5 PARP1-Inhibitoren und familiärer Brustkrebs 98 5.4 Präklinische und klinische Daten 5.4.1 Präklinische Entwicklung von PARP-Inhibitoren In Zellversuchen zeigten PARP-Inhibitoren eine zytotoxische Wirkung auf die BRCA2-defizienten Zelllinien, während Zelllinien mit intakter homologer Rekombination nicht geschädigt wurden (Bryant et al. 2005). Sobald die Funktion von BRCA2 in der Zelllinie wiederhergestellt wurde, waren die PARP-Inhibitoren nicht mehr zytotoxisch wirksam (Famer et al. 2005). Diese Daten dienten als ein proof of concept für die synthetische Letalität in BRCA-defizienten Zelllinien. Wenn DNA-schädigende Substanzen (z. B. Alkylanzien) zu den BRCA-defizienten Zellen hinzugegeben wurden, erhöhte das die Apoptoserate. Das wiederum macht PARP-Inhibitoren zu interessanten Wirkstoffen, die den DNA-schädigenden Einfluss von Zytostatika (Alkylanzien wie Platin und Cyclophosphamid, Topoisomerase-I-Hemmer wie Camptothecin) oder ionisierender Strahlung potenzieren können. In Subgruppen von sporadischen triple-negativen Mammakarzinomen (TNBC) und serösen Ovarialkarzinomen zeigen Tumoren phänotypische Eigenschaften von BRCA-assoziierten Karzinomen, daher werden sie „BRCAness“ genannt. Diese Tumoren weisen jedoch kaum somatische BRCA1/2-Mutationen auf. Es werden aber häufiger Ausfälle der homologen Rekombination durch epigenetische Veränderungen oder Defizienz von Genen der homologen Rekombination wie RAD51, RAD54, ATM, CHEK2 oder PTEN nachgewiesen (Konstantinopoulos et al. 2010; McCabe et al. 2006). Zellen von BRCAness-Tumoren zeigen unter Einsatz von DNA-schädigenden Substanzen (z. B. Cisplatin) eine erhöhte Sensitivität gegenüber PARP-Inhibitoren im Vergleich zu Zellen von nicht BRCAness Tumoren (Hastak et al. 2010). Diese Daten stellen die Rationale für die PARP-Inhibitor-Forschung an homologer Rekombination defizienten Tumoren auch ohne Nachweis einer BRCA1/2-Keimbahnmutation dar. Tabelle 5-3 gibt eine Übersicht über die bisher bekannten PARP-Inhibitoren, deren Hersteller und die Applikationsform. 5.4.2 Klinische Entwicklung von PARP-Inhibitoren Im Rahmen einer Phase-I-Studie wurde der orale, kompetitive PARP-Inhibitor Olaparib (AZD-2281) auf seinen antitumoralen Effekt gegenüber BRCA-defizienten Tumoren überprüft. In dieser Studie erfolgte eine Dosiseskalation. Die Studie umfasste Patienten mit therapieresistenten Karzinomen, von denen 23 eine BRCA1- oder BRCA2-Mutation aufwiesen. Von diesen Patienten waren 19 an einem Mamma-, Ovarial- oder Prostatakarzinom erkrankt und zeigten in 63 % der Fälle (12/19) ein klinisches Ansprechen auf die Therapie im Sinne eines Harbeck: Zielgerichtete Therapien beim Mammakarzinom. ISBN: 978-3-7945-2950-6. © Schattauer GmbH 2950_Harbeck_CS6_AK2.indd 98 22.08.14 11:34 5.4 Präklinische und klinische Daten 99 Tab. 5-3 Übersicht über die bisher bekannten PARP-Inhibitoren aus präklinischen und klinischen Studien. Keine der genannten Substanzen ist derzeit in Deutschland zugelassen. PARP-Inhibitor Firma Applikation Kommentar Olaparib (AZD-2281) AstraZenea oral in klinischen Phase-I/III-Studien Veliparib (ABT-888) AbbVie oral Rucaparib (PF-01367338) Clovis Oncology intravenös Niraparib (MK-4827) Tesaro oral E7016, E7449 Eisai oral INO-1001 Inotek-Genentech/ Roche intravenös CEP-9722 Cephalon oral BMN-673 Biomarin oral GP12016 MGI Pharma/Eisai oral Iniparib (BSI-201) Sanofi-Aventis intravenös MP-124, NMS-P118, XAV 939, PJ34, 3-Aminobenzamid in präklinischer Entwicklung keine wirksame PARP1/2-Inhibition radiologischen oder serologischen Tumoransprechens oder eines stabilen Krankheitsverlaufes (stable disease) für mehr als 4 Monate. Bei 9 BRCA-Mutationsträgern war ein Ansprechen nach RECIST (Response Evaluation Criteria in Solid Tumors) über 76 Wochen zu verzeichnen. Keiner der Patienten ohne BRCA-Mutation zeigte ein objektives Ansprechen. Die Nebenwirkungen waren mit Grad 1 und 2 mild und betrafen den Gastrointestinaltrakt (Fong et al. 2009). In die beiden darauf folgenden internationalen, multizentrischen Phase-IIStudie wurden vorbehandelte BRCA1- und 2-Mutationsträgerinnen mit fortgeschrittenem Mamma- bzw. Ovarialkarzinom (Stadium III–IV) eingeschlossen. Bei den Mammakarzinompatientinnen, die im Mittel 3 Chemotherapievorbehandlungen in der Metastasierung erhalten hatten, erreichten 41 % (11 von 27) ein objektives Ansprechen (ORR) und 12 der 27 Patientinnen einen stabilen Krankheitsverlauf unter 400 mg Olaparib 2-mal täglich (Audeh et al. 2010; Tutt et al. 2010). In einer Phase-II-Studie mit Olaparib 2-mal 400 mg täglich konnte bei 24 Patientinnen mit TNBC ohne BRCA-Mutationsnachweis kein Ansprechen beobachtet werden. Bei Patientinnen (n=64) mit sporadischen serösen Ovarialkarzinomen (BRCAness) konnte hingegen ein Ansprechen auf Olaparib von Patientinnen mit (41,2 %) und ohne (23,9 %) BRCA1/2-Mutation nachgewiesen Harbeck: Zielgerichtete Therapien beim Mammakarzinom. ISBN: 978-3-7945-2950-6. © Schattauer GmbH 2950_Harbeck_CS6_AK2.indd 99 22.08.14 11:34