere des Umlaufvermögens ins Verhältnis
zum kurzfristigen Fremdkapital. Zur Begleichung der besonders dringlichen Verbindlichkeiten, wie Schuldwechseln, müssen immer Zahlungsmittel bereitstehen.
Die Barliquidität soll mindestens 100 % betragen.
Liquidität I =
flüssige Mittel
kurzfristiges Fremdkapital
x 100 =
15
15
x 100 = 100 %
114
Analyse mithilfe von Kennzahlen und Flussrechnungen
Liquidität II
Die Liquidität zweiten Grades, die einzugsbedingte Liquidität, berücksichtigt
zusätzlich die kurzfristigen Forderungen als quasi-liquide Mittel. Sie geht davon
aus, dass beispielsweise die Forderungen aus L. u. L. eine ähnlich lange Laufzeit
haben wie die Verbindlichkeiten aus L. u. L.
Liquidität II =
flüssige Mittel + kurzfristige Forderungen
kurzfristiges Fremdkapital
x 100 =
20
15
x 100 = 133 %
Liquidität III
Die Liquidität dritten Grades setzt das gesamte Umlaufvermögen ins Verhältnis
zum kurzfristigen Fremdkapital. Dabei sollte das gesamte Umlaufvermögen mindestens den doppelten Wert der kurzfristigen Verbindlichkeiten ausmachen.
Liquidität III =
34
Umlaufvermögen
kurzfristiges Fremdkapital
x 100 =
30
15
x 100 = 200 %
Beurteilen Sie die folgenden Bilanzen hinsichtlich
a) der Finanzierung,
b) des Vermögensaufbaus,
c) der Anlagendeckung oder Investierung,
d) der Liquidität 1., 2. und 3. Grades (nur für die Bilanzen III u.
IV.)
Aktiva
Anlagevermögen
Umlaufvermögen
Bilanz I
40.000 Eigenkapital
60.000 Fremdkapital
100.000
Aktiva
Anlagevermögen
Umlaufvermögen
Bilanz II
50.000 Eigenkapital
50.000 Fremdkapital
100.000
Aktiva
Anlagevermögen
Vorräte
Forderungen
Flüssige Mittel
Bilanz III
40.000 Eigenkapital
30.000 Fremdkapital
20.000
langfristig
10.000
kurzfristig
100.000
Aktiva
Anlagevermögen
Vorräte
Forderungen
Flüssige Mittel
Bilanz IV
50.000 Eigenkapital
10.000 Fremdkapital
10.000
langfristig
30.000
kurzfristig
100.000
Passiva
55.000
45.000
100.000
Passiva
40.000
60.000
100.000
Passiva
30.000
10.000
60.000
100.000
Passiva
40.000
30.000
30.000
100.000
Seite
209
2
MiniLex
Das MiniLex enthält die wichtigsten Begriffe, die in diesem Buch behandelt werden.
Weitere Begriffe finden sich in:
Olfert/Rahn, Lexikon der Betriebswirtschaftslehre, Kiehl Verlag
Abschlussstichtag
In der Bilanz werden die Verhältnisse am Abschluss- oder Bilanzstichtag
dargestellt. Das ist der letzte Tag des Geschäftsjahres.
Aktivierte
Eigenleistungen
Leistungen, die im eigenen Betrieb erstellt werden, nicht für den Vertrieb
bestimmt sind und im Anlagevermögen aktiviert werden.
Aktiver Steuerabgrenzungsposten
Ist der in der Steuerbilanz ausgewiesene Gewinn dem in der Handelsbilanz
auszuweisenden Gewinn zeitlich vorgelagert, d. h. höher als der Gewinn in
der HB, so kann als Bilanzierungshilfe ein aktiver Steuerabgrenzungsposten
gebildet werden (§ 274 Abs. 2 HGB).
Aktivtausch
Eine Bilanzveränderung, bei der ein Aktivposten verringert wird, während
ein anderer Aktivposten um den gleichen Betrag erhöht wird.
Anhang
Der Anhang ist Teil des Jahresabschlusses. Er erläutert, ergänzt, korrigiert
und entlastet damit die Darstellung in Bilanz und GuV. Darüber hinaus
enthält er solche Informationen, die traditionell und auch zahlenmäßig in
Bilanz und GuV nicht dargestellt werden können.
Anlagendeckung
Die Anlagendeckung oder Investierung gibt an, in welcher Höhe das Anlagevermögen mit Eigenkapital und mit langfristigem Fremdkapital finanziert
ist.
Anlagevermögen
Vermögensgegenstände, die aus der Sicht am Bilanzstichtag dazu bestimmt
sind, dem Geschäftsbetrieb dauernd zu dienen (§ 247 Abs. 2 HGB). Die Zugehörigkeit ergibt sich nicht aus der Natur, sondern aus der Zweckbestimmung
des jeweiligen Gegenstands.
Ansatzkorrekturen
Ansatzkorrekturen fallen an bei der Aufbereitung der Bilanz zur Strukturbilanz. Sie führen zur Zusammenfassung von Posten, zum Ansatz zusätzlicher
Posten oder zum Fortfall von Posten.
Ansatzvorschriften
Oberbegriff zu den in den §§ 246 bis 251 und 274 HGB angeführten Ansatzgeboten, Ansatzverboten und Ansatzwahlrechten bei der Bilanzierung.
Anschaffungskosten
Die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu
erwerben und in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem
Gegenstand einzeln zugeordnet werden können (§ 255 Abs. 1 Satz 1 HGB).
Sie setzen sich zusammen aus dem Anschaffungspreis, den Anschaffungsnebenkosten, den Aufwendungen zur Herstellung der Betriebsbereitschaft
(z. B. Anschlusskosten), den nachträglichen Anschaffungskosten und den
Anschaffungskostenminderungen wie Skonti und Preisnachlässe.
Anteilseigner
Natürliche und/oder juristische Personen, die Eigenkapital an einem Unternehmen halten.
Antizipative
Posten
Sind sonstige Forderungen und sonstige Verbindlichkeiten aus Aufwendungen und Erträgen, die wirtschaftlich (ursächlich) dem Abschlussjahr
zuzuordnen sind, deren Zahlungsvorgang (Einnahme oder Ausgabe) aber
22
MiniLex
erst im folgenden Geschäftsjahr stattfindet (§ 268 Abs. 4 Satz 2 u. Abs. 5
Satz 3 HGB).
Aufwendungen
für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebs
Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebs dürfen als Bilanzierungshilfe aktiviert werden (§ 269 HGB), um
einen möglichen Verlustausweis in der Anlauf- oder Erweiterungsphase zu
vermeiden.
Aufwendungen
für die Erweiterung des Geschäftsbetriebs
Fallen an für die Ausweitung des Geschäftsbetriebs durch Aufnahme
neuer Produkte oder Geschäftszweige, wesentliche Kapazitätserweiterungen, Errichtung eines Zweigwerks, die Übernahme von Unternehmen, die
Erweiterung der Vertriebsorganisation und die Aufnahme des Vertriebs in
anderen Ländern sowie für die Kosten der Betriebsumstellung im Rahmen
der Erweiterung.
Aufwendungen
für die Ingangsetzung des Geschäftsbetriebs
Fallen an als Aufwendungen im Interesse der Innen- und Außenorganisation, also auch Aufwendungen der Betriebs- und Verwaltungsorganisation
wie Aufwendungen für die Personalbeschaffung und -schulung, Aufbau von
Beschaffungs- und Absatzwegen, für Organisationsberatung, Marktanalysen,
Einführungswerbung und selbstgeschaffene immaterielle Vermögensgegenstände, aber auch Energieverbrauch, Personalkosten und Zinsen anlässlich
von Probeläufen und Kosten der Beschaffung von Fremdkapital.
Außerordentliche Aufwendungen und
Erträge
Sie sind der Art nach ungewöhnlich, kommen selten vor (mit einer Wiederholung kann nicht gerechnet werden) und fallen außerhalb der gewöhnlichen
Geschäftstätigkeit an (§ 277 Abs. 4 HGB). Die Beträge sind von einiger
materieller Bedeutung (d. h. wesentlich). Dazu gehören Erträge aus dem
Abgang wesentlicher Vermögensbestandteile bei Unternehmenszusammenschlüssen, Schuldennachlässe im Rahmen einer Sanierung, Erträge aus
der Veräußerung ganzer Unternehmensbereiche (s. auch unter „betrieblich
außerordentliche Aufwendungen und Erträge“).
Außerordentliches Ergebnis
Das außerordentliche Ergebnis ergibt sich aus den Erträgen und Aufwendungen, die außerhalb der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit anfallen, die
gleichzeitig ungewöhnlich, d. h. selten oder einmalig, aber von materieller
Bedeutung sind.
Balanced
Scorecard
Dieses strategische Managementsystem verknüpft die Erfolgsfaktoren
auf verschiedenen Ebenen mit Kennzahlen. „Balanced Scorecard“ müsste
mit „ausgewogenes Kennzahlensystem“ in die deutsche Sprache übersetzt
werden.
Benchmarking
Benchmarking ist ein Prozess, bei dem Produkte, Methoden, Kennzahlen
usw. über mehrere Betriebe hinweg verglichen werden. Dabei werden die
Unterschiede zwischen den Unternehmen offen gelegt, die Ursachen für die
Unterschiede und Möglichkeiten der Verbesserung aufgezeigt. Der Vergleich
erfolgt mit solchen Betrieben, bei denen unterstellt wird, dass sie die untersuchte Methode beherrschen, d. h. mit den „Klassenbesten”.
Berichterstattung
Die Abschlussprüfer müssen schriftlich über das Ergebnis der Jahresabschlussprüfung berichten (§ 321 HGB). Gegenstand, Art und Umfang
der Prüfung werden erläutert. Im Prüfungsbericht wird festgestellt, ob
die gesetzlichen Vorschriften eingehalten sind. Aufgliederung und Erläuterung der Posten des Jahresabschlusses verbessern die Darstellung der
Vermögens-, Finanz- und Ertragslage. Der Prüfer geht auf Schwachstellen
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