Erfahrungsbericht Name: Sandra Schwind Austauschjahr: 05.03.2011 – 29.04.2011 Praktikumseinrichtung: Stadt: Naberezhnye Chelny, Tatarstan Land: Russland Aus Spam-Schutzgründen wird die E-Mail-Adresse nicht im Internet veröffentlicht, kann aber im Akademischen Auslandsamt erfragt werden. Am 5. März bin ich von München über Köln und Moskau nach Nizhnekamsk geflogen. Nachdem ich schon früh am Morgen zum Flughafen gefahren war, kam ich erst um 24 Uhr Ortszeit nach ca. 17 Stunden an. Die Zeitverschiebung beträgt plus zwei Stunden. Am Begishevo Airport wurde ich zum Glück schon erwartet und von zwei AIESECern mit dem Auto in die Wohnung in Naberezhnye Chelny gebracht, in der ich nun zwei Monate verbringen sollte. Die Straßenverhältnisse waren für mich als Deutsche katastrophal. Ich hätte mir am liebsten die Augen zugehalten, denn in diesem Wetter hätte sich in Deutschland niemand mit dem Auto auf die Straße getraut. Der Schnee türmte sich am Straßenrand bis zu eineinhalb Metern und es hat noch immer stark geschneit und war sehr kalt. Als wir ankamen wurde ich schon von Xenia empfangen. Sie ist eine Studentin, gehört auch zu AIESEC und wollte, dass ich bei ihr wohne. Sie hat eine Wohnung mit drei Zimmern, in der sie mit ihren beiden Mitbewohnern lebt und hat ihr Bett mit mir geteilt. Seine Erwartungen sollte man aber natürlich auf jeden Fall runterfahren. Russische Wohnungen sind meistens luxusfreie Zone und oft ist die Toilettenspülung kaputt oder es geht in mindestens einem Zimmer das Licht nicht, was mich aber überhaupt nicht gestört hat. Nach spätestens zwei Tagen hatte ich mich daran komplett gewöhnt und mich in der Wohnung sehr wohlgefühlt. Die nächsten Tage habe ich viele Leute kennengelernt, die mit mir Eislaufen und im Wald Skifahren gegangen sind. Wir haben auch zusammen gekocht, zum Beispiel Borscht oder Pancakes. In der Woche nach meiner Ankunft, gab es sehr viele Feiertage, da gerade das religiöse sogenannte Butterfest stattfand. Damit wird das Ende des Winters gefeiert und der Frühling Willkommen geheißen. Allerdings mussten wir dieses Jahr auf den Frühling noch lange warten. Obwohl es normalerweise in diesem Monat schon taut, gab es dieses Jahr ständig Schneefall und es war ziemlich kalt. Die niedrigste Temperatur lag bei -20°C. Der Schnee war auch auf den Gehwegen einen Meter hoch. Er wurde dort einfach festgetreten und so ergaben sich neue Wege. Bis Anfang April hatte ich noch keine Gehwege gesehen. Dann hat es sehr stark getaut, die Temperaturen sind tagsüber auf bis zu 7°C angestiegen und die Sonne hat fast jeden Tag geschienen. Dadurch standen aber auch sehr bald die Straßen unter Wasser. An meinem ersten Wochenende bin ich mit zwei meiner neuen Freunde nach Kazan, der Hauptstadt von Tatarstan, gefahren. Ich hatte schon in Chelny die Erfahrung gemacht, dass die jungen Leute sehr offen und gastfreundlich sind. Auch in dieser Stadt war es nicht anders. Wir haben die erste Nacht bei einem Freund einiger AIESECer geschlafen und in der zweiten Nacht in der Wohnung eines anderen Mädchens. Das war überhaupt kein Problem, sie haben sich sogar sehr gefreut. An einem Abend sind wir in eine Bar gegangen, wo Livebands gespielt haben. Ich habe wieder viele neue Leute kennengelernt und wir hatten viel Spaß. Sie sind alle unheimlich zugänglich, wodurch man sich als Fremder sehr wohlfühlt. Tagsüber über haben wir uns den Kremlin angeschaut, viele Kirchen und die Fußgängerzone. Aufgrund der vielen Feiertage konnte ich die ersten 12 Tage nicht arbeiten. Ich war zwar ständig mit meinen ganzen neuen Bekanntschaften unterwegs, die sich wirklich viel Mühe gegeben haben, mich zu beschäftigen, und auch eine kleine Stadtführung mit mir gemacht haben (wobei ich mich trotzdem noch ständig verlaufen habe). Allerdings war ich dann froh, als ich mit meinem Praktikum anfangen konnte. Die ersten zwei Wochen habe ich nur in einem Linguistic Center gearbeitet, wo ich Gruppen von einem bis vier Schülern im Alter von fünf bis 55 Jahren in Englisch unterrichtet habe. Im Linguistic Center habe ich montags bis samstags immer eine bis sechs Stunden am Tag verbracht. Pro Stunde habe ich 100 Rubel bekommen. 40 Rubel entsprechen einem Euro. Es ist zwar nicht viel, dadurch dass aber das Leben dort für deutsche Verhältnisse so günstig ist, hat mir das nichts ausgemacht. Das teuerste sind Lebensmittel, auch wenn sie noch deutlich unter deutschen Preisen liegen. Kleidung oder Souvenirs kann man aber zum Beispiel wunderbar einkaufen gehen. Auch die Busse und Straßenbahnen sind sehr günstig. Egal wie weit man innerhalb der Stadt fährt, zahlt man für den Bus nur 15 Rubel, also nicht einmal 70 Cent, und in der Straßenbahn sogar nur 30 Cent. Später habe ich zusätzlich noch in zwei Schulen gearbeitet. Zu einer davon musste ich mit dem Bus fahren, wovor ich am Anfang etwas Angst hatte, weil man dem Fahrer sagen muss, an welcher Station er anhalten soll. Wenn man kaum Russisch kann, ist das abenteuerlich. Die AIESECer haben mir deshalb alle Stationen aufgeschrieben und mir die Aussprache beigebracht. Nach ungefähr drei Wochen hatte ich einen festen Alltag entwickelt. Schwierig war es manchmal mit der Sprache: Ich studiere zwar Russisch, allerdings ist mein Level noch nicht hoch genug, damit ich mich in der Sprache unterhalten könnte. Grundsätzlich haben wir uns immer auf Englisch unterhalten, da ja auch alle AIESECer Englisch können müssen. Trotzdem waren manchmal Leute dabei, die nur Russisch sprachen, sodass automatisch alle auf diese Sprache umgeschwenkt haben, wodurch ich zuerst gar nichts mehr verstanden habe. Außerdem gab es viele kleine Läden, in der man der Verkäuferin hinter einer langen Theke sagen muss, was man kaufen möchte. Ohne die Sprache zu können funktioniert das natürlich nicht und man brauchst ständig jemanden, der einen begleitet und hilft. Hilfe habe ich auch gebraucht, um mich in der Stadt zurechtzufinden. Sie ist in Komplexe eingeteilt, die zusammen mit den Straßen ein Netz bilden. Ich habe mich ständig verlaufen, da mit den Bergen von Schnee alles ziemlich gleich aussieht. Dass es keine Straßennamen gibt, hat die Sache auch nicht leichter gemacht. Wichtig war es für mich, mit meiner Familie und meinen Freunden Kontakt halten zu können. Dafür braucht man natürlich Internet. Mir wurde ein Internetstick geliehen und ich habe mir dann nur noch eine Simkarte besorgen müssen. Für einen Monat habe ich ca. €8,50 bezahlt. Auch für mein Handy habe ich mir eine russische Simkarte besorgt. Mit dem Handy telefonieren und SMS schreiben ist wunderbar günstig und nicht im entferntesten mit deutschen Preisen zu vergleichen. Die Clubs sind auch gar nicht so teuer. Die Getränkepreise sind zwar fast genauso hoch wie in Deutschland, allerdings ist der Eintritt meistens frei. Außerdem habe ich endlich die Erfahrung gemacht, dass man Russland nicht automatisch mit Vodka in Verbindung bringen muss. Was mich viel mehr überrachst hat war, dass die meiste Zeit Tee getrunken wird. Kaffee gibt es nur sehr selten. Anfangs kam ich mir etwas seltsam vor, wenn mich die Leute auf der Straße komisch ansahen, weil ich Englisch spreche. Später wurde mir dann erklärt, und ich habe es auch selbst gemerkt, dass die Leute kein Englisch können und sie in den kleineren Städten Ausländer auch einfach nicht gewohnt sind und sie sehr faszinierend finden. Es gab zum Beispiel im Bus Leute, die uns einfach angeschaut haben und meinten sie wollen nur zuhören. Mit der Zeit habe ich mich sehr an die Sprache gewöhnt und konnte bis zum Ende meines Aufenthalts Gespräche schon mitverfolgen. Am 27.04. wurde ich früh am Morgen von den AIESECern zum Flughafen gebracht und bin noch für zwei Tage nach Moskau geflogen. Ein AIESECer hatte jemanden für mich in Moskau aufgetrieben, der mich zwei Tage lang durch die Stadt geführt hat und auch am 29.04. wieder zum Flughafen gebracht hat. Das Praktikum war in vielerlei Hinsicht von großem Nutzen. Ich habe jetzt keine Probleme mehr Englisch zu sprechen und ich habe an mir selbst neuerdings mehr Flexibiltät und Risi- kobereitschaft festgestellt, da ich trotz all der Hilfe oft auf mich allein gestellt war. Außerdem hat es sehr viel Spaß gemacht so viele neue Menschen kennenzulernen, die allesamt derart hilfsbereit und gastfreundlich waren, dass ich nicht ein einziges Mal Heimweh bekommen habe.