Chat-­‐Protokoll vom 08.10.2012 SPD Bürger-­Dialog: Live-­Chat zum Thema „Jugend und Bildung“ mit Sascha Vogt, Juso-­Bundesvorsitzender Sascha Vogt: Herzlich Willkommen. In fünf Minuten geht's los hier. Florian B.: In vielen Bundesländern wird die Profiloberstufe, also eine festgelegte Kombination aus nicht zusammenpassenden Fächern, eingeführt. Wie stehen Sie zu dieser Bevormundung der Schüler? Sascha Vogt: Generell regelt das gerade jedes Bundesland für sich. Die SPD möchte generell eine größere Vergleichbarkeit von Schulabschlüssen erreichen. Und wir sind auch der Meinung, dass die SchülerInnen Wahlmöglichkeiten haben sollen. Subs: Lassen wir uns mal überraschen... Basti: Hallo KidKoala: Wie soll ich denn für meine Zukunft planen, wenn ich von Praktikum zu Praktikum gereicht werde? Sascha Vogt: Die SPD lehnt Praktika nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung generell ab. Denn das ist nichts anderes als Ausbeutung. Auch für alle anderen Praktika wollen wir klare Regelungen haben. z.B. eine klare Befristung auf maximal drei Monate, eine angemessene Vergütung und ein Praktikumszeugnis. Denn Praktika können sinnvoll sein, wenn es dabei darum geht, Erfahrung in Betrieben zu sammeln. Sie sind nicht sinnvoll, wenn es darum geht, den Unternehmen billige Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen. Gucki: Wie stellen Sie sich Bildung in 10 Jahren vor? Gibt es längerfristige Projekte die Sie gern fördern würden? Sascha Vogt: In 10 Jahren haben wir es geschafft, dass es flächendeckend frühkindliche Bildung für alle gibt, die Finanzierung der Schulen und Hochschulen verbessert wurde, niemand mehr die Schule ohne Abschluss verlässt und wir endlich Chancengleichheit umgesetzt haben: Bildungschancen dürfen nicht mehr von der Herkunft der Eltern abhängen! JoYi: Wie würden Sie zahlreiche Nichtwähler in meinem Alter (20 -­‐ 25 Jahre) davon überzeugen, die SPD zu wählen? Sascha Vogt: Weil wir das notwendige Geld in die Hand nehmen wollen, um die Hochschulen und das BAföG richtig zu finanzieren. Weil wir eine Ausbildungsgarantie durchsetzen wollen. Weil wir prekäre Arbeit auch beim Berufseinstieg bekämpfen wollen. Weil wir für junge Familien den Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung durchsetzen möchten. Weil wir jungen Menschen Engagement und Freiräume schaffen wollen. CMeyer: Wie stehst Du zu einem kreditfinanzierten Studium? Sascha Vogt: Wir lehnen das ab. Bildungschancen dürfen nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen. Gerade bei Menschen aus ärmeren Familien ist die Verschuldungsangst enorm. Deshalb würde dieser Weg viele junge Menschen vom Studium abhalten. Diese Gesellschaft ist reich genug, um allen jungen Menschen ein Studium zu ermöglichen. Basti: Auf wieviel Prozent soll der Anteil an Bildungsaufgaben vom BIP gesteigert werden? Sascha Vogt: Auf sieben Prozent. Das ist das Durchschnittsniveau der Industriestaaten. Dafür wären rund 20 Mrd Euro notwendig, die wir über eine höhere Besteuerung von hohen Einkommen und Vermögen sicherstellen wollen. Franziska Frölich (facebook): Werden sich Jusos und SPD neben dem Mindestlohn auch für eine Mindestausbildungsvergütung einsetzen? Sascha Vogt: Defintiv ja. Ich bin der Meinung, dass eine Ausbildungsvergütung ausreichen muss, um sich damit den Lebensunterhalt finanzieren zu können. Es ist ein Skandal, dass die Höhe der Ausbildungsvergütungen von Beruf zu Beruf so enorm auseinanderliegen. HMüller: Ich bin Schüler und stelle fest, dass die Bundeswehr immer präsenter in den Schulen ist (Werbung, Unterrichtsmaterial, Planspiele). Wie stehen Sie zur Bundeswehr an den Schulen? Sascha Vogt: Ich bin der Meinung, dass die Bundeswehr an Schulen nichts zu suchen hat. Klar: Wir haben jetzt eine Freiwilligenarmee. Aber die kann sich ihre Freiweilligen auch außerhalb der Schule suchen. Es gibt keinen Grund, dass die Bundeswehr dafür in den Schulen werben muss. springfeld: Gab es nicht einmal so etwas wie eine Selbstverpflichtung der Wirtschaft, Ausbildungsplätze anzubieten? Eingelöst wurde der nicht. Wie steht es damit, die Wirtschaft auf bestimmte Zahl zu verpflichten Sascha Vogt: Ja, das nennt sich Ausbildungspakt. Der hat aber nie wirklich funktioniert. In den nächsten Jahren wird sich das Problem zwar etwas entspannen, weil die Jahrgänge nicht so groß sind. Trotzdem ist und bleibt es Aufgabe der Unternehmen, genügend Ausbildungsplätze anzubieten. Wir werden deshalb in den Branchen, wo dies nicht geschieht eine finanzielle Ausbildungsplatzumlage einführen. Henrik: Wird die SPD sich dafür einsetzen, dass alle Bundesministerien eine angemessene Praktikumsvergütung zahlen? Sascha Vogt: Davon gehe ich aus. Denn alles andere wäre ja zutiefst unglaubwürdig. Wir können nicht auf der einen Seite fordern, dass die Unternehmen sowas machen sollen, und in den Ministerien davon abweichen. Katja Seifert (facebook): Stichwort: KinderbetreuungEs herrscht ErzieherInnenmangel. Wird sich die SPD für bessere Entlohnung (eine Form der Anerkennung) der ErzieherInnen einsetzen bzw. diese umsetzen? Sascha Vogt: Die SPD fordert eine Fachkräfteoffensive für ErzieherInnen. Wir wollen die Ausbildung aufwerten und die Durchlässigkeit zwischen Hochschulen und Praxis verbessern und auch das Einkommen steigern. Creatura Nocturna (facebook): was halten sie von einem generell, in jedem bundesland, gleichem schulunterricht. zb NRW ab 4. klasse enlisch sachsen erst ab 5. klasse Basti: Zentralabitur, ja oder nein? Julian: Wie stehst Du zu einem bundesweiten Zentralabitur? CMeyer: Sollte Bildung nicht endlich eine Sache des Bundes sein statt, dass die Länder ihre eigenen Suppen kochen? Matti: 16 Bundesländer, 16 unterschiedliche Schulsysteme und eine ungleiche Verteilung der Bildungschancen. Ist eine einheitliche Bildungspolitik aus Berlin ein Ziel der SPD? Sascha Vogt: Die SPD setzt sich für eine bessere Vergleichbarkeit von Schulabschlüssen und gemeinsame Bildungsstandards ein. Damit soll auch die Mobilität zwischen Bundesländern verbessert werden. Das sollen aber die Länder unter sich in der Kultusministerkonferenz klären. Ich selbst bin hier der Meinung, dass solche Fragen in einem Bundesgesetz geregelt sein müssten. Aber dafür müsste man die Verfassung ändern, was nur mit 2/3 Mehrheit geht. Sascha Vogt: Zur Frage des Zentralabiturs: Das wird in den Bundesländern entschieden. Ich selbst habe das Zentralabitur noch nie für eine gute Idee gehalten, weil es damit schwieriger wird, individuelle Förderung und Schwerpunkte zu setzen. Da geht schon Freiheit verloren. Hermann: Nach dem Hartz4-­‐Debakel blieb SPD nur noch Fokus auf Bildung und Chancengleichheit. Aber kann Bildungspolitik allein wirklich Chancengleichheit herstellen? Wäre 100%-­‐Erbschaftssteuer nicht effektiver? Sascha Vogt: Für Chancengleichheit ist Bildung in der Tat entscheidend. Nur mit Bildung alleine wird sich soziale Gerechtigkeit aber nicht erreichen lassen. Wir sind für eine Erhöhung der Erbschaftssteuer. Die entscheidende Frage ist doch aber, was mit diesem Geld geschehen soll. Ich halte das Geld gerade in Bildung, Infrastruktur und Sozialem gut angelegt. Zum Beispiel machen wir uns auch für eine Erhöhung der ALG II Sätze stark. alex_L: Moin, eine Frage zum Thema Bildung: Welche Bedeutung hat die ausserschulische Bildung (kulturelle, politische ...) im Bezug auf die schulische Bildung -­‐ oder welche Bedeutung sollte sie haben? Sascha Vogt: Bildung findet nicht nur in der Schule, sondern auch außerhalb statt. Idealerweise ergänzen sich die Angebote. Dafür ist es aber erforderlich, dass die Kommunen und die freien Träger solcher außerschulischen Bildungsangebote ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung haben. Im Finanzkonzept der SPD ist eine solche finanzielle Stärkung der Kommunen vorgesehen. Tobias Eichardt (facebook): Was ist in Sachen Bildung das Programm Jani: Was halten sie von dem deutschen Bildungssystem? Sascha Vogt: Das deutsche Bildungssystem ist traurigerweise auch international dafür bekannt, dass es extrem ungerecht ist. Kinder aus reicheren Familien haben viel bessere Chancen als Kinder aus nicht so reichen Familien. Das hat etwas mit der fehlenden Finanzierung in bezug auf Ausstattung und Personal aber auch mit den Strukturen zu tun. Bernd: Was sagen Sie zum Skandal bei Schul-­‐Mittagessen? Wie kann man so etwas künftig verhindern? Sascha Vogt: Auf der einen Seite sind die staatlichen Stellen gefordert, ihren Kontrollpflichten nachzukommen. Auf der anderen Seite muss da auch ein gesellschaftliches Umdenken stattfinden: Solange alle immer fordern, dass das Essen zu günstig wie möglich sein muss, kann es zu solchen Skandalen kommen. Es gibt auch Anbieter, die stärker auf regionale und ökologisch angebaute Produkte setzen. Nur ist das in der Regel etwas teurer. Matti: Wie siehst du die Chancen dass das das Thema Inklusion eine größere Rolle in der allgemeinen Debatte spielt. Sascha Vogt: Ich habe den Eindruck, dass das Thema schon jetzt einen viel größeren Stellenwert hat als noch vor ein paar Jahren. Das ist eine sehr gute Entwicklung. Jetzt muss es aber auch darum gehen, dass es nicht nur eine allgemeine Debatte gibt, sondern auch politisch etwas geschieht. Annika Müller (facebook): Was tun gegen zunehmenden (gezielt vermittelten) Leistungs-­‐ und Konkurrenzdruck an Universitäten? JoYi: Viele junge Menschen sind psychisch krank. Wie könnten diese besser unterstützt werden -­‐ in der Schule und auf ihren weiteren Lebensweg? Sascha Vogt: Zuallererst müssen die gesellschaftlichen Ursachen bekämpft werden. Vor allem der enorme Leistungsdruck, dem viele junge Menschen im Bildungsbereich (z.B. durch Verkürzung von Schulzeiten), in der Ausbildung (z.B. durch schlechte Ausbildungsbedingungen) oder beim Berufseinstieg (z.B. durch prekäre und unsichere Beschäftigung) ausgesetzt sind. Und dann muss man natürlich in der Schule, in den Hochschulen und in den Betrieben Anlaufstellen für diejenigen haben, die betroffen sind. Und wir brauchen eine allgemeine Sensibilisierung für das Thema -­‐ damit z.B. LehrerInnen eine psychische Erkrankung auch erkennen. Matti: Die Piraten haben mit dem Thema der Netzpolitik einen großen Erfolg besonders bei der Jugend. Was wollen die Jusos/SPD im Bereich der Netzpolitik erreichen? Sascha Vogt: Der Erfolg der Piraten liegt nicht nur in der Netzpolitik. Vielmehr werden die von vielen gewählt, die von den anderen Parteien enttäuscht sind. Die müssen wir zurückgewinnen, indem sie Vertrauen bekommen und indem wir -­‐ wie beim BürgerInnendialog -­‐ einfach mal zuhören, was denn die Sorgen und Probleme der Menschen sind. Aber auch netzpolitisch hat die SPD ja mittlerweile ein umfassendes Programm: Der Zugang zu Informationen als Grundrecht und Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge, Netzneutralität oder die Stärkung von Medienkompetenz statt sinnlosen Verboten oder Schranken sind da nur einige Stichworte. Jani: Wie finden Sie eine Zusammenlegung von Fachhochschulen und Hochschulen? Wäre es nich besser eine Uni hat wo man zwischen einem praxisbezogenen oder theoriebezogenen Bachlor sich entscheiden kann? Sascha Vogt: Ich halte die weitere Trennung für sinnvoll. Entscheidend ist auch hier, dass die Durchlässigkeit zwischen beiden Hochschultypen verbessert wird, indem man z.B. den Bachelor an der FH und den Master an der Uni machen kann. Die Fachhochschulen haben in den vergangenen Jahren aber eine enorme Kompetenz entwickelt, z.B. Menschen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung ein Studium zu ermöglichen. Ich hätte die große Sorge, dass so etwas bei einer Zusammenlegung auf der Strecke bleibt. Juso_93: Wie soll sichergestellt werden, dass die unten von dir geforderte ALG-­‐II-­‐ Erhöhung von den Empfängern auch für die Bildung (der Kinder) aufgewendet wird? Sascha Vogt: Alle Erfahrungen zeigen, dass alle Eltern sehr verantwortungsvoll mit dem Geld und den Bildungschancen ihrer Kinder umgehen. Das belegen z.B. auch einzelne Studien zu diesem Thema. Gerade die Sozialdemokratie sollte aus meiner Sicht dem populistischen Unsinn entgegentreten, eine ALG II Erhöhung würde von den Eltern für Alkohol-­‐ und Zigarettenkonsum zweckentfremdet. Damit werden Arbeitslose diffamiert, um sich aus der politischen Debatte rausziehen zu können. Sascha Vogt: Vielen Dank für die Fragen! War eine spannende Diskussion! Und bis demnächst einmal! Team Bürger-­Dialog: Liebe Userinnen und User, vielen Dank für eure Beiträge und Fragen. Leider konnte Sascha Vogt nicht alle Fragen beantworten. Aber nächsten Montag, den 15.10, von 13 bis 14 Uhr ist Doris Ahnen unsere Themenexpertin zum Thema "Jugend und Bildung" im Chat. Sie freut sich dann über eure Beiträge. Beste Grüße Euer Team Bürger-­‐Dialog