Ergänzungen zur Analysis I

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537
Ergänzungen zur Analysis I
1. Ergänzungsstunde (Logik, Mengen)
Die Behauptungen in Satz 0.2 über die Verknüpfung von Mengen werden auf die entsprechenden Regelnfür die Verknüpfung von Aussagen zurückgeführt. Wir wollen einige
dieser Beziehungen festhalten.
Satz E.1.
a) Die Aussage A ist genau dann wahr, wenn die Aussage ¬(¬A) wahr ist.
b) Die Aussage A ∨ ¬A ist immer wahr. (Aussagen, die immer wahr sind, nennt man
auch allgemeingültig.)
c) Die Aussage A ∧ ¬A ist stets falsch.
d) Die Aussage ¬(A ∨ B) ist genau dann wahr, wenn die Aussage ¬A ∧ ¬B wahr ist.
Die Aussage ¬(A ∧ B) ist genau dann wahr, wenn die Aussage ¬A ∨ ¬B wahr ist.
e) Die Aussage A ∧ (B ∨ C) ist genau dann wahr, wenn die Aussage (A ∧ B) ∨ (A ∧ C)
wahr ist.
f) Die Aussage A ∨ (B ∧ C) ist genau dann wahr, wenn die Aussage (A ∨ B) ∧ (A ∨ C)
wahr ist.
Beweis: Wir beweisen die Behauptungen durch Aufstellen der Wahrheitstafeln. Exemplarisch zeigen wir das für die Behauptung f):
A
B
C
B∧C
A ∨ (B ∧ C)
A∨B
A∨C
(A ∨ B) ∧ (A ∨ C)
W
W
W
W
W
W
W
W
W
W
F
F
W
W
W
W
W
F
W
F
W
W
W
W
W
F
F
F
W
W
W
W
F
W
W
W
W
W
W
W
F
W
F
F
F
W
F
F
F
F
W
F
F
F
W
F
F
F
F
F
F
F
F
F
Hieraus lesen wir die Behauptung ab.
In Abschnitt 0.1 haben wir gesehen, dass die Aussage (A ⇒ B)
wenn die Aussage B ∨ (¬A) wahr ist; d.h. dass gilt:
(∗)
(A ⇒ B) ⇐⇒ B ∨ (¬A) .
!
genau dann wahr ist,
538
Wir verwenden diese und die Äquivalenzen aus Satz E.1, um logische Ausdrücke zu vereinfachen. Es ist z.B.
(∗)
((A ⇒ B) ⇒ B) ⇐⇒
(∗)
⇐⇒
B ∨ (¬(A ⇒ B))
B ∨ (¬(B ∨ ¬A))
(E.1d)
⇐⇒ B ∨ ((¬B) ∧ (¬(¬A)))
(E.1a)
⇐⇒
(E.1e)
⇐⇒
(E.1b)
B ∨ ((¬B) ∧ A)
(B ∨ (¬B)) ∧ (B ∨ A)
⇐⇒
B∨A
⇐⇒
A∨B .
Die Ergebnisse über die Verknüpfung von Aussagen können wir direkt verwenden, um
Beziehungen zwischen Mengen zu beweisen. Wir untersuchen, ob die folgende Beziehung
richtig ist:
(A \ B) ∩ C = (A ∩ C) \ (B ∩ C) .
Wir schreiben auf, was es bedeutet, dass ein Element x zur Menge auf der linken bzw.
rechten Seite des Gleichheitszeichens gehört. Es ist
x ∈ (A \ B) ∩ C ⇐⇒
x∈A\B ∧ x∈C
⇐⇒ x ∈ A ∧ x ∈
/B ∧ x∈C
und
x ∈ (A ∩ B) \ (B ∩ C) ⇐⇒
x∈ A∩C ∧ x∈
/ B∩C
⇐⇒
x ∈ A ∩ C ∧ ¬(x ∈ B ∩ C)
⇐⇒
x ∈ A ∩ C ∧ ¬(x ∈ B ∧ x ∈ C)
⇐⇒
x ∈ A ∩ C ∧ (x ∈
/B ∨ x∈
/ C)
⇐⇒
(x ∈ A ∩ C ∧ x ∈
/ B) ∨ (x ∈ A ∩ C ∧ x ∈
/ C)
⇐⇒ (x ∈ A ∧ x ∈ C ∧ x ∈
/ B) ∨ (x ∈ A ∧ x ∈ C ∧ x ∈
/ C)
⇐⇒
x∈A ∧ x∈C ∧ x∈
/B.
Wir erhalten die gleichen zusammengesetzten Aussagen für beide Seiten und damit die
Gleichheit der Mengen.
Als Nächstes untersuchen wir, ob die folgende Gleichheit richtig ist:
A \ (B ∩ C) = (A \ B) ∩ (A \ C) .
539
Diese Beziehung ist im Allgemeinen nicht richtig, wie wir an folgendem Beispiel sehen
können:
Wählen wir A = {1, 2, 3, 4}, B = {1, 2} und C = {1, 3} , so erhalten wir wegen
B ∩ C = {1} , wegen A \ B = {3, 4} und A \ C = {2, 4} einerseits
A \ (B ∩ C) = {2, 3, 4}
und andererseits
(A \ B) ∩ (A \ C) = {3, 4} ∩ {2, 4} = {3} .
2. und 3. Ergänzungsstunde (Endliche Körper)
In der Vorlesung bzw. Übung haben wir Körper mit 2, 3 bzw. 4 Elementen kennengelernt.
Wir wollen uns überlegen, wie man sich Körper mit p Elementen vorstellen kann, wobei
p eine Primzahl ist. Dazu benötigen wir ein paar Aussagen für das Rechnen mit ganzen
Zahlen. Bei den Beweisen verwenden wir das sog. Wohlordnungsprinzip der natürlichen
Zahlen, was ”anschaulich” klar ist, was aber auf das Induktionsprinzip zurückgeführt
werden kann.
Satz E.2. (Wohlordnungsprinzip)
Jede nichtleere Teilmenge der natürlichen Zahlen N bzw. der natürlichen Zahlen einschließlich der Null N0 := N ∪ {0} besitzt ein kleinstes Element.
Satz E.3. (Division mit Rest)
Gegeben seien a ∈ Z und b ∈ N; dann existieren q ∈ Z und r ∈ {0, . . . , b − 1} mit
a = bq + r .
Beweis: Wir betrachten
R := {x ∈ N0 | a = by + x für ein y ∈ Z} .
Zunächst überlegen wir uns, dass R nichtleer ist.
1. Fall : Ist a ≥ 0, dann ist a ∈ R wegen
a= b·0+a.
2. Fall : Ist a < 0, so ist (1 − b)a ∈ R wegen 1 − b ≤ 0 und a < 0 sowie
a = ba + (1 − b)a .
Also ist ∅ -= R ⊂ N0 und besitzt damit ein kleinstes Element r ∈ R, für welches
a = bq + r
mit einem q ∈ Z gilt. Wir müssen noch zeigen, dass r ≤ b − 1 gilt. Angenommen, es ist
r ≥ b; dann ist r − b ∈ N0 , und es gilt
a = b(q + 1) + (r − b) .
540
Also ist r − b ∈ R mit r − b < r im Widerspruch zur Minimalität von r.
!
Bemerkung E.4.
Der Quotient q und der Rest r sind eindeutig bestimmt.
Beweis: Angenommen, es ist
a = bq + r = bq " + r "
mit q, q " ∈ Z und r, r " ∈ {0, . . . , b − 1}, und es gilt q " < q. Dann ist q − q " ≥ 1 mit
r " = a − bq " = (a − bq) + b(q − q " ) = r + b(q − q " ) ≥ r + b ≥ b
im Widerspruch zu r " ≤ b − 1. Ist q < q " , so folgt entsprechend r ≥ b im Widerspruch zu
r ≤ b − 1. Also folgt q = q " und damit auch r = r " .
!
Definition E.5.
Ist m ∈ N und a = mq + r mit q ∈ Z und 0 ≤ r ≤ m, so schreiben wir auch r = rm (a).
Nun sei
Fm := {0, 1, . . . , m − 1}
mit
a +m b := rm (a + b)
und
a ·m b := rm (a · b)
für a, b ∈ Fm .
Satz E.6.
Für jedes m ∈ N ist (Fm , +m , ·m ) ein kommutativer Ring mit Einselement 1.
Beweis: (Fm , +m ) ist eine abelsche Gruppe mit Nullelement 0; wir beweisen das Assoziativgesetz
(a +m b) +m c = a +m (b +m c) .
Sei dazu
a +m b = rm (a + b) = k1 ,
d.h. a + b = mq1 + k1
mit k1 ∈ Fm , und es sei
b +m c = rm (b + c) = k2 ,
d.h. b + c = mq2 + k2
mit k2 ∈ Fm . Dann ist
(a +m b) +m c = rm (k1 + c) = k3 ,
d.h. k1 + c = mq3 + k3 .
d.h.
a + b + c = m(q1 + q3 ) + k3
und
a +m (b +m c) = rm (a + k2 ) = k4 ,
d.h. a + k2 = mq4 + k4 .
541
d.h.
a + b + c = m(q4 + q2 ) + k4 .
Wegen der eindeutigen Bestimmtheit von Quotient und Rest folgt
k3 = k4 .
Für a ∈ Fm \ {0} gilt a +m (m − a) = rm (m) = 0 mit m − a ∈ Fm . Für 0 ∈ Fm gilt
0 +m 0 = 0.
Entsprechend folgen die anderen Eigenschaften.
!
Um mehr über Fm auszusagen, benötigen wir ein paar zusätzliche Aussagen über Primzahlen.
Satz E.7. (Existenz einer Primfaktorzerlegung)
Ist n ∈ N mit n ≥ 2, so läßt sich n als Produkt von Primzahlen darstellen.
Beweis: Angenommen, es ist
B := {n ∈ N \ {1} | es existiert keine Primfaktorzerlegung von n} -= ∅ .
Dann besitzt B ein kleinstes Element, etwa m. Wäre m eine Primzahl, so wäre m = p
eine Primfaktorzerlegung. Also ist m keine Primzahl, d.h. m = m1 · m2 mit 1 < mi < m
für i = 1, 2. Da m die kleinste ganze Zahl ≥ 2 ist, die keine Primfaktorzerlegung besitzt,
existieren für m1 und m2 Primfaktorzerlegungen. Damit existiert aber auch eine für m =
m1 · m2 im Widerspruch zur Definition von m.
!
Satz E.8. (Eindeutigkeit einer Primfaktorzerlegung)
Abgesehen von der Reihenfolge der Faktoren ist die Primfaktorzerlegung für n ∈ N \ {1}
eindeutig bestimmt.
Beweis: Angenommen, es gibt Zahlen n ∈ N \ {1} mit verschiedenen Zerlegungen. Sei
n0 ≥ 2 die kleinste dieser Zahlen und
n0 = p1 p2 · . . . · pk = q1 q2 · . . . · q!
mit Primzahlen p1 , . . . , pk sowie q1 , . . . , q! . Dann folgt
n0
= p2 · . . . · pk
p1
und
q1 · . . . · q!
= p2 · . . . · pk .
p1
Da q1 , . . . , q! Primzahlen sind, muss p1 mit einer der Primzahlen q1 , . . . , q! übereinstimmen.
O.B.d.A. sei p1 = q1 ; dann folgt
n1 :=
n0
= p2 · . . . · pk = q2 · . . . · q! .
p1
Also hat n1 < n0 zwei verschiedene Primfaktorzerlegungen im Widerspruch zur Minimalität von n0 .
!
542
Satz E.9.
Ist m ∈ N eine Primzahl, so ist (Fm , +m , ·m ) ein Körper.
Beweis: Wir zeigen zunächst: Sind a, b ∈ Fm mit a ·m b = 0, so ist a = 0 oder b = 0.
Ist nämlich rm (ab) = 0, d.h. ab = mq, so ist a oder b durch die Primzahl m teilbar, d.h.
wegen 0 ≤ a, b < m sofort a = 0 oder b = 0.
Sei nun a ∈ Fm \ {0} fest und die Abbildung f : Fm → Fm definiert durch f (x) = x ·m a.
Dann ist f injektiv, denn aus f (x) = f (y) folgt
(x +m (−y)) ·m a = 0
und daraus nach der Vorüberlegung: x +m (−y) = 0, d.h. rm (x − y) = 0. Wegen x, y ∈ Fm
ergibt sich x = y. Also sind f (0), . . . , f (m − 1) paarweise verschieden, d.h.: f ist surjektiv.
Damit existiert zu 1 genau ein x ∈ Fm mit
a ·m x = x ·m a = 1 .
!
Bespiele E.10.
Wir betrachten die Verknüpfungstafeln für +m bzw. ·m für die Zahlen m = 5 und m = 6:
+5
0
1
2
3
4
0
0
1
2
3
4
1
1
2
3
4
0
2
2
3
4
0
1
3
3
4
0
1
2
4
4
0
1
2
3
+6
0
1
2
3
4
5
0
0
1
2
3
4
5
1
1
2
3
4
5
0
2
2
3
4
5
0
1
3
3
4
5
0
1
2
4
4
5
0
1
2
3
5
5
0
1
2
3
4
·5
1
2
3
4
1
1
2
3
4
2
2
4
1
3
3
3
1
4
2
4
4
3
2
1
·6
1
2
3
4
5
1
1
2
3
4
5
2
2
4
0
2
4
3
3
0
3
0
3
4
4
2
0
4
2
5
5
4
3
2
1
Ganz allgemein gilt
Satz E.11.
Ist m ∈ N keine Primzahl, so ist (Fm , +m , ·m ) kein Körper.
Beweis: Ist m keine Primzahl, so ist
m = m1 · m2
mit 2 ≤ m1 < m und 2 ≤ m2 < m. Dann ist
m1 ·m m2 = rm (m1 · m2 ) = 0 .
!
543
4. Ergänzungsstunde
Wir gehen auf den binomischen und den polynomischen Lehrsatz ein und üben dabei den
Umgang mit dem Summenzeichen.
Satz E.12.
Sind a1 , . . . , ak ∈ C, so gilt
2
(a1 + . . . + ak ) =
k
!
a2i
i=1
+2
k−1 !
k
!
ai aj .
i=1 j=i+1
Beweis: Vollständige Induktion nach k unter Verwendung des binomischen Lehrsatzes
für 2 Summanden.
!
Satz E.13. (Polynomischer Lehrsatz)
Sind a1 , . . . , ak ∈ C und ist n ∈ N, so gilt
(a1 + . . . + ak )n =
n
!
n1 =0
"
n
!
n!
an1 1 · . . . · ank k .
n
!n
!
·
.
.
.
·
n
!
k
n =0 1 2
#$ k %
·...·
n1 +...+nk =n
Beweis: Beweis durch vollständige Induktion nach k. Der Induktionsanfang für k = 2
folgt aus dem binomischen Lehrsatz. Der Induktionsschluss von k auf k + 1 ergibt sich
folgendermaßen:
(a1 + . . . + ak+1 )n = ((a1 + . . . + ak ) + ak+1 )n
&
'
n
!
n
n−m
(a1 + . . . + ak )mk+1 ak+1 k+1
=
mk+1
m
=0
k+1
'!
&
n
n
n
!
!
n
mk+1 !
n−m
=
·...·
an1 1 · . . . · ank k ak+1 k+1
mk+1 n =0
n !n ! · . . . · nk !
mk+1 =0
n =0 1 2
"1
#$ k %
=
n
n
!
!
mk+1 =0 n1 =0
"
n1 +...+nk =mk+1
n
!
n!
n−m
an1 1 · . . . · ank k ak+1 k+1 .
n !n ! · . . . · nk !(n − mk+1 )!
n =0 1 2
#$ k %
·...·
n1 +...+nk =mk+1
Die Substitution nk+1 := n − mk+1 liefert die Behauptung.
!
5. Ergänzungsstunde (Umgang mit dem Summenzeichen, Beschränktheit, Berechnung
von Summen und Produkten)
n
!
k=1
(2k − 1) =
2n
!
k=1
k−
n
!
1
1
2k = 2n(2n + 1) − 2 n(n + 1) = n2
2
2
k=1
544
n
!
k=1
2
(2k − 1) =
2n
!
k=1
2
k −
Aus der Beziehung
n
!
2
4
1
(2k)2 = n(2n + 1)(4n + 1) − n(n + 1)(2n + 1) = n(4n2 − 1)
6
6
3
k=1
n
!
k=2
n
!
1
=
k(k − 1) k=2
&
1
1
−
k−1 k
'
=1−
1
n
folgt die Abschätzung
n
n
!
!
1
1
1
≤
1
+
≤2− ≤2
2
k
k(k − 1)
n
k=1
k=2
und hieraus folgt nach dem Monotoniekriterium die Konvergenz der unendlichen Reihe
∞
!
1
. Wir berechnen nun die endliche Summe
2
k
k=1
& 'k
n !
k & '
n
k & '
n
!
!
!
k
1
1 ! k 1
1 3
=
=
j 2j+k
2k j=0 j 2j
2k 2
j=0
k=0
=
k=0
n & 'k
!
3
k=0
Es ist
n
!
3
4−k k
2 =
k=1
Ferner ist
k
*
( )n+1
& 'n+1 +
1 − 34
3
=
.
=4 1−
3
4
1− 4
n & 'k
!
2
k=1
'k
n &
,
k+1
k=1
4
k=0
3
1
=
(n + 1)!
4
·3 =3
-n
4
n & 'k
!
2
k=0
3
(k + 1)k+1
k=1
-n
k
k=1 k
=
− 34 = 2 · 34 −
2n+1
.
3n−4
(n + 1)n
(n + 1)n+1
=
.
(n + 1)!
n!
6. Ergänzungsstunde (n−te Wurzel von komplexen Zahlen, Horner-Schema)
Die Moivre’sche Formel liefert bei gegebenem w ∈ C alle n Lösungen z1 , . . . , zn der Gleichung z n = w. Wir suchen bei gegebenem
w = |w| (cos α + i sin α)
eine ”Länge” r = |z| und Winkel ϕ0 , . . . , ϕn−1 derart, dass gilt
r n (cos ϕk + i sin ϕk )n = (cos α + i sin α) .
Setzen wir r =
.
n
|w| und
ϕk =
α 2kπ
+
n
n
für k = 0, . . . , n − 1 ,
545
so ergibt sich für die n paarweise verschiedenen Zahlen zk = r (cos ϕk + i sin ϕk ) nach der
Moivre’schen Formel
zkn = r n (cos nϕk + i sin nϕk ) = |w| (cos(α + 2kπ) + i sin(α + 2kπ))
= |w| (cos α + i sin α) = w .
In diesem Zusammenhang liegt die Frage nahe, wie ein Polynom n−ten Grades möglichst
effektiv, d.h. möglichst schnell ausgewertet werden kann. Sei das Polynom P in der Form
P (x) =
n
!
ak xk
k=0
mit ak ∈ C und an -= 0
gegeben. Wir wollen das Polynom an der Stelle x0 berechnen. Wir stellen uns folgende
”Klammerung” vor:
P (x0 ) = (. . . (an x0 + an−1 )x0 + an−2 )x0 + . . . + a1 )x0 + a0 .
Dann benötigen wir insgesamt n Multiplikationen (jeweils mit x0 ) und n Additionen mit
dem Term ak für k = n − 1, . . . , 0. Mit weniger Operationen kommt man nicht aus.
7. Ergänzungsstunde (Konvergenzuntersuchungen von Folgen (auch im R2 ) , Grenzwerte mit der Zahl e)
Wir geben nur jeweils ein Beispiel für die angesprochenen Themen an. Das Beispielmaterial kann nach der zur Verfügung stehenden Zeit entsprechend erweitert werden.
a) Wir untersuchen die Folge (an )n≥1 mit
√
an = 9n2 + 2n + 1 − 3n
auf Konvergenz. Mit Hilfe der binomischen Formel schreiben wir an in folgender
Form
2n + 1
;
an = √
9n2 + 2n + 1 + 3n
nun schätzen wir an nach oben und unten ab in der Hoffnung, dass dadurch zwei
Folgen entstehen, die denselben Grenzwert besitzen; dann wenden wir den Einschnürungssatz an. Es gilt
2n
2n + 1
2n + 1
≤√
≤
6n + 1
6n
9n2 + 2n + 1 + 3n
mit
lim
n→∞
2n
2n + 1
1
= lim
= .
n→∞
6n + 1
6n
3
b) Wir betrachten den R2 mit der euklidischen Metrik d2 und die Folge
& 'n
−1
1
n
,
).
(an )n≥1 = (2 + (−1)
2n + 1
3
Nach Satz 2.11 der Vorlesung konvergiert diese Folge gegen
& 'n
1
−1
n
( lim 2 + (−1)
, lim
) = (2, 0) .
n→∞
2n + 1 n→∞ 3
546
c) Wogegen konvergiert die Folge
bn =
Es ist
lim bn = lim
n→∞
n→∞
&
1
1+
3n
'3n
&
1
1+
3n
'6n+1
?
&
'3n
&
'
1
1
= e2 .
· lim 1 +
· lim 1 +
n→∞
n→∞
3n
3n
8. Ergänzungsstunde (Grenzwerte spezieller Folgen, allgemeines Heron-Verfahren)
Satz E.14.
Es gilt
lim
n→∞
√
n
n=1.
Beweis: Zunächst ist klar, dass für jedes n ≥ 1 gilt:
√
n
n = 1 + xn mit xn ≥ 0
Dann gilt nach der binomischen Formel für n ≥ 2
& '
n & '
!
n k
n 2
n
xn ≥ 1 +
x ,
n = (1 + xn ) =
2 n
k
k=0
woraus sofort folgt:
2
2
= .
n(n − 1)
n
Daraus ergibt sich lim xn = 0 und damit die Behauptung.
x2n ≤ (n − 1) ·
n→∞
!
Beispiel E.15 (Allgemeines Heron-Verfahren)
Für a > 1 und p ∈ N mit p > 2 konvergiert die rekursiv definierte Folge (xn )n≥1 mit
x0 = a und
xp − a
(p − 1)xpn + a
xn+1 = xn − n p−1 =
pxn
pxp−1
n
√
p
gegen a.
Beweis:
(α) Mit dem Induktionsprinzip kann man xn > 0 für alle n ∈ N zeigen.
√
(β) Für alle n ≥ 2 gilt:
xn ≥ p a.
Es ist nämlich wegen
xpn − a
<1
pxpn
nach der Bernoullischen Ungleichung
&
''p
'p & &
xpn − a
xpn − a
p
xn+1 =
xn −
= xn 1 −
pxpn
pxp−1
n
&
'p
&
'
xpn − a
xpn − a
p
p
≥ xn 1 −
≥ a.
= xn 1 −
pxpn
xpn
547
(γ) (an )n≥2 ist monoton fallend wegen
xn − xn+1 =
xpn − a
≥0.
pxp−1
n
(δ) Das Monotonieprinzip
liefert die Konvergenz der Folge (xn )n≥1 gegen den Grenzwert
√
p
g; wegen x&
a ist g -= '
0. Die Grenzwertsätze ergeben dann auch die Konvergenz
n ≥
(p − 1)g p + a
(p − 1)xpn + a
. Wegen
mit
dem
Grenzwert
der Folge
pg p−1
pxp−1
n
n≥1
lim xn+1 = lim xn
n→∞
n→∞
folgt hieraus
pg p = (p − 1)g p + a oder g p = a,
d.h. g =
√
p
a.
!
9. Ergänzungsstunde (Darstellungsmöglichkeiten der Zahl e)
Satz E.16.
Es gilt
&
'n
∞
!
1
1
= lim 1 +
k! n→∞
n
k=0
Beweis: Wir übernehmen die Bezeichnungen aus der Vorlesung, d.h. wir betrachten
&
'n
1
an = 1 +
n
und setzen
n
!
1
sn :=
.
k!
k=0
Die unendliche Reihe konvergiert; wir setzen e" := lim sn . Nach dem binomischen Lehrn→∞
satz gilt
n & '
n
!
!
n 1
n(n − 1) · . . . · (n − k + 1)
an =
=
k
k n
k!nk
k=0
k=0
'
&
'
n &
!
1
k−1 1
=1+1+
1−
· ...· 1 −
≤ sn ;
n
n
k!
k=2
"
also ist e ≤ e . Andererseits gilt für m > n ≥ 1
'
&
'
m &
!
1
k−1 1
1−
am = 1 + 1 +
· ...· 1 −
m
m
k!
k=2
≥1+1+
n &
!
k=2
1
1−
m
'
&
k−1
· ...· 1−
m
'
1
k!
548
Für festes n erhalten wir daraus
also e ≥ e" .
e = lim am ≥ sn ,
m→∞
und damit zusammen e = e" .
!
An dieser Stelle kann man auf einfache Beziehungen zwischen der Zahl e, der Fakultät
und der Potenzfunktion eingehen, indem man nacheinander die Beziehungen
n−1
,&
k=1
n−1
,&
k=1
und
1
1+
k
1
1+
k
'k
'k+1
nn
=
,
n!
nn
(n − 1)!
=
nn ≤ n! · en−1 ≤ nn+1
beweist.
Manchmal ist es günstig, den Limes superior bzw. den Limes inferior einer beschränkten
reellen Zahlenfolge (an )n≥1 anders darzustellen. Es gilt
Satz E.17.
Es ist
α := lim sup an = lim
&
γ := lim inf an = lim
/
n→∞
n→∞
und
n→∞
n→∞
sup am
m>n
'
=: β
0
inf am =: δ .
m>n
Beweis: Wir beweisen nur die erste Behauptung. Da die Folge (bn )n≥1 = (supm>n am )n≥1
monoton fällt und beschränkt ist, existiert β und es ist nach dem Monotonieprinzip
&
'
β = lim bn = inf bn = inf sup am .
n→∞
n∈N
n∈N
m>n
Wir zeigen nun, dass sowohl α ≤ β als auch β ≤ α gilt. Da α nach dem Beweis zu Satz und
Definition 2.26 ein Häufungspunkt der Folge (an )n≥1 ist, gibt es bei beliebig vorgegebenem
ε > 0 unendlich viele n ∈ N mit
an > α − ε ;
Daraus folgt, dass für alle n ∈ N gilt:
bn = sup am > α − ε ,
m>n
also nach dem Vergleichssatz
β ≥α−ε ,
woraus β ≥ α folgt.
549
Umgekehrt gibt es zu beliebigem ε > 0 ein N(ε) ∈ R derart, dass für alle n ∈ N mit
n > N(ε) gilt
β − ε < bn < β + ε .
Also ist
β − ε < sup am < β + ε
m>n
und damit
β − ε < am < β + ε
für unendlich viele m ∈ N. Also ist β ein Häufungspunkt der Folge (an )n≥1 und damit
β ≤ α.
!
10. Ergänzungsstunde (Beispiele zu Konvergenzkriterien für Reihen)
Hier besteht die Möglichkeit, die verschiedenen Kriterien an Beispielen zu testen, z.B. das
Leibniz-Kriterium, das Wurzel- und das Quotientenkriterium.
a) Vorgegeben sei die Reihe
s=
∞
!
(−1)k+1
k=1
k4
.
(i) Weisen Sie die Konvergenz der Reihe nach.
(ii) Berechnen Sie eine Näherung für s, die vom exakten Wert weniger als 5 · 10−3
abweicht.
Lösung: Nach dem Leibniz-Kriterium ist die Reihe konvergent. Bezeichnen wir
mit sn die n−te Partialsumme der gegebenen Reihe, so folgt aus dem Beweis des
Leibniz-Kriteriums:
|s − sn | ≤ an+1
also hier
|s − sn | ≤
1
(n + 1)4
1
≤ 5 · 10−3 ist, so ist die Aufgabe
(n + 1)4
durch Berechnung von sn gelöst. Diese Bedingung ist für n = 3 erfüllt. Also ist
Wenn wir also n so groß wählen, dass
s3 = 1 −
1
1
+
≈ 0.8873457
8 81
eine ”gute” Näherung.
b) Untersuchen Sie auf Konvergenz:
∞
!
1
(4k)
(i)
k=1
3k
(ii)
∞
!
2k
k=1
k2
'k2
∞ &
!
k
(iii)
k+1
k=1
c) Untersuchen Sie mit dem Quotienten- und mit dem Wurzelkriterium auf Konvergenz:
∞
!
2 + (−1)k
.
k−1
2
k=1
550
d) Bestimmen Sie im Fall der Konvergenz die Grenzwerte folgender Reihen:
'
∞ &
!
(3 + i)k−1 (−1)k
(i)
+ 2k
,
k
4
3
k=2
(ii)
∞
!
k=1
1
.
k (k + 1) (k + 2)
11. und 12. Ergänzungsstunde (Stetigkeit, Sätze über stetige Funktionen)
Wir untersuchen die Stetigkeit der Funktion f0 : R → R mit

 sin 1 für x -= 0
x
f0 (x) :=

0
für x = 0
Wir beweisen den Fundamentalsatz der Algebra nach der Idee von Argand 59 aus dem
Jahre 1814; dazu verwenden wir die Aussage, dass eine stetige Funktion g : Dr → R auf
der kompakten, komplexen Kreisscheibe
Dr := {z ∈ C | |z| ≤ r}
ihr Minimum annimmt. Dies folgt aus Beispiel 3.30 b) und Folgerung 3.32.
Satz E.18 (Fundamentalsatz der Algebra)
Jedes nicht-konstante Polynom mit komplexen Koeffizienten hat eine komplexe Nullstelle.
Beweis: Wir beweisen die Aussage in 2 Schritten.
(1) Ist f (z) =
an.
n
!
ν=0
aν z ν mit aν ∈ C, an -= 0, n ≥ 1, so nimmt |f | auf C sein Minimum
Beweis: Wir wählen ein r ∈ R mit den Eigenschaften
(i) r ≥ 1,
4n−1
2 ν=0
|aν |
, woraus wegen r ≥ 1 direkt folgt
(ii) r ≥
|an |
|a0 |
(iii) r n ≥ 2 ·
.
|an |
59
Jean Robert Argand wurde am 18.7.1768 in Genf geboren; er war als Buchhalter und Amateurmathematiker tätig. Argand starb am 13.8.1822 in Paris
551
Dann gilt für alle z ∈ C mit |z| ≥ r
5
5
5
1
1 55
n 5
|f (z)| = |z| · 5an + an−1 · + . . . + a0 · n 5
z
z
'
&
1
1
n
− . . . − |a0 | · n
≥ |z| · |an | − |an−1 | ·
|z|
|z|
6
7
n−1
(i)
1 !
1
· |an | −
|aν |
≥
|z|n
|z| ν=0
&
'
(ii)
1
1
1
≥
· |an | − · |an | = · |an | · |z|n
n
|z|
2
2
(iii)
≥
|a0 | = |f (0)| .
Andererseits ist |f | stetig und reellwertig, nimmt also auf Dr ein Minimum an in
c0 ∈ C. Wegen |f (c0 )| ≤ |f (0)| und |f (z)| ≥ |f (0)| für alle z ∈ C \ Dr ist c0 ein
absolutes Minimum von |f |.
!
(2) Ist c ∈ C und f (c) -= 0, so gibt es ein c" ∈ C mit
|f (c" )| < |f (c)| .
Beweis: Wir entwickeln f an der Stelle c, d.h. wir schreiben f (c + z) mit Hilfe der
binomischen Formel in der Form
f (c + z) =
n
!
ν=0
aν (c + z)ν = f (c) + bk · z k + . . . + bn · z n
mit Koeffizienten bν ∈ C - abhängig von c und a1 , . . . , an - mit bk -= 0. (Wären alle
bν für 1 ≤ k ≤ ν ≤ n Null, so wäre f konstant.) Wir setzen
g(z) := bk + bk+1 · z + . . . + bn · z n−k ;
dann ist
f (c + z) = f (c) + z k · g(z) mit g(0) = bk -= 0 .
Da g in 0 stetig ist, existiert ein δ > 0 derart, dass gilt
(i)
|g(z| − g(0)| <
Wir wählen ein t ∈ R mit
(ii)
Weiter sei d ∈ C mit
(iii)
1
· |g(0)| für alle z
2
mit |z| < δ.
5
'
&5
5 g(0) 5 k
5· δ ,1 .
0 < t < min 55
f (c) 5
dk = −
t · f (c)
.
g(0)
552
Dann folgt
5
5
5
5 (ii) k
t
·
f
(c)
5 < δ ,
|dk | = 55
g(0) 5
d.h.
|d| < δ
(iv)
und damit
|f (c + d)| = |f (c) + dk · g(d)|
≤ |f (c) + dk · g(0)| + |d|k · |g(0) − g(d)|
1
≤ |f (c) − t · f (c)| + |d|k · · |g(0)|
#$
% "
"
2#$
%
(iii)
(i),(iv)
1
= (1 − t) · |f (c)| + · t · |f (c)| < |f (c)|.
"2 #$
%
(iii)
Also ist c" := c + d geeignet.
!
Aus (1) und (2) folgt:
|f (c0 )| = min |f (c)| = 0,
c∈C
d.h. dass c0 eine Nullstelle von f ist.
!
Folgerung E.19
Jedes Polynom f vom Grad n mit n ≥ 1 hat genau n Nullstellen in C, d.h.
f (z) =
n
!
ν=0
aν z ν = an · (z − z1 ) · . . . · (z − zn )
für alle z ∈ C, wobei z1 , . . . , zn die Nullstellen von f sind.
Beweis: Ist z1 ∈ C eine Nullstelle von f , so gilt
f (z) = (z − z1 ) · g(z)
mit einem Polynom g vom Grad n − 1.
13. Ergänzungsstunde
Charakterisierung stetiger Funktionen f : R → R, die die Funktionalgleichung
f (x + y) = f (x) + f (y) für alle x, y ∈ R
erfüllen.
Zunächst wird gezeigt, dass für n ∈ N0 folgt:
f (n) = n · f (1) .
!
553
Dann können wir zeigen, dass dies für alle n ∈ Z gilt. Wegen 1 = q ·
sich
& '
1
1
f
= · f (1) ;
q
q
p
hieraus folgt schließlich für ∈ Q
q
& '
p
p
= · f (1) .
f
q
q
1
q
f¸r q ∈ N ergibt
Wegen der Steigkeit von f erhalten wir für x ∈ R:
f (x) = x · f (1) .
14. Ergänzungsstunde
1. Wir betrachten für n ≥ 0 die Funktionen

 xn sin 1 für x -= 0
x
fn (x) :=

0
für x = 0
und

 xn cos 1 für x -= 0
x
gn (x) :=

0
für x = 0
Diese Funktionen sind für alle n ≥ 0 und alle x -= 0 nach der Produkt- und der
Kettenregel beliebig oft differenzierbar. Die einzige kritische Stelle ist x = 0. f0 und
g0 sind im Nullpunkt nicht stetig. Dagegen sind f1 und g1 im Nullpunkt stetig. Für
f2 erhalten wir
1
f2 (x) − f2 (0)
= lim x · sin = 0 ;
lim
x→0
x→0
x−0
x
also ist

 2x sin 1 − cos 1 für x -= 0
"
x
x
f2 (x) :=

0
für x = 0 .
und damit f2" im Nullpunkt nicht stetig. Demgegenüber ist die Funktion f3 im
Nullpunkt stetig differenzierbar mit

 3x2 sin 1 − x cos 1 für x -= 0
"
x
x
f3 (x) :=

0
für x = 0 .
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