TEXT: DANIEL A. WALSER Der Grüne aus Andeer 1 Rund um Andeer gibt es drei Steinbrüche für Granit, der international gefragt ist. B e i d e r A b z w e i g u n g v o n A n d e e r i n s Av e r s s i n d s i e a l l g e g e n w ä r t i g : D i e S t e i n b r ü c h e . An drei verscheiden Abbauorten wird heute der grüne Granit aus Andeer abgebaut. Renommierte Architekten setzen den Stein heute in ihren Bauten ein, aussen wie innen. Vo r a l l e m d i e C h u r e r I n n e n s t a d t i s t m a n c h e n o r t s g e p r ä g t v o m G r a n i t a u s A n d e e r. 18 TERRA GRISCHUNA 1/ 2014 THEMA Die landschaftlichen Veränderungen des Steinabbaus sind klar sichtbar, aber nie derart monumentale Narben, wie dies in Italien beispielsweise bei den Travertinsteinbrüchen zwischen Rom und Tivoli der Fall ist. Hierfür ist die steile Topografie der Rofflaschlucht viel zu komplex, aber auch die gesetzlichen Auflagen fördern einen nachhaltigen und «schonenden» Abbau des Gesteins. Über 100 Jahre Steinbrüche in Andeer Die Steinbrüche in Andeer befinden sich derzeit stark im Umbruch. Billig ausgebrochene Steine aus China oder anderen fernen Ländern verdrängen auf den Schweizer Markt den einheimischen Naturstein. Zudem ist der heute für den Steinabbau benötigte Maschinenpark kapitalintensiv, was stark auf die Wirtschaftlichkeit drückt. Der Maschinenpark stammt aus Italien, wo sowohl ein solides Knowhow im Abbau von Gestein wie auch spezifisch ausgebildete Arbeiter für die Steinbrüche in Andeer zu finden sind. Steinbrüche wie das Granitwerk Andeer gibt es hier seit über 100 Jahren. Bis vor kurzem waren zwei Steinbruchfirmen tätig: Toscano und Conrad. Conrad hat 2010 den Ausbruch aufgegeben und produziert heute Grabsteine. Toscano bewerkstelligt seither auf allen Steinbrüchen den Ausbruch und bearbeitet das gewonnene Material. Der ehemalige Steinbruch der Firma Conrad gehört heute dem Kies- und Betonwerk Battaglia. Durch die gesetzlichen Auflagen, aber auch den engen finanziellen Rahmenbedingungen ist es in Andeer zentral, dass das gesamte im Steinbuch gewonnene Material genutzt wird. Der Abbau und die Verarbeitung erfolgt zu einem grossen Teil an Ort und Stelle. Die ganz grossen Gesteinsbrocken werden, weil der hierfür nötige Maschinenpark nicht vorhanden ist, nach dem Ausbruch in Italien bearbeitet. Die kleineren Brocken werden direkt in Andeer in die gewünschte Grösse geschnitten und verarbeitet. Die Produktion hat sich insgesamt in den letzten Jahren stark verändert. Früher wegen ihrer unregelmässigen Form kaum sinnvoll verwendbaren Gesteinsbrocken, die sogenannten «Kartoffeln», können heute ohne weiteres verarbeitet werden. Selbst Steinabfälle und Steinschnitte werden heute im Kieswerk weiterverwendet. Die Firma Battaglia übernimmt aus allen Steinbrüchen das Material, welches nicht mehr zu anderen Produkten verarbeitet werden kann und stellt daraus unter anderem Kies für die Betonproduktion her. Ein klassisches Baumaterial Das Ursprungsmaterial des Granits aus Andeer ist 300 Millionen Jahre alt. Das Gestein ist eigentlich ein Orthogneis, der vor 50 Millionen Jahren in tieferen Gesteinsschichten unter hohem Druck durch Metamorphose entstanden ist. Hierdurch erhielt der Stein auch seine spezifische gerichtete Struktur. Schliesslich ist der Gneis wieder an die Oberfläche gelangt. Der Verde Andeer, wie der Stein auch genannt wird, ist wegen seiner einheitlich grünen Färbung ein ungewöhnlicher und eigenständiger mit ganz spezifischen Ausdruck. Aufgrund seiner prägnanten Färbung ist der Stein zwar nicht für alles geeignet, besitzt jedoch eine klare Persönlichkeit. Darüber hinaus ist der Stein äusserst 2 Granit-Steinbrüche gibt es in Andeer seit über 100 Jahren. 3 Sicherer Arbeitsplatz: nicht nur Maschinen sondern auch ein mancher Mitarbeiter stammt aus Italien. 4 Granit-Steinbrüche gibt es in Andeer seit über 100 Jahren 19 6 5 Jürg Conzetts Punt da Saransuns – ein Meisterwerk der Ingenieurskunst mit Granit aus Andeer Hans Holleins Bau für den Hauptsitz der Centrum Bank in Vaduz. widerstandsfähig gegen Abrieb und Frost und Aggressoren wie Tausalze. In Chur wird der Granit aus Andeer oft im Sockelbereich eingesetzt. So ist er beispielsweise an der Villa Planta des Bündner Kunstmuseum in Chur, wie auch am bald abgerissenen ehemaligen Nationalparkmuseum hinter dem Kunstmuseum, dem Sulserbau, als auch am benachbarten Hauptsitz der Rhätischen Bahn zu finden. Etliche Brunnen sind in Chur ebenfalls aus dem Granit aus Andeer konstruiert. Hierdurch ist es folgerichtig, dass die in diesem Frühling fertiggestellte Pflästerung der Bahnhofstrasse in Chur mit Granit aus Andeer ausgeführt wurde. Aber auch der Boden der Raiffeisenbank in Thusis (2010) von Niklaus Lohri Architekten ist im Kundenbereich mit Granit aus Andeer ausgeführt. Selbst prominente Architekten wie der Spanier Santiago Calatrava benutzten das Gestein für den Boden im Inneren und teilweise an der Aussenfassade des Bahnhofs Luzern (1991). Der Wiener Architekt Hans Hollein verwendet den Stein für die Centrums Bank in Vaduz (2002) um dem Bau den Ausdruck eines «riesengrossen Steinblocks» zu geben. Und auch die Basler Architekten Diener & Diener benutzen diesen für ihr Bürogebäude am Picasso Platz in Basel (1993). Fassaden aus Andeerer Granit sind beim Schönhauser-Tor in Berlin, dem «Hilton Hotel Adana» in Istanbul oder gar am höchsten Gebäude Österreichs, dem Millennium Tower in Wien zu finden. Aber eines der prägnantesten Bauwerke findet sich ganz in der Nähe, nämlich in der Viamala. Bei der Punt da Saransuns (1999) von Conzett Branzini Gartmann leistet der Gneis mehr als gewöhnlich: Hier ist dieser nicht nur Verkleidung, sondern übernimmt eine tragende Funktion. Der Stein wird nicht nur aus ästhetischen oder funktionalen Überlegungen eingesetzt, sondern ist selber Teil des Tragwerkes. Die einzelnen Steinelemente der Hängebrücke werden durch ein Zugband unter Druck gesetzt und sind jeweils durch eine Platte aus Aluminium voneinander getrennt. Bei derartigen Konstruktionen kann der Stein zeigen, was dieser wirklich leisten kann. Hier ist dieser nicht nur Verkleidung, sondern aktiver Teil des Bauwerkes. WEITERE INFORMATIONEN Andeer Im Raum Andeer wird an drei Orten Granit abgebaut. 20 Autor Daniel A. Walser ist Architekt und Professor für Architekturgeschichte und -Theorie an der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur. Er lebt in Chur und in Zürich. [email protected] Fotos Ralph Feiner, Malans Daniel Walser, Chur und Zürich Informationen im Internet: www.toscano-granit.ch www.andeergranit.ch