Bedeutung der Kalibration in der - Biogas

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Bedeutung der Kalibration in der Prozessmesstechnik
Alle Prozessmessgeräte basieren auf Sensoren, die einen physikalischen oder
chemischen Effekt in ein elektrisches Signal wandeln. Der proportionale
Zusammenhang zwischen der Messgröße und dem elektrischen Signal wird in der
Regel durch mehrere mathematische Gleichungen beschrieben, deren Konstanten
durch fertigungstechnische Faktoren sowie durch Umweltfeinflüsse variieren. Nach
der Montage und in der Regel in zeitlich regelmäßigen Abständen müssen diese
Veränderungen mit einer Kalibrierung kompensiert werden.
Am Beispiel der Temperaturmessung mit einem Sensor vom Typ Pt100 soll hier die
Bedeutung der Kalibrierung dargestellt werden. Die Temperaturmessung gehört zu
den einfachsten Messaufgaben und ist deshalb gut geeignet, die Bedeutung der
Kalibration aufzuzeigen.
An diesem Punkt sei noch einmal die Definition der Eichung genannt: Die Eichung ist
die Prüfung eines Messgerätes entsprechend gesetzlicher Vorschriften durch eine
staatliche Eichbehörde. Geeichte Geräte werden ausschließlich dort benötigt, wo auf
der Basis der Messwerte Waren verkauft werden. Dazu gehören Prozessmessgeräte
in der Regel nicht.
Die Bezeichnung Pt weist auf Platin als Widerstandsmetall hin, die Zahl „100“ auf den
Widerstand von 100 Ω (Ohm) bei 0°C. Steigt die Temperatur, wächst der Widerstand,
sinkt die Temperatur, verringert sich der Widerstand. Der näherungsweise
mathematische Zusammenhang zwischen Temperatur und Widerstand lautet:
R(T1) = R0 + α x (T0 + T1) + β x (T0 + T1)²
R(T1):
R0:
T0:
T1:
α:
β:
Ohmscher Widerstand des Pt 100 bei der Temperatur T1 [Ω]
Ohmscher Widerstand bei 0°C: 100 Ohm [Ω]
Temperatur = 0°C
aktuelle Temperatur [°C]
linearer Temperaturkoeffizient [Ω/°C]
quadratischer Temperaturkoeffizient [Ω/°C²]
Aus technischen und physikalischen Gründen lassen sich keine PT100 herstellen,
die bei 0°C exakt 100 Ohm aufweisen, je nach Qualität des Sensors ist die Differenz
größer oder kleiner. Ursächlich dafür verantwortlich sind die schwanken die Werte
der beiden Temperaturkoeffizienten α und β in Abhängigkeit von der Reinheit des
Platins, des Fertigungsverfahrens des Sensors sowie vom Alter des Sensors.
Letzteres wird Alterung genannt und wird durch Veränderungen im Metallgefüge des
Platins durch die Betriebstemperatur verursacht. Die Höhe der zulässigen
Abweichung ist in der Norm DIN EN 60751:1996-07 angegeben.
Der Widerstand des Pt100 bei der Temperatur T1 muss im nächsten Schritt
messtechnisch erfasst werden, hierfür wird er mit einer einfachen Schaltung in eine
Spannung umgewandelt:
1
R
UB
R(T1)
UM
Spannungsteilerschaltung für einen Temperatursensor
Die mathematische Beschreibung der Schaltung lautet:
UM = UB x
UM:
UB
R:
R(T1)
R(T1) mmm
R(T1) + R
Messspannung [V]
Betriebsspannung [V]
Widerstand [Ω]
Widerstand des Pt100 bei der aktuellen Temperatur T1
Werden für UM 5 V und R 200 Ω gewählt, zeigt die Praxis, dass diese Werte
Abweichungen aufweisen. Die Spannungsquelle wird nicht 5,0000 V sondern
zwischen wahrscheinlich eine Spannung zwischen 4,990 V und 5,010 V liefern, der
Wert des Widerstandes wird typischerweise im Bereich zwischen 198 und 202 Ω
liegen,
hervorgerufen
durch
Fertigungstoleranzen
und
Einflüsse
der
Umgebungstemperatur, die auch auf diesen Widerstand wirken.
Die Spannung ihrerseits muss jetzt mit einem Messwerk optisch dargestellt werden.
Hierzu wird hier das bekannte Drehspulmesswerk gewählt.
20
40
60
[°C]
0
80
N
S
Vereinfachte Darstellung eines Drehspulinstruments
2
Das Drehspulinstrument besteht vereinfacht aus einem drehbar gelagerten
zylinderförmigen Eisenkörper zwischen zwei Permanentmagneten, einer weist mit
seinem Nordpol zum Eisenkörper, der andere mit seinem Südpol. Quer auf dem
Eisenzylinder befinden sich eine Spule, hier angedeutet durch die parallelen Striche,
sowie der Zeiger. Der Zylinder wird durch hier nicht dargestellte Spiralfedern im
Ruhezustand so gedreht, dass der Zeiger auf der „0“ steht. Über die Spiralfedern
gelangt die zu messende Spannung in die Spule und erzeugt einen Strom: Die
Messspannung verursacht in der Spule einen Strom I:
UM = RS x I
RS
I
Ohmscher Widerstand der Spule [Ω]
Strom in der Spule [A]
Der Strom I erzeugt das vortreibende Moment Mv:
Mv = N x L x d x B x I
Mv
N
L
d
B
vortreibendes Drehmoment [N x m]
Windungszahl der Spule auf dem Zylinder [1]
Drahtlänge der Spule [m]
Durchmesser der Spule [m]
Magnetische Flussdichte [V x s / m²]
Die beiden Spiralfedern versuchen den Zylinder in die Ausgangslage zurück zu
drehen, dabei entsteht das rücktreibende Moment:
Mr = c x γ
Mr
c
γ
rücktreibendes Drehmoment [N x m]
Gesamtfederkonstante beider Spiralfedern [N x m / °]
Drehwinkel der Spiralfedern [°]
Beide Momente ergeben ein Kräftegleichgewicht,:
Mv = Mr = N x L x d x B x I = c x γ
Die Gleichung lässt sich stark vereinfachen zu
γ=kxI
k
Gerätespezifische Konstante
3
Der Zeiger wird also proportional zur Messspannung und damit zum Strom
ausgelenkt. Die Konstante k lässt sich sehr einfach mit einer Kalibration bestimmen.
Wie wir sehen, gibt es bereits bei unserem dargestellten sehr einfachen Messgerät
eine Reihe gerätespezifischer Größen, deren getrennte Bestimmung mit einem
erheblichen technischen Aufwand verbunden ist. Mit der Kalibration können wir
diesen Aufwand erheblich verkürzen, indem wir den Pt100 auf 0°C abkühlen und die
Spiralfedern mit einer Stellschraube so verdrehen, dass der Zeiger auf 0°C steht
(Nullpunktkalibration). Anschließend erhitzen wir den Temperatursensor auf 80°C
und verstellen die Betriebsspannung der Spannungsteilerschaltung so lange, bis der
Zeiger auf der 80°C steht (Empfindlichkeitskalibration). Die Temperaturen 0°C und
80°C sind hierbei die sogenannten Kalibriernormale und wir müssen uns
verdeutlichen, dass die Genauigkeit der Kalibriernormale maßgeblich die Genauigkeit
unseres Messgerätes bestimmen.
Nun reicht bei den meisten technischen Anwendungen ein einmalige Kalibration
eines Temperaturmessgerätes durch den Hersteller aus. In der Gasanalysetechnik
müssen dagegen die Geräte regelmäßig überprüft und kalibriert werden, verursacht
durch Verschmutzungen des Prozessgases sowie durch die erheblich höheren
Alterungseffekte der Gassensoren.
Ein elektrochemischer Sensor verliert laut Datenblätter der Sensorhersteller an
Umgebungsluft durchschnittlich 2% seiner Empfindlichkeit pro Monat. Nehmen wir
als Beispiel einen H2S-Sensor, der direkt nach der Kalibration bei einem Messgas
mit 500 ppm H2S diesen Wert auch anzeigt (Monat 0). Dieser Sensor zeigt acht
Wochen später nur noch 480 ppm an, nach einem halben Jahr sogar nur noch 440
ppm, dies entspricht einem Messfehler von –12%!
Monat
0
1
2
3
4
5
6
Anzeige
500
490
480
470
460
450
440
Wird der Sensor mit Biogas beaufschlagt, steigt der Empfindlichkeitsverlust mit der
H2S-Konzentration und der Häufigkeit der Messungen. So sind Messabweichungen
von bis zu –50 % nach 6 Monaten nicht selten.
Wärmeleitfähigkeitssensoren sowie die Infrarotmesstechnik, beides Standartmessverfahren bei der Bestimmung der CH4- und der CO2-Konzentration, driften
zwar erheblich geringer, aber auch hier nehmen die Messfehler mit der Zeit zu.
Zusätzlich können unabhängig von der Sensordrift Teile des Messgerätes ausfallen
oder durch externe Einflüsse in ihrer Funktion beeinträchtig werden. Daher ist es im
industriellen Einsatz der Gasanalytik üblich, die Geräte in kurzen Abständen, d.h. alle
ein bis drei Tage zu überprüfen und gegebenenfalls zu kalibrieren. Da dies mit einem
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hohen personellen Aufwand verbunden ist, sind industrielle Gasanalysegeräte in der
Regel mit einer automatischen Kalibriereinheit versehen.
Wegen der Bedeutung der Gasanalyse in der Biogastechnologie sollte auch hier eine
regelmäßige Funktionskontrolle in kurzen Zeitabständen durchgeführt werden. In der
Vergangenheit
wurde
aus
Kostengründen
auf
automatische Kalibriereinrichtungeninrichtungen verzichtet, und den Anlagenbetreibern vorgegaukelt, eine
jährliche Kalibration würde ausreichen. Dass dies nicht stimmt, wird durch die
Tatsache verdeutlicht, dass viele Planer, Hersteller und Betreiber der Meinung sind,
dass Gasanalysegeräte grundsätzlich unzuverlässig seien und das Geld hierfür
durchaus gespart werden kann. Ein gravierender Fehlschluss, der der weiteren
Optimierung der Biogasanlagen massiv im Wege steht.
Grundsätzlich gilt: werden Gasanalysegeräte mit der entsprechenden Sorgfalt
behandelt, dazu gehört neben der regelmäßigen Kalibration selbstverständlich auch
die Lektüre der Montage- und Betriebsanleitung durch Planer, Hersteller und
Betreiber der Biogasanlagen, erfüllen sie auch in der anspruchsvollen Umgebung
einer Biogasanlage zuverlässig ihren Dienst.
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