Prof. Dr.-Ing. Friedel Hartmann Fachgebiet Baustatik Fachbereich 14 Bauingenieurwesen Skriptum zur Lehrveranstaltung ’Modellieren mit finiten Elementen’ von Christina Völlmecke INHALTSVERZEICHNIS 2 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 2 Theoretische Grundlagen 2.1 Mathematische Grundlagen . . . . 2.2 Der Fachwerkstab . . . . . . . . . . 2.3 Die Scheibe . . . . . . . . . . . . . 2.4 Der Biegebalken . . . . . . . . . . . 2.5 Die Platte . . . . . . . . . . . . . . 2.5.1 Die Kirchhoffplatte . . . . . 2.5.2 Die Reissner-Mindlin-Platte 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Finite Elemente Methode 3.1 Fünf Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 FEM = Restriktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 FEM = Ersatzlastverfahren . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3 FEM = Projektionsverfahren . . . . . . . . . . . . . 3.1.4 FEM = Energieverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.5 FEM = Verfahren der genäherten Einflussfunktionen (= Greenschen Funktionen) . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Adaptive Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Die Elemente der FE-Methode 4.1 Scheibenelemente . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 CST-Element . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Bilineares Element . . . . . . . . . . 4.1.3 LST-Element . . . . . . . . . . . . . 4.1.4 Bilinear +2 oder Wilson-Element . . 4.2 Plattenelemente . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Die Kinematik schubstarrer Platten . 4.2.2 Die Kinematik schubweicher Platten 4.2.3 Schubweiche Plattenelemente . . . . 5 Zusammenfassung und Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 4 7 8 10 12 13 13 . . . . . 14 14 14 15 18 24 . 25 . 27 . . . . . . . . . 31 31 31 32 32 33 34 34 35 36 38 1 EINLEITUNG 1 3 Einleitung In den letzten Jahren hat sich die Finite Elemente Methode zu einem wirkungsvollen Instrument für Berechnungen des Ingenieurs entwickelt, die es plötzlich möglich macht, Tragwerke zu analysieren, die vorher einer Berechnung nicht zugänglich waren. Jedoch ist die Kenntnis der Grundlagen nicht im gleichen Maße mitgewachsen; oft wird bemängelt, dass die Methode unkritisch eingesetzt wird, ohne die Ergebnisse zu hinterfragen. Hinter der Methode der finiten Elemente steckt jedoch ’nur’ die klassische Statik. Ein Tragwerk wird in kleine Elemente zerlegt, die an den Knoten verbunden werden, und die Belastung wird durch Knotenkräfte ersetzt. Hinter der Idee der finiten Elemente steckt lediglich das Prinzip der virtuellen Verrückungen, wobei aber nie vergessen werden sollte, dass es sich immer nur um ein Modell der Realität handelt, nicht um die tatsächliche Situation. Dieses Skriptum soll helfen, die Grundlagen der finiten Elemente zu verstehen, denn das ist die Voraussetzung dafür, dass man ein FE-Programm sinnvoll einsetzen kann und die Ergebnisse bewerten kann. Erst durch die Kenntnis der Grundlagen kann man souverän und gelassen mit einem FEProgramm umgehen. Kapitel 2 soll zunächst helfen, die mathematischen Grundlagen zu verstehen, die in den statischen Berechnungen stecken. Kapitel 3 beschreibt die finite Elemente Methode mit Hilfe von fünf Thesen und veranschaulicht eine Möglichkeit der Fehlerkorrektur (in Anlehnung an [1]). Kapitel 4 enthält eine Auswahl an Beispielen für Elemente der finite Elemente Methode, die in Programmen angewendet werden. Abschliessend werden in Kapitel 5 die Hauptpunkte zusammengefasst und auf Fehler der FE-Methode hingewiesen. 2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN 2 2.1 4 Theoretische Grundlagen Mathematische Grundlagen Vektoren und Matrizen Vektoren und Matrizen werden im Folgenden immer mit fetten Buchstaben bezeichnet, wobei kleine Buchstaben Vektoren darstellen u1 u = {ui } = u2 u3 und große Buchstaben Matrizen A = [ aij ] . Das Skalarprodukt zweier Vektoren bzw. Matrizen wird durch den Punkt verdeutlicht; gleichzeitig wird die Einsteinsche Summenkonvention eingeführt. Diese Tensornotation vereinbart, dass über gleichartige Indices addiert wird: u· v= P ui vi = ui vi = u1 v1 + u2 v2 + u3 v3 i A · B = aij bij . Die Spur (engl.: trace) einer Matrix ist die Summe der Einträge auf ihrer Hauptdiagonalen und wird gemäß der oben eingeführten Notation folgendermaßen beschrieben : trA = aii . Differentiation Bei der Partiellen Differentiation wird die Kommanotation verwendet: ∂f ∂ 2f = f,xi = f,i ; = f,xi xj = f,ij ∂xi ∂xi ∂xj usw. 2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN 5 Der Gradient ∇ einer skalarwertigen Funktion f (x), x ∈ Rn , ist der Vektor ∇f = grad f = {f,1 ; f,2 ; . . . ; f,n }T = {f,i } . Der Gradient ∇ einer vektorwertigen Funktion f (x) = {fi (x)}, x ∈ Rn , ist die Matrix ∇f = [ fi ,j ] . Wird der Gradient zweifach auf eine skalarwertige Funktion angewendet, so ist das Ergebnis eine Matrix, deren Einträge die zweiten Ableitungen von f sind ∇ 2 f = ∇∇f = [ f,ij ] . Der Laplace-Operator ∆ ist definiert über: ∆f := div (∇f ) . Wird ∆ auf eine Funktion angewendet, so bedeutet dies, dass die Summe der sich wiederholenden zweiten Ableitungen gebildet wird ∆f = f,ii = tr (∇∇f ) . Die zweifache Anwendung des Operators führt zu dem Ergebnis: ∆∆f = f,iijj . Die Divergenz divA einer Matrix A ist ein Vektor mit den Komponenten (div A)i = aij ,j . Die Divergenz div u eines Vektors ist ein Skalar div u = ui ,i . Demnach resultiert aus der zweifache Anwendung des Operators auf eine Matrix ein Skalar div2 A = div (divA) = aij ,ji . Die Divergenz ist der entgegengesetzte Operator zum Gradienten . 2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN 6 Integration Die Regel der partiellen Integration im Eindimensionalen lautet für u, û ∈ C 1 [ a, b ] Zb Zb u û0 dx , u0 û dx = [ u û ]ba − mit a a [ u û ]ba := u(b) û(b) − u(a) û(a) , und für höhere Dimensionen u, û ∈ C 1 (Ω) Z Z Z u,i û d Ω = u û ni d s − u û,i d Ω , Ω Γ Ω mit der i-ten Komponente des auf dem Rand Γ des Gebietes Ω nach aussen gerichteten Normalenvektors n. Funktionale Eine Funktion die Funktionen enthält bezeichnet man als Funktional. Ein bilineares Funktional, das abhängig von zwei Funktionen u, v ist und in beiden linear ist, wird folgendermaßen bezeichnet F (a1 u1 + a2 u2 â1 û1 + â2 û2 ) = 2 X ai âi F (ui , ûj ) . i,j = 1 Bilineare Funktionale werden als symmetrisch bezeichnet, wenn F (u, v) = F (v, u) . Eine quadratische Funktion ist ein Funktional 1 F (u) = E(u, u) 2 basierend auf dem symmetrischen bilinearen Funktional E(u, u). Die erste Variation eines Funktionals F (u) auf u in Richtung û ist der Ausdruck ¯ ¯ d . F (u + εû)¯¯ δ F (u, û) = dε ε=0 2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN 2.2 7 Der Fachwerkstab dx x du Abb. 2.2: Stabdehnungen Die Verzerrung ε eines Stabelementes dx, siehe Abb. 2.2, wird definiert als ε = Längenzuwachs du u0 (x)dx = = = u0 (x) . Längeneinheit dx dx In der nächsten Gleichung wird das Materialgesetz brücksichtigt und die Spannung σ berechnet sich mit Hilfe des Elastizitätsmoduls E bzw. der Fläche A und der Normalkraft N zu N σ = E·ε = . A Aus der Gleichgewichtsbedingung −N + N + dN + p(x) dx = 0 am infinitesimalen Element dx in Abb. 2.3 folgt: dN = p. dx p(x) N N + dN dx Abb. 2.3: Gleichgewicht Zur Vereinheitlichung werden die Gleichungen wie folgt aufgeführt: ε − u0 = 0 EAε − N = 0 −N 0 = p Kinematik Materialgesetz Gleichgewicht u, ε und N sind die drei sog. Mastergrößen des Stabs. Eliminiert man nun ε und N so erhält man die Differentialgleichung (DGL) des Zug-Druck-Stabs −EA u00 = p (2.1) 2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN 2.3 8 Die Scheibe z y x Abb. 2.4: Ebenes Flächentragwerk Die Scheibe ist die Erweiterung des Stabs auf zwei Dimensionen. Bei diesem ebenen Flächentragwerk, wie in Abb. 2.4, greifen äussere Lasten nur in Richtung der Mittelebene an. y ( x; y x u u ) x ~ v x Abb. 2.5: Verschiebungsvektor Die Verformungen eines Scheibenelementes müssen nun über den Verschiebungsvektor (siehe Abb. 2.5) beschrieben werden · ¸ · ¸ u(x1 , x2 ) horizontal u(x, y) u(x, y) = = v(x, y) v(x1 , x2 ) vertikal Abb. 2.6: Ebener Spannungszustand 2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN 9 Die Spannungen in Abb. 2.6 werden analog zum Stabelement über die Verzerrungen ermittelt. Der erste Index eines Spannungsvektors gibt die Schnittrichtung an, der Zweite bezeichnet die Pfeilrichtung. Da die Verzerrungen die ersten Ableitungen der Verformungen sind, wird hier der Gradient des Verschiebungsfeldes gebildet und der sogenannte Verzerrungstensor E resultiert. · ¸ · ¸ ux εxx εxy E = ∇u = ∇ = = [ εij ] uy εyx εyy mit εxx ∂u = ∂x εyy ∂v = ∂y εxy 1 = 2 µ ∂u ∂v + ∂y ∂x ¶ = εyx Anzumerken ist, dass oftmals εxy als Gleitung γxy bezeichnet wird, wobei γxy = 2εxy ist. Das Werkstoffgesetz wird im Dreidimensionalen über den Elastizitätstensor C[ ] = [ Cijkl ] ausgedrückt. Aus den Verzerrungen C[E] berechnet sich der Spannungstensor S = [ σij ] S = C [E] . Die Divergenz des Spannungtensors S ist der Vektor div S = [σij ,j ], der mit den negativen Volumenkräften im Gleichgewicht steht. Durch Einführung der Beziehung E(u) = 21 (∇u + ∇uT ) wird die bekannte Form hergestellt: E(u) − E = 0 S − C [E] = 0 −div S = p Kinematik Materialgesetz Gleichgewicht u, E und S sind die Mastergrößen der Scheibe. Mit Einführung des Differentialoperators L als Resultat aus den Matrizenoperationen µ L := −[ µ ∇u + ∇div u] , 1 − 2ν mit der Querkontraktionszahl ν und dem Skalierungsfaktor µ, erhält man die DGL der Scheibe −Lu = p (2.2) 2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN 2.4 10 Der Biegebalken Im Folgenden wird die klassische Balkenstatik nach Bernoulli beschrieben, die Schubverformungen aus der Querkraft vernachlässigt; der Balken wird schubstarr gerechnet. Beim schubweichen Balken nach Timoshenko hingegen, verdreht sich der Querschnitt um den Winkel γ gegenüber der Senkrechten, vergleiche Abb. 2.7. ° 90° . a) °= 0 b) Abb. 2.7: a) schubstarr (Bernoulli) ° 6= 0 b) schubweich (Timoshenko) Beim Balken (nachfolgend ist hiermit immer der Bernoulli-Balken gemeint) ist die analoge Größe zur Verzerrung die Krümmung κ, die als zweite Ableitung der Biegelinie w definiert ist. Somit ist κ = ε = w00 . Aus dem Materialgesetz folgt beim Balken σ =E·ε=− My My z=− , Wy Iy mit dem Moment My , dem Widerstandmoment Wy oder dem Flächenträgheitsmoment Iy und dem Abstand zur Nulllinie z. Hier wird nachfoldend nur die Biegung um die y-Achse beschrieben, da das Verfahren dementsprechend auch für Biegung um die z-Achse angewendet werden kann. 2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN 11 M+dM M y x Q Q+dQ dx x x+dx z Abb. 2.8: Gleichgewicht Die Gleichgewichtsbedingungen in Abb. 2.8 liefern die Beziehungen dQ = −p , dx dM = Q. dx In der gewählten Form wird das folgendermaßen notiert: κ − w00 = 0 EIy κ + My = 0 −My 00 = pz Kinematik Materialgesetz Gleichgewicht w, κ und M sind die drei Mastergrößen des Balkens. Die DGL des Bernoulli Balkens lautet EIy wIV = pz (2.3) x y w z Abb. 2.9: Balkenbiegung 2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN 2.5 12 Die Platte x z y mxx myy myz mxy qx qy Abb. 2.10: Schnittkräfte Die Platte ist das Analogon zum Balken. Wie in der Balkentheorie gibt es in der Plattenstatik zwei Ansätze, die sich durch die Berücksichtigung der Querkraft unterscheiden. Die Erweiterung des Bernoulli-Balkens ist die ebenfalls schubstarre Kirchhoffplatte (siehe Abb. 2.11 a)) und dem Timoshenko-Balken entspricht die schubweiche Reissner-Mindlin-Platte, vergleiche Abb. 2.11 b). • schubstarr - Bernoulli-Balken, Kirchhoffplatte • schubweich - Timoshenko-Balken, Reissner-Mindlin-Platte Die Kirchoffsche Plattentheorie ist die Grundlage vieler Tabellenwerke und wird in der normalen Statik verwendet. Erst durch das Aufkommen der finiten Elemente wird vermehrt die schubweiche Theorie verwendet, was aber in späteren Kapiteln noch näher erläutert werden soll, da hier zunächst nur die Grundlagen gelegt werden sollen. 90 ° a) Kirchhoff 6= 90° b) Reissner-Mindlin Abb. 2.11: schubstarre und schubweiche Platte 2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN 2.5.1 13 Die Kirchhoffplatte Die Kirchhoffplatte ist eine Erweiterung des Bernoulli-Balkens auf zwei Dimensionen, mit den Gleichungen K − K (w) = 0 Kinematik C [K] + M = 0 Materialgesetz −div2 M = p Gleichgewicht hierbei ist K = [ κij ] der Krümmungstensor und K() der Operator · ¸ w,11 w12 K(w) = = ∇∇ w . w,21 w,22 Das Elastizitätsgesetz C [K] bedeutet: C[ K ] = K{(1 − ν)K + ν tr(K)I} mit K = Eh3 . 12(1 − ν 2 ) Aus dem Gleichgewicht folgt mit dem Momententensor M = [ Mij ] −div2 M = p . Setzt man nun die Gleichungen ineinander ein, so resultiert die DGL der Kirchhoffplatte K(w,xxxx +2w,xxyy +w,yyyy ) = K∆∆w = p 2.5.2 (2.4) Die Reissner-Mindlin-Platte Der Vollständigkeit wegen werden hier auch die Gleichungen der schubweichen Platte aufgeführt: E (ϕ) − E = 0 C [E] − M = 0 −div q = p Kinematik Materialgesetz Gleichgewicht mit dem Verzerrungstensor E, dem Elastizitätstensor C[ ], dem Vektor der Verdrehungen ϕ, dem Momententensor M und dem Vektor der Querkräfte q. Weitere Nachweise und Formeln zu Kapitel 2 in [2]. 3 FINITE ELEMENTE METHODE 3 14 Finite Elemente Methode 3.1 Fünf Thesen Die fünf Thesen der FEM lauten: • FEM = Restriktion • FEM = Ersatzlastverfahren • FEM = Projektionsverfahren • FEM = Energieverfahren • FEM = Verfahren der genäherten Einflussfunktionen 3.1.1 FEM = Restriktion Ein Tragwerk, das mit Hilfe der finiten Elemente berechnet wird, wird durch die Art der Modellierung restringiert. Dies bedeutet, dass durch die Wahl der Elemente dem Tragwerk eine Modellvorstellung der Realität vorgegeben wird, die dem Tragwerk nur noch einen gewissen Spielraum zulassen. Je nach Art der gewählten Elemente, der Elementanzahl sowie den Randbedingungen kann das Gebilde nur noch bestimmte Verformungszustände annehmen, und zwar diese, die durch die gewählte Modellierung darstellbar sind. Anhand dieser ersten These wird bereits deutlich, dass eine Modellbildung gut durchdacht sein sollte, da ansonsten das Abbild nur augenscheinlich der tatsächlich vorhandenen Struktur entspricht. wh w a) Seil b) FE-Modell Abb. 3.1: tatsächliche Durchbiegung und Modell Wie man in Abb. 3.1 sehr deutlich erkennen kann, wird durch das FE-Modell mit linearen Elementen die Biegelinie nicht mehr wahrheitsgetreu abgebildet, 3 FINITE ELEMENTE METHODE 15 da das Seil nur noch die Gestalt von Seilecken annehmen kann. Durch eine Erhöhung der Elementanzahl bzw. der Wahl anderer Ansatzfunktionen würde die FE-Biegelinie wh der wirklichen Biegelinie genauer w angenähert werden. 3.1.2 FEM = Ersatzlastverfahren Ein FE-Programm rechnet nicht mit dem Originallastfall p sondern mit dem dazugehörigen arbeitsäquivalenten Lastfall ph . Aus statischer Sicht ist dies wahrscheinlich die wichtigste Bemerkung, die man über die Methode der finiten Elemente machen kann, da das Tragwerk nicht mit der reellen Belastung bemessen wird. Die moderne Statik verwendet das Prinzip der virtuellen Verrückungen (P.d.v.V.), das besagt: Wenn ein Tragwerk im Gleichgewicht ist, dann ist bei jeder virtuellen Verrückung δu die virtuelle innere Arbeit δAi gleich der virtuellen äusseren Arbeit δAa . Die moderne Statik schließt entgegen der klassischen Statik von der Gültigkeit des P.d.v.V.s auf das Gleichgewicht des System, was als sogenanntes schwaches Gleichheitszeichen bezeichnet wird. Die Suche nach dem Gleichgewicht ist folglich ein Variationsproblem, denn an dem System muss solange ’gewackelt’ werden, bis es sicher ist, dass die Variationslösung auch eine Lösung im klassischen Sinne (DGL) ist. ' Pl Pr hl hr Abb. 3.2: Das Prinzip der virtuellen Verrückungen Betrachten wir nun das Beispiel der Waage in Abb. 3.2, so wird die o.a. Aussage deutlicher. Das Gleichgewicht wird aus dem Hebelgesetz bestimmt: Pl hl = Pr hr . 3 FINITE ELEMENTE METHODE 16 Wenn eine kurze Drehung, d.h. eine virtuelle Verrückung ϕ, die Waage nicht in Rotation versetzt, so sind die Arbeiten, die die beiden Kräfte Pl und Pr auf den Wegen hl tan ϕ bzw. hr tan ϕ leisten, gleich groß. Wir schließen somit darauf, dass das System im Gleichgewicht ist, da der ’wackeläquivalente’ Lastfall dieselben Arbeiten verrichtet, somit also das P.d.v.V. erfüllt ist und das Hebelgesetzt gilt: Pl hl tan ϕ = Pr hr tan ϕ ⇒ Pl hl = Pr hr für alle Drehungen ϕ . Der Einwand, dass aber hier die virtuelle innere Arbeit δ Ai gleich Null ist, ist unberechtigt, da es nichts an der Logik ändert. Bei einer Starrkörperverdrehung muss die virtuelle äussere Arbeit Null sein, damit der Körper im Gleichgewicht ist, was hierbei erfüllt ist, da die beiden Arbeiten der Kräfte genau entgegengesetzt gleich groß sind. Ein weiteres Beispiel ist das Seil (siehe Abb. 3.3). Da das FE-Modell des Seils aus linearen Elementen besteht, kann das Seil nur noch die Gestalt von Seilecken annehmen (= sogenannte Einheitsverformungen ϕi ), was statisch bedeutet, dass nur noch Lastfälle mit Knotenlasten exakt dargestellt werden können, obwohl eigentlich der Lastfall “Streckenlast“ gelöst werden soll. Mit einem Seileck kann man aber diesen Lastfall nicht lösen, da der Ansatzraum dazu auch ’Bögen’ (= Funktionen höherer Ordnung x2 , x3 , etc) beinhalten müsste. LF p LF ph p le '1 ple ple le ple le le '1 '2 '2 '3 '3 Abb. 3.3: Originallastfall p und Ersatzlastfall ph Dies hat zur Folge, dass wir uns einen neuen Lastfall ph suchen müssen, der dem Originallastfall Gleichstreckenlast im Sinne der virtuellen Verrückungen am nächsten kommt, was konkret bedeutet, dass der Lastfall, den wir mit Hilfe der FE-Methode lösen können, aus Ersatzkräften (= äquivalenten Knotenlasten) besteht, die bei jeder virtuellen Verrückung dieselbe Arbeit leisten, 3 FINITE ELEMENTE METHODE 17 wie die Streckenlast p. Wir ’wackeln’ also solange mit den Einheitsverformungen δw = ϕi an dem Seil, bis die Ersatzkräfte ph bei dieser virtuellen Verrückung dieselbe Arbeit leisten, wie der Originallastfall p (= schwaches Gleichheitszeichen) δ Aa (ph , ϕi ) = δ Aa (p, ϕi ) , mit den virtuellen äusseren Arbeit δ Aa (p, ϕi ) = Kraft p × Weg ϕi , die die Last p auf den Wegen ϕi verrichtet. Der Originallastfall p ist somit in einen arbeitsäquivalenten Ersatzlastfall ph umgeformt worden. Originallastfall p a) LF p ⇒ b) LF ph Ersatzlastfall ph c) ÄAquivalenzklasse Abb. 3.4: Alle drei LF sind äquivalent. Aber nur p und ph sind ,echt’. LF c) ist fiktiv und repräsentiert rechentechnisch die Äquivalenzklasse, zur der a) und b) gehören. Der Begriff der äquivalenten Knotenlast bringt die Natur der FEM am Besten zum Ausdruck, denn die Methode der finiten Elemente ’denkt’ nicht in Kräften sondern in Arbeiten. Kräfte, die dieselbe Arbeit leisten, sind für die FEM identisch. Die Repräsentanten dieser Äquivalenzklasse sind die äquivalenten Knotenkräfte, siehe Abb. 3.4. Wieviel von einer Last allerdings in einem Knoten angetragen werden muss, hängt davon ab, wieviel von der Bewegung, die der Knoten ausgelöst hat, im Angriffspunkt der Last noch spürbar ist. So weit, wie eine Einheitsverformung reicht, so weit geht der Einfluss eines Knotens. Die Einheitsfunktionen ϕi (siehe auch Abb. 3.8) sind die Einflussfunktionen für äquivalente Knotenkräfte. Die virtuelle Verrückung ist allerdings ein unscharfes Maß, denn auch eine andere Streckenlast könnte durch dieselben Knotenlasten repräsentiert werden. Daher nennen wir jede einzelne Knotenkraft fi eine Äquivalenzklasse von Lasten, die alle hinsichtlich der Knotenverformung ϕi dieselbe Arbeit leisten. Die Genauigkeit der Ergebnisse kann wiederum nicht größer sein, als 3 FINITE ELEMENTE METHODE 18 die Verfeinerung des Netzes. Grundsätzlich sollte man heute die Umrechnung der Belastung in Knotenkräfte dem Programm überlassen, denn nur das Programm weiß, welche Ansatzfunktionen es benutzt. 3.1.3 FEM = Projektionsverfahren Die FE-Lösung ist der ’Schatten’ der exakten Lösung, die beste Näherung in der Ebene für das Original. Schatten sind Lösungen von Minimalproblemen; der Schatten x0 eines schräg nach oben zeigenden Vektors x ist der Vektor in der Ebene, der den kürzesten Abstand zur Spitze des Originals aufweist. Der Fehler e steht senkrecht auf der Ebene. z x e y x x0 Abb. 3.5: Original und Schatten Die Ebene wird in der FEM durch den Ansatzraum Vh repräsentiert, der alle Verformungen des diskretisierten Tragwerks enthält (siehe Abb. 3.7); die wahre Lösung wird also auf den Ansatzraum projiziert. Die Metrik dieses Projektionsverfahrens ist die Verzerrungsenergie, die die FE-Lösung so auswählt, dass der Abstand zwischen der exakten Lösung und der FE-Lösung in der Verzerrungsenergie minimal wird. Der Schatten ist also die Lösung eines Minimalproblems, das FE-Programm strebt danach, den Fehler in den Spannungen im Mittel zu Null zu machen. Das bedeutet, dass die Arbeit, die benötigt wird, um ein Tragwerk aus der FE-Lage uh in die wirkliche Lage u zu rücken, ein Minimum wird. Der Korrekturterm, der zur FE-Lösung addiert werden muss, ist e = u − uh . Weil der Schatten aber immer kürzer ist als das Original, ist auch die Verzerrungsenergie der FE-Lösung immer kleiner als die Verzerrungsenergie der exakten Lösung, d.h. dass die Steifigkeit des Tragwerks bei der Berechnung mittels finiter Elemente immer überschätzt wird. 3 FINITE ELEMENTE METHODE 19 z x y x x0 Abb. 3.6: Der ’blinde’ Fleck Eine weitere wichtige Anmerkung zur Projektion ist, dass das Verfahren einen ’blinden’ Fleck hat. Da der Fehler e, der immer senkrecht auf der Ebene steht (=Projektionsrichtung), keine Ausdehnung hat, fallen dem Verfahren die Fehler nicht auf. Alle Vektoren, die ’über’ oder ’unter’ dem eigentlichen Vektor x liegen, haben denselben Schatten (Abb. 3.6), die Projektion ist sozusagen blind gegenüber diesen Fehlern. Dies bedeutet gleichermaßen, dass das Skalarprodukt eT x0 = 0 ist. Eine andere wichtige Notiz zum Projektionsverfahren ist, dass eine nochmalige Projektion keine besseren Ergebnisse erzielt, denn die Projektion des Schattens ist der Schatten selbst . Das Verfahren stagniert nach dem ersten Durchlauf, eine Verbesserung der FE-Lösung ist auf demselben Netz nicht möglich. V Vh Abb. 3.7: Verformungsraum V und Ansatzraum Vh Im Folgenden sollen die vorangestellten Bemerkungen des Projektionsverfahrens anhand des Seils anschaulich verdeutlicht werden. Der Verformungsraum V des Seils beinhaltet alle möglichen Verformungen, die das Seil unter wechselnder Belastung ausführen kann und die den geometrischen Randbedingungen genügen, wohingegen der Ansatzraum Vh nur 3 FINITE ELEMENTE METHODE 20 noch die Verformungen enthält, die das FE-Modell ausführen kann (Abb. 3.7). Vh ist eine Teilmenge von V mit den Knotenverformungen wi , die sich aus den drei Einheitsverformungen ϕ1 , ϕ2 und ϕ3 generieren lassen (Abb. 3.8). Die Verformung des FE-Modells lässt sich über wh (x) = w1 ϕ1 (x) + w2 ϕ2 (x) + w3 ϕ3 (x) beschreiben. 1 '1 (x) 1 '2 (x) 1 '3 (x) w1 w2 w3 le le le le Abb. 3.8: Die Knotenverformungen des Seils Nun stellt sich die Frage, welches die beste Näherung des FE-Ansatzes an die tatsächliche Biegelinie w ist; wie müssen w1 , w2 und w3 gewählt werden? Mit Hilfe des Prinzips vom Minimum der potentiellen Energie kann dies gelöst werden. Potentielle Energie Das Prinzip vom Minimum der potentiellen Energie Π(w) besagt, dass die Durchbiegung w eines Seils die potentielle Energie auf dem Verformungsraum V minimiert, d.h. diejenige Biegelinie in V , die den kleinsten Wert für die potentielle Energie 1 Π(w) = 2 Zl Zl H (w0 )2 dx − 0 p w dx 0 liefert, ist identisch mit der Gleichgewichtslage des Seils. Hierbei bezeichnet H die Vorspannkraft des Seils, w die Seillinie, p die Gleichstreckenlast und V die Vertikalkraft im Seil (siehe Abb. 3.9). V ist proportional zur Seilneigung w0 und hat energetisch dieselbe Bedeutung wie das Moment beim Balken: V = Hw0 . Die Seilkraft S wird aus der Horizontalkraft H und der Vertikalkraft V gebildet: √ S = H2 + V 2 . 3 FINITE ELEMENTE METHODE 21 Die DGL des Seils lautet −H w00 (x) = p (x) . p (3.1) V S H H V = Hw0 (x) ¡ + Seilkraft S + Abb. 3.9: Seil unter Belastung Die Idee des Minimums der potentiellen Energie Π(w) wird nun genutzt, um die FE-Lösung zu bestimmen. Da die exakte Biegelinie w auf dem gesamten Verformungsraum V konkurriert, müssen nun die Durchbiegungen wi der Knoten so bestimmt werden, dass wh (x) = 3 X wi ϕi (x) i=1 wenigstens auf der Teilmenge Vh ⊂ V den kleinsten Wert der potentiellen Energie annimmt. Formuliert wird dieser Gedanke als Variationsproblem, mit der Bilinearform der inneren Energie (= Verzerrungsenergie) Zl Zl 0 0 H w w dx = a(w, w) := V2 dx H 0 0 und dem Skalarprodukt Zl (p, w) := p w dx , 0 aus der Überlagerung der Streckenlast p mit der Biegelinie w, zu Π(w) = 1 a(w, w) − (p, w) . 2 3 FINITE ELEMENTE METHODE 22 Die erste Variation Π(w) auf w in Richtung der Testfunktion ŵ wird formuliert, um das Minimum zu finden: ¯ ¯ d δ Π (w, ŵ) = Π (w + εŵ)¯¯ . dε ε=0 Zunächst wird der zu variierende Ausdruck berechnet: 1 a(w + εŵ, w + εŵ) − (p, w + εŵ) 2 1 1 = a(w, w) + εa(w, ŵ) + ε2 a(ŵ, ŵ) − (p, w) − ε(p, ŵ) 2 2 1 2 = Π(w) + εa(w, ŵ) + ε a(ŵ, ŵ) − ε(p, ŵ) 2 Π(w + εŵ) = Das Ergebnis der Ableitung nach dε ist d Π (w + εŵ) = a(w, ŵ) + εa(ŵ, ŵ) − (p, ŵ) . dε ε wird nun gleich Null gesetzt und das Ergebnis der ersten Variation ist: δ Π (w, ŵ) = a(w, ŵ) − (p, ŵ) . Gefordert wird, dass die erste Variation am Minimum gleich Null ist (horizontale Tangente) δ Π (w, ŵ) = a(w, ŵ) − (p, ŵ) = 0 . (3.2) Das Argument ist, dass w der tiefste Punkt ist, wenn die potentielle Energie des um einen Schritt ŵ entfernten Punktes größer ist, als am Punkt w (Minimalprinzip): Π(w + ŵ) − Π(w) > 0 ∀ ŵ 6= 0 . Die potentielle Energie am benachbarten Punkt ŵ berechnet sich zu 1 a(w + ŵ, w + ŵ) − (p, w + ŵ) 2 1 1 = a(w, w) + a(w, ŵ) + a(ŵ, ŵ) − (p, w) − (p, ŵ) 2 2 1 = Π(w) + a(w, ŵ) − (p, ŵ) + a(ŵ, ŵ) . | {z } 2 Π(w + ŵ) = = δ Π (w,ŵ) 3 FINITE ELEMENTE METHODE 23 Ai = a(w; w) Aa = (p; w) Gleichgewichtslage "w ^ w Y (w) = Minimum 1 a(w; w) 2 - (p; w) Abb. 3.10: Minimum der potentiellen Energie Mit (3.2) und der Tatsache, dass ein quadratischer Ausdruck immer positiv ist, folgt 1 a (ŵ, ŵ) > 0 , 2 womit das Argument des tiefsten Punkts erfüllt ist, das Minimumproblem ist nun gelöst. Die Idee ist nun, diese Eigenschaft zur Bestimmung der FE-Lösung zu nutzen: Die exakte Biegelinie w gewinnt die Konkurrenz auf ganz V , und wir bestimmen die Durchbiegung wi der Knoten daher so, dass die FE-Lösung Π(w + ŵ) − Π(w) = wh (x) = 3 X wi ϕi (x) i=1 wenigstens auf der Teilmenge Vh ⊂ V die Konkurrenz gewinnt, also unter allen Bieglinien, die in Vh liegen, den kleinsten Wert für die potentielle Energie liefert. Auf Grund des speziellen Ansatzes ist jede Biegelinie in Vh eindeutig durch die Liste der Knotenverschiebungen wi , den Vektor w = [w1 , w2 , w3 ]T , bestimmt, und daher ist die potentielle Energie auf Vh allein eine Funktion dieser drei Zahlen. Wie man leicht sieht, erhält man für Π so den Ausdruck 3 FINITE ELEMENTE METHODE 24 1 T w Kw − f T w 2 2 −1 0 w1 w1 1 4H −1 2 −1 w2 − [f1 , f2 , f3 ] w2 = [w1 , w2 , w3 ] 2 l 0 −1 2 w3 w3 4H 2 = [w1 − w1 w2 + w22 − w2 w3 + w32 ] − f1 w1 − f2 w2 − f3 w3 , l Π(wh ) = Π(w) = wobei die Matrix K und der Vektor f die Elemente Z l Z l l 0 0 k ij = Hϕi ϕj dx fi = p ϕi dx = p le = p . 4 0 0 haben. Das Minimum von Π auf Vh zu finden, ist daher äquivalent zu der Aufgabe, den Vektor w zu finden, der die Funktion Π(w) zum Minimum macht. Notwendig dafür ist, dass die ersten Ableitungen der Funktion Π(w) nach 3 Parametern wi and der Stelle w verschwinden, 3 X ∂Π = k ij wj − f i = 0 , ∂wi j=1 i = 1, 2, 3 , was auf das Gleichungssystem Kw = f oder 2 −1 0 w1 1 4H pl −1 2 −1 w2 = 1 , l 4 0 −1 2 w3 1 führt, dessen Lösung, w1 = w3 = 1.5 p l2 /(16 H) , w2 = 2.0 p l2 /(16 H), die beste Näherung auf Vh für die exakte Biegelinie liefert wh (x) = 3.1.4 p l2 [1.5 × ϕ1 (x) + 2.0 × ϕ2 (x) + 1.5 × ϕ3 (x)] 16 H . FEM = Energieverfahren Ein FE-Programm denkt und rechnet in Arbeit und Energie. Kräfte, die keine Arbeit leisten existieren für ein FE-Programm nicht. Wie vorhergehend festgestellt, repräsentieren Knotenkräfte Äquivalenzklassen von Arbeiten. Kräfte, die dieselbe Arbeit leisten, sind für ein FE-Programm identisch. 3 FINITE ELEMENTE METHODE 25 Die moderne Statik ersetzt sozusagen die Null durch Null-Arbeit. Nach klassichen Verständniss ist eine Streckenlast p (x) mit einer Streckenlast ph (x) identisch, wenn in jedem Punkt 0 < x < l des Trägers die Differenz Null ist, p (x) − ph (x) = 0 0<x<l starkes Gleichheitszeichen . In der modernen Statik wird hingegen das schwächere Gleichheitszeichen benutzt. Es wird nur verlangt, dass die beiden Streckenlasten bei jeder virtuellen Verrückung dieselbe Arbeit leisten, demnach Zl Zl p (x) δw(x) dx = 0 ph (x) δw(x) dx ∀ δw(x). 0 Das ist das schwache Gleichheitszeichen, denn der Schluss erfolgt indirekt. Wenn ∀ wirklich alle bedeutend, dann ist selbstverständlich das schwache Gleichheitszeichen identisch mit dem starken Gleichheitszeichen. In allen anderen Fällen, wo wir die Gleichheit nur gegenüber endlich vielen virtuellen Verrückungen δw herstellen, bleibt eine Differenz. Wenn die FEM ein Energieverfahren ist, lassen sich Probleme, bei denen die Verzerrungsenergie unendlich groß ist, wie bei einem Angriff einer Einzellast in einer Scheibe oder der Linienlagerung eines Betonblocks (siehe Abb. 3.11), mit finiten Elementen daher (theoretisch) nicht lösen. Abb. 3.11: Fälle, die man theoretisch nicht mit finiten Elementen behandeln kann 3.1.5 FEM = Verfahren der genäherten Einflussfunktionen (= Greenschen Funktionen) Ein Element und das damit erzeugte Netz ist so gut, wie die Einflussfunktionen, die man auf diesem Netz darstellen kann. 3 FINITE ELEMENTE METHODE 26 Nach den Regeln der Statik ist die Verformung w(x) oder die Spannung σx (x) in einem Punkt, die Überlagerung der Belastung p mit der dazugehörigen Einflussfunktion (Greenschen Funktion) Zl w(x) = Zl G0 (y, x) p(y) dy , 0 σx (x) = G1 (y, x) p(y) dy . 0 Die Greensche Funktion ist die Antwort des Tragwerks auf die Belastung mit der Einzellast P = 1. Die Punktlösung des Seils ist ein Seileck G0 (y, x) = Durchbiegung im Punkt x infolge einer Kraft P = 1, die an der Stelle y angreift (siehe Abb. 3.12 a). Greift eine Linienlast p an, ist die Greensche Funktion mit Hilfe des Integrals über infinitesimal kleine Teile dy zu ermitteln. Statt der exakten Einflussfunktion setzt ein FE-Programm dafür genäherte Greensche Funktionen Gh0 (siehe Abb. 3.12 b) und Gh1 ein. dP P =1 a) y dy x; y Seileck = Greensche Funktion w(x) = Zl G0 (x; y) p(y) dy 0 P =1 b) y x; y wh (x) = Zl Gh0 (x; y) p(y) dy 0 Abb. 3.12: Das Seileck ist die Greensche Funktion. Die Biegelinie w(x) ist die Einhüllende all der Seilecke, die zu den Einzelkräften dP = p dy gehören. Die Biegelinie wh (x) ist die genäherte Durchbiegung der FE-Lösung. 3 FINITE ELEMENTE METHODE 27 Daher ist der Fehler einer FE-Lösung so groß, wie der Abstand der genäherten Greenschen Funktion von der exakten Greenschen Funktion; die Fehlerfläche in Abb. 3.13 reusltiert aus der Summe der verglichenen Punktwerte: Zl [G0 (y, x) − Gh0 (x, y)] p(y) dy , w(x) − wh (x) = 0 Zl [G1 (x, y) − Gh1 (x, y)] p(y) dy . σx (x) − σxh (x) = 0 wh (x) Fehlerflache Ä w(x) Abb. 3.13: Der Abstand der genäherten Biegelinie zur exakten Biegelinie. 3.2 Adaptive Verfahren Wir nehmen den Abstand zwischen dem Lastfall p und dem Lastfall ph als ein Maß der Güte einer FE-Lösung, denn dort, wo dieser Abstand groß ist, verkleinern wir die Elemente oder erhöhen wir den Grad der Ansatzfunktionen. Das ist die Idee der adaptiven Verfahren. Die Lasten, die zum FE-Lastfall ph gehören, erhält man, indem man die FE-Lösung uh elementweise in die Stab-, Balken-, Scheibengleichung einsetzt EAu00h = ph , EIwh00 = ph , K∆∆wh = ph , −divS h = ph , und die Sprünge th in den Schnittkräften an den Elementkanten auswertet, denn diese Sprünge können wir der Wirkung von gewissen Linienlasten, Linienmomenten etc. zuschreiben. Es ist sozusagen eine umgekehrte Statik. Gegeben sind Schnittkräfte: Wie sieht die Belastung aus, die diese Schnittkräfte hervorruft? 3 FINITE ELEMENTE METHODE 28 Bei Scheibenproblemen sind die Spannungssprünge die Differenz der Spannungsverktoren Sn = t auf der gemeinsamen Kante zweier benachbarter Elemente i und i0 S i + ni = S i0 + ni0 = ti + ti0 = t∆ . Dies ist die Differenz, weil die Normalenvektoren ni und ni0 auf den beiden Elementrändern entgegengesetzt gerichtet sind. Bei der Kirchhoffplatte messen wir auf den Netzkanten die Sprünge im Kirchhoffschub vn (' Querkraft) und im Schnittmoment mn und eventuell auch noch die Summe der Eckkräfte Fk in jedem Knoten, die aus der Unstetigkeit der Momenten mxy an den einzelnen Elementecken resultieren. Der Einfachheit halber wollen wir im folgenden uns auf eine Scheibe konzentrieren und annehmen, dass im LF p nur eine Flächenlast p wirkt und keine Linienkräfte. Der Fehler im Element ist dann die Differenz der Flächenlasten p − ph , und der Fehler auf dem Elementrand sind die Spannungssprünge t∆ h. r i := (p − ph )Ωi 1 j i := (t∆ )Γ 2 h i j = jump, die wir auf den einzelnen Kanten je zur Hälfte dem Element und seinem Nachbarelement zuschlagen. Abb. 3.14: Adaptive Netzverfeinerung. Dort, wo der Energiefehler am größten ist, wird das Netz verfeinert. 3 FINITE ELEMENTE METHODE 29 Beginnend auf einem relativ groben Gitter ermittelt man nach einer ersten Berechnung die Fehlerkräfte r i und die Sprunggrößen j i und dort, wo diese Fehler am größten sind, verfeinert man das Netz und löst die Aufgabe neu. Wird diese Schleife mehrmals durchlaufen, so korrigiert sich das Netz von selbst, siehe Abb.3.14. Abb. 3.15: Das Residuum im Element bleibt immer gleich groß, trotzdem konvergiert die FE-Lösung für n → ∞. Ganz ohne Theorie geht es aber nicht, denn wenn man einen Balken unter einer Gleichlast p berechnet, siehe Abb. 3.15, dann werden zwar die Knotenkräfte fk = p l/(n + 1) (= Spannungssprünge) immer kleiner, je mehr Elemente n man nimmt, aber weil ph = 0 ist, bleibt das Residuum in den Elementen immer gleich groß Z l 0 (p − 0)2 dx = ||p ||20 , obwohl wir das Gefühl haben, dass die FE-Lösung wh der exakten Lösung w immer näher kommt. In der Literatur wird daher das folgende Fehlermaß ηi2 := h2i ||r i ||20 + hi ||j i ||20 . für den Fehler in einem einzelnen ebenen Element Ωi bzw. für den Fehler im P 2 2 ganzen Tragwerk, η = i ηi vorgeschlagen. Die Kenngröße ηi ist ein Maß dafür, um wieviel die Verzerrungsenergie der FE-Lösung im Element von der exakten Energie abweicht. In sie geht auch die Größe hi = maximaler Elementdurchmesser ein. Der relative Fehler ist dann das Verhältnis von η zur Energienorm ||u||E = a(u, u)1/2 der exakten Lösung η rel := η . ||u||E 3 FINITE ELEMENTE METHODE 30 Da diese nicht bekannt ist, wird meist vereinfacht für ||u||E die Energienorm q p p ||uh ||E = a(uh , uh ) = (p, uh ) = f T u der FE-Lösung gesetzt. Alle Elemente, deren relativer Fehler ηi η̄irel = p ||uhi ||2E + ||ei ||2E eine vom Benutzer vorgegebene obere Schranke η0 (= Soll) überschreiten, wären dann zu verfeinern. Allerdings hat es sich herausgestellt, dass man nur die ersten 30 - 70 % der Elemente auf der Liste verfeinern sollte, weil sich sonst die Problemzonen nicht so schön herauskristallisieren. Vereinfacht kann man auch bei der Berechnung von ηi das Elementresiduum p − ph vernachlässigen, weil die Spannungssprünge wichtiger sind, wie man am Beispiel des Balkens in Abb. 3.15 sieht. Wie sich der Energiefehler in den Elementen verteilt, sieht man beispielhaft in Bild 3.16. Dunkle Bereiche signalisieren hohe Energiefehler und helle Bereiche kleinere Fehler. Offensichtlich sind die Fehler im Bereich der Fenster- und Türöffnungen besonders groß. Dort sollte man entweder verfeinern oder zur Bemessung nur intergrale Schnittgrößen benutzen. Abb. 3.16: Die Verteilung der Fehlerindikatoren bei einer Wandscheibe im LF g. 4 DIE ELEMENTE DER FE-METHODE u6 u5 u8 u7 b) a) 31 u6 u5 y u2 u2 u4 u3 u1 u1 u4 u3 x Abb. 4.1: Scheibenelemente, a) CST-Element, b) bilineares Element 4 Die Elemente der FE-Methode Im Folgenden werden verschiedene Elementtypen aufgeführt, die lediglich eine Auswahl der heutzutage vorhandenen Arten und Varianten darstellen, da sich die finite Elemente Methode in einem fortwährenden Prozess befindet. Die Suche nach immer besseren Elementen mit genauren, verässlicheren Ergebnissen wird auch in absehbarer Zeit kein Ende nehmen. 4.1 Scheibenelemente Welche Bewegungen eine mit finiten Elementen modellierte Scheibe darstellen kann, hängt wesentlich von den Verformungsansätzen der einzelnen Elemente ab. Anforderungen an die Verformungsansätze eines Elementes sind die exakte Darstellbarkeit von Starrkörperbewegungen und ebenso konstanter Verzerrungs- und Spanungzustände. Außerdem müssen sich die Elementansätze stetig auf die Nachbarelemente fortsetzen lassen, d.h. keine Klaffungen und Überschreitungen... 4.1.1 CST-Element Das einfachste Scheibenelement ist ein dreickecksförmiges Element mit drei Knoten und einem linearen Ansatz für die horizontalen und vertikalen Verschiebungen (= 6 Freiheitsgrade), siehe Abb. 4.1 a. Die Bezeichnung CST = constant strain triangle ist durch die konstante Spannungs- und Verzerrungsverteilung im Element begründet. Das CST-Element ist zwar das einfachste, aber sicherlich nicht das beste 4 DIE ELEMENTE DER FE-METHODE 32 Scheibenelement, denn um Biegespannungen richtig zu erfassen, müsste sehr stark verfeinert werden. Das Element ist nur bei regelmäßigen Netzen mit geringen Spannungsgradienten sinnvoll einsetzbar. 4.1.2 Bilineares Element Der einfachste Ansatz für ein rechteckiges Element mit vier Knoten (Q4) ist ein bilinearer Ansatz für die Verschiebungen, was bedeuted, dass die Ausdrücke Produkte zweier linearer Polynome sind. Spannungen und Verzerrungen in einem solchen Element sind linear veränderlich, allerdings in der falschen Koordinate, denn die Normalspannungen verlaufen in der Beanspruchungsrichtung im wesentlichen konstant und nur quer dazu linear veränderlich; Schubspannungen sind nach beiden Richtungen linear veränderlich. Auch dieses Element reagiert auf Biegebeanspruchungen noch zu steif, denn bei Deformation stellen sich zwar die Kanten schief, aber sie bleiben gerade. Somit kann das Element Krümmungen an der Ober- und Unterseite nicht darstellen, vergleiche Abb. 4.2. ' M ' M MF E MF E Abb. 4.2: Die Seiten des bilinearen Elements bleiben immer gerade. MF E ist demnach immer größer als M , und letzendlich sperrt sich das Element zunehmend gegen die Verdrehung ϕ der Endquerschnitte (locking) (Nachweis siehe [1]). 4.1.3 LST-Element Das LST-Element (= linear strain triangle) mit sechs Knoten, 3 Eck- plus 3 Seitenmittelknoten basiert auf quadratischen Verschiebungsansätzen und ist deshalb wesentlich flexibler. εxx und εyy sind hier nach beiden Koordinatenrichtungen linear veränderlich. 4 DIE ELEMENTE DER FE-METHODE 4.1.4 33 Bilinear +2 oder Wilson-Element Bei diesem Element wurde das bilineare Element (Q4) in jeder Richtung durch zwei quadratische Ansatzfunktionen (Q4 +2) erweitert, siehe Abb. 4.3. y y q3 q2 q2 q3 x x Abb. 4.3: Wilson-Element (Q4 +2) Diese von Wilson stammende Idee führt dazu, dass das Element konstante Krümmungen darstellen kann. Werden die inneren Freiheitsgrade qi aktiviert, so wölbt sich das Element nach oben oder zur Seite. Da aber keine Koordination zwischen den den Nachbarelementen stattfindet, durchdringen sich die Kanten benachbarter Elemente bzw. es entstehen klaffende Fugen. Das Element ist also nicht konform. Konform wird es erst dann, wenn die Elemente sehr klein werden und die Verzerrungen dann nahezu konstant sind. Trotz des ”Defektes” ist dieses Element sehr erfolgreich und wird gerne in kommerziellen Programmen als vier Knoten Element eingesetzt. p 1m 8 1m Abb. 4.4: Kragträger mit Streckenlast p als benchmark für das bilineare Element und das Wilson-Element Rechnet man beispielsweise einen Kragarm (siehe Abb. 4.4) mit bilinearen Elementen, so benötigt man sehr viele Elemente, um in die Nähe der exakten Durchbiegung zu gelangen. Das Wilson-Element schafft dies praktisch mit acht Elementen, vergleiche Tab. 4.1, weil es sich durch die quadratischen 4 DIE ELEMENTE DER FE-METHODE 34 Tab. 4.1: Durchbiegung υ am Kragarmende mit bilinearen Elementen (Q4) und Wilson-Elementen (Q4 +2). Der exakte Wert beträgt υ = 1,024 cm (aus [1]). Netz 1×8 2 × 16 4 × 32 8 × 80 0,715 0,939 1,010 1,021 Q4 Q4+2 cm 1.035 cm cm 1,036 cm cm 1,038 cm cm 1,039 cm Ansatzfunktionen besser den Umständen anpassen kann. Dass das Element leicht über das Ziel hinausschießt, lässt erkennen, dass es ein nichtkonformes Element ist. 4.2 Plattenelemente Echte, konforme Weggrößenansätze für Kirchhoffplatten kommen in der Praxis quasi nicht vor, weil der Aufwand zur Generierung von C 1 -stetigen Ansatzfunktionen einfach zu groß ist. Ignoriert man die C 1 -Stetigkeit aber einfach und arbeitet mit Elementen, die nur die Freiheitsgrade w, w,x , w,y in den Knoten haben, dann sind die Ergebnisse entsprechend schlecht. Es gibt aber einen Ausweg, denn auf Umwegen kann man Elemente mit den Freiheitsgraden w, w,x , w,y in den Knoten generieren, die zwar auch nicht konform sind, aber bessere Ergebnisse als die einfachen nichtkonformen Elemente liefern. Die bekanntesten Elemente diesen Typs sind das dreieckige HSM-Element (hybrid-stress-model ) und das DKT-Element. Mehr Elemente und ausführliche Theorie siehe [1]. 4.2.1 Die Kinematik schubstarrer Platten Der Nachteil der schubstarren Platte (vergleiche Kap. 1.5.1) ist ihre geringe Flexibilität, da sie schnellen, aufgezwungenen Richtungswechseln nur sehr ungern folgt. Dieses (relativ) starre Verhalten bringt sie immer dann in Nöte, wenn die Lagerkanten schief aufeinander zulaufen oder Lagerbedingungen wechseln oder einfach die Eckwinkel zu groß sind. Weil in solchen Ecken nicht nur die Durchbiegung gleich Null ist, sondern auch die Drehung um die Koordinatenachsen Null sind w = w,x = w,y = 0 , -5. a) 35 29.3 4 DIE ELEMENTE DER FE-METHODE 1 3.1 29.0 516.0 56 b) 8 30. 29.9 Abb. 4.5: Lagerkräfte einer Trapezplatte (unmaßstäblich) a) In den stumpfen Ecken der gelenkig gelagerten Ecke werden die Lagerkräfte singulär. b) Wenn man die Verdrehung w,x und w,y in den Ecken freigibt, verschwindet der Effekt. stellt eine solche Ecke eine punktförmige Einspannung dar, und das mag die schubstarre Platte offensichtlich gar nicht. Teilweise sind diese Singularitäten unphysikalisch, also aus statischer Sicht nicht nachvollziehbar. Die Singularität verschwindet sofort, wenn man in der Ecke im Sinne der Modelladaptivität die beiden Verdrehungen w,x und w,y freigibt, siehe Abb. 4.5. Generell sollte man bei schubstarren aber auch bei schubweichen Platten immer die Nachgiebigkeit der Lager ansetzen, weil so die negativen Effekte, die aus kinematisch schwierigen Lagerbedingungen herrühren, gedämpft, aber nicht komplett beseitigt werden können. 4.2.2 Die Kinematik schubweicher Platten Schubweiche Platten (siehe Kap. 1.5.2) bilden unter Last von selbst Knicke aus, wenn man sie z.B. mit Linienkräften belastet. Bei schubweichen Platten stört es also nicht wenn die Einheitsverformungen Knicke aufweisen, C 0 -Elemente reichen daher aus, siehe Abb. 4.6. Die Kinematik der schubweichen Platte wird von drei Größen beschrieben, 4 DIE ELEMENTE DER FE-METHODE 36 Abb. 4.6: Eine schubweiche Platte darf Knicke haben. der Durchbiegung w und den Verdrehungen θx , θx der Schnittflächen in Richtung der x- bzw. y-Achse. Bei der schubstarren Kirchhoffplatte sind die Winkelmaße θx , θx keine unabhängigen Größen, weil die Schnittfläche lotrecht zu den sich durchbiegenden Achsen bleibt, und die Schnittflächen daher genau um das Maß kippen, um das sich die Biegefläche verdreht: θx = −w,x und θy = −w,y . Man nennt die Maße γx = w,x +θx γy = w,y +θy die Gleitung. Bei der Kirchoffplatte sind die Gleitungen Null. Alle Plattenmodelle entstehen durch Reduktion des elastischen Kontinuums auf ein ebenes Modell. Je nachdem, welche Annahmen man dabei trifft, erhält man die Kirchhoffplatte oder die Reissner-Mindlin-Platte. Dass durch Reduktion unsere Modelle ärmer werden, macht sich am ehesten am Rand bemerkbar. Bei der schubweichen Platte gibt es zudem noch den sogenannten boundary layer effect. Damit meint man die Beobachtung, dass die Lösung zum Rande hin ungenauer wird. Der Rand ist der Bereich in dem sich schubstarr und schubweich gerechnete Platten am ehesten unterscheiden. 4.2.3 Schubweiche Plattenelemente Die wohl populärsten Elemente, die auf die Reissner-Mindlin-Theorie basieren, sind das Bathe-Dvorkin-Element, das DKT-Element und das DSTElement. Das Bathe-Dvorkin-Element Das Element ist ein isoparametrisches Vier-Knoten-Element mit bilinearen Ansätzen für die Durchbiegung w und die Rotation θx und θy , siehe Abb. 4.7 a. Was das Element vor allem auszeichnet, ist dass es keine Schwierigkeiten 4 DIE ELEMENTE DER FE-METHODE a) 37 b) Abb. 4.7: Schubweiche Elemente a) Bathe-Dvorkin-Element b) DKTElement. An den Knoten ist beim DKT-Element die Gleitung Null, θxi = −∂w/∂xi , θyi = −∂w/∂yi mit dem Übergang zu dünnen Platten hat und somit universell einsetzbar ist. Ähnlich wie zum bilinearen Scheibenelement verläuft das Moment mxx in der Tragrichtung konstant und das Moment myy quer dazu linear. Die Querkräfte qx und qy sind natürlich konstant. Die Idee liegt nahe, dass man so wie beim Wilson-Element in der Scheibenstatik, aus dem Q4-Element ein Q4+2-Element macht, indem man quadratische Ansätze dazu addiert. Dann verlaufen auch die Momente in Tragrichtung linear. Dieses verbesserte Element wird als Plattenelement in den SOFISTIKProgrammen benutzt. Das DKT-Element Das DKT-Element kann man als schubstarres oder als schubweiches Element ansehen. In diesem Element manifestiert sich der neuer Trend in der Statik, dass die Numerik zunehmend ein Eigenleben entwickelt. Zur Herleitung des DKT-Elements geht man von einer Reissner-MindlinPlatte aus und nimmt aber an, dass die Gleitungen Null sind, die Platte sich also schubstarr verhält. Das DKT-Element ist sehr populär und wird gerne eingesetzt, weil man mit geringem Aufwand - C 0 -Ansätze reichen ja aus - ein Dreieckselement mit den Knotenfreiheitsgraden w, w,x , w,y erhält (Abb. 4.7 b). Praktisch handelt es sich aber auch beim DKT-Element um ein nichtkonformes Element. Das DST-Element Das DST-Element ist formal eng verwand mit dem DKT-Element. Das S steht für schubweich, denn anders als beim DKT-Element ist die Gleitung γ in den Knoten nicht gleich Null. Der Ausgang ist eine schwache Formulierung der Reissner-Mindlin-Gleichungen, womit es gelingt, ein dreiecksförmiges Element mit drei Knoten und pro Knoten drei Knotenvariablen w, ϕx , ϕy herzuleiten. 5 ZUSAMMENFASSUNG UND HINWEISE 5 38 Zusammenfassung und Hinweise In vorliegendem Skriptum wurden zunächst die theoretischen Grundlagen der finiten Elemente Methode aufgeführt, die fundamental für das Verständnis der Anwendungen ist. Weitergehend wurde die finite Elemente Methode kurz in fünf Thesen erläutert, um die Grundlagen, die hinter diesem numerischen Verfahren stecken, aufzudecken. Anzumerken ist jedoch, dass das Verfahren mit gewisser Vorsicht anzuwenden ist, da es sich um ein Näherungsverfahren handelt. Die FE-Methode approximiert in drei Funktionen: der nullten, ersten und zweiten Ableitung der Biegelinie w, jedoch stellt sie sich so ein, dass der Abstand in den Schnittgrößen (erste Ableitung) minimal wird. Das Verfahren legt demnach Wert auf die bestmögliche Annäherung an die Verzerrungsenergie und nicht an die Biegelinie oder die Belastung (zweite Ableitung). Eine verlässliche Methode, aus dem Fehler in der zweiten Ableitung auf den Fehler in der ersten Ableitung zu schliessen gibt es nicht, d.h. exakt lässt sich der Fehler, den falsche Lastannahmen nach sich ziehen, im allgemeinen nicht quantifizieren. Es gibt nur mehr oder weniger geschickte Methoden, mit denen man obere und untere Schranken für den Fehler herleiten kann (siehe [1]). Unter dem Verständnis, dass der Fehler in der falschen Lastannahme begründet ist, liegt die Idee nahe, durch Iteration den Fehler unter eine vorgegebene Schranke ε zu bringen. Da es sich hier aber um ein Projektionsverfahren handelt, ist es unmöglich, den senkrechtstehenden Fehler zu eliminieren. Weitergehend bedeutet dies, dass es für die FEM Lastfälle gibt, die sich nicht lösen lassen, denn sie verrichten keine Arbeit; die äquivalenten Knotenkräfte fi sind also alle Null. Geometrisch bedeutet dies: Lasten, die in die Projektionsrichtung fallen, haben keinen Schatten und existieren für das FE-Programm somit nicht. Aber obwohl der FE-Lastfall ph scheinbar weit entfernt vom Originallastfall ist, bedeutet dies nicht, dass die Ergebnisse wertlos sind. Ein FE-Programm ist immer versucht, den Ersatzlastfall ph so optimal eizustellen, dass der Fehler in der Energie möglichst klein ist. Wie Ergebnisse interpretiert werden sollten und worauf beim Modellieren geachtet werden sollte, wird ausfühlich in der Lehrveranstaltung besprochen werden und mit Hilfe der Hausübungen werden so manch augenscheinlich schwierige Ansätze wesentlich klarer. LITERATUR 39 Literatur [1] Hartmann, F., Katz, C.: Statik mit finiten Elementen. Berlin Heidelberg: Springer 2002. [2] Hartmann,F.: The Mathematical Foundation of Structural Mechanics. Berlin: Springer 1985. [3] Link, M.: Finite Elemente in der Statik und Dynamik. Stuttgart: B.G. Teubner 1989. [4] Panke, T.: Berechnung von Einflussfunktionen mit der Methode der finiten Elemente. Diplomarbeit Universität Kassel 2002 http://www.winfem.de/products.htm [5] Materna, D.: Finite Elemente und Einflussfunktionen. Diplomarbeit Universität Kassel 2002 http://www.winfem.de/products.htm