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STADTANZEIGER
STADTANZEIGER
13. März 2014
Standort mit Online kombinieren
Die „Willkomm“ im „Stadtanzeiger“ - Interview mit Christian Tuscher
Für Einzelhandel und Städteplaner ist Standortsicherung
zum zentralen Thema geworden. Große Onlineversandhäuser binden immer mehr
Kaufkraft. Innenstädte und
Gewerbegebiete sind dadurch bedroht. Die „Stadtanzeiger“- Aktion „Lokal Einkaufen“ soll diesem Trend
entgegenwirken. Über den lokalen Einzelhandel in Neustadt und Onlinekauf sprachen Ulrich Arndt und Markus Pacher mit Christian Tuscher, Geschäftsführender
Gesellschafter Media Markt
Neustadt.
???: „Media Markt weltweit und
in Neustadt“ haben Sie an der
Außenfassade plakatiert. Wie
wichtig ist denn der lokale Standort?
Christian Tuscher: Der lokale
Standort ist sehr wichtig! Jeder
Media Markt ist eine eigenständige GmbH, agiert vor Ort, zahlt
Gewerbesteuern, schafft Arbeitsplätze, handelt eigenständig. Als Geschäftsführender Gesellschafter habe ich deshalb
sehr großes Interesse an einem
lebendigen Standort.
???: Den meisten Lesern ist Media Markt als weltweite Marke
bestens bekannt. Wie groß sind
Ihre Handlungsspielräume vor
Ort?
Tuscher: Das Gesamtunternehmen investiert viel Geld in Werbung und Marketing, deshalb hat
Media Markt in Deutschland einen Bekanntheitsgrad von nahezu 100 Prozent. Wir haben Budgethoheit über lokale Werbemaßnahmen, über Sortimente
und Preise. Die Preishoheit liegt
Vorort, um auch der lokalen
Wettbewerbssituation Rechnung
zu tragen.
???: In Neustadt gab es bisher
ein Wettbewerbsdenken zwischen Gewerbegebieten und In-
nenstadt. Sie haben nun im neuen Fachausschuss „Gewerbegebiete“ der Willkomm den Vorsitz
übernommen. Ihre Gründe?
Tuscher: Seit Eröffnung unseres
Standortes im Dezember 2005
sind wir Willkomm-Mitglied. Mir
liegt daran, den Begriff der „Grünen Wiese“ weiter ins Positive zu
bekommen. Der Standort Neustadt, dazu gehören Gewerbegebiete und Innenstadt, muss in der
Summe nach außen wirken. Mir
ist es ein großes Anliegen, stärker gemeinsame Aktivitäten zu
gestalten, mit Nachbarunternehmen und der Innenstadt.
???: Sie wohnen in der Innenstadt. Haben Sie deshalb eine
hohe Identifikation mit Neustadt?
Tuscher: Ich bin aufgewachsen
in München und genieße es nun
sehr, hier in Neustadt zu leben
und zu arbeiten, wo andere ihren
Urlaub machen.
???: Welche konkreten Ziele haben Sie im Auge?
Tuscher: Ideen und Umsetzungen für verkaufsoffene Sonntage
zu entwickeln, damit sich wieder
mehr Unternehmen daran beteiligen. Harmonisierungen sowohl
von Aktionen als auch von Öffnungszeiten würden da helfen.
Wir müssen miteinander sprechen und uns austauschen. Wir
könnten Einzugsgebiete für Werbung vergleichen und abdecken,
was in der Außendarstellung dem
Standort dienlich wäre. Solche
Synergien halte ich auch mit der
Innenstadt für realistisch.
???: Wie könnte das praktisch
aussehen?
Tuscher: Nehmen Sie einfach
mal den Reparaturservice im
Computerbereich bei uns. Was
hindert mich ein Innenstadtunternehmen mit dem entsprechenden Know-how für eine solche Dienstleistung zu gewinnen.
Subunternehmer aus Neustadt
stärken den Standort. Kurze We-
Christian Tuscher, Geschäftsführer Media Markt Neustadt.
ge sparen Zeit. Dr. Karl J. Eggers
Wirken in der Willkomm und im
Marketing hat in den letzten Jahren fragmentiertes Denken hin zu
einem gemeinsamen Standortdenken positiv beeinflusst. Dennoch gibt es noch einiges zu tun.
???: Wie würden Sie den Standort ganzheitlich bewerten?
Tuscher: Positiv ist, dass Neustadt beste Grundlagen als Urlaubs- und Touristenstadt bereits
hat. Davon profitieren alle Einzelhändler. Allerdings: Wenn wir beispielsweise eine Tagung ausrichten, können wir das direkt in Neustadt, wegen fehlender Hotelkapazitäten nicht tun. Des Weiteren
beklagen Urlauber einen Mangel
an exklusiven Übernachtungsmöglichkeiten. Auch die Gastronomie hat noch Entwicklungsmöglichkeiten in höherwertigere
Bereiche. Der Urlaubs- und Erholungsort Neustadt kann sich
noch steigern, da sehe ich Potenzial.
???: Große Versandhändler nehmen dem stationären Handel
Umsatz. Media Markt hat ebenfalls einen Onlineshop. Wie sehen Sie die Entwicklung?
Tuscher: Handel ist Wandel. Wir
investieren in unseren Online-
shop seit mehreren Jahren. Allerdings mit dem klaren Ziel, MultiChannel-Handel zu betreiben, also den Verkauf im Geschäft mit
online eng zu verzahnen. Endverbraucher können rund um die
Uhr online bestellen, die Waren
aber auch in unser Geschäft liefern lassen, umtauschen oder zurückgeben. Der Kunde kann
schon auf der Onlineplattform
sehen, ob die Ware bei uns hier
vor Ort vorrätig ist. Derzeit haben
wir 30.000 Artikel im Onlineshop, Tendenz stark steigend.
Multi-Channel-Handel stützt lokale Standorte. Und: Mehr als die
Hälfte aller Onlinebestellungen
werden vor Ort abgeholt. Das ist
positiv, weil der Kunde die persönliche Beratung schätzt, direkt
über Umtausch, Rückgabe oder
neue Warenauswahl vor Ort entscheiden kann. Der Kunde
schätzt also auch den Menschen
beim Verkauf, ein wesentlicher
Vorteil des stationären Handels.
Die Onlineverkäufe wachsen rasant. Sie haben auch Einfluss auf
unser Warensortiment. Doch
wenn mehr als jeder zweite Onlinekauf vor Ort abgeholt wird, ist
das für uns sehr positiv. MultiChannel sehe ich als das Zukunftsmodell im Einzelhandel.
???: Wie wichtig ist die Willkomm
für den Standort?
Tuscher: Als Willkomm-Gemeinschaft finden wir deutlich besseres Gehör für ein Anliegen als ein
einzelnes Unternehmen. Die
Kommunikation zwischen Willkomm, Verwaltung und Politik ist
sehr fruchtbar. Der neu geschaffene Bahnhaltepunkt Süd ist ein
gutes Beispiel für zielgerichtete
Zusammenarbeit. Der Bahnübergang an der Speyerdorfer Straße
sollte ein nächster Schritt sein,
um eine schnellere Erreichbarkeit, von den Gewerbegebieten in
die Innenstadt und auch umgekehrt, für unsere Kunden zu
schaffen.
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