Sinterversuch / Dilatometrie (SV) 1 Grundlagen Der klassische Herstellungsprozess für keramische und pulvermetallurgische Erzeugnisse lässt sich folgendermaßen unterteilen: • Pulverherstellung • Pulveraufbereitung • Formgebung • Sinterung • Nachbearbeitung Auf die Pulverherstellung und -aufbereitung und auf die Nachbearbeitung soll im Weiteren nicht eingegangen werden. Eine eingehende Besprechung der Einzelschritte beim Herstellungsprozess eines pulvertechnologisch erzeugten Bauteils kann zum Beispiel in den Lehrbüchern [1-4] nachgelesen werden. Es soll nur angemerkt werden, dass die Eigenschaften des fertig gesinterten Produkts entscheidend von den vorangehenden Arbeitsschritten abhängen. Sintervorgänge spielen im Übrigen nicht nur in der Technik, sondern zum Beispiel auch bei der Bildung verschiedener Gesteine eine wichtige Rolle. Das Sintern ist im Allgemeinen nicht die einzige Wärmebehandlung, der ein keramisches Bauteil während seiner Herstellung unterzogen wird; hinzukommen vorgeschaltete thermische Zyklen wie Trocknen (z. B. nach dem Foliengießen), Ausbrennen (organischer Bestandteile) und Kalzinieren (Vorreagieren des Pulvers). Diese Wärmebehandlungen finden unterhalb der homologen Temperaturen (T/Tm) statt, die zum Sintern erforderlich sind. 1.1 Definition Obwohl der Begriff „Sintern“ so gebräuchlich ist, ist es schwierig, eine befriedigende Definition anzugeben, die allen theoretischen und praktischen Aspekten gerecht wird und gleichzeitig die Abgrenzung zu eng benachbarten Feldern wie Druckschweißen, Löten, Hartlöten, Plattieren und Heißwalzen aufzeigt. Es gibt jedoch einige Merkmale, die für Sintervorgänge allgemein gültig sind. Die Abnahme der Freien Enthalpie des Systems ist die treibende Kraft für den Sintervorgang. Sie resultiert aus folgenden Vorgängen: • Abnahme der spezifischen freien Oberfläche durch Kontaktflächenbildung zwischen den Pulverteilchen, Kontaktflächenwachstum und Abnahme des Porenvolumens. • Eliminierung von Nichtgleichgewichtszuständen im Gitter. 1 Wichtige Eigenschaften1 nähern sich denen des kompakten Materials, das frei von Porosität ist, an. Wenn eine flüssige Phase auftritt, dann nur in der Menge, dass die Formstabilität des Grünkörpers während der Wärmebehandlung gewahrt bleibt. Vor diesem Hintergrund lassen sich verschiedene Definitionen für „Sintern” angeben. Im wissenschaftlichen Sinne versteht man unter Sintern ‘einen thermisch aktivierten Materietransport in einem Pulverhaufwerk oder einem porösen Körper, der zu einer Abnahme der spezifischen freien Oberfläche durch Wachstum von Teilchenkontakten, Abnahme des Porenvolumens und Änderung der Porengeometrie führt. Eine flüssige Phase kann dabei während des Prozesses auftreten.’ Wenn man mehr die praktischen Aspekte betrachtet, versteht man unter Sintern ‘die Wärmebehandlung eines Pulverhaufwerkes oder eines porösen Formkörpers, um die Eigenschaften denen eines porositätsfreien Körper anzunähern.’ Oft wird der Begriff Sintern mit Verdichtung gleichgesetzt. Obwohl dies normalerweise auch zutrifft, gibt es auch Ausnahmen, bei denen während des Sintervorganges keinerlei Schwindung und Verdichtung auftreten. Sehr poröse refraktäre Isolierungen können beispielsweise nach dem Sintervorgang eine geringere Dichte aufweisen als im Grünzustand. 1.2 Treibende Kräfte Beim Sintern wird das mit einer großen freien Energie versehene System (Pulverpressling) in den stabileren Zustand des dichten Körpers überführt. Die treibende Kraft des „freiwillig“ verlaufenden Vorganges (gilt für druckloses Sintern) ist die Differenz der freien Energie zwischen Ausgangs-und Endzustand. Die totale freie Energie des Systems ΔGT setzt sich aus folgenden Anteilen zusammen (V=Volumen; B=Korngenzflächen; S=Oberflächen): ΔGT = ΔGV + ΔGB + ΔGS (1) Einen Beitrag zur treibenden Kraft liefert der Abbau der Strukturdefekte und Ungleichgewichtszustände (ΔGV). Den Hauptanteil liefert bei „konventionellem“ Sintern jedoch der Oberflächenterm ΔGS = γS ⋅ ΔAS (γS = spezifische freie Oberflächenenergie; Δ AS = Änderung der Oberfläche). Dabei wird typischerweise die freie Oberflächenenergie durch die Größe der spezifischen freien Oberfläche des Pulvers abgeschätzt. Je kleiner die Pulverteilchen sind, desto höher ist im Allgemeinen die spezifische freie Oberfläche, desto höher ist die treibende Kraft für den Sintervorgang und desto schneller sintert der Pulverpressling. Allerdings steht nicht die gesamte freie Oberflächenenergie für das Sintern zur Verfügung. In einem kristallinen Material wird jeder Teilchenkontakt im Pulverpressling eine Korngrenze generieren, die eine bestimmte Korngrenzenenergie besitzt. Ein Anteil ΔGB = γB ⋅ ΔAB der treibenden Kraft wird also durch die Bildung von Korngrenzen aufgezehrt. Dazu 1 Nicht alle Eigenschaften müssen sich denjenigen des kompakten Materials annähern. In bestimmten Fällen kann es zum Beispiel während des Sintervorganges zu einer Ausdehnung des Sinterkörpers kommen. Nimmt jedoch die Leitfähigkeit oder die Festigkeit des Körpers aufgrund von Kontaktflächenwachstum zu, spricht man ebenfalls von Sintern. 2 muss im sinternden Grünkörper Materie bewegt werden, wobei je nach Art und Zustand des Systems unterschiedliche Vorgänge (Materialtransportmechanismen) in Betracht kommen. Die Materialtransportmechanismen sind hauptsächlich Diffusionsprozesse, die thermisch aktiviert sind. Zur Bewegung der Atome bzw. der Leerstellen muss eine bestimmte Aktivierungsenergie vorhanden sein, damit der Sprung von einem Gitterplatz auf einen anderen ermöglicht wird. Die Anzahl der „aktivierten” Atome bzw. der freien Gitterplätze in Abhängigkeit von der Temperatur lässt sich über die Arrhenius-Beziehung berechnen: exp , (2) N = Anzahl der freien Gitterplätze bzw. der „aktivierten“ Atome; N0 = Gesamtzahl; Q = Aktivierungsenergie; R = Gaskonstante; T = absolute Temperatur. Ein Maß zur Verfolgung des Sintervorgangs stellt die Schwindung dar (sofern das Material während des Sintervorganges Verdichtung zeigt, s.o.). Während der Schwindung verdichtet sich der Pulverpressling von der Gründichte ρG zu der gesinterten Dichte ρS gemäß der Gleichung: , ∆ ∆ 0 (3) In der Praxis unterscheidet man zwischen der Volumenschwindung SV und der Längsschwindung SL: (4) ∆ (5) Bei isotroper Schwindung ist eine Umrechnung der Längsschwindung über die Volumenschwindung nach folgender Beziehung möglich: SV =1 − (1 − SL)3 1.3 (6) Der Sintervorgang Der Sintervorgang kann, technisch gesehen, in drei Abschnitte gegliedert werden: die Aufheizphase, verbunden mit der Verdampfung restlichen Prozesswassers und Austreibung organischer Binde- und Gleitmittel, die isotherme Sinterphase bei konstanter oder definiert geregelter Temperatur, die Abkühlphase, bei der keine wesentliche Erhöhung der Dichte mehr stattfindet, die Gefügeausbildung und Eigenspannungsentwicklung jedoch noch wesentlich beeinflusst werden können (Durchlaufen und evtl. Einfrieren von Nichtgleichgewichtszuständen). 3 Klassische Sintertheorien modellieren den Sinterprozess meist nur für den isothermen Fall, was aber ihre Anwendung auf Sinterungen mit langsam veränderlicher Temperatur nicht ausschließt. Man unterteilt danach den Sintervorgang in 3 Sinterstadien: das Anfangsstadium: Umordnung zu höherer Packungsdichte mit Maximierung der Kontaktanzahl zwischen den Pulverteilchen. Als Ursache für das Abgleiten (viskose Fließen) der Teilchen werden lokale Spannungen angenommen. Bildung von Sinterhälsen. das Zwischenstadium: Ausbildung des Festkörpers und eines Porengerüstes durch Diffusion von Atomen beziehungsweise Leerstellen. Eventuell auch plastische Verformung der Kristallite sowie Schmelzund Kondensationsprozesse. Reduzierung des Porenvolumens auf ca. 8%. Beginnendes Kornwachstum. das Endstadium: Austreibung der Restporosität, Erreichen der Sinterrohdichte, Kornwachstum. 1.3.1 Grundbegriffe der mikroskopischen Sintervorgänge Im Sinterprozess wird aus einer lockeren Anordnung feiner Pulverteilchen in einem etwa zur Hälfte aus fester Materie und Porenraum bestehenden Formkörper durch Temperatureinwirkung ein dichtes, polykristallines Produkt gebildet. Da die Temperatur unterhalb des Schmelzpunktes der Hauptbestandteile liegt, T/Tm = 2/3…4/5, erfolgen Verdichtung und Kornwachstum überwiegend durch Diffusion. Die Hauptaufgabe der Sintertechnologie besteht darin, durch Variation von Temperatur, Zeitverlauf, Druck, Atmosphäre sowie von Dotierungszusätzen die Zielgrößen Sinterdichte, Korngrößenverteilung, Korngrenzenfestigkeit und Eigenspannungszustand gleichzeitig zu optimieren. Für die meisten Hochleistungskeramiken ist es am wichtigsten, die Porosität vollständig zu eliminieren, eine kleine Korngröße einzustellen und Korngrenzenfestigkeit sowie Eigenspannungen speziell anzupassen. 1.3.2 Das Zweiteilchenmodell Abb. 1: Verschiedene Sinterstadien im Zweiteilchenmodell; ausgehend vom Teilchenkontakt bildet sich eine Kontaktfläche mit Korngrenze zwischen den beiden Teilchen aus. Fortgesetzter Materialtransport kann letztendlich zur Koaleszenz der Teilchen führen (aus SCHATT 1991: Abb. 1). 4 Zwei unter Sinterbedingungen sich berührende kugelige Teilchen (s. Abb. 1) mit einem Halbmesser r0 zeigen die Tendenz, sich bei Verringerung ihrer Gesamtoberfläche über verschiedene Zwischenstadien zu einer Kugel zu vereinigen. Man kann sich leicht vorstellen, dass in einem Pulverpressling sehr viele solcher oder ähnlicher Kontakte vorliegen. Die Ausbildung eines festen Kontaktes und dessen Ausweitung zu einem halsförmigen Gebilde geschehen unter Wirkung des von Laplace formulierten, krümmungsabhängigen Kapillardrucks: σ γ , (7) γ = Oberflächenspannung bzw. spezifische freie Oberflächenenergie; r1, r2 = größter und kleinster Krümmungsradius der Oberfläche. Durch Vorzeichenkonvention wird festgelegt, dass konvexe Krümmungsradien positive und konkave Krümmungsradien negative Vorzeichen besitzen. Für Kugeloberflächen oder, als Binnendruck, für kugelige Poren nimmt Gleichung (7) wegen r1 = r2 = r die Form an: σ 2 (8) Für die Oberfläche eines Sinterhalses gilt, da r2 = – ρ eine konkave Krümmung beschreibt, die Form σ γ (9) Aus den Gleichungen (8) und (9) folgt, dass die an der Kugeloberfläche wirkende Laplace-Spannung eine Druckspannung, die am Sinterhals anliegende effektive Spannung wegen 1/ρ > 1/x aber eine Zugspannung ist. Weiterhin ist aus obigen Gleichungen ersichtlich, dass zwischen der Kugel- und der Halsoberfläche ein Spannungsgradient herrscht, der eine treibende Kraft für Materietransport in die Kontaktzone darstellt. Mit wachsender Kontaktzone relaxieren die Krümmungsradien; die treibende Kraft für weitere Materialtransporte nimmt ab. Ein weiteres auf die krümmungsabhängigen Kapillarkräfte zurückgehendes Phänomen ist der über einer gekrümmten Oberfläche herrschende Dampfdruck P, der vom Gleichgewichtsdampfdruck P0 über einer ebenen Oberfläche abweicht. Dies lässt sich durch die Kelvin-Thomson-Gleichung quantitativ fassen: 1 , (10) Ω = Atomvolumen; k = Boltzmann-Konstante; r = Krümmungsradius. Über eine Verdampfung über konvexen und Wiederkondensation über konkaven Bereichen der Oberfläche sind somit Stofftransport und Kontaktwachstum möglich. Bei technisch wichtigen Sinterwerkstoffen ist der Gleichgewichtsdampfdruck bei Sintertemperatur jedoch meistens so gering, dass diesem Mechanismus wenig Bedeutung zukommt (Ausnahme z. B.: Alkalihalogenide). Eine Annäherung der Teilchenmittelpunkte (Schwindung) ist durch den Mechanismus der Verdampfung/Wiederkondensation nicht gegeben, weil kein Material aus der Kontaktzone der Teilchen ausgebaut wird. Da die Kelvin-Thomson-Gleichung nichts 5 materialspezifisches, sondern nur das Volumen enthält, lässt sie sich ebenso wie für Atome auch für Gitterleerstellen anwenden. Anstelle der Dampfdrücke P, P0 stehen die Leerstellenkonzentrationen C und C0: 1 (11) Ω = Leerstellenvolumen; die Oberflächenspannung γV geht mit negativem Vorzeichen ein. Die Änderung der Leerstellenkonzentration in der Nähe einer gekrümmten Kristallfläche gegenüber der Gleichgewichtskonzentration C0 im Bereich einer ebenen Fläche (bzw. im Kristallgitter) beträgt dann: ∆ (12) C ist demnach in einem konkaven Oberflächenbereich größer und in einem konvexen kleiner als C0. Die wichtige Schlussfolgerung für das Sintern kristalliner Materialien besteht darin, dass die konkaven Bereiche infolge ihres Leerstellenüberschusses als Leerstellenquellen wirken. Die Leerstellendiffusion folgt dem Konzentrationsgradienten; da die Korngrenzendiffusion in der Regel eine niedrigere Aktivierungsenergie besitzt als die Gitterdiffusion, wandern die Leerstellen bevorzugt längs der Korngrenzen ins Material ein. Dadurch wird Materie aus den Sinterhälsen ausgebaut – die Poren aufgefüllt –, und die Teilchenschwerpunkte nähern sich an. Durch diesen Mechanismus findet also eine echte Verdichtung des Materials statt. 1.3.3 Materialtransportmechanismen In Tabelle 1 sind zusammenfassend die Materialtransportmechanismen aufgelistet, die während des Sintervorganges auftreten können. Oberflächendiffusion, die die kleinste Aktivierungsenergie aller Diffusionsprozesse benötigt, tritt wahrscheinlich während des gesamten Sintervorganges auf. Sie ist aber insbesondere bei niedrigen Temperaturen, bei sehr feinen Pulvern und im Anfangsstadium, in dem die freie spezifische Oberfläche noch sehr hoch ist, wirksam. Wie aus Abbildung 3 hervorgeht, kann die Oberflächendiffusion zwar nicht zur Schwindung beitragen, aber sie bewirkt Kontaktflächenwachstum sowie eine Glättung der Teilchen- und Porenoberfläche. Tabelle 1: Mögliche Materialtransportmechanismen während des Sinterns Oberflächendiffusion Volumendiffusion über Leerstellen Volumendiffusion über Zwischengitterplätze Bewegung individueller Atome oder Ionen Korngrenzendiffusion 6 Verdampfung und Wiederkondensation plastisches Fließen viskoses Fließen Kollektive Bewegung Korngrenzengleiten Teilchenrotation Abb. 3: Schematische Darstellung möglicher Diffusionsvorgänge am Teilchenmodell; 1 = Verdampfung und Wiederkondensation; 2 = Oberflächendiffusion; 3 = Volumendiffusion, von Oberfläche ausgehend; 4 = Volumendiffusion, von Korngrenzen ausgehend; 5 = Korngrenzendiffusion (aus SALMANG & SCHOLZE 2007: Abb. 196) Während des Zwischen- und des Endstadiums kann die Oberflächendiffusion zur Spheroidisierung der Poren beitragen. Korngrenzendiffusion gehört ebenfalls zu den Materialtransportmechanismen, die bei niedrigeren Temperaturen wirksam sind. Die Aktivierungsenergie für Korngrenzendiffusion liegt zwischen der für Oberflächendiffusion und Volumendiffusion. Korngrenzen wirken hauptsächlich als Diffusionspfad für Atome und Leerstellen. Zusätzlich wirken sie als Senken für Leerstellen, die z.B. über einen gerichteten Diffusionsstrom von Poren kommen. Dieser Mechanismus ist wichtig für die Verdichtung durch Porenelimination im Zwischen- und Endstadium des Sintervorganges. Volumendiffusion über den Leerstellenmechanismus ist oft der dominierende Mechanismus nach Erreichen der maximalen Sintertemperatur. Leerstellengradienten liegen im Sinterkörper an vielen Stellen vor, z.B. zwischen ungestörten Gitterbereichen und einer gekrümmten Oberfläche oder einer Pore, zwischen Oberflächen mit unterschiedlichen Krümmungsradien oder zwischen gestörten und ungestörten Gitterbereichen. Der Diffusionsstrom der Leerstellen während des Sintervorganges wird durch die Art und die geometrische Anordnung der Leerstellenquellen und -senken bestimmt. Als Leerstellenquellen und -senken kommen folgende Möglichkeiten in Betracht (Tab. 2): 7 Tabelle 2: Mögliche Leerstellenquellen und -senken in einem Sinterkörper Leerstellenquelle Leerstellensenke konkave Oberflächen ebene oder konvexe Oberflächen kleine Poren große Poren Versetzungen Korngrenzen Versetzungen 2 Dilatometrie In einem Dilatometerexperiment wird eine Probe mit konstanter Heizrate gesintert. Dabei werden die Temperatur und die Längenänderung der Probe als Funktion der Zeit aufgenommen. Die Methode der Dilatometrie dient in der Praxis dazu, einen Überblick über das Sinterverhalten eines Materials zu erhalten und den Sinterprozess zu optimieren. Abb. 4: Schematische Darstellung eines HochtemperaturAbsolutdilatometers In Abbildung 4 ist der schematische Aufbau eines klassischen Dilatometers dargestellt. Man unterscheidet hier zwischen zwei Arten, dem Absolut- und dem Differentialdilatometer. Das gezeigte Absolutdilatometer unterscheidet sich dahingehend vom Differentialdilatometer, dass nur ein Wegaufnehmer vorhanden ist, mit dem die integrale Längenänderung der Probe, der Probenaufnahme und des Dilatometergestänges aufgezeichnet wird. Zur Auswertung eines solchen Diagramms muss der thermische Ausdehnungskoeffizient des Stangenmaterials und der 8 Probenaufnahme bekannt sein, damit auf die Längenänderung der Probe zurückgerechnet werden kann. Beim Differentialdilatometer muss der thermische Ausdehnungskoeffizient des Stangenmaterials und der Probenaufnahme nicht bekannt sein, da die relative Längenänderung Δl der Probe allein erfasst wird. Dies wird durch zwei getrennte Wegaufnehmer ermöglicht, wobei eine Stange direkt auf der Probe aufliegt, und die zweite auf einer planparallelen Auflage. Die Probe wird im Dilatometer einseitig gegen eine plane Fläche gelagert. Auf der anderen Probenseite sitzt ein Gestänge mit leichtem Anpressdruck auf und überträgt die Schrumpfung aus dem Ofen in die kalte Zone. Der Wegaufnehmer setzt sich aus zwei Spulen und einem Ferritkern zusammen. Er bestimmt maßgeblich die Induktivität der Spule. Wenn der Ferritkern seine Lage zwischen den beiden Spulen (durch die Schwindung der Probe) ändert, dann erfolgt auch eine Änderung der beiden Induktivitäten. In der Praxis wird meist mit Trägerfrequenzverstärkern gearbeitet. Die beiden Spulen sind als Zweige einer Wheatstone-Brücke geschaltet. Die Schwindung wird als Änderung der Brückenspannung gemessen. Eine zweite Methode, die Längenänderung der Probe als Funktion der Zeit zu erfassen, stellt das im Versuch verwendete optische Dilatometer dar. Eine Kamera erfasst fortlaufend die Schattenbilder der Probe vor dem Licht der Ofenbeleuchtung. Diese Bilder werden an die im Rechner installierte Videointerface-Karte übertragen und dort in digitalisierte Graustufenbilder umgewandelt. Zur Auswertung werden diese zunächst in Schwarzweiß-Bilder umgerechnet und aus den gewonnenen Konturdaten die Längen-, Flächen-, Eckwinkel- und Benetzungswinkeländerungen ermittelt. 3 Literatur GERMAN, R. M. (1994): Powder Metallurgy Science. - 2. Aufl., New Jersey (Metal Powder Industries Federation). REED, J. S. (1995): Principles of Ceramics Processing. - 2. Aufl., New York (John Wiley & Sons, Inc). SALMANG, H. & SCHOLZE, H. (2007): Keramik. - 7. Aufl., Berlin, Heidelberg (Springer). SCHATT, W. (1991): Sintervorgänge. - Düsseldorf (VDI). THÜMMLER, F. & OBERACKER, R. (1993): Introduction to Powder Metallurgy. - London (Institute of Materials). 4 Aufgabenstellung 1) Bestimmen Sie das Sinterverhalten einer Probe, die zu einer Glaskeramik (Verbundmaterial aus Aluminiumoxid und Borosilicatglas) verdichtet wird, mittels eines optischen Dilatometers. 2) Gegeben sind die Daten des Dilatometerlaufes für diese Probe. Anhand der aus der Flächenänderung gewonnenen Daten soll jeweils ein VolumenschwindungsTemperatur- und ein Schwindungsraten-Temperatur-Diagramm erstellt werden. 9 Kann man die Schwindungs-Temperatur-Kurve in die 3 klassischen Sinterstadien einteilen? Welche Rückschlüsse lassen sich aus diesen Ergebnissen für ein optimiertes Sinterprogramm ziehen? Hinweise zur Auswertung: Es kann angenommen werden, dass die Proben isotrop schrumpfen, d.h. lineare Schrumpfungen können in Volumenänderungen umgerechnet werden. Zum Erstellen des Schwindungsraten-Temperatur-Diagramms müssen die Daten zunächst geglättet werden. 3) Nehmen Sie an, dass folgende Beziehung gilt (B0 = Konstante, beinhaltet die atomaren Sprungfrequenzen, Oberflächenenergien, Geometriefaktoren, Diffusionskonstanten, Atomdurchmesser, usw. ; Q = Aktivierungsenergie; R = Gaskonstante; T = absolute Temperatur; t = Sinterzeit; d = anfänglicher Korndurchmesser; n, m = positive Exponenten, die durch den Diffusionsmechanismus bestimmt werden): ∆ Berechnen Sie ∆ exp (13) auf Grundlage der aus der Flächenänderung gewonnenen Daten und tragen Sie ln(Δl/l0) in einem Arrhenius-Plot gegen T-1 auf. Aus der Steigung der Kurve ist die Aktivierungsenergie zu ermitteln. Was sagt diese Gleichung allgemein über die Zeit-, Korngrößen- und Temperaturabhängigkeit der Schwindungsrate (!) aus? 10