Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau Historisches Seminar Prof. Dr. Sylvia Paletschek Wissenschaftliche Arbeit als Bestandteil der Prüfung für das Lehramt an Gymnasien im Fach Geschichte Die Erfindung der natürlichen Geburt Diskurs um Geburtshilfe (1976-1983) – neue Frauenbewegungen, Gynäkologen und Hebammen zwischen Sicherheit und Selbstbestimmung Vorgelegt von: Adrian Maria Heidiri Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung................................................................................................................................1 1.1. Forschungsstand..............................................................................................................4 1.2. Quellenkorpus.................................................................................................................6 2. Natürliche Geburt – eine Begriffsbestimmung.....................................................................10 3. Kurze Geschichte: Medikalisierung der Geburtshilfe im 19. Jahrhundert............................13 4. Analyse – Befürworterinnen und Gegner der natürlichen Geburt........................................17 4.1. Optimierer – Die Gynäkologen (Mitte der 70er Jahre).................................................17 4.1.1. Die Erfindung der programmierten Geburt...........................................................17 4.1.2. Der Geburtstermin zwischen Optimum und Beliebigkeit.....................................18 4.1.3. Die Krankenhausgeburt, ein eigenes Gebärsystem...............................................22 4.1.4. Zwischenfazit.........................................................................................................23 4.2. Antreiberinnen – Frauen aus den neuen Frauenbewegungen........................................25 4.2.1. Die neuen Frauenbewegungen...............................................................................25 4.2.2. Kritik an der klinischen Geburtshilfe....................................................................26 4.2.3. Hausgeburt – ideale oder idealisierte Alternative?................................................29 4.2.4. Natürlichkeit und Sicherheit?................................................................................30 4.2.5. Zwischenfazit.........................................................................................................32 4.3. Mitläuferinnen oder Visionärinnen – Die Hebammen..................................................34 4.3.1. Der Hebammenverband und die Deutsche Hebammen-Zeitschrift.......................34 4.3.2. Klinische Geburtshilfe – von der Hausgeburts- zur Anstaltshebamme.................36 4.3.3. Berufliche Identität – Neuordnung der Hebammenausbildung und des Hebammenrechts...................................................................................................39 4.3.4. Auf dem Weg zur einer ambulanten, klinischen Geburtshilfe...............................42 4.3.5. Einsparungen im Gesundheitswesen.....................................................................45 4.3.6. Zwischenfazit.........................................................................................................46 4.4. Entscheider – Die Gynäkologen (Anfang der 80er Jahre)............................................48 4.4.1. Die moderne Geburtshilfe, eine Dienstleistung.....................................................48 4.4.2. Häusliche Atmosphäre – Ambulante Geburtshilfe................................................50 4.4.3. Zwischenfazit.........................................................................................................52 5. Natürliche Geburt aus der Sicht der verschiedenen Akteure und Akteurinnen.....................53 5.1. Gynäkologen – Natürlichkeit im Krankenhaus.............................................................53 5.2. Neue Frauenbewegungen – Selbstbestimmung als Gegenreaktion...............................54 5.3. Hebammen – Unverhoffte Selbstständigkeit.................................................................55 5.4. Ein Begriff seiner Zeit – Entwicklungslinien................................................................56 6. Typisch Mann, typisch Frau – geschlechtergeschichtliche Perspektiven..............................57 6.1. Mann mag es sicher.......................................................................................................57 6.2. Frau bestimmt lieber selbst............................................................................................57 6.3. Frau arbeitet rund um die Uhr.......................................................................................58 7. Fazit.......................................................................................................................................59 8. Literaturverzeichnis...............................................................................................................62 8.1. Quellen..........................................................................................................................62 8.2. Sekundärliteratur...........................................................................................................67 9. Anhang..................................................................................................................................69 1. Einleitung Plötzlich muss alles ganz schnell gehen, ich schnappe mir den gepackten Koffer neben der Wohnungstür und das Taxigeld an der Pinnwand. 1 Der Vater des Kindes ist noch bei der Arbeit, er darf bei der Entbindung nicht anwesend sein. Bei meinen Freundinnen war das auch so, obwohl sie sich das anders gewünscht hatten. Ich wollte erst gar nicht in Verlegenheit kommen und den Arzt danach fragen müssen. Ich bin im neunten Monat schwanger und mein Frauenarzt hat mir bei der Kontrolle vor einer Stunde empfohlen, mich in der Klinik einleiten zu lassen. Der errechnete Geburtstermin ist zwar erst in vier Tagen, doch sicher ist sicher. Zumal mein Kind, laut Herrn Frauenarzt, durch meine Plazenta bis dahin eventuell nicht mehr optimal versorgt wird. Er meint, es sei egal wann man mich entbinde. Und ehrlich, welche Einflussmöglichkeiten habe ich? Im Krankenhaus angekommen erst mal ein Schreck: Zwei Kreißsäle bei vier Frauen in der Einleitung. Eine Schwester bzw. Hebamme, so genau weiß ich das gar nicht, bringt mich in ein Zimmer. Sie raunzt mich an: „Ausziehen! Ich muss Sie noch rasieren und dann den Einlauf legen. Das braucht seine Zeit.“ Ich verkrieche mich in eine Ecke und entkleide mich. Irgendwie passiert es dann, ich liege in einem rosa Patientenkittel auf einem Entbindungsbett. Ich erinnere mich, wie meine Freundinnen von ihrer Geburt berichteten. Sie wurden ebenfalls eingeleitet, für sie ging es dann schnell in den OP – Kaiserschnitt. Die Schwester-Hebamme schiebt mich in einen der freigewordenen Kreißsäle. Der Raum ist weißgekachelt, Arztbesteck und der Besteckwagen glänzen in grellem Chrom. Sie verkabelt mich: Eine Kanüle für das Wehenmittel, zwei Sensoren für die Herztonmessung. Auf den vielen Bildschirmen flimmert es schrecklich. Erst langsam, dann immer heftiger beginnen die Medikamente zu wirken – Wehen! Über mir hängt ein großer Strahler, wie eine Sonne, nur in klein. Geblendet von diesem, rette ich mich in Gedanken. Die Schwester-Hebamme tastet immer wieder nach dem Muttermund. Die Schmerzen werden mit der Zeit unerträglich. Ich wusste gar nicht, dass etwas so wehtun kann. Endlich ein Arzt, in einem strahlendweißen Mantel kommt er herein. Hinter ihm, ein, zwei, drei, vier, fünf weitere Männer – Ärzte? Ich liege auf dem Kreißsaalbett, verschwitzt und schmerzverzerrt. Sie versammeln sich zu meinen Füßen. Der Oberarzt tastet mit seinen kalten Fingern nach dem Muttermund. Ich höre ihn sagen: „Da geht nichts. Schwester, sagen Sie im OP Bescheid, wir erledigen das am besten noch vor Feierabend.“ 1 Der einleitende Text wurde von mir in Anlehnung an Darstellungen der 1970er Jahre als fiktive Veranschaulichung verfasst. Als Grundlage dienten Texte der Frauenzeitschrift Courage, der Deutschen Hebammen-Zeitschrift und der Freiburger Kolloquien. Weitere Informationen zu den Quellen und zentralen Begriffen folgen in der Einleitung. 1 | 70 Diese fiktive Veranschaulichung stützt sich auf Beschreibungen aus den 1970er Jahren, die die Frage aufwerfen: Wie entstand jene Form der Geburtshilfe?2 Letztlich handelte es sich bei der damaligen Geburtshilfe um eine von vielen möglichen Ausgestaltungen. Die vorliegende Arbeit orientiert sich an der Konzeption der historischen Diskursanalyse nach Achim Landwehr.3 Der Ansatz wurde gewählt, da er ermöglicht, die Vielzahl an Quellen auf zentrale Argumente und Prozesse hin auszuwerten. Grundannahme hierfür ist, dass sich Einzelpersonen, gesellschaftliche Gruppen und Institutionen zu Akteuren und Akteurinnen formieren. Als solche bestimmen sie historische Prozesse diskursiv, d. h. sie prägen Begriffe und entwickeln Konzepte.4 Die Begriffe und Konzepte wiederum sind konstitutiv für die Welterfahrung der Menschen in ihrer Zeit.5 Der Schwerpunkt dieser Untersuchung wurde darauf gelegt, wie sich die moderne Geburtshilfe im Zusammenspiel der Akteure, den neuen Frauenbewegungen, Hebammen und Gynäkologen, entwickelte.6 Die neuen Frauenbewegungen sind für den Diskurs um Geburtshilfe von Bedeutung, da sich Frauen mittels Zeitschriftenartikeln an dem Diskurs um Geburtshilfe beteiligten. Entsprechende Frauenzeitschriften entstanden Mitte der 1970er Jahre. Die sogenannten neuen Frauenbewegungen waren ein soziales Phänomen und formierten sich mit der 1968er Bewegung.7 Mittels eines historischen Rückblicks wird beleuchtet, wie die Akteurinnen und Akteure in den 1970er und 1980er Jahren über Geburtshilfe diskutierten. Die Leitfrage lautet: Welche Prämissen dominierten diesen Diskurs und wie verlief er? Diese Betrachtungen sollen dazu beitragen, die Hintergründe aktueller Herausforderungen im Bereich der außerklinischen Geburtshilfe zu eruieren.8 Erst 2014 stand die außerklinische Geburtshilfe fast vor dem Aus, 2 3 4 5 6 7 8 Vgl. zum Beispiel S. Majer, Lauras Geburt, in: Courage Berl. Frauenzeitschrift 2 (1977), 42–45. Vgl. ebenso T. Siebert, Meine Entbindung in der Klinik. Ein Interview mit Gerlinde T., in: Courage Berl. Frauenzeitschrift 1 (1976), 4–6. Vgl. A. Landwehr, Historische Diskursanalyse (Historische Einführungen 4), Frankfurt/Main 2. Aufl2009. Vgl. Ebd. 101.: „Dabei gilt es die Fähigkeit zu trainieren, sich zu wundern - zu wundern darüber, dass bestimmte Aussagen in bestimmten Texten auftauchen, andere hingegen nicht, dass bestimmte Motive in Bildern immer wiederkehren, dass bestimmte Handlungen als normal akzeptiert werden, andere hingegen undenkbar schienen.“ Vgl. Ebd. 92.: „Diskurse bringen Wirklichkeit hervor. In diesem Sinne interessiert sich die historische Diskursanalyse für Oberflächlichkeiten und Positivitäten. Sie will nicht mehr im Sinne einer traditionellen Hermeneutik hinter die Erscheinungen gelangen, um deren ›eigentlichen‹ Kern freizulegen, sondern nutzt vielmehr hermeneutische Verfahren, um dem Problem nachzugehen, welche Umstände dazu geführt haben, solche Erscheinungen als Wirklichkeit hervorzubringen.“ Im Weiteren wird von Frauenbewegungen im Plural gesprochen. Die Verwendung des Plurals geht auf die Soziologin Ilse Lenz zurück. Vgl. I. Lenz (Hg.), Die neue Frauenbewegung in Deutschland. Abschied vom kleinen Unterschied. Eine Quellensammlung, Wiesbaden 1. Aufl.2008, 18.: „Ich schlage also vor [da die Art der Teilnehmer, ob männlich oder weiblich, an der neuen Frauenbewegung so vielseitig waren], von Frauenbewegungen nur im Plural zu sprechen, da die AkteurInnen jeweils an ihrem sozialen Ort [...] aktiv wurden.“ Zudem kann hier von Gynäkologen im Maskulin gesprochen werden, da im untersuchten Bereich ausschließlich Männer arbeiteten. Vgl. hierzu Ebd. 104.: „Denn Gynäkologie war bis zu den 1970er Jahren ein weitgehend männliches Monopol“. Vgl. Lenz (Hg.), Die neue Frauenbewegung in Deutschland, 21. Die Geburtshilfe untergliedert sich in klinische und außerklinische Geburtshilfe. Bei einer Geburt, die sich im Krankenhaus ereignet, spricht man von einer Klinikgeburt oder -entbindung. Hebammen in Kliniken sind angestellte Hebammen (Anstaltshebammen). In der außerklinischen Geburtshilfe kann wiederum zwischen Beleggeburt und Hausgeburt unterschieden werden. Außerklinisch tätige Hebammen arbeiten freiberuflich. Seit 1985 bedeutet dies, sie müssen sich selbständig versichern und ihre Leistungen selbst abrechnen. Vor der Änderung des Hebammengesetzes 2 | 70 weil der einzige Haftpflichtversicherer angekündigt hatte, freiberufliche Hebammen nicht mehr zu versichern.9 Den Hauptteil dieser Arbeit bildet die Analyse der Quellen. Zuvor entfaltet sich die Thematik in zwei Schritten: Als Erstes wird der Begriff der natürlichen Geburt im Allgemeinen entwickelt und daran anknüpfend die Vorgeschichte der Geburtshilfe zusammenfassend dargestellt. Die Quellenanalyse wird in vier Abschnitten vorgenommen.10 Den Anfang bildet das erste Freiburger Kolloquium (1976). Anhand dessen werden zentrale Begriffe und Konzepte herausgearbeitet, die als Referenz für die nachfolgenden Betrachtungen dienen. 11 Anschließend werden die Argumentationen und Prozesse aus der Frauenzeitschrift Courage extrahiert. Den dritten Abschnitt nimmt die Analyse der Diskussionen in der Deutschen Hebammen-Zeitschrift ein, bevor abschließend das zweite Freiburger Kolloquium (1981) erschlossen wird. An die Analyse schließt eine Auswertung in zwei Schritten an. Zuerst wird aufbereitet, wie der Begriff natürliche Geburt in den Quellen verwendet wurde. In einem zweiten Schritt werden die Inhalte der Grundtexte vor einem geschlechtergeschichtlichen Hintergrund geprüft. Der Forschungszeitraum wird wie folgt eingegrenzt: Den Anfangspunkt der Untersuchungen markiert das Jahr 1976. Damals erschien die Courage als Berliner Frauenzeitschrift. Zudem fand 1976 das erste Freiburger Kolloquium statt. D. h. mit diesem Jahr taten sich zwei Fronten auf: die der Geburtsmediziner und die der Kritikerinnen und Kritiker der Geburtsmedizin. In einer ersten Phase, zwischen 1976 bis 1978, formulierten Vertreterinnen der neuen Frauenbewegungen ihre Kritik an der Geburtshilfe. Sie forderten mehr Selbstbestimmung der Gebärenden, Anwesenheit der Väter, alternative Gebärhaltungen, Unterstützung beim Stillen und eine natürliche Geburt im Sinne eines Verzichts auf Medikamente und invasive Maßnahmen. Eine Zäsur des Diskurses um Geburtshilfe bildete das Jahr 1978. Ab diesem Zeitpunkt wird Kritik an der klinischen Geburtshilfe auch in der Deutsche Hebammen-Zeitschrift (DHZ) greifbar. Anfragen an den Bund Deutscher Hebammen (BDH) zur natürlichen Entbindung nahmen zu. Zudem veränderte sich die Fortbildungslandschaft in der DHZ. Vermehrt wurden für Hebammen Fortbildungen zur psychosomatischen Geburtsbetreuung angeboten. Überdies kam es zur Veröffentlichung des 1985 regelte die Versicherung und Vergütung die sogenannte Niederlassungserlaubnis. Diese beantragte eine Hebamme in ihrem Landkreis. Eine Geburt im Belegsystem findet in einem Krankenhaus, einer Praxis oder einem Geburtshaus statt. Daher spricht man auch von Beleghebammen. 9 Vgl. M. Uken, Hebammen: Wenn Geburten zu riskant sind, in: Die Zeit vom 18.02.2014. 10 Die Quellen werden im Abschnitt Quellenkorpus vorgestellt und die Auswahl begründet. 11 Im Hauptteil werden die beiden Kolloquien getrennt voneinander betrachtet, dadurch lassen sich diese besser in den Diskurs einbetten. 3 | 70 ersten Freiburger Kolloquiums. Entgegen dieser Entwicklungen nahm die Zahl kritischer Artikel in der Courage ab. Eine zweite Phase dauerte von 1978 bis Anfang der 1980er Jahre, spätestens 1983. Es kam zu einem grundlegenden Wandel in der klinischen Geburtshilfe, vor allem auf der Ebene des fachwissenschaftlichen Diskurses zwischen Hebammen und Gynäkologen. Letztere integrierten Forderungen aus den Frauenbewegungen in die klinische Geburtshilfe. In dieser Phase kam es zu einem Bruch. Die außerklinische Geburtshilfe wurde nachfolgend nicht mehr nur von Gynäkologen, sondern auch aus den neuen Frauenbewegungen kritisiert. Innerhalb dieser wurde außerklinische Geburtshilfe einem spirituellem Milieu zugeschrieben und gleichsam als adäquate Alternative disqualifiziert. Parallel drängten staatliche Sparmaßnahmen zu Veränderungen der Kreißsaalarbeit. 1981 fand das zweite Freiburger Kolloquium statt. Das Jahr 1983 markierte einen ersten Endpunkt des Diskurses. Denn die langjährige Vorsitzende des Hebammenverbands, Ruth Kölle, legte ihr Amt nieder. Zudem erschien der Tagungsband des zweiten Freiburger Kolloquiums unter dem Titel: „Die humane, familienorientierte und sichere Geburt“12. Dieser macht einen Kompromiss zwischen den Forderungen der neuen Frauenbewegungen und den Gynäkologen kenntlich. Thesen dieser Arbeit lauten: Die Geburtsmedizin hatte bis Mitte der 1970er Jahre eine technische und invasive Geburtshilfe in den Krankenhäusern entwickelt. Diese technisierte Form der Entbindung geriet massiv in die Kritik der neuen Frauenbewegungen. Die Geburtsmedizin konnte nur jene Kritik an der klinischen Geburtshilfe aufgreifen, die sie sich methodisch greifbar machen konnte. Die Hebammen organisierten sich zunächst nicht als ernstzunehmende Akteurinnen. Anfang der 1980er Jahre kam es zu einem stillen Kompromiss. Die Kritik an der klinischen Geburtshilfe veränderte diese, bis Anfang der 1980er Jahre entwickelte sich darauf das Konzept der natürlichen Geburt im Krankenhaus. Nachfolgend wurde die Hausgeburt, sowohl durch die Gynäkologen als auch die neuen Frauenbewegungen als zu riskant disqualifiziert. 1.1. Forschungsstand Das Feld von Geburt und Geburtshilfe ist inzwischen ein interdisziplinärer Forschungsgegenstand. Eine vergleichbare historische Arbeit, die die drei Agierenden diskursanalytisch betrachtet, existiert bisher noch nicht. Die vorliegenden Arbeiten befassen 12 H.-G. Hillemanns (Hg.), Die humane, familienorientierte und sichere Geburt. E. Einblick in d. gegenwärtige Geburtshilfe d. Bundesrepublik, Frankreichs, Hollands, Österreichs, Schwedens u. d. Schweiz; 2. Freiburger Geburtshilfl. Kolloquium 1981, Stuttgart/New York 1983. 4 | 70 sich allgemein mit der Medikalisierung der Geburtshilfe oder konkret mit einer der drei Gruppierungen. Die ersten nicht medizinischen Arbeiten befassten sich mit der Medikalisierung der Geburtshilfe seit dem frühen 19. Jahrhundert. Diese Arbeiten entstanden Mitte der 1990er bis Anfang der 2000er Jahre. Eine herausragende Stellung nehmen die Beiträge der Historikerin Barbara Duden ein. Unter dem Begriff der Medikalisierung betrachtet sie das 19. Jahrhundert als Phase der Professionalisierung der Geburtsmedizin, in deren Zuge sich die Geburten allmählich in die Krankenhäuser verlagerten. Duden analysiert die Bedeutung der Geburtsmedizin für die Selbsterfahrung der Frau, d. h. sie beleuchtet, wie durch die Geburtsmedizin gewonnene Erkenntnisse über den Körper der Frau das Körperbewusstsein veränderten. Sie begründete mit ihren Arbeiten den Forschungsbereich der Körpergeschichte.13 Eine jüngere Arbeit zur Medikalisierung der Geburtshilfe erschien 2012. Die österreichische Historikerin Marina Hilber beschäftigt sich mit Prozessen der Institutionalisierung. Sie legt dar, wie sich Geburten ab Mitte des 19. Jahrhunderts in Findelhäuser und später Geburtshäuser verlagerten. Parallel studierten in den 1990er Jahren Forschende der Medizin, Geschichte und Soziologie, inwiefern Medizin und Politik die besonderen Bedürfnisse von Frauen bis dato übersehen hatten. Es wurden interdisziplinäre Ansätze zur Frauengesundheit zusammengetragen. Diese Beiträge problematisierten, dass Frauen häufiger hospitalisiert wurden als Männer. Einen Überblick dazu bietet das Jahrbuch für Kritische Medizin.14 Die Geburten verlagerten sich im 20. Jahrhundert in die Krankenhäuser. Dies stellte Hebammen vermehrt vor die Frage ihrer beruflichen Perspektive. Hierzu erschienen Ende der 1990er bis Anfang der 2000er Jahre Arbeiten von Hebammen, Soziologinnen und Soziologen. Sie beleuchteten die Chancen und Risiken einer Professionalisierung des Hebammenberufs. Die Arbeiten von Hebammen, wie Monika Zoege, weisen einen hohen Praxisbezug auf. 15 In soziologischen Beiträgen wird Professionalisierung hingegen problematisiert.16 Zur Hebammengeschichte erschienen um die Jahrtausendwende mehrere Arbeiten. Dabei 13 Chronologisch: Vgl. B. Duden, Der Frauenleib als öffentlicher Ort. Vom Missbrauch des Begriffs Leben, 30431 : dtvSachbuch (dtv), München Ungekürzte Ausg.1994. Vgl. B. Duden, Vom schmalen Grat des Arztseins, Frauen. Gesundheit. Jahrbuch für Kritische Medizin, Hamburg 11995. Vgl. B. Duden/J. Schlumbohm/P. Veit (Hgg.), Geschichte des Ungeborenen. Zur Erfahrungs- und Wissenschaftsgeschichte der Schwangerschaft, 17. - 20. Jahrhundert, 170 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte / Max-Planck-Institut für Geschichte), Göttingen 2002. Vgl. B. Duden, Die Gene im Kopf - der Fötus im Bauch. Historisches zum Frauenkörper, Hannover Erstausg.2002. 14 Vgl. H.-H. Abholz u. a. (Hgg.), Frauen. Gesundheit (Jahrbuch für Kritische Medizin 24), Hamburg 1995. 15 Vgl. M. Zoege, Die Professionalisierung des Hebammenberufs : Anforderungen an die Ausbildung (Projektreihe der Robert Bosch Stiftung, Geburtshilfe, Gesundheitsberufe), Bern ; Göttingen [u.a.] 1. Aufl.2004. 16 Vgl. zum Beispiel S. Beaufaÿs, Professionalisierung der Geburtshilfe : Machtverhältnisse im gesellschaftlichen Modernisierungsprozeß (Zugänge zur Moderne, DUV : Sozialwissenschaft), Wiesbaden 1997. 5 | 70 handelt es sich um soziologische, historische, wie medizinische Betrachtungen.17 Analysen der neuen Frauenbewegungen von Historikern wie Soziologen erschienen ab Ende der 2000er Jahre. Ein umfangreiches Werk brachte die Soziologin Ilse Lenz heraus. Lenz analysiert in ihrer Arbeit die neuen Frauenbewegungen von 1968 bis 2005.18 Philosophische Beiträge ergänzen die historischen Arbeiten zur Medizin, Geburtsmedizin und Geburtshilfe. Sie bieten einen weiteren Zugang zum Phänomen der Medikalisierung und lassen sich mit den Forschungsbereichen der Frauengesundheit, Professionalisierung und den Frauenbewegungen verbinden. Eine grundlegende Abhandlung ist die deutsche Übersetzung der Vorlesung Michel Foucaults: Leben machen und sterben lassen (1976). Der Aufsatz von Eckart Conze, Securitization. Gegenwartsdiagnose oder historischer Analyseansatz? (2012), präsentiert Versicherheitlichungen als akteursgesteuerte Prozesse. Als solche lassen sich Veränderungen in der Geburtshilfe historisch betrachten. 1.2. Quellenkorpus Die zentralen Quellen dieser Arbeit bilden Artikel aus der Frauenzeitschrift Courage, der Deutschen Hebammen-Zeitschrift und zwei Tagungsbänden der sogenannten Freiburger Kolloquien. Diese Quellen wurden bisher nicht diskursanalytisch ausgewertet.19 Die Courage wurde von 1976 bis 1984 herausgebracht. Die ersten drei Jahre erschien sie als Berliner Frauenzeitschrift. Erst ab 1978 wurde sie überregional verlegt und Mitte 1984 letztlich eingestellt.20 Die Auflagenzahl betrug 1976 8.000 und 1978 70.000 Exemplare pro Monat.21 Die Courage ging aus den neuen Frauenbewegungen hervor. „Wir sind in der Redaktion mehr als 10 Frauen und arbeiten in Gruppen des Frauenzentrums und des 17 Eine historische Arbeit brachte der Bund Deutscher Hebammen 2006 heraus. Vgl. Bund Deutscher Hebammen (Hg.), Zwischen Bevormundung und beruflicher Autonomie. Die Geschichte des Bundes Deutscher Hebammen, Stuttgart 2006. Die Soziologin Marita Metz-Becker beschäftigte sich 2000 mit alternativen Gebärhaltungen. Vgl. M. Metz-Becker/S. Schmidt, Gebärhaltungen im Wandel. Kulturhistorische Perspektiven und neue Zielsetzungen, Marburg 2000. Der Gynäkologe Alfred Rockenschaub beleuchtet 2001 die Geschichte der Geburtsmedizin kritisch. Vgl. A. Rockenschaub, Gebären ohne Aberglaube: Fibel und Plädoyer für die Hebammenkunst, Wien 2., veränd. Aufl.2001. 18 Vgl. Lenz (Hg.), Die neue Frauenbewegung in Deutschland. 19 Zur Wahl der Quellen: Die Courage war neben der EMMA eine der zwei großen Frauenzeitschriften, die ab Mitte der 1970er Jahre erschien. Sie wurde ausgewählt, da sie besonders vielen unterschiedlichen Autorinnen offen stand. Die DHZ war damals die einzige Hebammen-Zeitschrift und Verbandsorgan des BDH. Sie eignet sich daher für die Analyse. Das Freiburger Kolloquium wurde ausgesucht, da an den Tagungen die leitenden westdeutschen Geburtsmediziner teilnahmen. Darüber hinaus fand es über einen Zeitraum von 13 Jahren dreimal statt und dokumentiert den fachwissenschaftlichen Diskurs für eine zentrale Etappe der geburtsmedizinischen Entwicklung. Als Tagungsband unterscheidet sich diese Quelle von den beiden Zeitschriften. Positionen und Prämissen lassen sich an diesem Medium einfacher herausarbeiten. In der Auswertung muss darauf geachtet werden, dass die Rolle der Gynäkologen durch die punktuelle Betrachtung nicht verzerrt dargestellt wird. 20 Von 1976 bis 1984 erschien die Courage monatlich. 1984 stellte die Redaktion die Courage aus finanziellen Gründen auf eine Wochenzeitung um. Diese stellte die Redaktion nach wenigen Ausgaben 1984 ein. 21 Vgl. S. Plogstedt/M. Arnholdt, Ergebnisse unserer Umfrage. Wer sind die Courage-Leserinnen?, in: Courage Aktuelle Frauenzeitschrift 3 (1978), 22–31. 6 | 70 lesbischen Aktionszentrums.“22 Die Gründerinnen kamen aus der autonomen Frauenbewegung. Die Abonnentinnen waren vor allem junge Frauen unter 30 Jahren und Schülerinnen, Studentinnen oder Lehrerinnen.23 Die Redaktion wollte auch jene Frauen ansprechen, die nicht in der Frauenbewegung aktiv waren.24 In der vierten Ausgabe erschienen die ersten relevanten Artikel unter dem Titelthema „Wie Frauen Kinder bekommen“25. Die Geburtshilfe wurde über die Jahre auf vielfältige Weise bearbeitet. Dabei handelte es sich um Artikel, die unter der Rubrik Medizin erschienen, sowie Leserinnenbriefe und kurze Notizen. Die kompletten Ausgaben der Courage wurden durch die Friedrich-Ebert-Stiftung digitalisiert und sind online zugänglich.26 Die Deutsche Hebammen-Zeitschrift (DHZ) wird seit 1949 im Elwin Staude Verlag publiziert. Unter wechselnden Bezeichnungen erscheint sie seit 1886. Bis 1999 war die DHZ die Verbandszeitschrift des ehemaligen Bundes Deutscher Hebammen. 27 Nach Verlagsangaben erschien die Zeitschrift zwischen 1976 und 1980 in einer Druckauflage von 7.000 Exemplaren.28 Im Unterschied zur Courage sind ältere Publikationen der DHZ schwer zugänglich. Die Bestände einzelner Bibliotheken setzen mit Beginn der 1990er Jahre ein. Simultan liegen keine historischen Analysen der Deutsche Hebammen-Zeitschrift vor. Die vorliegende Arbeit stützt sich auf den Fundus der Freiburger Hebammenschule.29 Die Auswertung der DHZ erschweren strukturelle Besonderheiten. Der Anteil an Verbandsnachrichten nahm nur einen Bruchteil einer Ausgabe ein. Die Autoren der Fachartikel waren fast ausschließlich männliche Gynäkologen. Zudem machte die Redaktion in der Aufmachung der Artikel Unterschiede, je nachdem ob ein Beitrag von einem Arzt oder einer Hebamme verfasst wurde. Ärzte wurden mit biographischem Infotext und Foto am Anfang eines Artikels vorgestellt. Hebammen fanden häufig mit Initialien am Ende eines Artikels Erwähnung. Zudem verfassten verschiedene Autoren medizinische Artikel. Artikel von Hebammen stammten im Wesentlichen aus der Feder von vier Autorinnen. Zu den Autorinnen zählten Ruth Kölle, die Vorsitzende des BDH (1968-1983); Maria Hipp, ab 1972 Vorsitzende des Verbands Deutscher Anstaltshebammen (VDA) und stellvertretende Vorsitzende des BDH; Ingeborg Bellaire, ab 1978 Schriftleiterin der DHZ, und Anne 22 Courage, In eigener Sache, in: Courage Berl. Frauenzeitschrift 1 (1976), 2. 23 Vgl. Plogstedt/Arnholdt, Ergebnisse unserer Umfrage. Wer sind die Courage-Leserinnen?, 22–24. 24 Vgl. Courage, In eigener Sache, 2.: „Ziel der Zeitung ist es, die Frauenbewegung zu erweitern. Wir wollen auch die Frauen erreichen, die nicht in der Frauenbewegung arbeiten.“ 25 Courage (Hg.), Wie Frauen Kinder bekommen, in: Courage Berl. Frauenzeitschrift 1 (1976), 3. 26 Vgl. Friedrich Ebert Stiftung: Courage, (o. J.). URL: http://library.fes.de/courage/index.html (13.11.2015). 27 Vgl. M. Weiß, Editorial. Es ist soweit..., in: Hebammen Forum 1 (2000), 3. 28 Vgl. Claus Zickfeldt: Email-Gesprächsprotokoll, s. Anhang. 29 Der Bestand der Freiburger Hebammenschule ist für den Forschungszeitraum, bis auf einzelne Ausgaben, vollständig. 7 | 70 Springborn. Inhalte der DHZ waren allgemein Präsentation neuer medizinischer Ergebnisse, Nachrichten aus den Verbänden und Diskussionen der Kreißsaalarbeit. Ab Ende der 70er Jahre wurden vermehrt Methoden alternativer Geburtshilfe wie Hausgeburten und Roomingin30 thematisiert. Das Freiburger Kolloquium fand in den Jahren 1976 und 1981 an der Freiburger Frauenklinik statt.31 In diesen diskutierten leitende Ärzte aus der Bundesrepublik aktuelle Themen der klinischen Geburtshilfe. Diese Tagungen dienen als Quelle für den gynäkologischen Diskurs. Der Leiter der Kolloquien, Hans-Günther Hillemanns (1923-2012), war von 1971 bis 1991 Chefarzt der Freiburger Universitäts-Frauenklinik. Die erste Veranstaltung stand unter dem Titel: Die programmierte Geburt. Dieser bezog sich auf eine Methode, die eine Steuerung des Geburtsbeginns und -verlaufs mittels medizinischer Techniken vorsah. Im Rahmen des ersten Kolloquiums befassten sich die Teilnehmer mit den Chancen und Risiken der programmierten Geburt. Die Organisatoren werteten die Veranstaltung als ein wichtiges Ereignis für die moderne Geburtshilfe.32 Der erste Tagungsband besteht aus sechs Kapiteln. Am Ende eines jeden Kapitels befindet sich das Protokoll einer Abschlussdiskussion. In diesen Aufzeichnungen werden Redner namentlich genannt und deren Diskussionsbeiträge dokumentiert. Inwiefern diese Diskussionsprotokolle von den Herausgebern überarbeitet wurden, ist unbekannt. Problematisierende Kommentare sind vorhanden. Alle Teilnehmer und Autoren, die im ersten Tagungsbands namentlich auftauchen, waren männlich. 33 Der Tagungsband erschien 1978 im Georg Thieme Verlag. Das zweite Freiburger Kolloquium fand 1981 unter der Bezeichnung Die humane, familienorientierte und sichere Geburt statt. Die Tagungsteilnehmer widmeten sich neuen geburtsmedizinischen Entwicklungen. Die zweite Freiburger Tagung unterschied sich konzeptuell von der ersten. Unter den Teilnehmern waren erstmals Frauen. Zudem publizierten im zweiten Tagungsband von 1983 Referentinnen ihre Vorträge.34 Darunter die Soziologin Charlotte Höhn, sie referierte über den Anteil der 30 Rooming-in beschreibt die Praxis, dass Mutter und Kind im Wochenbett nicht voneinander getrennt werden, sondern sich dauerhaft im selben Raum befinden. 31 Die dritte und letzte Tagung des Freiburger Kolloquiums fand 1989 statt. Da diese nicht im Forschungszeitraum liegt, wird sie nicht näher betrachtet. 32 Vgl. H.-G. Hillemanns, Vorwort, in: H.-G. Hillemanns/H. Steiner (Hgg.), Die programmierte Geburt. 1. Freiburger Kolloquium, September 1976, Stuttgart 11976, V–VII.: „Die möglichst genaue Wiedergabe der intensiven Diskussionen [...], wird [...] vor allem aber auch jedem Geburtshelfer von hohem praktischen Nutzen sein.“ Anm.: Als Geburtshelfer werden Gynäkologen bezeichnet, Hebammen oder deren männliche Kollegen werden als Entbindungspfleger bezeichnet. 33 Vgl. Ebd, S. V. 34 Unter den Teilnehmern der abschließenden Diskussionsrunde waren keine Frauen. An dieser Podiumsdiskussion nahmen ausgewählte männliche Gynäkologe, Medizinhistoriker, Biologen und Psychosomatiker teil. Die Diskussionsteilnehmer gelangten an einen Punkt, an dem sie bemängelten, dass ihnen die Sichtweise einer Frau fehle. Vgl. H.-G. Hillemanns/H. Steiner/D. Richter (Hgg.), IX. Rundtisch-Gespräch: Was ist gegenwärtig eine humane, familienorientierte, eine sichere und zugleich natürliche Geburt?, in: Die humane, familienorientierte und sichere Geburt. Ein Einblick in die gegenwärtige Geburtshilfe der Bundesrepublik, Frankreichs, Hollands, Österreichs, Schwedens und der Schweiz. 2. Freiburger geburtshilfliches Kolloquium, Stuttgart/New York 11983, 374–383, 380. 8 | 70 Hausgeburten in anderen Ländern.35 Die Ethnologin Liselotte Kuntner beleuchtete medizinhistorische und ethnologische Aspekte der Gebärhaltungen.36 Petra Hundsdörfer befasste sich als Historikerin mit Gebärhaltungen in der Antike.37 Die Physiotherapeutin Hella Krahmann präsentierte krankengymnastische Gebärhilfen.38 Die erste Hebamme, die sich aktiv an dem Kolloquium beteiligte, war Maria Hipp 39. Sie präsentierte ein Bremer Modellprojekt – die Familien-Hebamme.40 Der Tagungsband wurde 1983 ebenfalls im Georg Thieme Verlag publiziert. Die Teilnehmenden des ersten Kolloquiums waren ausschließlich, die des zweiten mehrheitlich männlich. 35 Vgl. C. Höhn, Anteil der Hausgeburten in ausgewählten europäischen Ländern und in den USA, in: Die humane, familienorientierte und sichere Geburt. Ein Einblick in die gegenwärtige Geburtshilfe der Bundesrepublik, Frankreichs, Hollands, Österreichs, Schwedens und der Schweiz. 2. Freiburger geburtshilfliches Kolloquium, Stuttgart/New York 1 1983, 108–111. 36 Vgl. L. Kuntner, Medizinhistorische und ethnologische Aspekte der Gebärhaltung der Frau und ihre Anwendung in der heutigen Geburtshilfe, in: Die humane, familienorientierte und sichere Geburt. Ein Einblick in die gegenwärtige Geburtshilfe der Bundesrepublik, Frankreichs, Hollands, Österreichs, Schwedens und der Schweiz. 2. Freiburger geburtshilfliches Kolloquium, Stuttgart/New York 11983, 341–348. 37 Vgl. P. Hundsdörfer, Die Gebärhaltung in der Antike, in: Die humane, familienorientierte und sichere Geburt. Ein Einblick in die gegenwärtige Geburtshilfe der Bundesrepublik, Frankreichs, Hollands, Österreichs, Schwedens und der Schweiz. 2. Freiburger geburtshilfliches Kolloquium, Stuttgart/New York 11983, 349–357. 38 Vgl. H. Krahmann, Krankengymnastische Gebärhilfe, in: Die humane, familienorientierte und sichere Geburt. Ein Einblick in die gegenwärtige Geburtshilfe der Bundesrepublik, Frankreichs, Hollands, Österreichs, Schwedens und der Schweiz. 2. Freiburger geburtshilfliches Kolloquium, Stuttgart/New York 11983, 357–359. 39 Maria Hipp wurde 1919 geboren, sie war ab 1972 1. Vorsitzende des Verbands Deutscher Anstaltshebammen und stellvertretende Vorsitzende des Bundes Deutscher Hebammen. Die Hebammenausbildung hatte Hipp, zusammen mit der damaligen Vorsitzenden des BDH, Ruth Kölle, in Stuttgart abgeschlossen. 40 Vgl. M. Hipp, Aktion: Familien-Hebamme, in: Die humane, familienorientierte und sichere Geburt. Ein Einblick in die gegenwärtige Geburtshilfe der Bundesrepublik, Frankreichs, Hollands, Österreichs, Schwedens und der Schweiz. 2. Freiburger geburtshilfliches Kolloquium, Stuttgart/New York 11983, 222–232.: Dieses Projekt kritisierten Gynäkologen in der Abschlussdiskussion. Sie bemängelten, dass die Bremer Familien-Hebammen nicht ärztliche betreut wurden. Vgl. H.-G. Hillemanns/H. Steiner/D. Richter (Hgg.), Diskussion: IV. Organisation der geburtshilflichen Versorgung und forensische Aspekte, in: Die humane, familienorientierte und sichere Geburt. Ein Einblick in die gegenwärtige Geburtshilfe der Bundesrepublik, Frankreichs, Hollands, Österreichs, Schwedens und der Schweiz. 2. Freiburger geburtshilfliches Kolloquium, Stuttgart/New York 11983, 233–235, 233. Auf die Kritik der Ärzte erwiderte Hipp in der Diskussion: „Ich möchte nur betonen, daß [sic!] wir Hebammen nicht vorhaben, eine alternative Schwangerenberatung zu machen oder sogar die ärztliche Schwangerenberatung zu verdrängen; wir möchten sie nur ergänzen.“ 9 | 70 2. Natürliche Geburt – eine Begriffsbestimmung Was ist eine natürliche Geburt? Inwiefern kann eine Geburt als natürlich bezeichnet werden? Gibt es eine unnatürliche Geburt? Grundsätzlich leuchtet es ein, von einer Geburt als einem natürlichen Vorgang zu sprechen. Doch von einer natürlichen Geburt zu sprechen ist erst einmal tautologisch. Dennoch besitzt die Bezeichnung natürliche Geburt ihre Berechtigung. Das Substantiv Natur lässt sich ethymologisch in zwei Bedeutungsbestandteile untergliedern, den griechischen Begriff physis und den lateinischen natura. Physis bezeichnet den Vorgang des Werdens.41 Der lateinische Bedeutungsbestandteil natura verweist auf den Aspekt des Angeborenen.42 In der Diskussion über Geburtshilfe wurde natürlich auf zwei Bedeutungsebenen gebraucht: Zum einen als Beschreibung von etwas Naturbelassenem (physis) und etwas Naturgesetzlichem (natura). Wie entwickelte sich die Bezeichnung natürliche Geburt? Der Terminus entstand als Gegenbegriff zur klinischen, medikalisierten Geburt der 1970er Jahre. Nach dem Zweiten Weltkrieg verlagerte sich die Geburtshilfe schrittweise in die Krankenhäuser. Bis dato fanden Geburten mehrheitlich zu Hause statt. Auf wissenschaftlicher Ebene problematisierten Forschende der Gynäkologie, Soziologie, Ethnologie und Geschichtswissenschaften die Geburtshilfe im 20. Jahrhundert. Ihre Kritik kann in drei Phasen untergliedert werden: Anstöße zur Ergänzung der Geburtsmedizin (1950er-1960er), Appell zur Korrektur (1970er) und Ablehnung der klinischen Entbindungspraxis (um 1980). In den ersten beiden Phasen wiesen Gynäkologen auf Probleme und Missstände hin. Erst in der dritten Phase kam es zu externen Beurteilungen in Form von soziologischen, ethnologischen und historischen Untersuchungen. Die Formulierung natürliche Geburt wurde erstmals in den 1950er Jahre von Gynäkologen verwendet.43 Aus dem Diskurs um klinische Geburtshilfe entwickelten sie Konzepte einer natürlichen Geburtshilfe im Krankenhaus. Einen wesentlichen Beitrag dazu lieferte der englische Gynäkologe Grantly Dick-Read (1890-1959), er publizierte 1950 seine Arbeit: Childbirth without fear: The principles and practice of natural childbirth.44 Dick-Read entwickelte die Geburtsvorbereitung, um die Schwangere psychisch und physisch 41 Vgl. F.P. Hager u. a., „Natur“, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie 6 (1984), 421–478, 468. 42 Vgl. Ebd. 43 Hier stehen Gynäkologen im generischen Maskulinum, da zu dieser Zeit keine Gynäkologinnen am Diskurs um Geburtshilfe teilnahmen. 44 Vgl. G. Dick-Read, Mutterwerden ohne Schmerz. Die natürliche Geburt, hg. von R. Hellmann, Hamburg 12., erg. Aufl.1963.: Die erste Auflage der deutsche Übersetzung brachte der Gynäkologe Rudolf Hellmann 1953 unter dem Titel Mutterwerden ohne Schmerz. Die natürliche Geburt heraus. 10 | 70 vorzubereiten. Er erhoffte damit, die Geburtsschmerzen durch eine entsprechende Geburtsvorbereitung statt durch Medikamente zu verringern. Eine natürliche Geburt war in diesem Zusammenhang eine schmerzfreie Geburt ohne Anästhesie.45 Die Arbeiten bis Ende der sechziger Jahre waren geprägt von einer Technikeuphorie. Parallel nahm die technische Ausstattung der Kreißsäle zu. Die Verwendung des Adjektivs natürlich begann sich im Kontext der klinischen Geburtshilfe in den 1970er Jahren zu verändern. Kritiker der Klinikentbindung formulierten den Begriff natürlich als Gegenmodell zur geburtsmedizinischen Praxis. Eine natürliche Geburt definierten sie als eine, bei der möglichst auf geburtsmedizinische Praktiken verzichtet wurde. Die zweite Phase bestimmten die technikkritischen Ansätze des französischen Gynäkologen Frédérick Leboyer (*1918). Er veröffentlichte 1974 sein Buch: Pour une naissance sans violance.46 Michel Odent (*1930) publizierte zwei Jahre später seine Arbeit Bien naitre.47 Beide befassten sich mit dem Gebären aus der Perspektive des Kindes und der Frau. Wie Dick-Read befürworteten sie eine psychologische Betreuung anstelle einer medikamentösen und invasiven Behandlung. Darüber hinaus forderten sie eine humanere Klinikentbindung – Frau und Kind müssten die Geburt positiv erleben können. Bis dahin beteiligten sich nur Männer mittels Publikationen am Diskurs um Geburtshilfe. Die Veröffentlichungen der 1980er Jahre standen hierzu im Kontrast. Erstmals taten sich Kontroversen zwischen unterschiedlichen Fachrichtungen auf. Wie die Autoren der 60er Jahre plädierte der Gynäkologe Heribert Kentenich in seiner Dissertation von 1983 für eine natürliche Geburt in der Klinik.48 Kentenich evaluierte, inwiefern Kritik von Frauen an der klinischen Geburtshilfe in die klinische Arbeit integriert werden konnte. 49 Die Soziologin 45 Dick-Reads Ansatz einer schmerzfreien Geburt durch psychische wie physische Geburtsvorbereitung griffen in den sechziger Jahren deutsche Mediziner auf. 1961 beleuchtete der deutsche Arzt Thomas Rust in seinem Buch Die natürliche Geburt die Möglichkeiten einer alternativen Geburtshilfe im Sinne Dick-Reads. Vgl. dazu T. Rust, Die natürliche Geburt. Seelisch-körperliche Vorbereitung der werdenden Mutter auf die Geburt ohne Angst. Für Ärzte, Hebammen, Therapeutinnen und schwangere Frauen, Bern; Stuttgart 2., neubearbeitete Auflage1961, 5–6. Die Medizinerin Christa Bosch promovierte 1967 über Natürliche - medikamentös geleitete Geburt. Vgl. C. Bosch, Natürliche - medikamentös geleitete Geburt, Würzburg 1967, 3. 46 Vgl. F. Leboyer, Der sanfte Weg ins Leben. Geburt ohne Gewalt, München 1974.: In der deutschen Übersetzung erschien dieses ebenfalls 1974 unter dem Titel Der sanfte Weg ins Leben: Geburt ohne Gewalt. 47 Vgl. M. Odent, Die sanfte Geburt. Die Leboyer-Methode in der Praxis (Bastei-Lübbe-Taschenbuch), Bergisch Gladbach 1990.: Der deutsche Titel von 1978 lautet: Die sanfte Geburt. 48 Vgl. H. Kentenich, „Natürliche Geburt“ in der Klinik. Zum Verhalten von Frauen während Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett, Berlin 1983, 12.: „In der Regel versteht man [unter einer natürlichen Geburt] einen Geburtsablauf, der im wesentlichen ohne äußere Einwirkungen so ablaufen soll, wie er sich in der Menschheitsgeschichte herausgebildet hat. Dieser Begriff der natürlichen Geburt impliziert eine Kritik an modernen Formen der Geburtshilfe. Wenn noch anerkannt wird, dass die heutige Geburtshilfe Risiken für Mutter und Kind mildern will, so wird jedoch durch den Begriff der natürlichen Geburt vorgehalten, dass die moderne Geburtshilfe in natürlich ablaufende Vorgänge ohne eindeutige Notwendigkeit eingreift.“ 49 Heribert Kentenich ist seit 1995 a. o. Professor an der Humboldt-Universität und gründete 1999 das Berliner Fertility Center. Vgl. Fertility Center Berlin: Über uns. Die Ärzte und das Team, (o. J.). URL: http://www.fertilitycenterberlin.de/ueber-uns/die-aerzte-und-das-team (04.11.2015). 11 | 70 Dorothee Gutenberg hingegen befasste sich 1985 mit Alternativen zur klinischen Entbindung.50 Dabei entwickelte sie den Begriff der natürlichen Geburt als Gegenentwurf zur klinischen Entbindung: Eine natürliche Geburt ist im Krankenhaus nicht umsetzbar.51 50 Vgl. D. Gutenberg, Die natürliche Geburt : Aspekte der perinatalen Situation aus der Sicht der alternativen familienorientierten Geburtshilfe und Geburtspädagogik (Berichte und Studien aus der Pädagogischen Abteilung der Universität Trier / Universität Trier), Trier 1985. 51 Vgl. Ebd. 10.: Gutenberg kritisierte die klinische Geburt als „extremste Form der Technisierung und Medikalisierung der Geburt“. Als problematisch betrachtete sie daran, dass dadurch „eine totale Loslösung von den natürlichen Prozessen“ vorgenommen wurde. Dadurch wäre die Frau objektiviert worden. Gutenberg stützte sich in ihrer Analyse der klinischen Geburt auf Arbeiten des Freiburger Mediziners Hillemanns. Die natürliche Geburt entwarf sie als Gegenentwurf zur klinischen Geburtshilfe. 12 | 70 3. Kurze Geschichte: Medikalisierung der Geburtshilfe im 19. Jahrhundert „Allgemein kennzeichnen verschiedene Gegensatzpaare die Geschichte der Gebärhäuser: So stehen sich medizinische Forschung und die teilweise hohe Sterblichkeit in den Anstalten, die Professionalisierung der akademischen Geburtshilfe und die Entmachtung der Hebammen, [sic!] oder die wohltätigen Ambitionen der Eliten und die Entrechtung und Verdinglichung der Patientinnen gegenüber.“52 Wie hat sich unsere heutige Form der klinischen Geburtshilfe entwickelt? Die erste europäische Entbindungsstation wurde 1728 in Straßburg eröffnet.53 Ab Ende des 18. Jahrhunderts entstanden aus den ersten Entbindungshäusern klinischen Instituten. 54 In den meist universitären Einrichtungen kam es zu einer wissenschaftlichen und invasivmedizinischen Prägung der Geburtshilfe, hier liegen die Anfänge der Geburtsmedizin. Was veränderte sich durch die Medikalisierung der Geburtshilfe? Bis zur Erfindung des ersten biochemischen Schwangerschaftstest war das einzige Anzeichen einer Schwangerschaft das Ausbleiben der Menstruation.55 Erst 1818 erfand Théophile René Hyacinthe Laennec das Stethoskop, um das Körperinnere abzuhören. Dieses Gerät, auch Brustgucker genannt, wurde in den 1960ern durch den Ultraschall ersetzt.56 Diese bildgebenden Verfahren veränderten die Vorstellung vom Inneren der Schwangeren und dem Ungeborenen. 57 Letztlich führten die technischen Entwicklungen zu einer Veränderung der Sehgewohnheiten. „Der Text wurde [vor dem 19. Jahrhundert] bebildert, um die Schau zu unterstützen, nicht [wie heute] um ein Abbild der beschriebenen Sache zu verdeutlichen.“58 Darstellungen des Körperinneren im 15. Jahrhunderts unterscheiden sich von den heutigen nicht durch ihre Details, sondern durch ihren Gebrauch. Bei den damaligen und heutigen Darstellungsweisen besteht ein Unterschied zwischen Abbildung (illustratio) und Symbol (illuminatio). In der Frühen Neuzeit waren die M. Hilber, Institutionalisierte Geburt. Eine Mikrogeschichte des Gebärhauses (Histoire), Bielefeld 1. Aufl.2012, 12. Vgl. Ebd. 9.: „Die erste europäische Gebäranstalt wurde 1728 in Straßburg eingerichtet“. Vgl. Ebd. 12. Vgl. Duden, Der Frauenleib als öffentlicher Ort, 43. Vgl. ebenso P. Herschkorn-Barnu, Wie der Fötus einen klinischen Status erhielt. Bedingungen und Verfahren der Produktion eines medizinischen Fachwissens, Paris 1832-1848, in: B. Duden/J. Schlumbohm/P. Veit (Hgg.), Geschichte des Ungeborenen. Zur Erfahrungs- und Wissenschaftsgeschichte der Schwangerschaft, 17.-20. Jahrhundert (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte / Max-PlanckInstitut für Geschichte), 170, Göttingen 2002, 167–203, 168.: 1930 gab es die ersten biochemischen Schwangerschaftstests. Diese brachten früher Gewissheit über eine Schwangerschaft als bisher. Vgl. ebenso : Die technischen Mittel zum Abhören der fötalen Herztönen war zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch nicht vorhanden. Bevor es diese Technik gab, mussten sich die Frauen auf ihr Empfinden, auf die eigene Erfahrung und die des Arztes verlassen. 56 Vgl. Duden, Der Frauenleib als öffentlicher Ort, 43. 57 Vgl. Ebd. 42. 58 Ebd. 46. 52 53 54 55 13 | 70 Darstellungen des Ungeborenen Symbole (illuminatio).59 „Kulturgeschichtlich gehörte das Ungeborene in die Kategorie der Verborgenen, zu der auch die Toten, die Heiligen, Engel, Elementargeister und anderes gerechnet werden können.“60 Das Ungeborene hatte einen anderen Status als heute. Doch Hörrohr, Ultraschall und Fotoaufnahmen machten das bis dahin Verborgene sichtbar.61 Damit begannen Eltern, Geburtshelfer und Statistiker mit dem Ungeborenen zu planen und es statistisch zu erheben.62 Wie wurde das fötale Risiko zum wichtigsten Indikator der klinischen Geburtshilfe? Der Embryo war bis ins 19. Jahrhundert kein greifbarer Gegenstand der Medizin. Erst die neuen Möglichkeiten der Geburtsmedizin rückten den Fötus in den Mittelpunkt der klinischen Geburtshilfe. Diese Entwicklung hing mit dem sich wandelnden Arztbild zusammen. Noch Ende des 18. Jahrhunderts galten Mediziner als Gesundheitsratgeber, Ende des 19. Jahrhunderts hingegen waren sie ein wichtiges Element bevölkerungspolitischer Betrachtungen.63 Anders als heute wurden vor 1800 die fötalen Herztöne nicht als Indiz für die Gesundheit des Fötus verwendet.64 Die Gesundheit eines Kindes bewies sich erst bei der Geburt. Mit dem 19. Jahrhundert begannen politische Gemeinschaften nicht mehr alleine auf ungewöhnliche Bedrohungen zu reagieren. Sie fingen an mittels statistischer Erhebungen auf alltägliche Risiken einzuwirken.65 Grundlegend hierfür war, dass sich sogenannte Regulationstechniken der Bevölkerung entwickelten.66 Mittels Statistiken betrachteten Ärzte, 59 Vgl. Ebd. 45–46.: „Die Aufgabe der Miniatur war die Offenbarung einer geistigen Form und eines kosmischen Zusammenhangs, nicht die Ansicht der beschriebenen Sache oder ihrer Details.“ 60 Ebd. 21. 61 Vgl. Ebd. 35.: Duden vertritt die These, dass „dem einzelnen Fötus der Schein des Natürlichen“ gegeben wurde. Die Fotografien dienen nur als Beispiel für eine Veränderung, die mit der Regulation der Bevölkerung einsetzte. Wesentliches Mittel hierzu waren statistische Erhebungen. Durch die Sichtbarmachung des Fötus begann jedermann mit dem Kind zu planen und ihm Rechte zuzusprechen. Der Inhalt des Bauches einer Schwangeren nahm dieser ihr Recht auf vollkommene Selbstbestimmung. 62 Vgl. Ebd. 63 Vgl. Herschkorn-Barnu, Geschichte des Ungeborenen, 167.: „[...] wenn wir begreifen wollen, warum der GeburtshelferChirurg des ausgehenden 18. Jahrhunderts, damals Ratgeber in Sachen persönlicher Gesundheit, am Ende des 19. Jahrhunderts zum Experten für soziale Hygiene und zum Garanten der Gesundheit künftiger Bevölkerungen wurde.“ 64 Vgl. Ebd. 168.: Die Technik, die beim Abhören der fötalen Herztöne angewandt wurde heißt Auskulation. Die erste systematische Verwendung der Auskulation zur Bewertung der fötalen Gesundheit geht auf den französischen Mediziners Paul Dubois (Leitender Geburtshelfer des Pariser Entbindungshospitals) der Académie d Médecine in Paris zurück. Entwickelt wurde die Technik der Auskulation zu Beginn des 19. Jahrhunderts von dem Franzosen René Laennec. 65 Vgl. M. Foucault, Leben machen und sterben lassen. Die Geburt des Rassismus, in: Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (Hg.), Bio-Macht (DISS-Texte 25), Duisburg 2. Aufl1993, 27–50, 28.: „Ich glaube, daß [sic!] eine der massivsten Transformationen des politischen Rechts im 19. Jahrhundert gerade darin bestand, dieses alte Recht der Souveränität – sterben zu machen und leben zu lassen – [umkehrte]: die Macht, leben zu machen und sterben zu lassen.“ 66 Vgl. Ebd. 36.: „Ich möchte jetzt den eben erwähnten Vergleich zwischen der Regulierungstechnologie des Lebens und der Disziplinartechnologie des Körpers wiederaufgreifen. Wir haben also seit dem 18. Jahrhundert (oder jedenfalls seit dem Ende des 18. Jahrhunderts) zwei Machttechnologien, die sich in einem gewissen zeitlichen Abstand etabliert haben und die sich überlagern. Eine Technik, die folglich disziplinär ist: sie konzentriert sich auf den Körper, sie produziert individualisierende Effekte, sie manipuliert den Körper als einen Brennpunkt von Kräften, die zugleich nutzbar und gelehrig zu machen sind. Und auf der anderen Seite haben wir eine Macht, die nicht auf den Körper konzentriert ist, sondern auf das Leben; eine Technologie, die die einer Bevölkerung eigenen Masseneffekte zusammenfaßt [sic!], die die 14 | 70 Ingenieure und Politiker eine Vielzahl an Menschen. Im Fokus standen Mengenprozesse und keine Individuen.67 In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts begannen die ersten Mediziner mit der Erhebung von Geburtenrate und Mortalität. Diese setzten sie in Verbindung mit ökonomischen und politischen Problemen.68 Sie beleuchteten nicht wie bisher akute Bedrohungen wie Epidemien, sondern sie wendeten statistische Methoden auf Krankheitsphänomene an, alltägliche Degenerationsprozesse.69 Hierin liegen die Anfänge der Medikalisierung der Geburtshilfe und der Geburtsmedizin allgemein.70 Die Geburtsmedizin zielte darauf ab, Schwangerschaft und Geburt zu modifizieren. Im Zentrum dieser Betrachtungen standen nicht einzelne Individuen, sondern Phänomene auf globaler Ebene.71 Wie sich die Geburtshilfe im 19. Jahrhundert veränderte, zeigt der Historiker Paule Herschkorn-Barnu am Beispiel des Pariser Entbindungsspitals, Académie nationale de Médecine. Dieses leitete der Gynäkologe Paul Dubois (1795-1871) von 1825 bis 1856.72 Er entwickelte und implementierte eine Methode um die fötale Gesundheit zu bewerten. Dies stellte einen Bruch mit der bisherigen Geburtshilfe am Pariser Spital dar. Bei diesem Konflikt ging es um die Frage: Wessen Leben hat im Ernstfall Vorrang, das der Mutter oder das des Kindes? Dubois bewertete anhand der Herzfrequenz die Gesundheit des Fötus. Diese Arbeitsweise, in Form einer präventiven Geburtshilfe, stellte eine grundlegende Veränderung dar.73 Nachfolgend kam es zur Abgrenzung der klinischen Geburtshilfe von der 67 68 69 70 71 72 73 Serie der Zufallsereignisse zu kontrollieren trachtet, die sich in einer lebendigen Masse ergeben können; eine Technologie, die danach strebt, deren Wahrscheinlichkeiten zu kontrollieren (und sie eventuell zu modifizieren), jedenfalls deren Effekte auszugleichen.“ Vgl. Ebd. 30.: „Die neue Technologie jedoch, die Platz greift, zielt auf die Vielzahl der Menschen, aber nicht insofern diese sich in Körpern resümieren, sondern insoweit sie im Gegenteil eine globale Masse bilden, die von Mengenprozessen geprägt ist, wie den Prozessen der Geburt, des Todes, der Produktion, der Krankheit usw.“ Vgl. Ebd. 30–31.: „Es sind diese Prozesse der Geburtenrate, der Mortalität, der Lebensdauer, die gerade in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Verbindung mit einer Menge von ökonomischen und politischen Problemen […] die ersten Wissensobjekte der Bio-Politik und die ersten Zielscheiben bio-politischer Kontrolle bildeten. Auf jeden Fall hat man zu diesem Zeitpunkt mit den ersten demographischen Untersuchungen die statistische Messung dieser Phänomene verwirklicht. […] Es handelt sich um die Beobachtung von mehr oder minder spontanen bzw. mehr oder minder planvollen Verfahren, die in der Bevölkerung in Bezug auf die Natalität tatsächlich eingesetzt wurden; es geht, mit anderen Worten, um die Ermittlung von Phänomenen der Geburtenkontrolle, wie sie im 18. Jahrhundert praktiziert wurde.“ Vgl. Ebd. 31.: „Kurz, es handelt sich um die Krankheit als Bevölkerungsphänomen, nicht mehr um den Tod, der das Leben brutal niederwirft – dies ist die Epidemie – sondern als der permanente Tod, der in das Leben eindringt, es unentwegt zerfrißt [sic!], es mindert und schwächt.“ Vgl. Ebd.: „Diese Phänomene sind es, die man am Ende des 18. Jahrhunderts zu beachten beginnt und die zur Einrichtung einer Medizin führen, deren Hauptaufgabe jetzt in der öffentlichen Hygiene bestehen wird, mitsamt den Organismen der Koordination der medizinischen Versorgung, der Zentralisierung, der Zirkulation der Information, der Normalisierung des Wissens, und die zugleich den Charakter einer Kampagne zur Lehre der Hygiene und zur Medikalisierung der Gesellschaft annimmt.“ Vgl. Ebd. 33.: „Bei den von der Bio-Politik errichteten Mechanismen handelt es sich zunächst sicherlich um Vorhersagen, statistische Schätzungen, globale Messungen; zugleich jedoch geht es darum, nicht ein bestimmtes besonderes Phänomen zu modifizieren, nicht dieses bestimmte Individuum als Individuum, sondern es handelt sich im wesentlichen darum, auf der Ebene der Determinationen dieser allgemeinen Phänomene zu intervenieren, auf der Ebene der Phänomene, insoweit diese global sind.“ Vgl. Herschkorn-Barnu, Geschichte des Ungeborenen, 177. Vgl. Ebd. 171.: „Ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts trat für das geburtshilfliche Wissen ganz allmählich die Zahl als Beweismittel an die Stelle der Aussage der einzelnen Schwangeren. Das Europa der Geburtshelfer übernahm 15 | 70 Entbindungskunst des 18. Jahrhunderts. Begrifflich bildet sich im Französischen der Terminus obstétrique (Geburtshilfe) als Gegenentwurf zum accouchements (Entbindungskunst).74 Die Rate der Mütter- und Säuglingssterblichkeit stieg zu einer der wichtigsten Kennzahlen auf.75 Die Entwicklung von der Entbindungskunst zur Geburtshilfe vollzog sich in Frankreich später als in anderen europäischen Ländern.76 In Irland, England und Deutschland etablierten sich bereits Ende des 18. Jahrhunderts statistische Verfahren als wichtiges Hilfsmittel. Synchron hierzu trat die Bekämpfung der Mütter- und Säuglingssterblichkeit in den Fokus gesellschaftspolitischer und demographischer Debatten.77 Im angelsächsischen Raum und in der Wiener Schule wurde die Methode der prognostischen Entscheidungsfindung angewandt, d. h. „ein Sterberisiko berechtigte zum Eingriff, bevor die gefürchtete Situation eintrat, während es der Frau und ihrem Fötus noch gut ging“ 78. In Frankreich kam es spätestens Mitte des 19. Jahrhunderts zu einer vergleichbaren Entwicklung. 74 75 76 77 78 von der damals ganz jungen Wissenschaft von der Bevölkerung den grundlegenden Anspruch, die Techniken des Messens und Rechnens auf menschliche Phänomene anzuwenden.“ Vgl. Ebd. 170.: Erste Nennung im Französischen durch Alfred Velpeaz 1829. Der Begriff obstétrique (Geburtshilfe) wurde in Deutschland früher als in Frankreich verwendet. Vgl. Ebd. 172. Vgl. Ebd.: „So veröffentlichte Joseph Clarke, der Leiter des Gebärhospitals in Dublin, im Jahr 1788 aufgrund des Patientenregisters eine Reihe von Tabellen, in denen die 20117 Geburten, die zwischen 1757 und 1784 in der Entbindungsantalt stattgefunden hatten, nach verschiedenen Kriterien erfasst waren, z.B. Muttersterblichkeit, Totgeborene.“ Vgl. Ebd. 173. Ebd. 174. 16 | 70 4. Analyse – Befürworterinnen und Gegner der natürlichen Geburt 4.1. Optimierer – Die Gynäkologen (Mitte der 70er Jahre) 4.1.1. Die Erfindung der programmierten Geburt Das erste Freiburger Kolloquium fand 1976 unter dem Titel Die programmierte Geburt statt. Diese Betitelung bezog sich auf eine Methode, die eine Steuerung des Geburtsbeginns und -verlaufs mittels medizinischer Techniken vorsah. Im Rahmen des ersten Kolloquiums befassten sich die Teilnehmer mit den Chancen und Risiken dieses Verfahrens. Die Erfindung der programmierten Geburt bewerteten Gynäkologen in den 1970er Jahren als einen Abschluss der Entwicklung von der Haus- zur Klinikgeburt. Bereits Ende der 1960er Jahre hatte sich diese innerhalb der westdeutschen Geburtsmedizin herausgebildet.79 Selbsternanntes Ziel der Gynäkologen war es, mit der neuen Methodik „den für das Kind optimalen Zeitpunkt festzulegen, um dann die Patientin mit einer komplikationslosen Geburt von einem reifen, gesunden Kind zu entbinden.“80 Sie nannten diese auch terminierte Schwangerschaft oder getimte Geburt.81 Zentrale Elemente der modernen Geburtshilfe war die medikamentöse Einleitung oder Verzögerung des Geburtsbeginns, Überwachung der Schwangerschaft und Geburt und Rückgriff auf invasive Entbindungsmethoden (Saugglocke, Zange, Kaiserschnitt). Die ersten Ideen zur programmierten Geburt kamen 1966/67 auf. Kölner Ärzte entwickelten die Terminierung an der dortigen Universitätsfrauenklinik.82 An anderen Frauenkliniken experimentierten Gynäkologen ebenfalls mit dieser Form der Geburtsleitung. „1971 hatten wir [in München] ohne jeden Zwischenfall bereits 127 Schwangerschaften terminiert, d. h. eingeleitet ohne konventionelle Gründe an einem vorher festgelegten Termin in der Hoffnung, den für das Kind optimalen Geburtszeitraum zu treffen, was uns auch in allen Fällen annähernd gelang.“83 79 Die programmierte Geburt ist eine Bezeichnung, die sich unter Gynäkologen Ende der 1960er Jahre entwickelte. Sie war eine Form der Geburtshilfe, deren Schwerpunkt auf einem optimalen biologischen Zustand des Fötus lag. Antrieb war eine möglichst hohe Sicherheit für Mutter und Kind. Die Bezeichnung programmiert beschreibt, dass die zentralen Elemente die Überwachung und Steuerung des Geburtsvorgangs waren. In diesem Sinne hatte sich die Forderung nach umfassender Kontrolle der Schwangerschaft und Geburt entwickelt. Die Möglichkeit den Geburtsbeginn medikamentös hinauszuzögern oder einzuleiten erlaubten es eine Geburt zu steuern. Die programmierte Geburt war bereits Anfang der 70er Jahre Diskussionsgegenstand gynäkologischer Tagungen: 4. Deutscher Kongress für Perinatale Medizin (Berlin 1971); 6. Deutschen Konrgess für Perinatale Medizin (Berlin 1973). Vgl. H. Jung, Definition, Motivation, Entwicklung, in: Die programmierte Geburt. 1. Freiburger Kolloquium, September 1976, Stuttgart 11976, 2–7, 2. 80 H.G. Mutke, Definition, Historisches zur „Programmierten Geburt“, in: Die programmierte Geburt. 1. Freiburger Kolloquium, September 1976, Stuttgart 11976, 8–10, 8. 81 Vgl. Ebd. 9. 82 Vgl. A. Bolte/K.H. Breuker/K.-H. Schlensker, Zur Definition der „Programmierten Geburt“, in: H.-G. Hillemanns/H. Steiner (Hgg.), Die programmierte Geburt. 1. Freiburger Kolloquium, September 1976, Stuttgart 11976, 11, 11.: Die Bezeichnung und Idee einer „Terminierung der Geburt“ entwickelte sich an der Kölner Universitätsfrauenklinik. 83 Mutke, Definition, Historisches zur „Programmierten Geburt“, 8. 17 | 70 Damals befürchteten Kritiker, dass Geburten beliebig eingeleitet würden, ohne Rücksicht auf die Gesundheit des Fötus.84 Fünf Jahre später nannten Gynäkologen diese Befürchtungen unbegründet. „Richtschnur des Handelns kann immer nur der optimale Zeitpunkt für das Kind sein.“85 Der leitende Arzt wähle, so die Befürworter 1976, den Entbindungstermin nicht nach dem Wunsch der Patientinnen, sondern gemäß des optimalen Geburtstermins. Die Tagungsteilnehmer des Freiburger Kolloquiums (1976) werteten die Versuche Ende der sechziger Jahre als verfrüht. Damals hätten die technischen Möglichkeiten und Laborhilfsmittel gefehlt.86 „Die Geburt zum optimalen Zeitpunkt einzuleiten und glücklich zu beenden, stellt unseres Erachtens einen neuen Abschnitt in der Geschichte der Geburtshilfe dar. Der fast vollständige und rasche Übergang von der Hausentbindung zur Klinikgeburt, vom Holzstethoskop zum modernen Kreißsaal findet hier seinen ersten Abschluß [sic!].“87 Gynäkologen hielten eine gelenkte Geburt für eine effektivere, denn sie sorge für eine größere Gesundheit des Kindes. Das Adjektiv glücklich bezieht sich auf den Ausgang der Geburt aus Sicht des Gynäkologen. Die Umstellung auf die klinische Entbindung beschrieben sie als Fortschritt. Gleichzeitig betrachteten sie Holz als vormodernes Material, wovon sie die modernen Kreißsäle abgrenzten. 1976 feierten die leitenden Frauenärzte die programmierte Geburt als Höhepunkt der Geburtsmedizin. Sie hofften, damit dem Ziel einer minimalen statistischen Säuglings- und Müttersterblichkeit näherzukommen. 4.1.2. Der Geburtstermin zwischen Optimum und Beliebigkeit Wichtige Grundlage für die Erfindung der programmierten Geburt waren Methoden zur Bestimmung des Geburtstermins. „[N]ach einem Minimum in der 40. Woche [nimmt] die perinatale Mortalität bei Verkürzung und Verlängerung der Tragezeit [zu].“88 Anhand des prognostizierten Geburtstermins bewerteten Ärzte den Schwangerschaftsverlauf. Abweichungen vom errechneten Termin wurden als Risiko für die Gesundheit des Fötus und der Mutter eingestuft. Die Lösung dieses Problems, dass eine zu kurze und eine zu lange Tragezeit zu erhöhten Risiken für den Fötus führe, sahen Gynäkologen in der medizinischen Steuerung des Geburtsbeginns. Die Berechnung des Geburtstermins war jedoch schwierig.89 84 Vgl. Ebd.: Mutke benannte die Kritiker nicht weiter. Es bleibt daher zu klären, ob es sich um Kritik aus den Reihen der Ärzte handelte oder um Kritik aus der breiten Öffentlichkeit 85 Ebd. 86 Vgl. Ebd. 87 Hillemanns, Vorwort. 88 G. Lamberti, Die programmierte Geburt als Beitrag zur Vermeidung des fetalen Risikos, in: Die programmierte Geburt. 1. Freiburger Kolloquium, September 1976, Stuttgart 11976, 15–17, 15. 89 Vgl. Ebd. 16–17.: „Die programmierte Geburt kann allerdings nur dann den gewünschten Erfolg zeitigen, wenn eine 18 | 70 Nach wem richtete sich der Zeitpunkt der Entbindung? In den Siebzigern bewerteten Gynäkologen Abweichungen vom Geburtstermin als Timing-Störung zwischen Mutter und Fötus.90 Dieser Ansatz ermöglichte die Frage nach dem optimalen Geburtszeitpunkt. „Wenn das Kind reif ist, in optimalem Zustand für die Geburt und die erste Lebensphase, müssen wir entbinden, auch wenn die Portio [, der Muttermund,] steht und rigide ist. Dies hat nie Schwierigkeiten gemacht, dafür gibt es Mittel und Wege dies zu überwinden.“91 Ärzte rückten mehrheitlich den Fötus ins Zentrum der programmierten Geburt. Sie bewerteten den Geburtstermin anhand der Reife des Kindes, sowie der Leistung der Plazenta. Die Gynäkologen diskutierten nicht, inwiefern die Verfassung der Gebärenden zu berücksichtigen sei und zu einer erfolgreichen Geburt beitrage. Die terminierte Geburt markierte einen Bruch. Sichtbare Anzeichen eines Geburtsbeginns verloren ihren Status als notwendige Bedingung.92 Dies hing damit zusammen, dass Ärzte die Spontangeburt als riskant bewerteten. 93 Die Unvorhersehbarkeit des Geburtsbeginns stellte das Krankenhauspersonal vor organisatorische Schwierigkeiten.94 Nach Ansicht vieler Gynäkologen traf der zufällige Geburtsbeginn sowohl die Gebärende als auch das Krankenhauspersonal unverhofft.95 Sie sahen darin eine Ursache für Geburtsschmerzen und fötale Risiken.96 „[Die] Zufälligkeit des Geburtsbeginns und Geburtsablaufs […] überzuführen in einen Geburtsverlauf 90 91 92 93 94 95 96 wesentliche Vorbedingung erfüllt ist, nämlich die Kenntnis der Gastationsdauer, welche exakt nur aus dem Ovulationsbzw. Konzeptionstermin abzuleiten ist. […] Dann und gleichermaßen in Fällen, in denen infolge des Fehlens exakter Angaben eine rechnerische Tragzeitfestlegung nicht möglich ist, sollte es durch Berücksichtigung weiterer Parameter möglich werden, für jedes Kind den optimalen Zeitpunkt seiner Geburt zu bestimmen und einzuhalten.“ Vgl. H.-G. Hillemanns/H. Steiner (Hgg.), Diskussion. II. Indikation - Selektion - Auswahlkriterien, in: Die programmierte Geburt. 1. Freiburger Kolloquium, September 1976, Stuttgart 11976, 24–25, 24.: „Ich habe immer wieder gehört vom Portiobefund, von der Geburtsreife der Mutter usw. Ich glaube ganz sicher, es handelt sich hier um eine biologische Timing-Störung zwischen Mutter und Kind, wenn es um den Termin herum nicht spontan zur Geburt kommt.“ Ebd. Vgl. ebenso Mutke, Definition, Historisches zur „Programmierten Geburt“, 8.: „Sehr schnell haben wir schon 1967/68 gesehen, dass die fehlende Geburtsbereitschaft der Portio zwar [...] die Geburt verlängern kann, jedoch haben wir in extremen Fällen für die Mutter und Kind immer nur komplikationslose Geburten und Vorteile gesehen.“ Vgl. Ebd.: „Terminierte Schwangerschaft oder programmierte Beendigung der Schwangerschaft kann also, da nur das Kind der Zeitgeber sein kann, nur bedeuten, dass ich auch dann, ja gerade dann einleiten muss, wenn die Mutter zu dieser Zeit entweder überhaupt noch keine Zeichen eines spontanen Geburtsbeginns zeigt“. Vgl. H.-G. Hillemanns, Problemstellung, Historisches, Terminologie, in: H.-G. Hillemanns/H. Steiner (Hgg.), Die programmierte Geburt. 1. Freiburger Kolloquium, September 1976, Stuttgart 11976, 1–2, 1.: Als „das große, noch offene geburtshilfliche Problem“ beschrieb Hillemanns in seinem Vorwort „die Gefährdung von Mutter und Kind durch die Geburt in Abhängigkeit von der Zufälligkeit des Geburtsbeginns“. Die normale Geburt, d. h. eine Geburt ohne medizinische Eingriffe, stellte für Gynäkologen ein Problem dar. Je nach Betrachtungsweise beschrieben Ärzte die normale Geburt als spontan oder zufällig. Eine Spontangeburt verstanden Mediziner als ein Vorgang, dem ein natürlicher Mechanismus zugrunde liegt. Diesen Mechanismus hatten Ärzte in den sechziger und siebziger Jahren nicht hinreichend erforscht. Andere Ärzte verneinten einen derartigen Mechanismus. Ihrer Anischt nach setze eine Geburt zufällig, d. h. beliebig ein. Diese Problematik diskutierten Tagungsteilnehmer des Freiburger Kolloquiums. Vgl. H.-G. Hillemanns/H. Steiner (Hgg.), Diskussion. I. Definition - Historisches Terminologie, in: Die programmierte Geburt. 1. Freiburger Kolloquium, September 1976, Stuttgart 11976, 11–12, 11. Vgl. Hillemanns, Problemstellung, Historisches, Terminologie, 1.: Die Variable des Geburtsbeginns stellte die „unvorbereitete Mutter“ und die „nicht vorbereitete oder überlastete Kreißsaal-Organisation und Arzt“ vor Probleme. Vgl. Jung, Definition, Motivation, Entwicklung, 3.: Der spontane Geburtsbeginn führt zur „Schmerzhaftigkeit für die Schwangere“. Vgl. ebenso Mutke, Definition, Historisches zur „Programmierten Geburt“, 9.: „Die programmierte Beendigung der Schwangerschaft bzw. die getimete Geburt ist eben gerade das Einleitenmüssen, auch vor dem 282. Tag, gegebenenfalls im Interesse des Kindes.“ 19 | 70 unter vorgeplanter, sicherer Kontrolle von Mutter und Kind, von Anfang bis zum Ende, ist der Sinn der programmierten Geburt.“97 Die programmierte Geburt stellte eine Reaktion auf die Anforderungen des Klinikbetriebs dar. „Eine Geburt einzuleiten wird immer ein einschneidender Eingriff in natürliche Lebensvorgänge bedeuten.“98 Die Ärzte medikalisierten die Geburtshilfe bewusst. Diese Veränderung begründeten sie damit, dass dies ein präventiver Ansatz sei, der eine Weiterentwicklung darstelle.99 Die Befürworter der programmierten Geburt hielten die Spontangeburt für einen unbefriedigenden Vorgang.100 Angesichts sinkender Geburtenzahlen sahen sie die klinische Geburtshilfe des 20. Jahrhunderts erhöhten Anforderungen ausgesetzt.101 Daher wollten sie die Spontangeburt optimieren. Ziel dieser Entwicklung sollte eine „Verbesserung des geburtshilflichen Leistungsvermögens“102 sein. Zusammenfassend lässt sich sagen: Der Geburtsbeginn sollte planbar und die Geburt steuerbar werden. 103 Im Zentrum der Bestrebungen stand die größtmögliche Gesundheit der Neugeborenen. 104 Die Mutter und deren Geburtsbereitschaft waren hingegen bedeutungslos. Die Gebärende wurde unter der Prämisse des Kindswohls zum Gegenstand der Geburtsmedizin. Gynäkologen legitimierten präventive Eingriffe in den Geburtsvorgang mit der Angst, dass es dem Kind schlecht gehen könnte.105 Dies beschnitt wiederum die Selbstbestimmung der Schwangeren und Gebärenden. Letztlich veränderte die Verlagerung der Geburt in die Klinik die Geburtshilfe. Eine komplikationslose Schwangerschaft und Geburt bemaß sich nicht mehr daran, wie es der Schwangeren, Gebärenden und dem Neugeborenen aktuell ging. Stattdessen wurde der Verlauf mit statistischen Werten abgeglichen. Die Entscheidung über Eingriffe fällten Ärzte auf Grund von Prognosen.106 Die Überwachung des Geburtsvorgangs entwickelte 97 Hillemanns, Problemstellung, Historisches, Terminologie, 1. 98 Hillemanns, Vorwort. 99 Vgl. Hillemanns, Problemstellung, Historisches, Terminologie, 2.: „[Die p]rogrammierte Geburt stellt somit im Gegensatz zur medizinisch-klinischen, also therapeutischen Indikation im wesentlichen eine prophylaktische Indikation dar.“ 100 Vgl. Jung, Definition, Motivation, Entwicklung, 2. 101 Vgl. Ebd. 102 Ebd. 103 Vgl. K. Baumgartner, Die programmierte Geburt als Beitrag zur Vermeidung des mütterlichen Risikos, in: Die programmierte Geburt. 1. Freiburger Kolloquium, September 1976, Stuttgart 11976, 13–14, 13.: „Wir wollen die Gefahr vermindern im Interesse von Mutter und Kind und - das steht zwar nicht im Programm des heutigen Tages, es soll aber offen diskutiert werden - die programmierte Geburt soll auch im Interesse des Geburtshelfers[, des Arztes,] abgewickelt werden.“ 104 Vgl. Jung, Definition, Motivation, Entwicklung, 4.: „So stimmt im allgemeinen der Zeitpunkt der Geburt eines Kindes nur teilweise mit seinem optimalen Reifezustand und auch mit dem optimalen Leistungszustand der Plazenta überein.“ 105 Vgl. Mutke, Definition, Historisches zur „Programmierten Geburt“, 10.: „Dass eine Geburt bei rigider, noch stehender Portio etwas länger dauert […] ist selbstverständlich, wird aber weder der Mutter noch dem Kind schaden, zumal eine solche Geburt wesentlich schneller und komplikationsloser ablaufen wird, als wenn man diesen günstigen Zeitpunkt verpasst und sich dann in diverse Komplikationen hineingewartet hat, um schließlich erst dann einzuleiten, wenn […] erwiesen ist, dass es nunmehr offenbar dem Kind endlich schlecht gehen müsse, was dann zum Handeln zwingt.“ 106 Prognosen beanspruchten, dass sie im Ergebnis am Besten für Mutter und Kind waren. Der Unterschied zur außerklinischen Geburtshilfe bestand in der Betrachtungsweise. Dem Ideal einer Hausgeburt nach, stand die Frau im Mittelpunkt des Geschehens. 20 | 70 sich nach Ansicht der Gynäkologen zu einem Qualitätsgaranten.107 Dies hatte zur Folge, dass Gynäkologen Schwangere stärker als zuvor an sich und die Krankenhäuser banden. Die leitenden Frauenärzte in Westdeutschland hofften 1976, dass die programmierte Geburt zum Standard in der Geburtshilfe werde.108 Um das Ziel fötaler Gesundheit zu erreichen, entwickelten Mediziner umfangreiche Überwachungsmaßnahmen. „Die optimale Voraussetzung für eine komplikationslose Geburt stellt die Überwachung von Mutter und Kind während des gesamten Geburtsablaufs dar. Die vollständige, perinatale Überwachung von Mutter und Kind scheint aber nur bei Einleitung der Geburt zum günstigsten Zeitpunkt und unter besten Voraussetzungen realisierbar zu sein.“109 Hiermit definierten Geburtsmediziner 1976 Voraussetzungen einer komplikationslosen Geburt. In den Fokus rückten sie den Schwangerschaftsverlauf und den Geburtszeitpunkt. Um auf diese Indikatoren zugreifen zu können, überwachten Ärzte und Klinikpersonal Mutter und Kind in der Schwangerschaft und während der Geburt. Angesichts dessen stellt sich die Frage: Führt Überwachung zu einem komplikationslosem Verlauf?110 Bis Ende der sechziger Jahre bestand zwischen Risikoschwangerschaften und Normalschwangerschaften ein Unterschied. Ursprünglich wandten Gynäkologen die programmierte Geburt bei sogenannten Risikoschwangerschaften an. Bei letzteren war es im Verlauf der Schwangerschaft zu Komplikationen gekommen. Die Mütter- und Säuglingssterblichkeit in dieser sogenannten Risikogruppe konnte gesenkt werden.111 Dies führte dazu, dass Gynäkologen in den siebziger Jahren begannen, die programmierte Geburt, die ursprünglich für Risikoschwangerschaften entwickelt wurde, auf alle Geburten auszudehnen. Mit dem Argument, die fötale Gesundheit zu steigern, forderten Geburtsmediziner auch unauffällig verlaufene Schwangerschaften zu überwachen und zu steuern.112 Damit löste sich die programmierte Geburt von einer risikoindizierten 107 Vgl. Bolte/Breuker/Schlensker, Zur Definition der „Programmierten Geburt“, 11.: „Nur von Vorteil für Mutter und Neugeborenes hat sich herausgestellt und wird sich sicherlich auch in Zukunft erweisen, dass die Geburt von der ersten Uteruskontraktion kontinuierlich apparativ überwacht werden kann.“ 108 Vgl. Ebd. 109 Hillemanns, Vorwort. 110 Hierbei handelt es sich um eine medizinische Fragem die hier nicht beantwortet werden kann. Es fällt jedoch auf, dass dies damals nicht diskutiert wurde. Demnach kann gefolgert werden, dass es sich dabei um einen Aspekt einer Prämisse handelte: Überwachung führt zu besseren geburtshilflichen Ergebnissen. 111 Vgl. Hillemanns/Steiner (Hgg.), Diskussion. I. Definition - Historisches - Terminologie, 11.: „Wir kamen bei einem ungünstigeren Kollektiv zu günstigeren Ergebnissen als in dem günstigen Kollektiv, um das wir uns - und das ist wohl die Ursache - seinerzeit weniger gekümmert haben, als um die Risikoschwangerschaften.“ 112 Vgl. Ebd.: „So begannen wir die Intensivkontrolle vor dem Geburtstermin, kamen dann auf die geburtsbereite Portio und die Möglichkeit die Schwangerschaft, und jetzt kommt eben die Synthese, zu individualisieren, den optimalen Geburtstermin und diesen individuellen, optimalen Termin für jede einzelne Patientin dann zu programmieren.“ Hierbei handelt es sich um einen Auszug aus dem Diskussionsprotokoll. 21 | 70 Schwangerschaft.113 Die Gynäkologen, die an sich für die pathologische Geburt zuständig waren, beanspruchten nun jede Geburt zu leiten.114 Eine komplikationslose Schwangerschaft galt nicht mehr als Garant für eine komplikationslose Geburt. Die Hebammen konnten dieser Argumentation nichts entgegenstellen.115 Zu Spontangeburten wurden die, die mit dem Konzept der getimten Geburt nicht in Konflikt gerieten. 116 4.1.3. Die Krankenhausgeburt, ein eigenes Gebärsystem Neben den Gefahren für die physische Gesundheit der Frau und des Kindes, beschrieben die Ärzte die Geburtssituation als Belastung für Mutter, Kind und Geburtshelfer.117 Für die werdenden Eltern sorgte das Warten auf die Geburt für psychische Anspannung.118 Ärzte empfanden die Dauerbereitschaft als Belastung und sahen darin die Ursache für die meisten Behandlungsfehler.119 „Ich glaube, aus der Diskussion ist hervorgegangen, daß [sic!] wir mit der programmierten Geburt nicht bessere Resultate erwarten wollen, ja wir können durchaus zufrieden sein, wenn wir gleich gute Resultate bekommen wie bei einer optimal geleiteten Spontangeburt. Zusätzlich aber können wir dann alle Vorteile genießen, für Mutter, für Kind, für den Geburtshelfer und für die Organisation. Darauf hat ja Herr Hillemanns in sehr schöner Weise hingewiesen. Ich glaube, es gibt keine bessere Art, eine programmierte Geburt zu rechtfertigen als diese Ausführungen, die mit den Alltagsproblemen zusammenhängen.“120 Die Teilnehmer des ersten Kolloquiums folgerten, dass eine Spontangeburt nicht mit den Voraussetzungen des Klinikbetriebs vereinbar war.121 Sie entwickelten die Krankenhausgeburt 113 Vgl. Jung, Definition, Motivation, Entwicklung, 5. 114 Grundsätzlich besteht zwischen Hebammen und Gynäkologen bzw. Gynäkologinnen die Aufgabenteilung, dass Hebammen für die unauffällig Geburt und die Gynäkologen für die pathologische Geburt zuständig sind. Vgl. J. Zander, Die Hebamme. Ihr Berufsbild und ihre Tätigkeit aus der Sicht eines Arztes, in: Dtsch. Hebammen-Z. 29 (1977), 232– 234, 233. 115 Dies wird sich in der Analyse der Deutschen Hebammen-Zeitschrift zeigen. 116 Vgl. Mutke, Definition, Historisches zur „Programmierten Geburt“, 9.: „[Nur] dann handelt es sich um einen Normalfall wie es sein sollte, und man kann ohne weiteres eine natürliche Spontangeburt abwarten.“ 117 Vgl. Baumgartner, Die programmierte Geburt als Beitrag zur Vermeidung des mütterlichen Risikos, 14.: „Die unvorbereitete Geburt […] stellt eine enorme Belastung für die Mutter und für die ganze Familie dar. Das Warten auf die Niederkunft, das Ausbleiben der erwarteten Niederkunft sind ein großes psychisches und soziales Problem. Dieser Punkt berechtigt uns allein, eine Geburt zu programmieren.“ 118 Vgl. Ebd.: „Das Ausbleiben der Geburt am errechneten oder erwarteten Termin führt zu den Komplikationen, [...] also wieder zu Belastungen für die Mutter.“ 119 Vgl. Ebd. 9.: „Ich darf noch etwas Unbequemes zur Diskussion stellen: Der Geburtshelfer arbeitet rund um die Uhr, von 0.00 bis 0.00. Warum soll nicht offen ausgesprochen werden, daß [sic!] auch der Geburtshelfer, der Frauen und Kindern ein Leben lang seine immer größere Erfahrung zuteil werden läßt [sic!], nicht auch ein gesundes und vernünftiges Alter erreichen soll? Warum soll man ihm also nicht auch die Möglichkeit geben, sich zu schonen? Warum soll also die programmierte Geburt nur im Interesse von Mutter und Kind, und nicht auch im Interesse des Geburtshelfers durchgeführt werden?“ 120 Hillemanns/Steiner (Hgg.), Diskussion. II. Indikation - Selektion - Auswahlkriterien, 24. 121 Vgl. H.-G. Hillemanns, Auswahlkriterien: Organisation der Geburtshilfe als Indikation, in: Die programmierte Geburt. 1. Freiburger Kolloquium, September 1976, Stuttgart 11976, 19–21, 20.: „Bei klassischer Geburtshilfe, d.h. unvorhersehbarer Spontangeburt, muss dies während der Sprechstundenzeit, zwischen und während der Operationen, überraschend während der notwendigen Freizeit, während der Arzt unterwegs ist und oft nachts bewältigt werden. Diese 22 | 70 als neues Gebärsystem. Zur Legitimation verwiesen sie auf den Zusammenhang zwischen klinischer Organisation und geburtshilflichen Ergebnissen.122 Auffällig ist, dass Hebammen auf dem Freiburger Kolloquiums keine Beachtung fanden. Schilderungen der Kreißsaalarbeit waren ärztezentriert. Zudem grenzte sich die Geburtsmedizin von der außerklinischen Geburtshilfe ab. In seinem Fazit verwies der Freiburger Chefarzt Hillemanns auf die selbständigen Hebammen. Er beschrieb sie als die unerfahrenen Hände.123 Seines Erachtens trugen sie Mitschuld an schlechten Statistiken. Als Lösung geburtshilflicher Probleme wurde auf dem ersten Freiburger Kolloquium die programmierte Geburt präsentiert.124 Das Credo der Geburtsmediziner lautete: „Todesfälle treten praktisch nur durch außerhalb schlecht vorbereitete, mangelhaft überwachte, sekundär in die Klinik eingelieferte Gebärende auf.“125 4.1.4. Zwischenfazit Das erste Freiburger Kolloquium belegt, dass Geburtsmediziner die Geburtshilfe bis Mitte der Siebziger an klinische Herausforderungen angepasst haben. Die bis dato herkömmliche Spontangeburt, mit einem zufälligen Geburtsbeginn, stellte für das Kreißsaalpersonal ein organisatorisches Problem dar. Gynäkologen entwickelten mittels Risikobewertungen in Form von prognostischen Verfahren eine präventive Geburtsmedizin. Statistiken zur Säuglings- und Müttersterblichkeit galten als Gradmesser für die klinische Geburtshilfe. Durch die programmierte Geburt passten Mediziner die Schwangerschaft und Geburt an den Krankenhausbetrieb an. Im Zentrum dieser modernen Geburtshilfe stand der Fötus. Die 122 123 124 125 seit je geübte Dauerbereitschaft des einen Geburtshelfers kann physisch und psychisch fast unerträglich sein und von hohem Risiko für Mutter und Kind.“ Vgl. Hillemanns/Steiner (Hgg.), Diskussion. II. Indikation - Selektion - Auswahlkriterien, 24.: „Es sind im wesentlichen die organisatorischen Gründe. Dabei will ich zugeben, daß [sic!] auch organisatorische Gründe zu besseren maternalen und fetalen Ergebnissen führen. […] Summa summarum: Natürlich sollten wir nach Gründen suchen und nach fetalen und nach maternalen Parametern. Aber im Augenblick steht meiner Meinung nach ganz im Vordergrund die organisatorische Indikation. Das ist absolut legitim.“ Vgl. H.-G. Hillemanns/H. Steiner (Hgg.), Abschließende Diskussion (Rundtischgespräch), in: Die programmierte Geburt. 1. Freiburger Kolloquium, September 1976, Stuttgart 11976, 131–139, 131.: „Unser Freiburger Symposium zeigt im Vergleich zu 1958 und 1965 den entscheidenden Fortschritt der Geburtshilfe allgemein und speziell auf dem Gebiet der induzierten Geburt. Dies betrifft vor allem die Reifegradvorhersage (Ultraschall), die Geburtsreifebestimmung (Pelvic-Score), die pharmakologische Weheninduktion (Quantifizierung der Oxytocin-Prostaglandin-Dosierung) und die Überwachung sub partu (kontinuierliche Kardiotokografie). […] Daß [sic!] in unerfahrener Hand sofort schlechte Ergebnisse resultieren können, bei Nichtbeachtung der Vorbedingungen oder mangelhafter apparativer Ausstattung, wurde von allen betont.“ Vgl. H.-G. Hillemanns, Schlusszusammenfassung, in: Die programmierte Geburt. 1. Freiburger Kolloquium, September 1976, Stuttgart 11976, 139–141, 140.: „Das Freiburger Symposium zeigt eindrucksvoll die erzielten großen Erfolge, die klar abgegrenzten Vorbedingungen, die sicheren Methoden zur Einleitung und zur Überwachung: Ausdruck des enormen Fortschritts moderner Geburtsmedizin in den jüngsten Jahren, so daß [sic!] mit optimalen Ergebnissen gerechnet werden darf. […] Eine sorgfältig geplante, programmierte Klinikentbindung mit selektiver Geburtseinleitung wird mehr und mehr zum Standardvorgehen der Geburtshilfe gehören.“ Ebd. 23 | 70 Schwangere und Gebärende wurde zweitrangig. Die teilnehmenden Ärzte des Freiburger Kolloquiums waren sich über den Eingriff der programmierten Geburt in den bis dahin spontanen Geburtsverlauf bewusst. In ihrer Einschätzung überwogen jedoch organisatorische Vorteile. 24 | 70 4.2. Antreiberinnen – Frauen aus den neuen Frauenbewegungen 4.2.1. Die neuen Frauenbewegungen Ende der sechziger 1960er Jahre formierten sich in Westdeutschland neue Frauenbewegungen. Ausgangspunkt für diese Entwicklung waren Studentinnen- und Jugendbewegungen, die sich im Sozialistischen Studentenverband (SDS) organisierten.126 1967 gründete sich innerhalb des SDS der Aktionsrat zur Befreiung der Frauen. Daraus gingen die vielfältigen Frauenbewegungen hervor. Der Leitsatz der Bewegungen lautete: Das Private ist Politisch.127 „Frauen wussten um 1960 wenig über ihren eigenen Körper und ihre Sexualität. Die weiblichen Sexualorgane waren schambesetzt, den Frauen unbekannt und galten als potentiell gefährlich und unrein. […] Für heutige Studentinnen und Studenten ist Körperwissen über Vagina und Klitoris selbstverständlich“128. Sexualität war ein Kernthema der neuen Frauenbewegungen. Innerhalb weniger Jahre veränderten sich der Bezug, die Wahrnehmung und das Wissen über die eigene Sexualität und den eigenen Körper in der Bundesrepublik drastisch. Die Soziologin Ilse Lenz unterteilt die Entwicklung der neuen Frauenbewegungen, in Bezug auf den Forschungszeitraum dieser Arbeit, in zwei Phasen. Die Jahre von 1976 bis 1980 benennt sie als die Etappe der Pluralisierung und Konsolidierung.129 In Bezug auf den Diskussionsgegenstand der Sexualität begannen die Aktivistinnen zwischen Sexualität, Reproduktion und Gesundheit zu unterscheiden.130 Der Kampf für einen straflosen Schwangerschaftsabbruch (§ 218) war in den siebziger Jahren eine Triebfeder politischer Initiativen. 131 Den Zeitraum von 1980 bis 1989 beschreibt Lenz als Phase der Professionalisierung und institutionellen Integration.132 Etablierte Institutionen nahmen Themen aus den Frauenbewegungen auf. Gleichzeitig professionalisierten sich Frauenfragen in dem Bereich der Gleichstellung. Welche Rolle nahmen Mütter in den neuen Frauenbewegungen ein? Frauen mit Kindern zählten zu den Mitbegründerinnen der neuen Frauenbewegungen. Früh kritisierten sie die 126 Kriegsheimkehrer gründeten den Sozialistischen Studentenverband SDS 1946 in Hamburg. In den 1960er Jahren entwickelte sich dieser zu einem Netzwerk der westdeutschen StudentInnenbewegung. Leitbild des Verbands war ein freiheitlicher Sozialismus, eine freie Entfaltung der Persönlichkeit und ein demokratischer Neuaufbau. Vgl. Lenz (Hg.), Die neue Frauenbewegung in Deutschland, 48. 127 Das Private ist Politisch, dies war ein politisches Leitmotiv und eine Aufforderung an alle Frauen sich für die Emanzipation einzusetzen. Vgl. Ebd. 48–51. 128 Ebd. 99. 129 Vgl. Ebd. 28–30. 130 Vgl. Ebd. 101. 131 Vgl. Ebd. 106. 132 Vgl. Ebd. 32–33. 25 | 70 klassische Rollenverteilung im Sinne eines sozialistischen Feminismus.133 Die Gleichberechtigung von Mann und Frau sollte sich in den Rollen und Aufgaben widerspiegeln. Um ihren politischen Zielen Gewicht zu verleihen, machten Mütter auf ihre Hausarbeit aufmerksam. Durch Aufklärung und Kritik wollten sie eine gesellschaftliche Veränderung erreichen.134 4.2.2. Kritik an der klinischen Geburtshilfe Mitte der Siebziger Jahre diskutierten Frauen die Themen Reproduktion, Schwangerschaft und Mutterschaft. Die Redaktion der Courage widmete die vierte Ausgabe 1976 dem Thema: Wie Frauen Kinder bekommen. Die Autorin Traute Siebert beleuchtet die Klinikentbindung in zwei Artikeln aus verschiedenen Blickrichtungen. Beide Male nähert sie sich ihrem Diskussionsgegenstand mittels eines Interviews. Die erste Interviewpartnerin war eine Mutter, die zweite eine Hebamme in einem Krankenhaus. Das Format Interview bot einen Zugang zum persönlichen Bereich der Frauen. Die Leserschaft erhielt Einblicke in die Erlebniswelt der Interviewten. „Wer es selbst noch nicht erlebt hat, glaubt vielleicht: Kinderkriegen im Krankenhaus mache es den Frauen leichter. […] Die Praxis ist aber anders.“ 135 Die Redaktion bettete das Titelthema in eine Kritik der klinischen Geburtshilfe ein. Die Geburten, die ab den Sechzigern in Krankenhäusern stattfanden, waren hoch technisiert. Die Zahl der Hausgeburten war gleichzeitig sehr gering. Aus den Frauenbewegungen wurde Mitte der Siebziger Kritik an der klinischen Geburtshilfe laut. In der Frauenzeitschrift Courage wurde die Klinikentbindung nachfolgend problematisiert. „Dann kamen wir da an [im Krankenhaus], dann wurden erst die Formalitäten erledigt, so Papierkram und dann wurde mein Freund erst mal ausgesperrt, weil man mich in einen Raum führte und mich vorbereitete. Einlauf, Haare abrasieren...“136 Frauen berichteten von ihren Erfahrungen in der Vorsorge, bei der Geburt und im Wochenbett. Die beschriebenen Formalitäten sorgten nicht für Entspannung und Beruhigung. „Das habe ich auch hinterher festgestellt, als ich da lag, daß [sic!] Krankenhausatmosphäre einem den letzten Mut nimmt.“ 137 Die Schwangere war im 133 Vgl. Ebd. 106.: In den neuen Frauenbewegungen bildeten sich zwei Strömungen heraus, der sozialistische und der antipatriarchale Feminismus. Im sozialistischen Feminismus beschäftigten sich Frauen mit dem weiblichen Körper. Durch Wissen sollte die Selbstbestimmung der Frauen gestärkt werden. Im antipatriarchalen Feminismus kritisierten Frauen darüber hinaus die patriarchale Gesellschaft und Formen männliche Sexualität. Ein grundlegendes Phänomen war, dass Frauen zur Selbsthilfe mittels Selbstuntersuchungen griffen. Nachdem in den siebziger Jahren Sexualität von zentraler Bedeutung war, wurde in den Achtzigern Gesundheit zum Schlüsselthema der neuen Frauenbewegungen. 134 Vgl. Ebd. 50–51. 135 Courage (Hg.), Wie Frauen Kinder bekommen, 3. 136 Siebert, Meine Entbindung in der Klinik. Ein Interview mit Gerlinde T., 4. 137 Ebd. 26 | 70 Krankenhaus angekommen, doch empfand sie dieses nicht als geschützten Raum. Das Klinikpersonal schloss den Partner aus. Die Schwangere wurde präpariert und als Patientin gekleidet. Trotz Nachfragen wusste sie nicht, was mit ihnen warum getan wurde. „Die haben so getan, als wäre es obligatorisch.“138 Die Ärzte und Hebammen klärten die Gebärenden teils wenig, teils überhaupt nicht auf. „Den Wehentropf empfinde ich wie eine Einwirkung von außen, eine Form von Gewaltanwendung, meinem eigenen Wehenrhythmus entfremdet.“ 139 Medizinische Maßnahmen wurden ohne Einverständnis der Frau vorgenommen. Die Frau beschrieb dieses Vorgehen als Gewalt.140 Die Geburtsmedizin der 1970er Jahre geriet deshalb in die Kritik. „Da wird man erst mal so richtig in eine Ohnmacht getrieben. Sofort erst mal die Sachen alle ausziehen, dann kriegt man einen weißen Kittel an und dann fühlt man sich schon mal totkrank“141. Die Betreuung im Krankenhaus suggerierte Frauen, dass sie als Schwangere Patientinnen seien und Schwangerschaft an sich eine Krankheit. „Da war total das Rampenlicht ausgefahren. [...] Ich konnte überhaupt nicht mehr pressen.“ 142 Frauen beschrieben die Gestaltung der Kreißsäle als grell, kühl und steril. Sie empfanden den Raum als überhitzt, das Bett als unbequem und die technischen Apparate um und an ihnen als störend.143 „Fühle mich alleine in dem weißgekachelten Raum mit Neonlicht und blinkenden Rohren überall.“144 Etwas, was in dieser fremden und einschüchternden Umgebung Geborgenheit geben hätte, wäre die Anwesenheit des Partners gewesen. „Ich fand es gut, dass ich jemanden hatte, den ich schicken konnte.“ 145 Frauen, deren Partner anwesend sein durfte, empfanden dessen Gegenwart als positiv. Sie schätzten, dass dieser durchgehend an ihrer Seite sein und sie bei Bedarf unterstützen konnte. Problematisch war das hierarchische Betreuungsverhältnis zwischen Klinikpersonal und Gebärender.146 Dies schlug sich in der Kommunikation nieder. „[D]ie ersten Minuten habe ich noch gefragt, was sie da so machen und nachdem ich drei patzige Antworten gekriegt habe, irgendwie fühlt man sich immer ohnmächtiger.“147 Frauen schilderten, dass sie mit ihren Fragen nicht ernst genommen wurden. Entsprechendes schilderte die Berlinerin Clara Distel 138 Ebd. 139 Majer, Lauras Geburt, 43. 140 Gewalt gegen Frauen war wiederum einer Mobilisatoren der Frauenbewegungen. Vgl. Lenz (Hg.), Die neue Frauenbewegung in Deutschland, 283. Zur Begriffsbestimmung vgl. Duden. Der Deutschen Rechtschreibung: Art. „Gewalt“. URL: http://www.duden.de/rechtschreibung/Gewalt (18.11.2015): Gewalt wird hier im Sinne einer physischen und psychischen Kraft verstanden, die auf jemanden rücksichtslos angewendet wird, um etwas Bestimmtes zu erreichen. 141 Siebert, Meine Entbindung in der Klinik. Ein Interview mit Gerlinde T., 4. 142 Ebd. 6. 143 Vgl. Majer, Lauras Geburt, 43. 144 Ebd. 145 Siebert, Meine Entbindung in der Klinik. Ein Interview mit Gerlinde T., 5. 146 Zum Klinikpersonal zählten Gynäkologen, Hebammen und Krankenpfleger. 147 Siebert, Meine Entbindung in der Klinik. Ein Interview mit Gerlinde T. 27 | 70 1977 von der Geburt ihres Kindes: „Schon die erste Untersuchung verlief […] unfreundlich. Es war sehr voll, ich wartete über zwei Stunden und als ich schließlich an die Reihe kam, empfing mich der Arzt mit den Worten: 'Schnell, schnell, ich habe keine Zeit!'“ 148 Distel betonte den rauen Umgang des Gynäkologen, der Hebammen und der Krankenschwestern. „Ein Drachen von Schwester stieß die Tür auf und schrie: 'Aufstehen, zum Tisch setzen, ich werde die Betten machen.' […] Und so ging es die ganzen fünf Tage. Es wurden nur Befehle ausgegeben, alles mußte [sic!] schnell gehen und man sollte 'doch nicht immer so tun!“ 149 Insgesamt beschrieb sie die Betreuung als wenig einfühlsam. Frauen missbilligten die klinische Geburtshilfe in den Artikeln der Courage zwischen 1976 und 1979 auf vielfältige Weise. Sie empfanden die Krankenhäuser, das Personal, die technischen Geräte und die Arbeitsweise als unpersönlich und hektisch. „So wird die Geburt für viele Frauen zu einem traumatischen Erlebnis. Sie sind dankbar für die Medikamente, die ihnen die Schmerzen nehmen, aber gleichzeitig auch die Chance, ihr Kind aktiv zu gebären.“150 Die Gebärenden wurden in die Rolle einer Patientin gedrängt. 151 Die Frauen hatten Angst und waren unentspannt. Die klinische Geburtshilfe der Siebziger wurde als Teufelskreis geschildert. Gebärende mussten sich aktiv gegen invasive Maßnahmen, wie einen Dammschnitt, frühes Abnabeln des Kindes oder die Verwendung eines Wehenmittels, wehren. Selbstbestimmung wurde erschwert. Dennoch nahmen Frauen die Geburt teilweise positiv wahr. Ende 1977 begannen sich die Erfahrungsberichte junger Mütter zu verändern. Bis dahin stand die Kritik an der klinischen Geburtshilfe im Mittelpunkt. „Für mich ist [die Geburt] vorrangig Arbeit, deren Mühsal sich dadurch lindert, dass ich produktiv daran beteiligt bin, unentfremdet sozusagen. Arbeit, die den ganzen Körper einspannt und sich nicht auf genitales Lustempfinden eingrenzen lässt.“152. Zunehmend stellten sich Frauen die Frage: Welchen Einfluss hatte eine Geburt auf mein Frausein? Frühere Autorinnen forderten mehr Möglichkeiten zur Selbstbestimmung.153 „Und du selber bist es, die das Ereignis schafft, dein Körper, deine Gedanken, deine Gefühle. Ein schöpferischer Akt, die Erfahrung einer Kreativität.“154 Mütter wie diese beschrieben das 148 149 150 151 C. Distel, Dokumentation: Geburt, in: Courage Berl. Frauenzeitschrift 2 (1977), 45. Ebd. F. Lippens, Die sanfte Geburt, in: Courage Aktuelle Frauenzeitschrift 4 (1979), 46–47, 47. Dieser Ansicht waren Frauen damals. Sie bewerteten die Patientenrolle der Kreißenden als Versuch der Gynäkologen die Gebärenden unwissend und klein zu halten. Vgl. dazu Ebd. 152 Majer, Lauras Geburt, 42. 153 Das Interview mit Gerlinde T. und der Erfahrungsbericht von Clara Distel gaben Erlebtes wieder, doch behandelten die eigene Geburt nicht als Erlebnis. Vgl. Siebert, Meine Entbindung in der Klinik. Ein Interview mit Gerlinde T. Vgl. ebenso Distel, Dokumentation: Geburt. 154 Majer, Lauras Geburt, 45. 28 | 70 Gebären als Erlebnis. Ab 1980 erscheinen in der Courage keine Erfahrungsberichte mehr. Stattdessen wird, im Zusammenhang mit der Geburtshilfe, von politischen Aktionen berichtet (Gebärstreik), alternativer Klinikentbindung (Der wilde Kreißsaal) und vom Hebammen-Ärzte-Verhältnis (Nur noch die Krägen der weißen Medizinmänner blitzen).155 4.2.3. Hausgeburt – ideale oder idealisierte Alternative? Inwiefern sahen Frauen in der Hausgeburt eine Alternative zur Klinikentbindung? „Wir wehren uns dagegen, dass wir Objekte für die Hände von Technikern sind. Geburt ist kein medizinischer Fall, der nur mit Hilfe von Ärzten, Medikamenten und Apparaturen zu überstehen ist. Wir wollen die Verantwortung für die Geburt wieder in unsere Hand nehmen, um sie als positives, befriedigendes, in Einklang mit unserem Körper stehendes Ereignis bewusst erleben zu können. Wir wollen unseren Kindern einen liebevollen, sanften Empfang bereiten.“156 In der Courage wurde die Hausgeburt als eine direkte und sofort umsetzbare Alternative betrachtet. Partner und Freunde der Schwangeren konnten bei der Geburt problemlos dabei sein. Bei einer Klinikentbindung hingegen gab das Klinikpersonal den Verlauf vor. So musste zum Beispiel in Rückenlage geboren werden. Dies war für Ärzte und Hebammen von Vorteil. Für die Frauen erschwerte dies die Geburt, da die Schwerkraft nicht unterstützend genutzt werden konnte. „Das Geburtserlebnis wird zu einer technischen […] Angelegenheit degradiert. Wir Frauen und unsere Kinder werden zu Versuchskaninchen des medizinischen Fortschritts. Die falsche Vorstellung von der Notwendigkeit dieser medizinischen Hilfeleistung spukt jedoch nicht nur in den Köpfen von Ärzten, auch viele Frauen erscheinen sie gut und erstrebenswert. Da sie ungenügend und einseitig informiert sind und häufig Angst vor der Geburt haben, vertrauen sie darauf, dass in der Klinik schon das Beste für sie getan wird.“157 Kritikerinnen und Kritiker sahen daher in der klinischen Geburtshilfe die ökonomischen Prinzipien von Planbarkeit und Akkord verwirklicht.158 Den Vorteil einer Hausgeburt sahen Befürwortende in den größeren Gestaltungsmöglichkeiten. Zudem fand die Geburt in einer vertrauten Umgebung statt. Die Schwangere war nicht Gast und nicht Patientin, sondern Gastgeberin und zentrale Akteurin. Befürworterinnen und Befürworter hofften, dass eine Geburt Zuhause zu einem positiven Erlebnis werden würde. Mehr Gestaltungsmöglichkeiten 155 Vgl. C. Haße, Gebärstreik. Träumen wir einmal, dass zwei Jahre keine Kinder geboren werden, in: Courage Aktuelle Frauenzeitschrift 5 (1980), 6–9. Vgl. H. Beittel, Der wilde Kreißsaal, in: Courage Aktuelle Frauenzeitschrift 5 (1980), 43–46. Vgl. E.-M. Epple, Nur noch die Kragen der weißen Medizinmänner blitzen. Der Berufsstand der Hebammen wird aufgelöst, in: Courage Wöch. 9 (1984), 8–10. 156 T. Berlin/B. Straeten, Hausgeburt - eine Alternative?, in: Courage Berl. Frauenzeitschrift 2 (1977), 30–32, 31. 157 Ebd. 158 Vgl. Ebd. 30–31. 29 | 70 waren gleichbedeutend damit, dass die Frau bewusst gebären konnte. Sie konnte zum Beispiel ihre Gebärstellung frei wählen oder auf einen Dammschnitt verzichten. Die Hypothese der Befürwortenden lautete: Eine natürliche Geburt ist gesund und macht glücklich. Ende der 1970er Jahre fehlte es an Informationen über Hausgeburten. Wenige Hebammen arbeiteten freiberuflich und Hausgeburten wurden schlecht bezahlt.159 Die meisten Gynäkologen sahen in der Hausgeburt eine antiquierte und gefährliche Form der Geburtshilfe. Vielen Frauen rieten sie davon ab. Ebenso setzten sich Frauen differenziert mit der Hausgeburtshilfe auseinander. In der Mai-Ausgabe der Courage von 1977 kritisierte eine Leserin die Hausgeburt. Sie selbst hatte im Krankenhaus entbunden. Während der Geburt traten Komplikationen auf, die nicht vorhergesehen werden konnten.160 Die Unvorhersehbarkeit von Komplikationen sollte sich zum Hauptargument gegen Hausgeburten entwickeln und diese als Alternative disqualifizieren. „Mutter und Kind [müssen] dort wie Menschen und nicht wie Fließbandmaterial behandelt werden.“ 161 Parallel sollten vergleichbare Beurteilungen der klinischen Geburtshilfe zu einer Neuausrichtung derselben führen. 4.2.4. Natürlichkeit und Sicherheit? Kritikerinnen aus den Frauenbewegungen beanstandeten die klinische Geburtshilfe und forderten eine natürliche Geburt. Bei einer natürlichen Geburt sollte auf überflüssige medizinische Eingriffen verzichtet werden.162 Insgesamt lässt sich darlegen, dass in den Kontroversen Ende der 1970er gehäuft Wiedersprüche auftraten. Parallel zur Zurückweisung medizinischer Eingriffe forderten Frauen zunehmend technische Maßnahmen bewusst ein. „Die Hebamme ebenso wie der Arzt sind nicht imstande, die genaue Lage des Kindes zu bestimmen. […] Eine Ultraschalluntersuchung hatte am Morgen der Aufnahme nicht stattgefunden. (Diese Untersuchung gehört noch nicht zur Routinevorbereitung, deshalb sollten Frauen ausdrücklich darauf bestehen.)“163 In dieser Textstelle wird dem Klinikpersonal Unfähigkeit vorgeworfen. Statt den 159 Vgl. Ebd. 32.: Der Unterschied in der Bezahlung betrug 264DM für eine Hausgeburt, statt 1500-2000DM der Pflegekassen für eine Krankenhausgeburt. 160 Vgl. H. Kerwin, Alternative Hausgeburt, in: Courage Berl. Frauenzeitschrift 2 (1977), 58, 58. 161 Ebd. 162 Vgl. K. Petersen, „Wir bemühen uns, die Geburten in die offiziellen Dienstzeiten zu legen!“ Kindesmißbildung durch ärztliche Fehler in der Frauenklinik Dortmund, in: Courage Aktuelle Frauenzeitschrift 4 (1979), 4–5, 4–5.: „[Eine Schwangere] hat sich durch Gymnastik und Schwangerschaftskurse auf ihre erste Geburt vorbereitet und bei der Aufnahme [im Krankenhaus] darum gebeten, möglichst keine schmerzstillenden Medikamente zu bekommen, um einen annähernd natürlichen Verlauf der Geburt zu erreichen“ Im Widerspruch zu diesem Zitat wurde die Geburt eingeleitet. Zudem verabreichte der Arzt schmerzstillende Medikamente, als die Schmerzen für die Schwangere unerträglich wurden. 163 Ebd. 5. 30 | 70 Krankenhausbetrieb allgemein in Frage zu stellen fordert die Autorin, dass eine Ultraschalluntersuchung hätte gemacht werden müssen. Sie appelliert an die Schwangeren, derartige Leistungen einzufordern. Es lässt sich festhalten, dass Ende der Siebziger in der Courage die Frage gestellt wurde: Wie geht man mit Geburtsrisiken um? Diskrepanzen taten sich zwischen dem Bedürfnis nach Sicherheit für Mutter und Kind und dem Wunsch nach einer selbstbestimmten Geburt auf. Angesichts dieses Grundproblems suchten Autorinnen zu Beginn der 1980er Jahre die Lösung in alternativen Formen der klinischen Entbindung. Diesbezüglich berichtet eine Autorin von der Geburtshilfeabteilung eines Krankenhauses in Pithiviers, Frankreich. Die Geburtsstation leitete der Gynäkologe Michel Odent. „Eine Geburt ohne Gewalt ist eine Geburt, bei der die Frau im Mittelpunkt steht, ihr Bewegungsraum nicht durch Apparate oder Verhaltensmaßregeln eingeengt ist, bei der der physiologische Rhythmus den Verlauf der Geburt bestimmt, bei der die Frau ermutigt wird, Vertrauen in ihren Körper zu haben und seinem Rhythmus zu folgen, bei der Emotionen - Schmerz wie Freude - nicht unterdrückt werden.“164 Charakteristisch war, wie das Klinikpersonal die Geburtshilfe auffasste. Sie verkörperten einen Gegenentwurf zur gängigen Geburtshilfe der 1970er Jahre.165 „Entspannung und Schmerzlinderung werden nicht durch Medikamente, sondern durch menschliche Zuwendung bewirkt, die das Vertrauen der Frau stärkt, ihr Mut macht.“ 166 Der Einsatz von Medikamenten zur Regulierung der Wehentätigkeit und die Verminderung von Schmerzen mittels Anästhesie waren minimal. Gleichzeitig kam das geburtshilfliche Team mit einem geringen Anteil an Kaiserschnitten aus. Die Kaiserschnittrate entwickelte sich zum Indikator einer alternativen Geburtsmedizin. Der alternative Ansatz spiegelte sich auch in der Gestaltung der Entbindungsräume wieder. Es gab einen sogenannten wilden Kreißsaal. 167 Damit sollte innerhalb der Klinik die Mitbestimmung der Gebärenden einen klar definierten Raum erhalten.168 „Die Frau und ihre Arbeit stand ganz im Mittelpunkt, alle anderen im Raum folgten dem Rhythmus der Geburt, warteten, aber bereit, im Notfall helfend einzugreifen.“169 Trotz der Betonung des Rhythmus der Frau spielte hier Sicherheit eine Rolle. Ab Ende der 1970er Jahre entwickelten sich in der Courage Ansätze einer natürlichen Geburt im Krankenhaus. Zeitgleich wurde ein sogenannter feministischer Spiritualismus diskutiert.170 164 Beittel, Der wilde Kreißsaal, 46. 165 Es lässt sich vermuten, dass diese Geburtshilfe auch in Frankreich eine Ausnahme war. Dort liefen Geburten allgemein ähnlich wie in Deutschland ab. 166 Beittel, Der wilde Kreißsaal, 44. 167 Vgl. Ebd. 45.: „Ein warmer, ruhiger Raum von etwa 20 Quadratmetern, durch die halbgeschlossenen Vorhänge drang gedämpftes Licht. […] Links neben der Tür ein Gebärstuhl aus Holz - einfach und funktional [...] - sonst kein medizinisches Gerät, kein chromblitzender Entbindungstisch mit den unbequemen Beinstützen.“ 168 In Pithiviers waren nicht alle Kreißsäle sog. wilde, die Frauen konnten zwischen gewöhnlichen und wilden wählen. 169 Beittel, Der wilde Kreißsaal, 45. 170 Das Leitthema der Juni-Ausgabe von 1979 lautete: Magische Zeiten. In den beiden darauf folgenden Ausgaben veröffentlichte die Redaktion sechs Leserinnenbriefe. 31 | 70 Diese Bewegung setzte sich mit okkulten Praktiken und esoterischen Inhalten auseinander. 171 Aktivistinnen selbst unterschieden zwischen Spiritualistinnen und politischen Feministinnen. Diese Gruppierungen schlossen sich nicht aus. Welche Bedeutung hatte diese Bewegung für den Diskurs um Geburtshilfe? Die Kontroverse um den feministischen Spiritualismus endete in Westdeutschland mit dessen mehrheitlicher Ablehnung.172 Diese kumulierte mit der zunehmenden Disqualifizierung der außerklinischen Geburtshilfe in der Frauenbewegung. „Der entscheidende Fehler in der Argumentation von Spiritualistinnen besteht wohl darin, dass spirituelle Energie als solche kein Gegengewicht gegen Gewalt ist.“ 173 Grundsätzlich hielten politische Feministinnen Spiritualistinnen für rückwärtsgewandt. Sie fürchteten, dass der feministische Spiritualismus die Frauenbewegung in die Irre führt. 174 Unter den Spiritualistinnen gab es Frauen, die gegen politische Aktionen waren. Frauen sollten mittels ihrer übersinnlichen Fähigkeiten dem Männlichen die Kraft entziehen und die Welt verändern.175 Der feministische Spiritualismus wurde in der Frauenbewegung kontrovers diskutiert.176 Die Vorstellung, die weibliche Kraft könne die Welt auf spirituellem Weg verändern, vertraten wenige Frauen. Jedoch hielten dies einige für einen möglichen Zugang zu sich selbst.177 4.2.5. Zwischenfazit Die ersten Kritikerinnen der klinischen Geburtshilfe waren Frauen, die in den Sechzigern oder Siebzigern Kinder bekommen hatten. Nach dem Motto, das Private ist Politisch, machten sie in ihren Erfahrungsberichten auf ihre Erlebnisse aufmerksam. Sie empfanden die technische Geburtshilfe als eine Form von Gewalt und forderten mehr Selbstbestimmung. Im Verlauf des Diskurses entwickelten jüngere Mütter die Idee von der Geburt als ein herausragendes 171 Vgl. K. Lindsey, Spare Rib über feministischen Spiritualismus. Hexenkräfte gegen Regierungsgewalt, in: Courage Aktuelle Frauenzeitschrift 4 (1979), 28–30, 28. 172 Die Negation dieser Bewegung belegen die Leserinnenbriefe, die in der Courage erschienen. Interessanterweise firmierten kritische Rückmeldungen unter dem Titel Magie, positive hingegen unter Spiritualismus. Vgl. I. Kaul/H. Ott, Magie. Leserinnenbriefe, in: Courage Aktuelle Frauenzeitschrift 4 (1979), 59.: „Angesichts lebensvernichtender Umstände [...] erlauben sich sog. spiritualistische Feministinnen den Luxus der Erforschung "verborgener" Kräfte statt sich ihrer gegebenen Kräfte [...] zu bedienen“. Vgl. E. Kügler, Magie. Leserinnenbriefe, in: Courage Aktuelle Frauenzeitschrift 4 (1979), 59.: „Warum veröffentlicht ihr solchen ahistorischen Mist anstelle von kritischen Analysen, mit denen wir Frauen 'draußen' argumentieren können und die uns weiterbringen?“ 173 Lindsey, Spare Rib über feministischen Spiritualismus. Hexenkräfte gegen Regierungsgewalt, 30. 174 Vgl. Ebd. 28. 175 Vgl. Ebd. 30. 176 Dies geht aus den sechs Leserinnenbriefen hervor, die in der Juli- und August-Ausgabe der Courage abgedruckt wurden. Vgl. C. Freise, Spiritualismus. Leserinnenbriefe, in: Courage Aktuelle Frauenzeitschrift 4 (1979), 59. und Kügler, Magie. Leserinnenbriefe, 59. Kügler forderte von der Redaktion mehr Arbeit zu praxisrelevanten Themen. „Warum veröffentlicht ihr solchen ahistorischen Mist anstelle von kritischen Analysen, mit denen wir Frauen 'draußen' argumentieren können und die uns weiterbringen?“ 177 Vgl. Lindsey, Spare Rib über feministischen Spiritualismus. Hexenkräfte gegen Regierungsgewalt, 30. 32 | 70 weibliches Erlebnis. Die klinische Geburtshilfe wurde als bürokratisch, technisch, unempathisch und traumatisierend beschrieben. Frauen zogen den Vergleich mit Fließbandarbeit im Automobilbereich. Ihr Hauptkritikpunkt war, dass die Geburtsmedizin Schwangerschaft und Geburt als eine Krankheit betrachteten und behandelten. Gegnerinnen und Gegner der Klinikentbindung bezeichneten die Hausgeburt als Alternative. Durch eine Geburt zu Hause sollte sich die Forderung nach Selbstbestimmung verwirklichen lassen. Zudem bot diese Gestaltungsmöglichkeiten, um die Geburt zu einem bewussten Erlebnis werden zu lassen. Eine positive Einstellung zur Hausgeburt wandelte sich mit der Ausweitung des spirituellen Feminismus innerhalb der Frauenbewegungen. Diese Strömung trug dazu bei, dass alternative Entbindungsformen außerhalb einer Klinik zunehmend abgelehnt wurden. Letztlich arrangierte man sich innerhalb der Frauenbewegungen in den Achtzigern mit einem Kompromiss zwischen den medizinischen Anforderungen einer sicheren und den individuellen Anforderungen einer selbstbestimmten Geburt. 33 | 70 4.3. Mitläuferinnen oder Visionärinnen – Die Hebammen 4.3.1. Der Hebammenverband und die Deutsche HebammenZeitschrift Zwischen 1976 und 1983 existierten zwei große Hebammenverbände, der Bund Deutscher Hebammen (BDH) und der Verband Deutscher Anstaltshebammen (VDA).178 Diese Trennung basierte auf der Unterscheidung zwischen freiberuflichen und angestellten Hebammen. Der BDH agierte jedoch als allgemeine Vereinigung, der der VDA angegliedert war.179 Daher ist in dieser Arbeit grundsätzlich vom Bund Deutscher Hebammen die Rede. Zum 01.01.1983 wurde der VDA vollständig in den BDH integriert. 180 Damit trugen die beiden Verbände dem Wandel Rechnung, dass eine Unterscheidung überflüssig geworden war. 181 Nicht alle Hebammen organisierten sich in einem der Verbände.182 Die Deutsche Hebammen-Zeitschrift (DHZ) war bis 1999 Verbandsorgan des BDH.183 Anders als in der Courage und dem Freiburger Kolloquium verfassten die Artikel der DHZ nicht eine Vielzahl von Autoren oder Autorinnen. Die wenigen Verfasserinnen engagierten sich auf Verbandsebene und waren in der Regel Amtsinhaberinnen. Im Folgenden werden die drei Hauptakteurinnen des BDH und gleichzeitig Hauptautorinnen der DHZ vorgestellt. Wichtigste Person des BDH, über den Forschungszeitraum hinweg, war Ruth Kölle (19181999).184 Sie prägte den Hebammenverband von 1968 bis 1983 als erste Vorsitzende. Sie absolvierte von 1940 bis 1941 an der Stuttgarter Hebammenschule ihre Ausbildung. Kölle war ab 1941 Mitglied des Hebammenverbands.185 Während ihrer Amtszeit initiierte sie eine enge 178 In dieser Arbeit wird im Allgemeinen von dem Bund Deutscher Hebammen die Rede sein. 179 Vgl. R. Kölle, Aus der Arbeit in der Geschäftsstelle des BDH. Von März 1968 bis Mai 1982, in: Dtsch. Hebammen-Z. 34 (1982), 145–147, 146.: „Aufgaben des BDH: Der BDH wirkt mit bei Gesetzesvorlagen im Gesundheits- und Hebammenwesen; fördert die Integration der Hebammen innerhalb des Gesundheitswesens; berät und vertritt die angestellten Hebammen bei Arbeitszeitregelungen und vertraglichen Abmachungen; beantragt und verhandelt wegen der Festsetzung für die von den Krankenkassen den freiberuflich tätigen Hebammen zu zahlenden Gebühren.“ 180 Vgl. R. Kölle/J. Koberg/M. Hipp, Ein neuer Anfang, in: Dtsch. Hebammen-Z. 35 (1983), 1. 181 Bereits ab den 1970er Jahren arbeiteten nahezu alle Hebammen als Angestellte. Vermutlich integrierte man den VDA in den BDH, da zwar die Mehrheit der Hebammen an einem Krankenhaus angestellt waren, jedoch die Hebammen sich nicht nur als Anstaltshebammen verstanden wissen wollten. 182 Nach Angaben der ehemaligen Präsidentin des Bundes Deutscher Hebammen, Ruth Kölle, entwickelten sich die Mitgliederzahlen wie folgt: 1966 5531, 1976 3336, 1979 3083, 1981 3186. Vgl. Kölle, Aus der Arbeit in der Geschäftsstelle des BDH. Von März 1968 bis Mai 1982, 146. Vgl. zudem R. Kölle, Rückblick und Ausblick, in: Dtsch. Hebammen-Z. 27 (1975), 1–2.: Immer wieder warb die Verbandsleitung des BDH um neue Mitglieder. Der Verband konnte nur mit vielen Mitgliedern als Stellvertreter auftreten. 183 Seit April 2000 hat der Hebammenverband eine neue, eigene Verbandszeitschrift. Die damalige Vositzende Magdalena Weiß beschrieb den Wechsel als emanzipatorischen Akt. Die neue Zeitschrift Hebammen Forum unterscheidet sich grundlegend von der DHZ. Das Redaktionsteam bilden Hebammen, die die Inhalte gezielter als zuvor im Staude-Verlag im Interesse des Verbands und der Hebammen gestalteten. Vgl. Weiß, Editorial. Es ist soweit..., 3. 184 Vgl. M. Schumann, Westdeutsche Hebammen zwischen Hausgeburtshilfe und klinischer Geburtsmedizin, in: Zwischen Bevormundung und beruflicher Autonomie. Die Geschichte des Bundes Deutscher Hebammen, Stuttgart 2006, 113–172, 164. 185 Vgl. M. Hipp, Ruth Kölle. Zum 65. Geburtstag am 5. September 1983, in: Dtsch. Hebammen-Z. 35 (1983), 261–262.: Sie war Mitglied in nationalen und internationalen Gremien und organisierte die ersten drei Bundeskongresse des BDH 1971, 1977 und 1982. Ab 1968 war Kölle ständiges Mitglied der EG-Kommission im Auftrag der Bundesrepublik. 1969 34 | 70 Zusammenarbeit mit Verbänden und Politikern. Ihr wichtigstes Anliegen war die Neuregelung des Hebammengesetzes.186 Zweite Frau neben Kölle war Maria Hipp (1919-2015).187 Sie war ab 1972 erste Vorsitzende des Verbands Deutscher Anstaltshebammen. Zeitgleich stand sie dem BDH als stellvertretende Präsidentin vor.188 Dies verstärkte die enge Zusammenarbeit zwischen den beiden Verbänden. Hipp begann ihre Ausbildung 1941 in Stuttgart und lernte dort Kölle kennen.189 Die dritte im Bunde war Ingeborg Bellaire, sie war ab 1978 Schriftleiterin der DHZ.190 Ihre Ausbildung schloss sie Ende 1953 ebenfalls in Stuttgart ab.191 Die Deutsche Hebammen-Zeitschrift war eine Verbandszeitschrift. Gleichzeitig gab sie den geburtsmedizinischen Diskurs ausführlich wieder. Viele Artikel zeichneten Positionen nach, die ebenso in den Freiburger Kolloquien hätten erscheinen können. Vereinzelt traten Tagungsteilnehmer als Autoren in Erscheinung.192 Die hohe Zahl an Artikel von Gynäkologen ist eine Eigenheit der DHZ und erschwert die Auswertung. Was bringt dieser Einfluss der Geburtsmedizin auf den Hebammenverband zum Ausdruck? Hebammen hatten bis dato das Nachsehen, ihre Arbeit wurde nicht als Beitrag zur Senkung der Mortalitätsrate gewertet. Der Erfolg legitimierte die Arbeit der Geburtsmediziner, im Zeitraum von 1970 und 1976 sank die Säuglingssterblichkeit von 23,4 auf 17,4 Promille. 193 Die Müttersterblichkeit nahm von 51,8 auf 36,3 Promille ab.194 Die Selbstdarstellung des BDH änderte sich erst Anfang der 1980er. „Wie sich gezeigt hat, sind diese Erfolge nicht nur durch den klinisch-wissenschaftlichen Fortschritt erreicht worden, sondern vielmehr auch durch den kontinuierlichen Einsatz von Hebammen in der Schwangerenvor- und -nachsorge und unter Berücksichtigung des psychosozialen Milieus.“195 Der Hebammenverband wies darauf hin, dass hebammengeleitete Vor- und Nachsorge ein wichtiger Bestandteil einer sicheren Geburtshilfe sei. Der Verbandsvorstand präsentierte die Hebamme als Kontrolleurin, Helferin und Zuarbeiterin des Arztes.196 wurde sie Mitglied im Exekutiv-Komitee des International Confederation of Midwives ICM. 186 Vgl. Kölle, Aus der Arbeit in der Geschäftsstelle des BDH. Von März 1968 bis Mai 1982, 145. 187 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung: Maria Hipp. Traueranzeige, (o. J.). URL: http://lebenswege.faz.net/traueranzeige/maria-hipp/41148836 (19.11.2015). 188 Vgl. R. Kölle/J. Koberg, Maria Hipp 60 Jahre, in: Dtsch. Hebammen-Z. 31 (1979), 319. 189 Vgl. Hipp, Ruth Kölle. Zum 65. Geburtstag am 5. September 1983. 190 Bellaire wurde 1919 geboren, ob sie bereits verstarb ist nicht bekannt. 191 Vgl. J. Koberg/R. Kölle, Frau I. Bellaire 60 Jahre, in: Dtsch. Hebammen-Z. 31 (1979), 188. 192 Vgl. H.J. Prill, Verhaltensunterschiede der Gebärenden, in: Dtsch. Hebammen-Z. 28 (1976), 113–114. Vgl. G. Lamberti, Die Übertragung aus heutiger Sicht, in: Dtsch. Hebammen-Z. 29 (1977), 61–63. Vgl. H. Jung, Die individuelle, terminoptimierte Entbindung. Die programmierte Geburt heute, in: Dtsch. Hebammen-Z. 32 (1980), 143–149. 193 D. h. Sterbefälle von Kindern im 1. Lebensjahr bezogen auf 1000 Lebendgeborene. 194 Vgl. R. Kölle, Säuglings- und Muttersterblichkeit in der BRD, in: Dtsch. Hebammen-Z. 29 (1977), 271–272, 271. 195 R. Kölle, Mut für 1981, in: Dtsch. Hebammen-Z. 33 (1981), 1–2, 2. 196 Vgl. Ebd.: Zu ihren Aufgaben zählte der BDH demnach: „Anleitung und Beobachtung der Mutter im eigenen Milieu […], Besuch nach Klinikentlassung bis zum 10. Tag nach dem Tag der Entbindung oder solange wie notwendig sowie 3 Besuche zwischen dem 10. und dem 28. Tag nach der Geburt, um auftretende Komplikationen (oder auch Vernachlässigungen) bei Mutter und Kind sofort zu erkennen und diese Fälle sobald als notwendig dem Arzt zuzuführen.“ 35 | 70 4.3.2. Klinische Geburtshilfe – von der Hausgeburts- zur Anstaltshebamme Die Geburtshilfe der siebziger und achtziger Jahre prägte ein Rückgang der Geburten und ein anhaltender Mangel an Hebammen. Die Geburtenzahlen in der Bundesrepublik sanken von ca. einer Millionen (1965) auf knapp fünfhunderttausend (Ende der 70er Jahre). 197 Kleinere Krankenhäuser, Entbindungspraxen und freiberufliche Hebammen waren von dieser Abnahme der Geburtenzahlen stark betroffen.198 Gleichzeitig fehlte es in Deutschland zwischen 1976 und 1983 stetig an Hebammen. Dieser Mangel lässt sich statistisch belegen. 1981 arbeiteten in der Bundesrepublik insgesamt 5.541 Hebammen.199 Diese Zahl an Hebammen war gering verglichen mit der Englands. Dort arbeiteten bei vergleichbarer Einwohnerzahl insgesamt 22.000 Hebammen. Im Schnitt betreuten 1975 in der Bundesrepublik 9,5 Hebammen 1.000 Geburten. Im internationalen Vergleich lag die Bundesrepublik damit auf einem hinteren Platz.200 Die Vorsitzende der Hebammen forderte immer wieder, dass mehr Hebammen ausgebildet werden. 201 Der Verband versuchte kontinuierlich die Gründung neuer Ausbildungsschulen zu initiieren, um eine höhere Zahl an Auszubildenden zu erreichen. Zum Beispiel kontaktierte der Hebammenverband 1980 zahlreiche Ausbildungsstellen.202 Die Resonanz auf die Initiative des BDH war positiv, doch die Umsetzung scheiterte an der Finanzierung. Die zuständigen Landesministerien sahen keinen Handlungsbedarf. Da die Ausbildungskapazitäten nicht gesteigert werden konnten, versuchte die Verbandsleitung sich für einen besseren Betreuungsschlüssel einzusetzen. Die „Richtzahlen für die Besetzung von Hebammenstellen in geburtshilflichen Abteilungen“203 sollte erhöht werden. D. h. eine Hebamme sollte im Durchschnitt für weniger Frauen verantwortlich sein. Die Forderung, die „Ausbildungsplätze [müssen] um mindestens 50-60% erhöht werden“204, konnte der Verband bis 1983 nicht 197 Vgl. K. Holzmann, Geburtshilfe heute, in: Dtsch. Hebammen-Z. 31 (1979), 213–216, 213. Vgl. ebenso K. Semm/U. Schroth, Die Situation der Hebammen heute und morgen, in: Dtsch. Hebammen-Z. 31 (1979), 29–33, 30.: Die Geburtenzahlen in Schleswig-Holstein sanken von 40.000 (1961) auf 23.000 (1977). 198 Vgl. R. Kölle, Auch 1974 wird nicht ohne Probleme sein, in: Dtsch. Hebammen-Z. 26 (1974), 3–4, 3. 199 Vgl. Kölle, Mut für 1981, 1.: Von den 5541 Hebammen insgesamt arbeiteten 3538 in Krankenhäusern und 2003 freiberuflich. Von den Freiberuflichen waren 1429 als Beleghebammen tätig. 200 Vgl. Ebd.: Eine Statistik von 1975 belegt das Verhältnis an Hebammen pro 1000 Geburten: Bundesrepublik 9,5; Großbritannien 25,7; Frankreich 12; Schweden 18; Finnland 33,2. Demgegenüber die Zahl an Ärzten pro 1000 Geburten: Bundesrepublik 153; Großbritannien 70; Frankreich 70; Schweden 80; Finnland 76. 201 Vgl. R. Kölle, 1975-1976, in: Dtsch. Hebammen-Z. 28 (1976), 1–2, 1. Ebenso vgl. R. Kölle, Ins neue Jahr, in: Dtsch. Hebammen-Z. 29 (1977), 1–2, 1.: „Für all diese Aufgaben [der Klinikentbindung und er Vor- und Nachsorge] stehen meines Erachtens nicht genügend Hebammen zur Verfügung und wir haben aus diesem Grund beim BMJFG wieder den Antrag gestellt, an Kliniken mit genügender Geburtenzahl noch einige Lehranstalten in der Bundesrepublik zu errichten.“ 202 Vgl. R. Kölle, Was wir erwarten, in: Dtsch. Hebammen-Z. 32 (1980), 1–2, 1. 203 Ebd. 204 Kölle/Koberg/Hipp, Ein neuer Anfang. 36 | 70 umsetzen. Rückblickend bewertete Ruth Kölle die Technisierung der Geburtshilfe als einen ersten Wandel.205 Eine zweite Wende setzte ihres Erachtens ab 1979 ein – „Die Frauen und Familien wünschten eine natürliche Geburt, eine persönliche Atmosphäre im Kreißsaal“ 206. Hierin sah sie für Hebammen die Chance sich neu zu positionieren.207 Die Geburten hatten sich bis Mitte der Siebziger in die Kliniken verlagert. Die Hausgeburt war eine Seltenheit geworden. Dieser Wechsel des Geburtsortes veränderte den Beruf der Hebammen. Aus den niedergelassenen wurden angestellte Hebammen.208 Zum Vergleich: In Bayern haben 1955 43,9% der Schwangeren außerklinisch geboren, 1975 hingegen lediglich 1,2%. Gleichzeitig nahmen die Aufgaben der Anstaltshebammen zu. Die Bewertung der Vorsitzenden des Bundes Deutscher Hebammen lautete: „Unser Tätigkeitsfeld ist größer geworden, sei es durch die apparative Geburtshilfe in der Klinik oder die Notwendigkeit der Vor- und Nachbetreuung draußen.“ 209 Angesichts dieses radikalen Wandels stellte sich in den 70er Jahren für Ärzte wie Hebammen die Frage: „Wo liegen nun für die Hebammen, nach dem Verlust ihrer eigentlichen Domäne, der Hausgeburt, auf dem Weg zu einer für Mutter und Kind optimalen Geburtshilfe ihre speziellen Möglichkeiten und Aufgaben?“210 Mit der modernen Geburtsmedizin eröffneten sich den Hebammen neue Tätigkeitsbereiche.211 Ab Anfang der 1980er kam ihnen vermehrt die Aufgabe zu, die Klinikgeburt heimelig zu gestalten. Nach der Kritik an der klinischen Geburt der siebziger Jahre sollten die Entbindungspflegerinnen der Gebärenden ein sicheres und geborgenes Gefühl vermitteln.212 Der Hebammenverband erkannte früh die Herausforderungen und Chancen der klinischen Geburtshilfe. Bereits Mitte der Siebziger hatte der Vorstand Zukunftsperspektiven formuliert, die erst Anfang der 1980er von den Ärzten eins-zu-eins übernommen wurden. Ihrer Ansicht 205 Vgl. Kölle, Aus der Arbeit in der Geschäftsstelle des BDH. Von März 1968 bis Mai 1982, 146.: Kölle beschrieb die Technisierung der Geburtshilfe als ersten Wandel der Geburtshilfe in ihrer Amtszeit – „neue Überwachungsmethoden mit technisch perfekten Diagnoseverfahren [.] Der Kreißsaal schien manchmal überperfektioniert, Hebammen fühlten sich ins Abseits gedrängt“. 206 Ebd. 147. 207 Vgl. R. Kölle, Ins neue Jahr, in: Dtsch. Hebammen-Z. 34 (1982), 1–2, 2.: „Die Frage der Mütter und der Familien nach Hebammenhilfe ist unsere Chance und Hoffnung für 1982, und wir wollen sie aufgreifen.“ 208 Vgl. Zander, Die Hebamme. Ihr Berufsbild und ihre Tätigkeit aus der Sicht eines Arztes, 232.: „Zu den wesentlichen Merkmalen [der] Entwicklung in den letzten Jahrzehnten gehört der Übergang von der Hausgeburt zur Geburt in der Klinik. Damit setzte gleichzeitig der Trend von der niedergelassenen Hebamme zur angestellten Hebamme ein.“ 209 Kölle, Ins neue Jahr, 1. 210 Zander, Die Hebamme. Ihr Berufsbild und ihre Tätigkeit aus der Sicht eines Arztes, 232. 211 Vgl. Semm/Schroth, Die Situation der Hebammen heute und morgen, 32.: „Hier sind in erster Linie zu nennen die Schwangerenvorsorge, die Schwangerenbetreuung, der spezifische Beistand bei der Geburt selbst, die Betreuung nach der Geburt und […] die Familienplanung und die vorbeugende Gesundheitspflege.“ 212 Vgl. Ebd.: „Der Wandel von der Hausgeburtshilfe zur technifizierten Kreißsaalentbindung wird durch die ständige Präsenz der Hebamme kompensiert.“ Vgl. Holzmann, Geburtshilfe heute, 214.: „Heute leistet die Hebamme im Rahmen der Geburtsvorbereitung einer Schwangeren zum Abbau von Ängsten sinnvolle Teamarbeit.“ 37 | 70 nach lagen die Aufgaben der Hebammen zukünftig im zwischenmenschlichen Bereich. 213 Diese Einschätzung von 1974 bewies sich als weitsichtig. In der Courage veröffentlichte die Redaktion die ersten problematisierenden Artikel Ende 1976 unter dem Titelthema: Wie Frauen Kinder bekommen.214 Gynäkologen definierten die Begleitung der Entbindenden erst 1981 als neues Arbeitsfeld der Hebammen. Es ist nicht angemessen, den Ärzten Kurzsichtigkeit vorzuwerfen, denn die Freiburger Kolloquien geben den Diskurs zwischen 1976 und 1981 nicht wieder. Anhand Artikel der DHZ lässt sich nachzeichnen, dass Mediziner ebenso Probleme und Potentiale der Anstaltshebammen erkannten. Grundsätzlich bewerteten sie die Hebammen auf Grund ihres Wissens und ihrer Erfahrung als wichtigen Bestandteil der klinischen Geburtshilfe.215 Die moderne Geburtshilfe entwickelte sich in den 1980er Jahren zu einem interdisziplinären Fachgebiet. Eine einzelne Person konnte den Anforderungen auf den Gebieten der Physiologie, Pathologie und Psychologie kaum gerecht werden. Gute Geburtshilfe war daher Teamarbeit. Zudem eröffnete sich den Hebammen der Bereich der Vor- und Nachsorge in einem neuen Maß. Die Unterstützung seitens der Ärzteverbände war den Hebammen im Zusammenhang einer Neugestaltung ihres Berufsbildes sicher – weg von der hebammengeleiteten Geburtshilfe, hin zu einer betreuenden Tätigkeit außerhalb und in der Klinik.216 In der Deutschen Hebammen-Zeitschrift wurde 1977 thematisiert, dass in den neuen Frauenbewegungen das Verhältnis zwischen Hebamme und Arzt kritischer beäugt wurde.217 Der Vorstand des BDH bewertete die Zusammenarbeit mit Ärzten grundsätzlich gut. Seines Erachtens setzten sich Ärzte für eine gute Zusammenarbeit ein. 218 Dennoch muss das Verhältnis zwischen Hebammen und Ärzten vielerorts hierarchisch gewesen sein. Dies legt 213 Vgl. Kölle, Auch 1974 wird nicht ohne Probleme sein, 3.: „Wir begrüßen die Fortschritte in der Geburtsmedizin - doch sehe ich es als echte Aufgabe der Hebammen an, diesen technischen Fortschritt durch intensive menschliche Hinwendung und optimale Betreuung zu einem wirklichen Erfolg zu verhelfen.“ 214 Vgl. Courage (Hg.), Wie Frauen Kinder bekommen. 215 Vgl. Elwin Staude Verlag GmbH (Hg.), Optimale Zusammenarbeit zwischen Hebamme und Arzt, in: Dtsch. HebammenZ. 29 (1977), 269–270, 269. Vgl. ebenso Ebd. 270.: „Durch die Mitarbeit der Hebamme bei der Schwangerschaftsüberwachung wird eine positive psychologische Grundstimmung zwischen der Patientin, der Hebamme und dem Arzt erzeugt. […] Denn unsere Patientinnen wollen nicht von Apparaten behandelt werden, die von einem Arzt bedient werden, sondern sie wollen von einem Arzt und von einer Hebamme, die sich ihrerseits der Apparate bedienen, gut betreut werden.“ 216 Vgl. Zander, Die Hebamme. Ihr Berufsbild und ihre Tätigkeit aus der Sicht eines Arztes, 234.: „Trotzdem muß [sic!] sie versuchen, in einer äußerlich von Technik und Wissenschaft geprägten Umgebung jene humane und familiäre Atmosphäre zu erhalten und wiederzufinden, die vielleicht einmal manche Hausgeburt auszeichnete.“ 217 In einem Artikel der Frauenzeitschrift EMMA (1976) wurden die Bestrebungen der gesetzlichen Neuordnung als Versuch der Männer gewertet, die Hebammen zu entmachten. Seitens der DHZ hingegen wurde diese Einschätzung kritisiert. Vgl. M. Eysel, Ärzte gegen Hebammen, in: Dtsch. Hebammen-Z. 29 (1977), 237–238, 237. 218 Vgl. Ebd.: Eysel beschrieb die Juristen als Problem der Hebammen. Diese ständen speziell den Hebammen vorbehaltene Tätigkeiten kritisch gegenüber. Den Hebammen stellte sich vor diesem Hintergrund die Frage nach ihrer beruflichen Identität. 38 | 70 ein Bericht von 1977 nahe. Berliner Hebammen berichteten, dass es die dortigen Ärzte ablehnten, sie zu siezen. Die Mediziner begründeten dies damit, dass sie keinen Unterschied zwischen den verschiedenen Hilfsberufen machen wollten.219 In Krankenhäusern war es damals üblich, Krankenschwestern und Hebammen mit der Bezeichnung Schwester und dem jeweiligen Vornamen anzusprechen. Unter den Hebammen gab es bezüglich der geburtshilflichen Veränderungen seit dem Zweiten Weltkrieg auch kritischere Stimmen. Die spätere Präsidentin, Ursula Schroth, veröffentlichte 1979 einen Artikel. Sie beschreibt die Hebamme als die ursprüngliche Geburtshelferin. 220 Erst in den vergangenen Jahrzehnten hätte sich die Hebamme zur Assistentin der Ärzte entwickelt.221 Schroth schildert, dass aus Perspektive vieler Zeitzeugen die Hebammen aus der Geburtshilfe verdrängt worden seien.222 Sie charakterisiert, wie andere Gegnerinnen und Gegner, die klinische Geburtshilfe als Fließbandarbeit. Dies verdeutlicht sie anhand des Betreuungsverhältnisses: 1938 betreute eine Hebamme durchschnittlich pro Jahr 57 Geburten, 1973 hingegen 102,5 Geburten.223 4.3.3. Berufliche Identität – Neuordnung der Hebammenausbildung und des Hebammenrechts Die moderne klinische Geburtshilfe hatte den Hebammenberuf in den 1960ern und 1970ern verändert.224 Daher diskutierten ab 1974 Politiker, Hebammen und Ärzte einen neuen Gesetzesentwurf. Diese Gelegenheit nutzte das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit (BMJFG), um eine einheitliche Bestimmung für nichtärztliche Heilberufe zu formulieren.225 Das neue Hebammengesetz sollte letztlich 1985 in Kraft treten.226 „Wenn dieser Entwurf dem Bundestag vorliegt, werden damit die Weichen für die nächsten Jahrzehnte 219 Vgl. B. Storp/R. Kölle, Unsere Leserinnen schreiben: Strittiges Problem? Die Anrede der Hebamme im Kreißsaal, in: Dtsch. Hebammen-Z. 29 (1977), 234, 234.: Diesen Streitfall besprachen BDH Mitglieder auf dem Bundeskongress von 1977 und führten dazu Umfragen aus. 220 Vgl. Semm/Schroth, Die Situation der Hebammen heute und morgen, 29.: „[In der Vergangenheit] war die Hebamme die zentrale Figur bei der Geburt eines neuen Menschen.“ 221 Vgl. Ebd.: „Sie war die alleinige Ratgeberin so lange, bis sie von seiten des Arztes mehr und mehr in die Situation einer bei der Geburt beistehenden weiblichen Person gedrängt wurde.“ 222 Vgl. Ebd.: „[Der] extreme Fortschritt war nur durch wissenschaftliche und technische Hilfsmittel möglich“. 223 Vgl. Ebd. 224 Vgl. Kölle, Auch 1974 wird nicht ohne Probleme sein, 3.: „Durch die rasche Entwicklung auf allen Gebieten der Medizin sind die 'Berufe im Gesundheitswesen' in Bewegung geraten; neue Berufe entstehen, altbewährte müssen einen neuen Status erhalten - die Krise im Hebammenberuf ist noch nicht zu Ende.“ 225 Vgl. H. Horschitz, Erste Anmerkung. Zum Entwurf eines Gesetzes über nichtärztliche Heilberufe in der Geburtshilfe und in der Krankenpflege, in: Dtsch. Hebammen-Z. 26 (1974), 285–286, 285.: „Offensichtlich ist das BMJFG von der nicht ganz problemfreien Vorstellung ausgegangen, daß [sic!] sämtliche nichtärztliche Heilberufe in der Geburtshilfe und in der Krankenpflege sich so ähnlich seien, daß [sic!] sie in einem Gesetz geregelt werden könnten.“ Dies kritisierten Hebammen und Ärzte, da der Hebammenberuf besondere Anforderungen mit sich brachte. So waren Hebammen, im sich rasch wandelnden Bereich der Geburtshilfe, u. a. auf kontinuierliche Fort- und Weiterbildung angewiesen. 226 Vgl. H. Horschitz/H. Kurtenbach, Hebammengesetz. Gesetz über den Beruf der Hebammen und des Entbindungspflegers vom 4. Juni 1985, Hannover 3. Auflage2003, 10. 39 | 70 gestellt, und der BDH leistet diese ungeheure Mehrarbeit für sämtliche Hebammen und Hebammenschülerinnen und braucht dazu die Unterstützung aller in ideeller und finanzieller Hinsicht.“227 Im Untersuchungszeitraum (1976 bis 1983) entwickelte sich die Neuordnung der Hebammenausbildung und des Hebammenrechts zur zentralen Aufgabe des Verbands. Der BDH brachte kontinuierlich eigene Vorstellungen und Forderungen in die Verhandlungen ein.228 Diese intensive Beteiligung war ein Grund, weshalb sich die Verbandsleitung an dem Diskurs um Geburtshilfe kaum beteiligte. Aus dem Verlauf der Berichterstattung in der DHZ wird ersichtlich, dass die Beteiligung des BDH an der Besprechung der Entwürfe zur neuen Hebammenverordnung viel Arbeitszeit in Anspruch nahm. Mit der gesetzlichen Neuregelung holte der Gesetzgeber und der Verbandsvorstand die Veränderungen der Geburtshilfe lediglich ein. Damit unterstützte der BDH die moderne, klinische Geburtshilfe indirekt. Bei dieser Arbeit ging es darum den Hebammenberuf an die neuen Begebenheiten anzupassen. Auf Grund dessen verpasste es die Verbandsleitung während der elfjährigen Beratungen eigene Zukunftsvisionen für die Geburtshilfe voranzutreiben. Im August 1974 hatte das BMJFG den ersten Entwurf eines neuen Hebammengesetzes vorgelegt. Der Hebammenverband kritisierte diesen, da bis dato wichtige Paragraphen fehlten. So drohte die Hinzuziehungspflicht wegzufallen.229 Diese verpflichtet Ärzte, zur Geburt eine Hebamme zu rufen. Der BDH befürchtete, dass dies die Hebammen schwäche. 230 Ein weiterer Passus, die Niederlassungserlaubnis für freiberufliche Hebammen, stand zur Diskussion. Das Hebammengesetz von 1938 schrieb vor, dass eine freiberufliche Hebamme eine Niederlassungserlaubnis benötigte. Diese musste im jeweiligen Landkreis beantragt werden. An die Niederlassungserlaubnis waren eine Pflichtversicherung und ein Mindesteinkommen gebunden.231 227 Kölle, Rückblick und Ausblick, 1. 228 Vgl. R. Kölle, Gestern - Heute - Morgen, in: Dtsch. Hebammen-Z. 30 (1978), 1. Der BDH brachte Gegenentwürfe ein. Vgl. dazu R. Kölle/H. Horschitz, Ein Gesetzesentwurf des BDH zur Neuordnung des Hebammenrechts, in: Dtsch. Hebammen-Z. 28 (1976), 66–67. 229 Vgl. Kölle, Ins neue Jahr, 2. Einen speziellen Katalog, an den Hebammen vorbehaltenen Tätigkeiten, enthielt das Hebammengesetz von 1938. Das BMJFG problematisierten einen derartigen Katalog. Der Hebammenverband forderte einen solchen. Dabei ging es um den Schutz genuiner Hebammen-Aufgaben in der Geburtshilfe. Die Mitarbeiter des Bundesministeriums kritisierten, dass nicht kontrolliert werden kann, ob Kliniken diesen einhalten. Vgl. dazu H. Horschitz, Geburt 1980 - größeres Risiko als 1977?, in: Dtsch. Hebammen-Z. 29 (1977), 265–269, 269.: „Der Verzicht auf eine Regelung über Hebammen vorbehaltenen Tätigkeiten beruht auf der Überlegung, daß [sic!] angesichts der Tatsache, daß [sic!] Geburtshilfe weitaus überwiegend in Krankenhäusern geleistet wird, bei denen davon auszugehen ist, daß [sic!] sowohl Ärzte, als auch Hebammen hierfür zur Verfügung stehen, einer solchen Regelung nicht bedarf. […] Außerdem war maßgeben, daß [sic!] die Praxis gezeigt hat, daß [sic!] es schwierig ist, die Einhaltung von Regelungen über vorbehaltene Tätigkeiten zu überwachen, sodaß [sic!] auch aus diesem Gesichtspunkt ein Verzicht auf eine einschlägige Regelung naheliegt.“ 230 Vgl. Horschitz, Erste Anmerkung. Zum Entwurf eines Gesetzes über nichtärztliche Heilberufe in der Geburtshilfe und in der Krankenpflege, 285. 231 Vgl. Ebd. 40 | 70 Der BDH Vorstand sah die Arbeit der Hebammen durch einen Wegfallen der gesetzlich verankerten Hinzuziehungspflicht bedroht. Wenn keine Verpflichtung bestände, dann würden die Krankenhäuser an Hebammen in den Kreißsälen sparen, was wiederum zu Lasten der Betreuung ginge. Letztlich Säuglingssterblichkeit. Der hätte Vorstand dies negative argumentierte, Folgen für wie die die Mütter- und Gynäkologen, mit Sicherheitsaspekten. Wie begründeten die Hebammen, dass für die Entbindung neben den Gynäkologen eine weitere Berufsgruppe benötigte wurde? „Wenn die Annahme, daß [sic!] jede Geburt jederzeit pathologisch werden kann, richtig ist [...], dann muß [sic!] dafür gesorgt sein, daß [sic!] der Beginn des Risikos und seine Ursache sofort erkannt wird und daß [sic!] die Sofortmaßnahme und die weiteren Behandlungen richtig sind.“232 Die Hebammen taten sich schwer in der klinischen Geburtshilfe mit den Ärzten zu konkurrieren.233 Grund hierfür war die Prämisse, dass eine Geburt jederzeit pathologisch werden könnte. D. h. eine Geburt bedurfte grundsätzlich der Anwesenheit eines Arztes. Das Aufgabenfeld der Hebamme musste sich verändern. Der BDH positionierte die Hebamme im Bereich der Früherkennung. Einen Austausch der Hebammen durch Ärzte hielt die Vorsitzende für unrealistisch, da ein Arzt nicht die Aufgaben einer Hebamme in Form einer intensiven, zeitaufwändigen Betreuung übernehmen würde.234 Diese Sichtweise stützte der Hausjurist des BDH. Er beschrieb die Säuglings- und Müttersterblichkeit als die zentralen Indikatoren der modernen Geburtshilfe.235 Gute klinische Geburtshilfe bedurfte der Zusammenarbeit von Ärzten und Hebammen.236 1974, noch vor dem ersten Freiburger Kolloquium und der ersten Kritik an der modernen Geburtshilfe in der Courage, begann die Verbandsvorsitzende Ruth Kölle ein neues Berufsbild zu entwickeln.237 „Wir begrüßen die Fortschritte in der Geburtsmedizin – doch sehe ich es als echte Aufgabe der Hebammen an, diesen technischen Fortschritt durch intensive menschliche Hinwendung und optimale Betreuung zu einem wirklichen Erfolg zu 232 Horschitz, Geburt 1980 - größeres Risiko als 1977?, 267. 233 Vgl. Ebd. 234 Vgl. Ebd.: „Zu vielfältig sind die Aufgaben, die auf den Arzt sonst im Tagesablauf eines Krankenhauses warten und bei denen er unersetzbar ist, zu kostbar ist seine Zeit, als daß [sic!] er es sich leisten könnte, sie nicht optimal zu nutzen, zu sehr ist die Tätigkeit der Betreuung der Überwachung, gar des Badens der Schwangeren Routine, als daß [sic!] der Arzt auf Dauer der Gefahr nicht erliegen könnte, diese Routineangelegenheiten einer Hilfskraft zu übertragen.“ 235 Vgl. Ebd. 265.: „Heute wie in allen Zeiten müssen alle Maßnahmen auf dem Sektor der Geburtshilfe ihren Sinn darin finden, die Mütter- und Säuglingssterblichkeit zu verringern, sowie die perinatalen Schädigungen so gering wie möglich zu halten.“ 236 Vgl. Ebd.: „Diesem Ziel[, der Senkung der Mütter- und Säuglingssterblichkeit,] dienen wissenschaftliche Erkenntnisse [der Geburtsmedizin] ebenso wie eine Verbesserung der Ausbildung [der Hebamme.] Eine der Möglichkeiten, die zur weiteren Senkung der perinatalen Mortalität und Morbidität mit Sicherheit beiträgt, ist die bestmögliche Ausbildung aller am Geburtsbett Tätigen.“ 237 Die anderen Quellen existierten zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dennoch kann an dieser Stelle gesagt werden, dass vergleichbare Überlegungen unter den anderen Akteuren erst später diskutiert wurden. 41 | 70 verhelfen.“238 Zudem warb die Vorsitzende bereits ab 1975 für eine Professionalisierung des Hebammenberufs. Langfristig erhoffte sich die Verbandsleitung auf diese Weise, das Tätigkeitsfeld der Hebammen zu verteidigen und eine bessere Bezahlung zu erreichen.239 Die Bedeutung der Hebammen für die moderne Geburtshilfe bewerteten Hebammen und Gynäkologen insgesamt hoch. Das Credo der beiden Berufsgruppen lautete, dass gute Geburtshilfe von der Zusammenarbeit und Ausbildung aller Beteiligten abhängt. 240 Dieser Befund widerspricht der Einschätzung der Frauenbewegung, die die Ärzte als Konkurrenz der Hebammen darstellten. Ärzteverbände unterstützten die Forderung des Hebammenverbands nach dem Erhalt der Hinzuziehungspflicht und des Tätigkeitskatalogs.241 Die Ärzteschaft teilte die Befürchtung, dass bei einem Wegfall des Tätigkeitskatalogs und der Hinzuziehungspflicht kleinere Krankenhäuser Hebammen einsparen würden.242 Am 04.06.1985 wurde das Gesetz über den Beruf der Hebamme und des Entbindungspflegers (HebG) verabschiedet, seither steht der Hebammenberuf auch Männern offen. 243 Die Neuregelung beinhaltet einen Tätigkeitskatalog sowie die Hinzuziehungspflicht und schreibt eine dreijährige Ausbildungszeit vor.244 Dies entsprach den Forderungen des Bundes Deutscher Hebammen, seine Bemühungen waren somit erfolgreich. Die außerklinische Geburtshilfe hingegen profitierte von der Neuregelung nicht. Die Niederlassungserlaubnis entfiel als Vorgabe für außerklinische Geburtshilfe.245 Damit ist außerklinische Geburtshilfe seither eine Form der Freiberuflichkeit, d. h. die Hebammen sind anhängig von Versicherungsprämien und Betreuungspauschalen.246 238 Kölle, Auch 1974 wird nicht ohne Probleme sein, 3. 239 Vgl. Kölle, Rückblick und Ausblick, 1.: „Durch die Einführung einer verlängerten und verbesserten Ausbildung, die wir seit Jahren fordern und die im Gesetzentwurf vorgesehen ist, wird Niveau und Ansehen des Berufsstandes angehoben, was gewiß [sic!] im Interesse aller jetzt tätigen und künftigen Hebammen ist und sich in der tariflichen Einstufung niederschlagen wird.“ 240 Vgl. Ebd.: „Inzwischen sind jedoch Zuschriften verschiedener Ärzteverbände und Gynäkologen hier eingegangen, welche die generelle Hinzuziehungspflicht (§ 3 des Gesetzes von 1938) und die Abgrenzung der vorbehaltenen Tätigkeiten fordern“. 241 Vgl. Ebd.: „Es wird Sie interessieren, daß [sic!] Ärzte- und Schwesternverbände unsere Forderungen unterstützen. So setzt sich der Hartmannbund ausdrücklich für die Erhaltung der Hinzuziehungspflicht ein.“ 242 Vgl. E. Brusis, Über den Gesetzentwurf des Bundes Deutscher Hebammen zur Neuordnung des Hebammenrechtes, in: Dtsch. Hebammen-Z. 29 (1977), 235–236, 235.: „Zum Schutz von Mutter und Kind scheint uns [Gynäkologen und Ärzten] die Regelung der den Hebammen vorbehaltenen Tätigkeiten als unabdingbar.“ Vgl. ebenso Ebd.: „Es besteht aber keinerlei Zweifel darüber, daß [sic!] zur Ausübung der Geburtshilfe im allgemeinen, besonders aber unserer modernen Geburtmedizin, ein speziell geschultes und ausgebildetes Personal notwendig ist“. 243 Vgl. Horschitz/Kurtenbach, Hebammengesetz. Gesetz über den Beruf der Hebammen und des Entbindungspflegers vom 4. Juni 1985, 10. 244 Ein Tätikeitskatalog und die Hinzuziehungspflicht regelt § 4 des Hebammengesetzes HebG. Die Ausbildungsdauer schreibt § 6 des HebG vor. Vgl. Ebd. 12. 245 Dies regelt § 29 des HebG. Vgl. Ebd. 19. 246 Zum Problem der selbständigen Hebammen entwickelten sich die Honorarsätze und die Haftpflichtbeiträge für ihre außerklinische Arbeit. 42 | 70 4.3.4. Auf dem Weg zur einer ambulanten, klinischen Geburtshilfe Ende der Siebziger äußerten Schwangere zunehmend den Wunsch nach einer Hausgeburt. An den regionalen Angaben zur außerklinischen Geburtshilfe lässt sich ab Mitte der 70er Jahre ein leichter Anstieg ablesen.247 Um diesem negativen Trend entgegenzuwirken entwickelten Ärzte und Hebammen Ende der 70er Jahre die ambulante Geburt – eine Klinikgeburt mit der Atmosphäre einer Hausgeburt.248 In diesem Kontext sollte es möglich werden, dass sich Schwangere Kreißsäle vorab anschauen und gezielt aussuchen. „Der Wunsch nach einer Hausgeburt wird von Erst- und Mehrgebärenden aller Schichten immer häufiger vorgetragen.“249 Der Hebammenvorstand erachtete den Wunsch nach Hausgeburtshilfe als eine Folge der Frauenbewegungen. Die Emanzipationsbewegungen der Frau hätten, so das BDH Präsidium, dazu geführt, dass Frauen größere Entscheidungsfreiheit gewonnen hätten. Diese neue Selbständigkeit der Frau werde in der Schwangerschaft und Geburt eingefordert.250 „Durch Aufklärung über Infektionen [...] könnte die ablehnende Haltung gegenüber der Klinikentbindung abgebaut werden.“251 Der Hebammenverband stand ab 1981 der Hausgeburtshilfe kritisch gegenüber. Er riet Hebammen, dass sie Frauen, die zu Hause entbinden wollten, entsprechend über Infektionsrisiken aufklärten. Die Hausgeburt lehnte der BDH nicht per se ab, man knüpfte sie an Voraussetzungen: Gründliche Überwachung, Teilnahme an einer psychoprophylaktischen Geburtsvorbereitung, intensiver Kontakt zur Hebamme, Kooperation mit einem Arzt für Notfälle, Rufbereitschaft der Hebamme, es musste ein Krankenhaus in der Nähe und informiert sein und die Eltern umfassend über mögliche Risiken aufgeklärt werden.252 Die Hebamme sollte den Frauen aufzeigen, welche Vor- und Nachteile bei einer Klinikentbindung, Hausgeburt oder ambulanten Geburt beständen.253 „Alle Wünsche der Bindungsfähigkeit von Mutter und Kind, alle Bedürfnisse des Neugeborenen nach Kontakt mit seiner Mutter, können auf ungezwungene Weise in der vertrauten Umgebung […] selbst erfüllt werden. Der Vater und die Geschwister können von Anfang an in die Beziehung zum 247 So nahm in Bremen ab 1976 die Zahl an Hausgeburten zu. Ebenso wurde in Bremen auf Grund der Nachfrage mehr Hebammen eine Niederlassungserlaubnis ausgestellt. Vgl. dazu R. Kölle, Ansteigende Zahl der Hausgeburten, in: Dtsch. Hebammen-Z. 31 (1979), 250. 248 Vgl. Holzmann, Geburtshilfe heute, 214.: „Es muß [sic!] alles getan werden, um die positiven Elemente der Hausgeburt in der Vergangenheit in die Klinik der Gegenwart zu übertragen.“ 249 R. Kölle, Beratung der Schwangeren beim Wunsch nach einer Hausgeburt oder ambulanter Entbindung, in: Dtsch. Hebammen-Z. 33 (1981), 359–360, 359. 250 Vgl. Ebd.: „So liegt dem Wunsch nach einer Hausgeburt zunächst wohl der Wille nach Eigenleistung und Eigenverantwortlichkeit zugrunde.“ 251 Ebd. 252 Vgl. Ebd. 253 Vgl. Majer, Lauras Geburt, 44.: Majer schilderte, dass das Baby nach der Geburt direkt von den Ärzten weggenommen wurde. Eigentlich wollte sie sich gegen das direkte Abnabeln wehren, doch als es geschieht geht es schnell und sie ist zu erschöpft. 43 | 70 Neugeborenen mit hineingenommen werden, so ist auch ein gutes Ingangkommen des Stillgeschäfts in den allermeisten Fällen gewährleistet. Das Miteinander wird intensiver erlebt und somit die gesunde Entwicklung des Neugeborenen von allem Anfang an gefördert.“254 In der ambulanten Geburt sah die Präsidentin des BDH den idealen Kompromiss. 255 Diese Betrachtungsweise forderte eine Umgestaltung der Klinikentbindung und Ausweitung der ambulanten Entbindung.256 Die Vorteile der ambulanten Geburt wurden seitens des BDH in psychologischen Faktoren gesehen. Ende der 70er informierten sich werdende Eltern im Büro des Hebammenverbands zahlreich über alternative Geburtshilfe. Diese Nachricht markiert jenen Moment, in dem Kritik an der klinischen Geburtshilfe erstmals in der DHZ thematisiert wurde. Zeitgleich baten Interessierte um Informationen über Hebammenschulen, die alternative Geburtshilfe lehrten.257 Auslöser für diese Nachfragen war, dass 1978 98% der Kinder im Krankenhaus zur Welt kamen. 90% dieser Geburten verliefen normal, d. h. ohne Komplikationen. Angesichts dieser hohen Zahl an normal verlaufenden Geburten wurde diskutiert, ob nicht mehr Frauen zu Hause entbinden könnten.258 Die Verbandsleitung bewertete die Grundprobleme anders als Autorinnen der Courage. Diese hatten die negativen Folgen eines Schichtwechsels beschrieben, dass den Frauen Medikamente aufgezwungen wurden, Väter nicht anwesend sein durften und die Kreißsäle überfüllt waren.259 Auf Verbandsebene kam man zu anderen Schlussfolgerungen. „Wir brauchen nichts notwendiger wie menschliches Entgegenkommen, [...] wo das nicht möglich ist [...] ein psychologisch so geschultes Personal“260. Der Vorstand sah das Problem in der mangelhaften Betreuung. Allgemein diskutierten Frauen, Hebammen und Gynäkologen darüber, wie die Geburtshilfe humanisiert werden könnte. Die einen forderten die Rückkehr zur Hausgeburt, die anderen eine natürliche Geburt im Krankenhaus. Der Begriff natürliche Geburt hatte sich unter Befürwortern der Hausgeburt ebenso etabliert wie unter denen der klinischen Geburtshilfe. 261 Gestritten wurde über die Umsetzung.262 Der BDH bezeichnete eine Geburt als natürlich, 254 Kölle, Ins neue Jahr, 1. 255 Vgl. Kölle, Beratung der Schwangeren beim Wunsch nach einer Hausgeburt oder ambulanter Entbindung, 360.: „So stellt die ambulante Geburt eine sinnvoll Alternative zur Hausgeburt dar“ 256 Vgl. R. Kölle, Die Entbindung zu Hause, in: Dtsch. Hebammen-Z. 31 (1979), 109. 257 Vgl. R. Kölle, Man fragt nach: Natürliche Geburt – Hausgeburt – Hebamme, in: Dtsch. Hebammen-Z. 30 (1978), 99– 100, 99.: „In der Geschäftsstelle des BDH fällt auf, daß [sic!] seit einiger Zeit vermehrt nach Ausbildungstätten gefragt wird, in denen die 'natürliche Geburt' Berücksichtigung findet.“ 258 Vgl. R. Hellmann, Hat die alte Hausgeburt wieder Zukunft?, in: Dtsch. Hebammen-Z. 30 (1978), 116–117, 116. 259 Vgl. I. Bellaire, Die „natürliche“ Geburt, in: Dtsch. Hebammen-Z. 31 (1979), 98. 260 Ebd. 261 Vgl. D. Wagner-Kolb, Unser Umgang mit den Schwangeren. Fortsetzung und Schluss, in: Dtsch. Hebammen-Z. 30 (1978), 31–35, 32. 262 Vgl. Ebd. 44 | 70 wenn Hebamme und Arzt möglichst auf Medikamente und invasive Eingriffe verzichteten.263 Jede Ausgabe der DHZ enthielt ein mehrseitiges Fortbildungsangebot, das sich ab 1978 merklich veränderte. Es kamen psychosomatische Fortbildungsangebote hinzu, welche in den Folgejahren zahlreicher wurden.264 „Wir wollen die apparative Überwachung beherrschen, uns jedoch besonders mit den Erkenntnissen der Psychosomatik vertraut machen, weil wir die Schwangeren und Gebärenden als Gesamtpersönlichkeit sehen und betreuen wollen.“ 265 Hebammen forderten, dass sie für die neuen Herausforderungen der klinischen Geburtshilfe geschult werden. Sie betrachteten es als ihre Aufgaben die Gebärenden im Kreißsaal zu begleiten.266 4.3.5. Einsparungen im Gesundheitswesen Die Geburtsmedizin der 70er Jahre war aufwendig. Viel Personal und Apparate machten die klinische Geburtshilfe teuer. Zudem war die lange Wochenbettbetreuung kostspielig.267 Mitte der 1970er Jahre strich das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit (BMJFG) das Budget im Gesundheitswesen. Dies betraf unter anderem die Finanzierung der Entbindungsstationen. Im Januar 1976 bat das BMJFG in der DHZ um Vorschläge für kostensenkende Maßnahmen. In einem öffentlichen Brief schlug der Hebammenvorstand zwei Einsparungen vor: Zum einen könnten Hebammen die Schwangerenvorsorge übernehmen und zum anderen die Wöchnerinnen zu Hause versorgen.268 Die genannten Sparmaßnahmen im Gesundheitssektor nahm der Vorstand zum Anlass, um für die ambulante Geburt zu werben: Diese sei im Interesse der Frauen.269 Einsparungen durch den Wandel der Klinikgeburt in die ambulante Geburt wurde allgemein begrüßt. Dies sei eine unriskante Lösung, sorge für Einsparungen und entspräche dem Wunsch vieler Frauen.270 Die ambulante Geburt wurde als guter Kompromiss zwischen 263 Vgl. Bellaire, Die „natürliche“ Geburt. 264 Ab 1978 wurden speziell auf Hebammen zugeschnittene Fortbildungen mit dem Fokus, psychosomatische Geburtsvorbereitung, ausgeschrieben. Vgl. zum Beispiel U. B., Ausbildungskurs in psychosomatischer Geburtsvorbereitung, in: Dtsch. Hebammen-Z. 30 (1978), 68. Vgl. ebenso Psychosomatische Geburtsvorbereitung in Wuppertal im Herbst 1978. Ausbildung zur Kursleiterin, in: Dtsch. Hebammen-Z. 30 (1978), 151. 265 Kölle, Gestern - Heute - Morgen. 266 Vgl. Ebd.: „Es ist deshalb gerade die Aufgabe und der Auftrag von uns Hebammen, neben allen technischen Einrichtungen die mitmenschliche Atmosphäre im Kreißsaal zu schaffen und zu erhalten.“ 267 Vgl. Holzmann, Geburtshilfe heute, 216. 268 Vgl. R. Kölle, Maßnahmen zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen, in: Dtsch. Hebammen-Z. 28 (1976), 2. 269 Vgl. Kölle, Mut für 1981, 2.: „Die Möglichkeit nach ambulanter Geburt wird von den Schwangeren und Müttern lautstark gefordert. Dieser Wunsch kann aber nur dort erfüllt werden, wo Hebammen für die Überwachung des Wochenbettes und die Nachsorge zur Verfügung stehen.“ 270 Vgl. E. Seith, Vernünftige Einsparungen im Gesundheitssektor, in: Dtsch. Hebammen-Z. 34 (1982), 2.: „Der Trend zur Hausgeburt bahnt den 'sicheren Weg' zur ambulanten Geburt“ 45 | 70 Bedürfnissen der Frauen und gesellschaftlichem Bedürfnis nach Sicherheit gewertet.271 Im Zuge der Verlagerung der Geburtshilfe in die Krankenhäuser war die außerklinische Vorund Nachsorge fast überflüssig geworden. Die Wöchnerinnen hatten Anspruch auf bis zu zehn Tage Wochenbett. Ende der 70er wurden Hebammen in der Nachsorge wieder vermehrt eingesetzt, d. h. zu Hause im Wochenbett.272 Der Hebammenverband warb dafür, dass sich Hebammen vermehrt in der Geburtsvorbereitung betätigen.273 Der Verband sah darin eine Anpassung an die Herausforderungen der klinischen Geburtshilfe.274 Die Vor- und Nachsorge betrachtet der Vorstand des Hebammenverbands als wichtiges Element zur Verminderung der Mortalitäts- und Morbiditätsrate. Die Vermeidung von Gefahren bewies sich als funktionales Argument. Der Verband positionierte die Hebammen als diejenige, die Schwangerschaft und Geburt überwachte.275 4.3.6. Zwischenfazit Durch die Verlagerung der Geburten in die Krankenhäuser veränderte sich die Arbeit der Hebammen. Die sinkenden Geburtenzahlen sowie ein steter Hebammenmangel steigerten die Leistungsanforderungen an die klinische Geburtshilfe. Hebammen arbeiteten in den Siebzigern und Achtzigern als Angestellte. Außerklinische Geburtshilfe wurde kaum betrieben. Diese Veränderungen stellte die berufliche Identität der Hebammen in Frage. Die Vorsitzende bewies in ihren Einschätzungen zu Chancen und Problemen der beruflichen Zukunft der Hebammen Weitblick. Bereits Mitte der Siebziger sah sie in der außerklinischen Vor- und Nachsorge sowie einer intensiveren Schwangerenbetreuung im Kreißsaal die zukünftigen Aufgabenfelder der Hebammen. Der Hebammenverband schaltete sich jedoch nicht gestaltend in die Debatten um die Geburtshilfe ein. Stattdessen konzentrierte der Vorstand seine Arbeit auf die Reform des Hebammengesetzes. Das Ergebnis belegt, dass der Verband seine Interessen gut vertreten konnte. Zugleich zeigte sich, dass die Aufmerksamkeit auf die Bedürfnisse der angestellten Hebammen gerichtet wurde. Der Hebammenverband vertrat in zahlreichen Fällen die Haltung der Gynäkologen und 271 Vgl. Ebd.: „Die Schwangere, die zur Entbindung ins Krankenhaus geht, hat sich damit abgesichert. Bei auftretenden Schwierigkeiten stehen ihr alle ärztlichen Apparate zur Verfügung, außerdem ist die ständige Anwesenheit von qualifiziertem Personal und Fachärzten garantiert.“ 272 Vgl. Horschitz, Geburt 1980 - größeres Risiko als 1977?, 266.: „Wollen wir [die Risiken so früh wie möglich erkennen], dann müssen wir diejenigen Kräfte einsetzen, die solche Risiken aufgrund von Ausbildung und Erfahrung selbständig und frühzeitig erkennen - die Hebammen.“ 273 Vgl. Kölle, Auch 1974 wird nicht ohne Probleme sein, 3.: „Wir sollten diese so wichtige Tätigkeit nicht anderen Berufssparten überlassen.“ 274 Vgl. Ebd.: „Wir hatten Ihnen während des Jahres den Sonderdruck 'Organisation und Zusammenarbeit in der Geburtshilfe' zugestellt“. 275 Vgl. Horschitz, Geburt 1980 - größeres Risiko als 1977?, 266. 46 | 70 arbeitete mit Ärzteverbänden zusammen. Die Vorsitzende, Ruth Kölle, erhielt 1984 die Hartmann-Thieding-Medaille des Hartmannbunds.276 Damit ehrt diese bundesweite Ärztevereinigung „Persönlichkeiten, denen die Ärztinnen und Ärzte in Deutschland zu besonderem Dank verpflichtet sind oder die sich um den Hartmannbund oder seine Institutionen in besonderem Maße verdient gemacht haben.“277 Die inhaltliche Verschränkung bewies sich ebenso in der Verbandszeitschrift, die zu einem wesentlichen Teil eine geburtsmedizinische Fachzeitschrift war. Mit der Kritik an der klinischen Geburtshilfe nahmen die Anfragen nach außerklinischen Angeboten zu. In diesem Kontext taten sich zwischen den Anfragenden und dem BDH unterschiedliche Haltungen auf. In klarer Abgrenzung zur Hausgeburt entwickelte der Hebammenverband zusammen mit Gynäkologen die ambulante Geburtshilfe. Diese sollte Schwangeren und Gebärenden mehr Mitsprache erlauben. Ende der 70er Jahre wurde die Entwicklung der ambulanten Geburt durch Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen forciert und sollte sich langfristig etablieren. 276 Vgl. Hartmannbund: Art. „Hartmann-Thieding-Medaille“. URL: http://www.hartmannbund.de/wir-ueber-uns/preiseehrungen/hartmann-thieding-medaille/ (19.11.2015). 277 Ebd. 47 | 70 4.4. Entscheider – Die Gynäkologen (Anfang der 80er Jahre) 4.4.1. Die moderne Geburtshilfe, eine Dienstleistung Das zweite Freiburger Kolloquium veranstaltete die Universitätsfrauenklinik 1981. Unter dem Titel Die humane, familienorientierte und sichere Geburt widmeten sich die Tagungsteilnehmer den Kontroversen über die klinische Entbindungspraxis.278 Der Freiburger Chefarzt Hillemanns betrachtete die klinische Geburtshilfe als Gradmesser der „medizinische[n] Leistungsfähigkeit eines Landes“279. In diesem Sinne lobte er die Arbeit der Geburtsmediziner, die bis 1981 eine große Bandbreite an verschiedenen Entbindungsweisen hervorgebracht hätten.280 „Von der heutigen Geburtshilfe wird zunehmend mehr erwartet, daß [sic!] sie zu einem angstfreien, schmerzarmen, komplikationslosen und beglückenden Geburtserlebnis verhelfen kann. Weder Arzt noch Hebamme dürfen ihre eigene Erlebniswelt [...] der Gebärenden als Norm vorgeben. Das Einfühlen in das individuelle Erleben der Frau ist wichtiger als schematisches Anwenden der jeweils in einer Klinik geübten geburtshilflichen Verfahren. Stellt man sich dieser Aufgabe, könnte ein großer Teil der Kritik an der derzeitigen Situation der Geburtshilfe aufgefangen werden.“281 Die Geburt betrachteten die Gynäkologen 1981 als individuelles Erlebnis der Frauen. Noch 1976 hatten Gynäkologen einstimmig gefordert der Frau keine besondere Bedeutung beizumessen.282 Kritik an der modernen Geburtshilfe wurde ab 1976 in den Frauenbewegungen geäußert. Der zweiten Tagungsband von 1983 belegte, dass sich Frauenärzte mit diesen Beurteilungen befasst hatten. Parallel zeichnete sich ab, dass den Gynäkologen die Forderung nach Selbstbestimmung Schwierigkeiten bereitete. Sie stellten sich die Frage: Bedeutet der Wunsch nach einem selbstbestimmten Geburtserlebnis, dass der Geburtsschmerz erlebt werden muss? Die Ärzte assoziierten eine schmerzhafte Geburt mit einem krankhaften Zustand.283 Sie konnten nicht nachvollziehen, wie Geburtsschmerzen als 278 Vgl. Hillemanns (Hg.), Die humane, familienorientierte und sichere Geburt, Vorwort: „In diesem Buch ist die heutige Geburtsmedizin [...] umfassend dargestellt [...] - so wie sie [...] in Kliniken und Praxen täglich bewältigt wird und wie sie die Öffentlichkeit, die Medien und vor allem die Mütter intensiv diskutieren.“ 279 Ebd., Vorwort. 280 Vgl. Ebd., Vorwort: „[D]ie spontan-natürliche, die unterstützte, die eingeleitete und prorgammierte, die telemetrischüberwachte und die Peridural-Anästhesie-Geburt, ebenso die Schnittentbindung“. 281 D. Richter, Die psychologische Geburtserleichterung, in: Die humane, familienorientierte und sichere Geburt. Ein Einblick in die gegenwärtige Geburtshilfe der Bundesrepublik, Frankreichs, Hollands, Österreichs, Schwedens und der Schweiz. 2. Freiburger geburtshilfliches Kolloquium, Stuttgart/New York 11983, 244–249, 248. 282 Vgl. Hillemanns/Steiner (Hgg.), Diskussion. II. Indikation - Selektion - Auswahlkriterien, 24.: „Wenn das Kind reif ist, in optimalem Zustand für die Geburt und die erste Lebensphase, müssen wir entbinden, auch wenn die Portio steht und rigide ist. Dies hat nie Schwierigkeiten gemacht, dafür gibt es Mittel und Wege dies zu überwinden.“ 283 Vgl. Hillemanns/Steiner/Richter (Hgg.), IX. Rundtisch-Gespräch: Was ist gegenwärtig eine humane, familienorientierte, eine sichere und zugleich natürliche Geburt?, 380.: „Da würde ich auch sagen, ich halte persönlich nicht allzu viel von der Selbstverwirklichung oder Persönlichkeitsentfaltung durch Krankheit, Leid oder gar durch eine schmerzhafte, leidvolle Geburt.“ 48 | 70 Teil eines positiven Geburtserlebens verstanden werden konnten.284 Dies führte dazu, dass Frauenärzte der Selbstbestimmung Grenzen setzten.285 „[I]ch meine, wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, auch bei der mündigen Patientin nicht, daß [sic!] wir hier ihr jetzt eine Geburtshilfe á la carte zur Auswahl bieten können[.] Wenn sie dennoch nicht dem Rat [des Arztes und seiner Risikoeinschätzung folgt] und sie sagt, nein, ich möchte das nicht, dann meine ich, dann sollten wir nicht irgendwelchen Modetrends folgen und einwilligen, sondern sagen, ja bitte, aber dann nicht bei mir.“286 Den gestiegenen Wunsch nach Mitbestimmung werteten die Gynäkologen als ein Merkmal der damaligen Frauengeneration, die wiederum auf den Errungenschaften der klinischen Geburtshilfe fuße.287 Viele der Tagungsteilnehmer und Referenten hatten bereits 1976 teilgenommen. Die Kritik an der technisierten Geburtshilfe holte sie 1981 ein. „Uns wird 'Angstmacherei' vorgeworfen, um Frauen von der Hausgeburt fernzuhalten. Dies, das Vertrauen untergrabende Argument [sic!] belastet die Geburtshilfe in zunehmendem Maße.“288 Die Tagungsteilnehmer wogen auf der zweiten Tagung die Vor- und Nachteile der klinischen Geburtshilfe erneut ab.289 Letztlich plädierten sie wiederholt für die Klinikentbindung und wiesen Hausgeburten als Alternativen zurück. Sie disqualifizierten die Hausgeburt mit dem Argument des zu hohen und nicht absehbaren Risikos. Frauenärzte forderten, dass trotz etwaiger Fehler die Errungenschaften der programmierten Programmierung Geburt bedeutet nicht nicht rückgängig eine gemacht Optimierung von werden dürften.290 „Die Freizeitvorstellungen des Geburtshelfers und seines Personals; natürlich stellt die sogenannte Programmierung auch nicht einen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht werdender Mütter dar.“291 Auf dem ersten 284 Vgl. Ebd.: „Das einzige, was ich in Frage stelle ist, pauschal zu unterstellen, daß [sic!] eine Frau nur dann Verbindung zu ihrem Kind hat und dieses Kind ein Leben lang hegt und umsorgt, wenn sie den Geburtsschmerz oder die Geburt erlebt hat.“ 285 Vgl. Hillemanns (Hg.), Die humane, familienorientierte und sichere Geburt, Vorwort: „In der heute psychosozial orientierten Gesellschaft und Geburtshilfe genügen offenbar die schwer erkämpfte Sicherheit des Gebärens und die eminente soziale Leistung des 10-Tage-Wochenbetts in umsorgender Klinik nicht mehr zur Selbstfindung der Frauen und Mütter.“ 286 Hillemanns/Steiner/Richter (Hgg.), IX. Rundtisch-Gespräch: Was ist gegenwärtig eine humane, familienorientierte, eine sichere und zugleich natürliche Geburt?, 381. 287 Vgl. H.-G. Hillemanns, Schlußwort, in: Die humane, familienorientierte und sichere Geburt. Ein Einblick in die gegenwärtige Geburtshilfe der Bundesrepublik, Frankreichs, Hollands, Österreichs, Schwedens und der Schweiz. 2. Freiburger geburtshilfliches Kolloquium, Stuttgart/New York 11983, 384, 384.: „Die entscheidungsbewußte [sic!] Mutter von heute setzt aber neue Dimensionen in unserer Geburtsmedizin. Unsere heutige Frauengeneration ist aufgeklärt, durch Erziehung, Schule und Medien zunehmend mehr erfahren. […] Die Mitentscheidungsfähigkeit der Frau, über Jahrhunderte absolut passiv der Natur überantwortet, ist heute durch eine nahezu vollendete Geburtshilfe möglich geworden.“ 288 K. Hammacher, Klinikentbindung heute, in: Die humane, familienorientierte und sichere Geburt. Ein Einblick in die gegenwärtige Geburtshilfe der Bundesrepublik, Frankreichs, Hollands, Österreichs, Schwedens und der Schweiz. 2. Freiburger geburtshilfliches Kolloquium, Stuttgart/New York 11983, 53–55, 54. 289 Vgl. Ebd. 53.: „Daß [sic!] ein Vertrautwerden mit diesen modernen Technologien zwangsweise mit einer Zuwendung zu den Informationsträgern im Rahmen eines Lernprozesses einherging, erweckt in den Augen der Laien den Eindruck einer Abwendung von den natürlichen Geburtsvorgängen und einer inhumanen Geburtshilfe.“ 290 Vgl. Ebd. 291 H.H. Bräutigam, Sanfte Geburt und Schmerzausschaltung - Ein Widerspruch?, in: Die humane, familienorientierte und 49 | 70 Freiburger Kolloquium legitimierten Gynäkologen die terminierten Geburten mit organisatorischen Vorteilen, 1981 leugneten sie dies.292 4.4.2. Häusliche Atmosphäre – Ambulante Geburtshilfe „Eine, an apparativen Techniken orientierte Geburtshilfe, die auf wesentliche emotionale Bedürfnisse der werdenden Mutter und des Vaters keine Rücksicht nimmt, sie ungenügend informiert und an medizinischen Entscheidungen nicht beteiligt, das persönliche Geburtserlebnis der Eltern als ein seltenes, entscheidendes Lebensereignis einer kühlen Klinikorganisation unterordnet, eine solche geburtshilfliche Einstellung verhindert eine psychologische Geburtserleichterung.“293 Die Geburtsmediziner befassten sich Anfang der Achtziger mit alternativen Formen der Geburtserleichterung. Die klassische medikamentöse Hilfe lehnten Frauen zunehmend ab. 294 Geburtserleichterungen sollten die Geburtsschmerzen verringern. Die neuen Erwartungshaltungen veranlassten die Ärzte, sich mit psychosomatischen Methoden zu befassen.295 Sie legitimierten die psychosomatische Geburtshilfe mit wissenschaftlichen Erklärungen. Demnach seien positive Erfahrungen die Voraussetzung für eine gesunde Mutter-Kind-Beziehung.296 Eine positive Grundeinstellung zur Geburt konnte sich aus Sicht der Ärzte nur entwickeln, wenn die Frau die Geburt als sicher erachtete.297 Diese Denkweise begründete auf psychosomatischer Ebene die Notwendigkeit der klinischen Geburtshilfe. Einerseits stießen die Forderungen der neuen Frauenbewegungen nach Geburtserleben und Selbstbestimmung die Entwicklung der psychosomatischen Geburtshilfe an. Andererseits kritisierten 292 293 294 295 296 297 Ärzte Forderungen nach Selbstbestimmung, wenn diese mit ihren sichere Geburt. Ein Einblick in die gegenwärtige Geburtshilfe der Bundesrepublik, Frankreichs, Hollands, Österreichs, Schwedens und der Schweiz. 2. Freiburger geburtshilfliches Kolloquium, Stuttgart/New York 11983, 256–258, 256. Vgl. K.-H. Wulf, Zur Geburtshilfe in Deutschland, in: Die humane, familienorientierte und sichere Geburt. Ein Einblick in die gegenwärtige Geburtshilfe der Bundesrepublik, Frankreichs, Hollands, Österreichs, Schwedens und der Schweiz. 2. Freiburger geburtshilfliches Kolloquium, Stuttgart/New York 11983, 44–50, 48.: „Mit der Geburtseinleitung im Sinne einer Programmierung [...] waren wir stets zurückhaltend. Wir sind auch heute von dem generellen Vorteil einer elektiven Geburtseinleitung ausschließlich unter Berücksichtigung der Tragzeit nicht überzeugt. Wir nutzen allerdings gelegentlich die Vorteile einer Programmierung vor allem im organisatorischen Bereich unter strenger Beachtung der Vorbedinungen für eine medikamentöse und instrumentelle Geburtseinleitung.“ Richter, Die psychologische Geburtserleichterung, 246. Vgl. Ebd. 244.: „Eine ständig wachsende Zahl von Frauen will das Gebären als einen natürlichen Vorgang bewußt [sic!] erleben, ohne zusätzliche pharmakologische Hilfe. Sie fürchten […] um Erfahrungen gebracht zu werden, auf die sie hohe Erwartungen gesetzt haben.“ Vgl. M. Stauber, Die ambulante Klinikgeburt, in: Die humane, familienorientierte und sichere Geburt. Ein Einblick in die gegenwärtige Geburtshilfe der Bundesrepublik, Frankreichs, Hollands, Österreichs, Schwedens und der Schweiz. 2. Freiburger geburtshilfliches Kolloquium, Stuttgart/New York 11983, 75–81, 79.: „Das Hauptziel der psychosomatischen Geburtshilfe ist es, der Mutter zu einem positiven Erlebnis von Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett zu verhelfen.“ Vgl. Ebd.: „Eine Frau, die die perinatale Zeit glückvoll erlebt, wird dieses positive Erlebnis auf ihr Kind übertragen und in der Mutter-Kind-Beziehung die wesentliche Basis für eine gesunde psychische und körperliche Entwicklung des Kindes schaffen.“ Vgl. Ebd. 80.: „Die sichere Geburt [...] stellt in einer realitätsgerechten psychosomatischen Geburtshilfe eine grundlegende Forderung dar. Die Sicherheit bei der Geburt kann der Mutter zudem unnötige Ängste vor unerwarteten kindlichen und mütterlichen Notfällen nehmen.“ 50 | 70 Sicherheitsüberlegungen unvereinbar schienen.298 Eine Schwangerschaft oder Geburt, die jederzeit von einem normalen in einen anormalen Verlauf wechseln konnte, ließen Sicherheit und Selbstbestimmung schwer miteinander vereinen. Angesichts dessen verwundert es nicht, dass Gynäkologen die Mündigkeit Gebärender problematisierten.299 „[U]nser Problem Nr. 1 [ist] die sekundäre Klinikentbindung […], das heißt, die Frau, die zunächst einmal beabsichtigt ihr Kind zu Hause zu bekommen, die dann aber wegen einer Komplikation eingewiesen wird.“300 Die Gynäkologen behaupteten, dass sie derartige Komplikationen durch intensive Überwachung vorhergesehen hätten. Hausgeburten widersprachen ihres Erachtens dem gesunden Menschenverstand. Eltern, die ihre Fürsorgepflicht für den Fötus ernst nahmen, konnten nur in der Klinik entbinden.301 „Verständlicher war uns allerdings der Wunsch der Frauen, die medizinisch meist problemarme Zeit des frühen Wochenbetts in der gewohnten häuslichen Umgebung zu verbringen. So bahnte sich als Kompromiß [sic!] die ambulante Klinikentbindung an, die eine Kombination des niedrigsten organischen Risikos während der Geburt mit der emotionellen Geborgenheit der häuslichen Atmosphäre im frühen Wochenbett zu vereinigen versuchte. [...] Sie soll [...] eine Möglichkeit darstellen, die es manchen Müttern erlaubt, ihre individuellen Wünsche für eine glückliche Geburt zu verwirklichen.“302 Dementsprechend entwickelten Ärzte die Vision einer heimeligen Klinikentbindung. „Das Bestreben der Geburtshelfer wird dahin führen, die Sicherheit der Klinikgeburt mit der Geborgenheit der Hausgeburt im Kreißsaal zu vereinigen.“ 303 Aus dieser Überlegung entwickelte sich das Konzept der ambulanten Geburt. Erste Erfahrungen mit der ambulanten Klinikentbindung machten Gynäkologen bereits 1978.304 Ein Geburtensystem ohne Krankenhäuser betrachteten sie allgemein als Rückschritt.305 298 Vgl. Ebd.: „Die Sicherheit bei der Geburt sahen wir aber in Berlin Mitte der siebziger Jahre gefährdet, als der Ruf: 'Zurück zur Hausgeburt' immer häufiger wurde. [...] Im Hinblick auf [unsere] Basisforderung nach einer sicheren Geburt erschien uns deshalb die Durchführung einer Hausgeburt ein Schritt zuweit in der Psychologisierung der Geburtshilfe.“ 299 Vgl. Wulf, Zur Geburtshilfe in Deutschland, 46.: „Auch dem sog. mündigen Patienten kann die Entscheidung nur dann überlassen werden, wenn er über die Komplikationen ausreichend informiert ist. Daran lassen es dir Befürworter der Hausgeburt meist fehlen. Häufig steht bei der Entscheidung zur Hausgeburt das Eigeninteresse der Familie im Vordergrund und nicht das des Kindes. Die Eltern sollten verstärkt auf die Fürsorgepflicht für den [Fötus] hingewiesen werden.“ 300 Hillemanns/Steiner/Richter (Hgg.), Diskussion: IV. Organisation der geburtshilflichen Versorgung und forensische Aspekte, 235. 301 Vgl. Ebd. 302 Stauber, Die ambulante Klinikgeburt, 80. 303 Hammacher, Klinikentbindung heute, 55. 304 Vgl. Stauber, Die ambulante Klinikgeburt, 80. 305 Vgl. K.H. Breuker/K.-H. Schlensker/A. Bolte, Sind die Begriffe terminierte und natürliche Geburt miteinander vereinbar?, in: Die humane, familienorientierte und sichere Geburt. Ein Einblick in die gegenwärtige Geburtshilfe der Bundesrepublik, Frankreichs, Hollands, Österreichs, Schwedens und der Schweiz. 2. Freiburger geburtshilfliches Kolloquium, Stuttgart/New York 11983, 61–62, 62.: „[Die] menschliche Betreuung der Patienten [trat] in den letzten Jahren in den Hintergrund[.] [Doch die] erzielte Sicherheit für Mutter und Kind durch eine intensive Überwachung während der Schwangerschaft und Geburt braucht dabei nicht aufgegeben zu werden.“ 51 | 70 4.4.3. Zwischenfazit Die Kritik an der klinischen Geburtshilfe und die zunehmenden Rufe nach Hausgeburten veranlassten die Geburtsmediziner zu grundlegenden Veränderungen. Die Teilnehmer der zweiten Tagung leugneten, dass die programmierte Geburt aus organisatorischen Gründen befürwortet worden war, und kritisierten die Hausgeburt erneut scharf. Allerdings griffen sie den Wunsch nach einer natürlicheren Geburtshilfe auf. Daraus entwickelten sie eine klinische Entbindung mit einer häuslicheren Atmosphäre – die ambulante Geburt. Diese sollte den Wünschen werdender Eltern gerecht werden und Hebammen neue Tätigkeitsfelder eröffnen. Hebammen konnten sich zunehmend in der außerklinischen Vor- und Nachsorge betätigen. Die vehemente Ablehnung der Hausgeburtshilfe zeigte, dass sich Gynäkologen keine Geburtshilfe ohne Arzt und Krankenhaus vorstellen konnten. Selbst gemäßigte Gynäkologen wie Leboyer und Odent entwickelten alternative Konzepte für die klinische Entbindung. Die programmierte Geburt trug letztlich dazu bei, dass sich die Geburtshilfe zu einer Dienstleistung entwickelte. 52 | 70 5. Natürliche Geburt aus der Sicht der verschiedenen Akteure und Akteurinnen 5.1. Gynäkologen – Natürlichkeit im Krankenhaus Die moderne Geburtshilfe war eine klinische. Mediziner entwickelten sie ab Mitte des 19. Jahrhunderts. In diesem Zeitraum entstand die Geburtsmedizin als Teilbereich der Medizin. Die Befürworter der technischen Geburtshilfe waren männliche Ärzte. Sie bauten ab den Fünfzigern die technischen, medikamentösen und chirurgischen Möglichkeiten der Geburtserleichterung und Entbindung aus. Inwiefern spielte die Frage nach Natürlichkeit im Kontext der Geburtsmedizin eine Rolle? Aus der Betrachtung des ersten Freiburger Kolloquiums wird ersichtlich, dass sich die Frage, ob eine Klinikentbindung natürlich ist, nicht stellte. Eine natürliche Geburt war eine Geburt, der natürliche Mechanismen zugrunde lagen. Gynäkologen sahen zwischen den naturgesetzlichen Mechanismen und der klinischen Geburtshilfe keine Gegensätze.306 Die Begriffsverwendung folgt einer naturwissenschaftlichen Sichtweise, die die kausalen Zusammenhänge beleuchtete. Subjektive Perspektiven Gebärender wurden nicht thematisiert.307 Unter den Gynäkologen gab es Kritiker der technischen, klinischen Geburtshilfe. Leboyer und Odent entwickelten aus ihrer Kritik alternative Praktiken für eine natürliche Geburt in der Klinik. Leboyer förderte mit seiner Darstellung die Betrachtung des Geburtsgeschehens aus Sicht des Fötus. Odent verwirklichte nahe Paris eine natürliche Geburt, die die Rolle der Gebärenden stärken sollte. Ein sogenannter wilder Kreißsaal erlaubte Gebärenden mehr Selbstbestimmung. Die Kritiker verneinten die klinische Geburtshilfe nicht. Sie forderten zu einem defensiveren Umgang mit technischen und medikamentösen Eingriffen auf. „[Eine Hausgeburt ist eine] nostalgische Rückwendung, weg von sicherer medizinischer, hin zu riskanter häuslicher Atmosphäre“308. Bis Anfang der 1980er Jahre galt unter Gynäkologen 306 Vgl. Hillemanns, Vorwort, VII: „Eine Geburt einzuleiten wird immer ein einschneidender Eingriff in natürliche Lebensvorgänge bedeuten. […] Die Geburt zum optimalen Zeitpunkt einzuleiten und glücklich zu beenden, stellt unseres Erachtens einen neuen Abschnitt in der Geschichte der Geburtshilfe dar. Der fast vollständige und rasche Übergang von der Hausentbindung zur Klinikgeburt, vom Holzstethoskop zum modernen Kreißsaal findet hier seinen ersten Abschluß.“ 307 Vgl. Hillemanns/Steiner (Hgg.), Diskussion. I. Definition - Historisches - Terminologie, 11.: In der Abschlussdiskussion des ersten Kapitels wurde kritisiert die Spontangeburt als Zufall zu bezeichnen. Die Kritiker befürworteten eine Unterscheidung zwischen Spontangeburt, der ein natürlicher Mechanismus zugrunde liegt, und Zufall, der beliebig ist. Demnach sollte nach den Bedingungen der Spontangeburt geforscht werden. Die Komplexität der Geburt sollte besser verstanden werden. Es wurde kritisiert, dass biologische Abläufe aus Unwissenheit, weil man sie nicht versteht, als Zufall abgetan werden. 308 H.-G. Hillemanns, Perioden der Geburtshilfe - Geburtsarten heute. Historisches, Definition, Terminologie, in: Die humane, familienorientierte und sichere Geburt. Ein Einblick in die gegenwärtige Geburtshilfe der Bundesrepublik, Frankreichs, Hollands, Österreichs, Schwedens und der Schweiz. 2. Freiburger geburtshilfliches Kolloquium, Stuttgart/New York 11983, 2. 53 | 70 eine natürliche Geburt im Sinne einer naturbelassenen als gefährlich. Erst die vehemente Kritik aus der Frauenbewegung und neue Konzepte natürlicher Geburtshilfe in den Kliniken schufen langsam ein neues Bewusstsein. Eine natürliche Geburt im Krankenhaus sollte sich als Kompromiss für Frauen und Ärzte etablieren. Eine Geburt außerhalb einer Klinik wurde von Medizinern gemeinhin kritisiert. 5.2. Neue Frauenbewegungen – Selbstbestimmung als Gegenreaktion Frauen beschrieben die klinische Geburtshilfe der 60er und 70er Jahre als traumatisierend. Innerhalb der neuen Frauenbewegung wurde ab Mitte der Siebziger Kritik an der Geburtsmedizin laut. Frauen forderten: „Die Geburt eines Kindes ist ein natürlicher Vorgang; im Regelfall wird der Körper der Frau durch die naturgegebenen (physiologischen, biochemischen) Abläufe die Geburt einleiten und auch beenden. Und dies wird, [sic!] umso besser gelingen, je mehr die Frau in der Lage ist, sich zu entspannen, je mehr persönlicher Zuspruch und je mehr Ermunterung sie von den sie umgebenden Menschen erfährt. Wir wollen einen menschenwürdige, den natürlichen Gegebenheiten der Geburt entsprechenden Geburtsablauf! Wir wollen nicht die angeblich moderne, technisierte, rationalisierte Befreiung des Kindes!“309 Dieser Kommentar erschien 1976 in der Berliner Frauenzeitschrift Courage. Die Autorinnen hatten eine Klinikentbindung erlebt und kritisierten die technisierte Entbindung. Sie fordern eine natürliche Geburt im Sinne eines naturbelassenen Vorgangs. Zentrales Element war die Geburt selbstbestimmt zu erleben. Frauen, die bereits durch die technisierte Geburtshilfe von einem Kind entbunden wurden, forderten mehr Selbstbestimmung. Frauen, die sich mit ihrer ersten Geburt befassten, entwickelten diese Forderung weiter zu einer Geburt als Erlebnis. Für beide Gruppen stellte eine natürliche Geburt einen Vorgang dar, bei dem auf technische, medikamentöse und invasive Eingriffe zu verzichten sei. Zum Streitpunkt entwickelte sich Ende der 1970er Jahre die Frage, ob eine natürliche Geburt außerhalb eines oder in einem Krankenhaus stattfinden sollte. Zwischen 1976 und 1979 war die klinische Geburtshilfe noch Anlass für vehemente Kritik und führte zu Ablehnung. Die Anfänge des feministischen Spiritualismus bildeten Ende der 1970er Jahre eine Zäsur. Dessen Aufkommen kumulierte mit einer Transformation des Begriffes der natürlichen Geburt. „Wir können nichts über Glück und Leiden der Menschen im vermeintlichen Zustand der 'Einheit mit Natur' sagen, weil wir ihn nicht leben. […] Aber vieles aus diesen Ritualen [des feministischen 309 M. Necasek u. a., Das lassen wir uns nicht gefallen, in: Courage Berl. Frauenzeitschrift 1 (1976), 10. 54 | 70 Spiritualismus] ist nachgelebt, herausgelöst aus einer unwiederbringlichen Stufe von Agrikultur. […] Die Naturzusammenhänge sind zerstört worden, das macht den Wunsch nach Rücknahme dieser Zerstörung zur Kritik an gegenwärtigen Zuständen. Aber dieser Wunsch ist nicht Realität. Und die Sehnsucht nach einem Zustand von Einklang, von Wechselbeziehung und sympathischer Einflussnahme im Gegensatz zur Herrschaftsstruktur, die mit Zerstörung einhergeht, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Art des gewünschten Einvernehmens politischer Macht hoffnungslos unterlegen ist.“310 In der Courage waren Spiritualistinnen sehr umstritten: Sie würden nach Naturverbundenheit streben und derartige Verbindungen in Ritualen zur Gestalt bringen. Vergleichbare Naturzustände seien längst unwiederbringlich verloren. Viele Frauen würden sich nach gesellschaftlichen Veränderungen sehnen, doch auf spirituellem Wege seien diese nicht zu erreichen. Mehrheitlich wurde der feministische Spiritualismus als Stolperstein der Emanzipationsbewegungen gedeutet. Letztlich führte dies zu seiner Abwertung. Das Adjektiv natürlich erhielt hierdurch eine neue Prägung, eine natürliche Geburt wurde in den Achtzigern nicht mehr als Gegenentwurf zur klinischen Geburtshilfe diskutiert. Synchron wurde die Hausgeburtshilfe als Alternative disqualifiziert. Zuvor hielten viele Frauen eine natürliche Geburt nur bei einer Hausgeburt für gewährleistet. Es setzte sich die Ansicht durch, dass Hausgeburten jedoch unwiederbringlich verloren seien. 5.3. Hebammen – Unverhoffte Selbstständigkeit Die Geburtshilfe der Siebziger prägten Hebammen, die in der Weimarer Republik oder dem Nationalsozialismus sozialisiert wurden. Die meisten hatten ihre Ausbildung ebenfalls in dieser Phase absolviert. Zum Beispiel die Leitung des Deutschen Hebammenverbands, Ruth Kölle und Maria Hipp, waren um 1920 geboren und hatten ihre Ausbildung gegen Kriegsende abgeschlossen. Mit den neuen Frauenbewegungen hatten sie keine Anknüpfungspunkte. Interessanterweise fanden Konzepte einer natürlichen Geburt innerhalb des Hebammenverbands lange keine Erwähnung. Anstoß zu einer Auseinandersetzung damit bildeten zahlreiche Anfragen beim BDH von Eltern und Hebammenschülerinnnen nach Möglichkeiten der natürlichen Geburt. Rasch adaptierte die Verbandsleitung die gängige Definition einer natürlichen Geburt als Verzicht auf und mäßiger Umgang mit Technik und Medikamenten. Es etablierte sich die Idee einer selbstbestimmten und positiv erlebten Geburt. Für die Hebammen bedeutete der Diskurs um Geburtshilfe zwischen 1976 und 1983 einen 310 K. Petersen, Die ängstlichen Netze der eigenen Beschränktheit, in: Courage Aktuelle Frauenzeitschrift 4 (1979), 18–20, 20. 55 | 70 unverhofften Gewinn an Selbstständigkeit. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts war Geburtshilfe die Domäne der Hebammen. Durch die Medikalisierung der Geburtshilfe drängten Geburtsmediziner in das Arbeitsfeld der Hebammenschaft. Durch die Forderung nach einer natürlichen Geburt entwickelten sich die bis heute gängigen Aufgabenfelder der Vor- und Nachsorge und intensive Betreuung der Gebärenden im Krankenhaus. 5.4. Ein Begriff seiner Zeit – Entwicklungslinien Der Geburtsbeginn galt bis ins 19. Jahrhundert als ein spontanes Ereignis, welches von Geburtsmediziner erforscht wurde.311 Ihres Erachtens folgte die Spontangeburt einer unbekannten Kausalität, daher entwickelten sie im 20. Jahrhundert die programmierte Geburt. Der beliebige Geburtsbeginn sollte plan- und steuerbar werden.312 Diesen Eingriff kritisierten Frauen als gewalttätig. Zunehmend betrachteten Gegner die klinische Geburtshilfe als unnatürlich – sie entfremde und traumatisiere. Auf dieser Grundlage einer Technikkritik begannen Ethnologen, Anthropologen und Historiker erst in den 1980ern mit wissenschaftlichen Untersuchungen des Gebärens. Anhand der Betrachtung anderer Völker beschrieben sie alternative Entbindungsformen. Der Gebärstuhl und alternative Gebärhaltungen stießen in den 1980ern zunehmend auf Interesse. Die Rückenlage als westliche Entwicklung der Geburtsmedizin wurde stattdessen als nachteilig für die Frau kritisiert.313 311 Vgl. Jung, Definition, Motivation, Entwicklung, 4.: Nach Jung waren seit Beginn der Menschheit bis ins 19. Jahrhundert für die Familiengründung 10 bis 20 Schwangerschaften notwendig. „Infolgedessen muss man unter dem Gesichtspunkt der Mortalität und Morbidität des zu entbindenden Kindes, den von der Natur geschaffenen spontanen Geburtsbeginn zumindest statistisch als die schlechteste Prämisse für eine Geburt mit kleinstem Risiko betrachten.“ 312 Vgl. Hillemanns, Problemstellung, Historisches, Terminologie, 1.: „Zufälligkeit des Geburtsbeginns und Geburtsablaufs mit allen unvorhergesehenen Zwischenfällen durch induzierten Geburtsbeginn überzuführen in einen Geburtsverlauf unter vorgeplanter, sicherer Kontrolle von Mutter und Kind, von Anfang bis zum Ende, ist der Sinn der programmierten Geburt.“ 313 Vgl. Berlin/Straeten, Hausgeburt - eine Alternative?, 30–31. 56 | 70 6. Typisch Mann, typisch Frau – geschlechtergeschichtliche Perspektiven 6.1. Mann mag es sicher Gynäkologen waren in den 70er und 80er Jahren mehrheitlich männlich, in Leitungsfunktionen ausschließlich.314 Am ersten Freiburger Kolloquium nahmen nur Männer teil, am zweiten waren alle Referenten gynäkologischer Vorträge männlich. Insgesamt befassten sie sich mit einem Thema, das sie selbst gar nicht betraf und an sich weiblich war. Dass dies zu Schwierigkeiten führte, ist nicht verwunderlich. Dieses Paradox brachten die Diskussionsteilnehmer auf dem zweiten Freiburger Kolloquium selbst auf den Punkt. „Ich fühle mich als Mann auch etwas auf dem verlorenen Posten. Ich hätte mir gewünscht, daß [sic!] man zu dieser Frage vielleicht eine Frau hier sitzen hätte oder sogar eine Mutter. Die Frage, muß [sic!] eine Normalgeburt schmerzhaft ablaufen?“315 Die fehlende geschlechterspezifische Perspektive kennzeichnete die Geburtsmedizin. In der Analyse hat sich gezeigt, dass die männlichen Geburtsmediziner ihre Arbeit nach der Stellung im nationalen wie internationalen Vergleich bewerteten. Als zentrales Element galt ihnen die statistische Säuglings- und Müttersterblichkeit ihres Krankenhauses. Sie entwickelten die präventive Geburtsmedizin und verglichen Schwangerschaften und Geburten mit quantitativen Befunden. Einzelne Gynäkologen thematisierten in internen Diskursen immer wieder, wie sie die Balance zwischen aktiver und passiver Geburtsleitung finden könnten. In den Siebzigern betrieben sie jedoch eine technische Geburtshilfe. Sie erfanden die programmierte Geburt und strebten danach, Entbindungen zu kontrollieren. Sicherheit blieb für sie zentrales Element geburtsmedizinischer Arbeit. Sie formulierten Anfang der Achtziger zwar die humane und familienorientierte Geburt, doch diese musste ebenso einer sicheren Geburtshilfe gerecht werden. Über den Forschungszeitraum hinaus kam es zu keiner Veränderung: Ende der achtziger Jahre beschrieben sie ihr Ziel als die Suche nach den Restrisiken von Schwangerschaft und Geburt.316 6.2. Frau bestimmt lieber selbst Die technisierte Geburtshilfe unter dem Schlagwort der programmierten Geburt stellte eine 314 Vgl. Lenz (Hg.), Die neue Frauenbewegung in Deutschland, 104.: „Denn Gynäkologie war bis zu den 1970er Jahren ein weitgehend männliches Monopol“. 315 Hillemanns/Steiner/Richter (Hgg.), IX. Rundtisch-Gespräch: Was ist gegenwärtig eine humane, familienorientierte, eine sichere und zugleich natürliche Geburt?, 380. 316 Vgl. H.-G. Hillemanns (Hg.), Das Restrisiko gegenwärtiger Geburtshilfe, Berlin ; Heidelberg [u.a.] 1989. 57 | 70 aggressive Form der Entbindung dar. Frauen empfanden sie als gewaltsam. Sie kritisierten die Klinikentbindung in Frauenzeitschriften. „So wurde in den 1970er Jahren das ungeheure Ausmaß der Gewalt gegen Frauen erstmals sichtbar“317. Unter der Parole, das Private ist Politisch, thematisierten sie die Gewalt gegen Frauen. In der Geburtshilfe forderten sie mehr Selbstbestimmung ein. Sie wollten die Geburt mitgestalten und den Verlauf mitbestimmen. Es zeigte sich, dass manche die Geburt darüber hinaus als Entwicklungsschritt ansahen. Sie legten Erwartung in diesen. Es zeigte sich auch hier, dass Selbstbestimmung über Körper und Sexualität zentrale Forderung der neuen Frauenbewegungen waren.318 6.3. Frau arbeitet rund um die Uhr Die Analyse der Deutschen Hebammen-Zeitschrift provoziert die These, dass die Hebammen in den 70er und 80er Jahren im Diskurs um Geburtshilfe ein passiver Akteur waren. Für Aspekte der Verbandsarbeit mag dies zutreffen. Der BDH nahm am Diskurs um alternative Entbindungsformen kaum merklich teil. Konflikte mit Ärzten vermied der Vorstand und verpackte Kritik an der Geburtsmedizin so, dass diese nicht gehört wurde. Gleichzeitig wurde der Verband in den 1970er und 1980er Jahren modernisiert. Der Vorstand initiierte Konferenzen, schuf eine Verbandsniederlassung und arbeitete in nationalen wie internationalen Gremien mit. Die Arbeit konzentriert sich jedoch auf die Bereiche der Tarifverhandlungen und gesetzlichen Neuregelung. In den Kreißsälen übernahmen die Hebammen als günstigere Arbeitskräfte die zeitintensive Betreuung der Schwangeren. Ihre männlichen Kollegen riefen sie, wenn es zu Komplikationen kam oder erst zur Geburt – überspitzt formuliert: Die Frau arbeitete rund um die Uhr und der Mann kam, wenn es wichtig wurde. 317 Lenz (Hg.), Die neue Frauenbewegung in Deutschland, 283. 318 Vgl. Ebd. 99. 58 | 70 7. Fazit Wie verlief der Diskurs um Geburtshilfe und welche Prämissen dominierten diesen? Die Quellenanalyse zeigt auf, dass die neuen Frauenbewegungen und die Gynäkologen die bestimmenden Akteure waren. Geburtsmedizinische Entwicklungen liefen auf die Konzeption der programmierten Geburt hinaus. Folglich kennzeichneten die Geburtshilfe der 1970er Jahre technische und invasive Arbeitsweisen. Diese technisierte Form der Entbindung geriet massiv in die Kritik der neuen Frauenbewegungen. Frauen machten auf ihre negativen Erfahrungen aufmerksam. Autorinnen und Leserinnen der Courage brachten ab 1976 ihre Ablehnung der klinischen und ärztegeleiteten Geburtshilfe zum Ausdruck. Die Betrachtung zeigt, dass sich die Hebammen nicht als ernstzunehmende Akteurinnen organisierten. Am Diskurs um Geburtshilfe nahmen sie nicht vollwertig teil. Ihre Beiträge beschränkten sich überwiegend auf verbandsinterne Prognosen. Sie erkannten jedoch sehr früh, welche Schwierigkeiten eine klinische Geburtshilfe mitbrachte und welche beruflichen Perspektiven sich daraus ergeben sollten. Die Zahl der Hebammen, die sich auf der Ebene des BDH beteiligten, war gering. Es wäre interessant die jüngere Geschichte des Hebammenverbands zu beleuchten: Wie veränderten Hebammen, die ihre Ausbildung nach 1980 absolvierten, die verbandliche Arbeit? Anfang der 1980er kam es zwischen den neuen Frauenbewegungen und den Gynäkologen zu einem Kompromiss. Dieser trug sowohl zentralen Forderungen der neuen Frauenbewegungen, als auch dem auf Sicherheit ausgerichteten Denken der Gynäkologen Rechnung. Die Kritik der Frauen hatte die klinische Geburtshilfe verändert. Bis Anfang der 1980er Jahre entwickelte sich das Konzept der natürlichen Geburt im Krankenhaus. Der Terminus natürliche Geburt erhielt erst mit der Medikalisierung der Geburtshilfe seinen heutigen Sinngehalt. Die Bezeichnung natürliche Geburt entstand aus der Kritik der technisierten Geburtshilfe. Mit diesem Ausdruck wurden anfangs Gegenentwürfe zur Klinikentbindung benannt. Gleichzeitig brachte der Begriff den Wunsch nach einer vortechnischen Geburtshilfe zur Sprache. Dies änderte sich Anfang der 1980er Jahre. Es entwickelte sich das Konzept der ambulanten Geburt. Die Hausgeburt wurde sowohl von den Gynäkologen, als auch den neuen Frauenbewegungen als zu riskant disqualifiziert. Die Argumentation der Kritikerinnen aus den Frauenbewegungen veränderte sich. Statt wie zuvor die Lösung in einer Rückbildung des Geburtssystems zu suchen, forderten sie vermehrt die moderne Geburtshilfe müsse auf die Erfordernisse der Frauen abgestimmt werden. 59 | 70 Insgesamt zeigte sich, dass eine Geburt außerhalb einer Klinik nicht als Alternative anerkannt wurde. Die klinische Entbindung war insbesondere für Gynäkologen ein zentraler Bestandteil ihrer Argumentation. Verhandlungen über Ort und Form der Geburtshilfe führten sie unter der Prämisse, dass Lösungen den Vorstellungen von Sicherheit gerecht werden mussten. Die Risikoüberlegungen machten sie gewissermaßen blind für alternative Ansätze. Woher kommt dieses starke Sicherheitsbedürfnis, dass es als einziges Argument so überzeugend war? Sicherheit ist ein konstitutives Element von Staatlichkeit. 319 Staatliche Eliten haben ein Interesse daran, bedrohliche Entwicklungen zu versicherheitlichen. Ihre politische Legitimation durch Wiederwahl ist von dem Erfolg ihres Sicherheitsmanagements abhängig. In staatsfernen Kontexten hat Versicherheitlichung (Securitization) eine Funktion innerhalb der politischen Gemeinschaftsbildung. D. h. Sicherheit ist Ursache und Ziel von Staat und Staatlichkeit.320 Versicherheitlichung kann, wie in dieser Arbeit, als historischer Analyseansatz genutzt werden.321 Im Fall der klinischen Geburtshilfe hing die Reputation der Klinikentbindung von dem Erfolg der Gynäkologen ab. Geburtsmediziner versicherheitlichten die Geburtshilfe ab dem 19. Jahrhundert. Die Säuglings- und Müttersterblichkeit entwickelten sie zum zentralen Indikator ihres Sicherheitssystems. Dabei kam es zu einem Wettbewerb zwischen zwei unterschiedlichen Formen der Geburtshilfe, der Hausgeburt und der Klinikentbindung. Vertreter und Vertreterinnen der beiden Entbindungsformen versuchten sich durch bessere Resultate voneinander abzuheben. Eine Besonderheit ist, dass es sich bei den beiden Agierenden lange um geschlechterhomogene Gruppen handelte: Gynäkologen und Hebammen. Heute dominiert die klinische Geburtshilfe. Gleichzeitig ist das Verhältnis von Geburtsmediziniern zu Geburtsmedizinerinnen ausgewogener. In einer weiterführenden Analyse könnte untersucht werden, wie nachfolgend Sicherheit diskutiert und definiert wurde: Wie veränderte sich die Geburtsmedizin durch den gestiegenen Anteil an Medizinerinnen? Geburtsmediziner übernahmen statistische Methoden und sorgten für eine Normierung der Geburtshilfe. Frauen waren nun mit Beginn einer Schwangerschaft bestimmten Zuschreibungen ausgesetzt. Die Gewissheit lieferte ein Schwangerschaftstest. Die Frau stand 319 Bei Sicherheit handelt es sich um einen Wertbegriff, wie Freiheit oder Gerechtigkeit. Dieser hat sich entwickelt. Sicherheitskonzeptionen geben politische Ordnungsvorstellungen wieder. Problematisch ist daher, dass die Definition von Sicherheit von individuellen Vorstellungen abhängt und nicht objektiv ist. Vgl. E. Conze, Securitization. Gegenwartsdiagnose oder historischer Analyseansatz?, in: Gesch. Ges. 38 (2012), 453–467, 456.: „Das Verständnis – und damit auch jede Definition – von Sicherheit ist umstritten, weil es im Kern nicht um objektive Bestimmungsfaktoren […] geht, sondern um moralische, ideologische und normative Vorstellungen, die geradezu zwangsläufig divergieren.“ 320 Vgl. Ebd. 458.: „Staaten und ihre politischen Eliten müssten, um sich zu legitimieren, um ihre fortgesetzte Daseinsberechtigung zu demonstrieren, ein Interesse daran haben, möglichst viele Entwicklungen zu 'versicherheitlichen'.“ 321 Vgl. Ebd. 457.: „Wie […] entwickelten sich in der Geschichte Vorstellungen von Sicherheit? Wir wurde über diese Vorstellungen gestritten? Wie gelangten sie unter unterschiedlichen historischen Bedingungen in den politischen Prozess […], um sich dort zu institutionalisieren?“ 60 | 70 mit Schwangerschaftsbeginn vor der Wahl zwischen dem eigenen Lebendigsein und dem Leben im Bauch. Die Frau wurde gezwungenermaßen zum „Ökosystem für den Fötus“ 322. Eine vergleichbare Vorstellung kannten vorherige Generationen nicht. 323 Zusammenfassend lässt sich sagen, der Fötus ist ein medizinisch-wissenschaftliches Konzept und dessen Verbreitung spiegelt die gegenwärtige Vorstellung von Objektivität wieder. Wissenschaftliche Tatsachen über den Körper werden für unumstößlich gehalten. Die Problematik dieses Objektivitätsverständnisses zeigt sich in der Analyse am Beispiel der präventiven Geburtshilfe. Prognostische Verfahren führen zu Eingriffen in die Geburt bevor Komplikationen sichtbar sind. Problematisch ist, dass Zahlen, Schaubilder und Kurven apodiktischen Status erhalten.324 Der Ursprung der programmierten Geburt liegt inzwischen mehrere Jahrzehnte zurück, dessen Folgen sind jedoch noch heute zu spüren: Geburten werden künstlich eingeleitet, verteilen sich zunehmend auf wenige große Kliniken, oft ist wenig Zeit für eine individuelle Betreuung und medikamentöse Geburtserleichterung spielt weiterhin eine große Rolle. Ebenso steht es um die Zukunft der außerklinischen Geburtshilfe schlecht. In den aktuellen Debatten wird diese grundsätzlich in Frage gestellt. Ihre Berechtigung kann sie scheinbar nur erlangen, wenn sie den Sicherheitsanforderungen einer klinischen Entbindung gerecht wird. Alternativ bedürfe es einer Bewegung, die Selbstbestimmung und subjektives Erleben über Sicherheit stellt – wissentliches Vertrauen. 322 Duden, Der Frauenleib als öffentlicher Ort, 69. 323 Vgl. Ebd. 71.: „Semiotisch ist der Fötus das charakteristische objectum nostri temporis.“ 324 Vgl. Ebd. 36-37.: Barbara Duden beschreibt ein genetisches Beratungsprogramm in Haarlem, New York. Dort wurden Schwangere aufgefordert sich einer derartigen Beratung zu unterziehen. Die Schwangeren wurden in den Gesprächen mit Daten konfrontiert. „Der Unterricht handelte von Dingen, die der Klientin fremd sind: von regressiven Genen, von Wahrscheinlichkeit, Häufigkeiten, Zukunft und vor allem von Bevölkerungsgruppen und Risiken.“ 61 | 70 8. Literaturverzeichnis 8.1. Quellen BAUMGARTNER, K., Die programmierte Geburt als Beitrag zur Vermeidung des mütterlichen Risikos, in: Die programmierte Geburt. 1. Freiburger Kolloquium, September 1976. Stuttgart: Georg Thieme Verlag 11976, 13–14. BEITTEL, HANNE, Der wilde Kreißsaal, in: Courage. Aktuelle Frauenzeitschrift 5 (1980), 43– 46. BELLAIRE, INGEBORG, Die „natürliche“ Geburt, in: Deutsche Hebammen-Zeitschrift 31 (1979), 98. BERLIN, TRUDE/STRAETEN, BARBARA, Hausgeburt - eine Alternative?, in: Courage. Berliner Frauenzeitschrift 2 (1977), 30–32. 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Anhang Interview mit Claus Zickfeldt: Email-Gesprächsprotokoll: Am 14.07.2014 um 11:30 schrieb Adrian Heidiri: Sehr geehrte Damen und Herren des Elwin-Staude-Verlags, im Rahmen meiner wissenschaftlichen Arbeit an der Universität Freiburg im Fach Geschichte suche ich nach Angaben über die Auflagenzahl der Deutschen Hebammen-Zeitschrift in den Jahren 1975 bis 1980. Da ich derartige Informationen bisher nicht finden konnte melde ich mich bei Ihnen und hoffe sehr, dass Sie mir weiterhelfen können. Die Angaben benötige ich, um die Reichweite und Relevanz der Artikel aus diesem Zeitraum, die ich untersuche, besser einschätzen zu können. Falls Sie mir über die reine Auflagenzahl weitere Informationen zu Abonnenten und Vertriebswegen nennen können wäre dies sehr hilfreich. Für Ihre Mühe schon einmal vielen Dank. Mit freundlichen Grüßen Adrian Heidiri Am 15.07.2015 um 21:40 antwortete Claus Zickfeldt: Hallo Herr Heidiri, ich kann ihnen hier mit ein paar Zahlen weiterhelfen. Informationen aus dieser Zeit gibt es noch von den an die IVW gemeldeten Quartalsauflagen. Ich nenne Ihnen hier einfach mal jeweils die Auflagen des 4. Jahresquartals: Jahr Druckauflage 1975 7000 1976 7000 1977 7000 1978 6800 1979 6800 1980 6600 Abonnenten waren damals verbreitete Auflage 6880 6880 6780 6680 6680 6380 sicherlich ebenfalls wie heute hauptsächlich die Hebammen. Da damals die Freiberuflichkeit eine viel geringere Rolle spielte als heute, mag es sein, dass die 69 | 70 Verbreitung über die Krankenhäuser eine große Rolle spielte. Leider gibt es aus dieser Zeit keine Abonnentenkarteien mehr, daher kann ich ihnen hier auch keine genauen und verbindlichen Zahlen nennen. Sicher weiß ich nur, dass ca. 10 % der Auflage an HebammenschülerInnen in den Schulen ging. Zum Vertriebsweg lässt sich sagen, dass es sich im Wesentlichen um eine Abonnementzeitschrift handelt. Als Fachzeitschrift wurde sie meines Wissens nie über den Presse-Grosso vertrieben. Worüber forschen Sie genau? Und welche Rolle spielt hier die Deutsche Hebammen Zeitschrift? Vielleicht ist ihre Arbeit auch für uns interessant? Mit freundlichem Gruß Claus Zickfeldt Geschäftsführer 70 | 70