Jugendstrafrecht Betäubungsmittelstrafrecht

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Jugendstrafrecht
Eiden Juristische Seminare
Rechtsanwalt Jens E. Kastner
Delinquenz und JGG
Jugendstrafrecht soll erziehen
Umorientierungsphase
Jugenddelinquenz
ist
überwiegend
vorübergehend.
Der jugendliche Straftäter, der niemals
entdeckt wird, wird nicht zum Serientäter
als Erwachsener
Gruppe von 5 %, die wiederholt und
intensiv
Straftaten
als
Jugendliche
begehen. Diese Gruppe ist für etwa 30 %
aller Jugendstraftaten verantwortlich,
zumeist
schwerere
Straftaten
und
Gewaltdelikte
Geforderte Strafschärfungen würden damit
nur die 5% berücksichtigen
Es gibt nicht nur einen Grund für
Jugenddelinquenz
Zerrüttete Familienverhältnisse, unvollständige
Familien, Ablehnung innerhalb der Familie
Inkonsistentes Erziehungsverhalten
Abgebrochene/fehlende schulische/berufliche
Ausbildung, Arbeitslosigkeit;
Gewalt in der Familie, Gewalterfahrung als
Opfer, Suchtprobleme in der Familie und eigene
Eine Rolle spielt Gruppenverhalten und
Gruppendynamik.
Beim Gruppenverhalten unterwirft sich
eine Person bewusst oder unbewusst
der Gruppe und zeigt ein Verhalten
den, das er allein nicht gezeigt hätte.
Ziel: Anerkennung und Hierarchie in
der Gruppe zu erlangen oder zu
festigen.
Häufige Aussage zur Tat: „ Ich konnte nicht
anders.“
Jede Person zeigt ein Gruppenverhalten,
woraus Gruppendynamik entsteht.
Diese führt zu persönlichkeitsfremden
Handlungen, die mitunter ein erhebliches
Maß an Brutalität aufweisen können.
Daraus entstehen Fragen nach:
Verantwortungsreife,
Schuldfähigkeit,
schädlichen Neigungen,
Anwendung von Jugendstrafrecht bei
Heranwachsenden,
da Gruppendelinquenz ein typisches
Verhalten von Jugendlichen ist.
Folgen des Alkoholmissbrauchs:
Die enthemmende Wirkung des Alkohols, gepaart mit
Gruppendynamik führt zu Delikten von erheblicher
Aggressivität bei geringem Anlass.
Die Grenzen von 2 und 3 Promille für die Anwendung
der §§ 20, 21 StGB können nicht übernommen
werden können.
Bei Alkoholkonzentrationen unter 2 Promille ist die
verminderte Schuldfähigkeit zu prüfen, vgl. BGH, StV
93, 186; 97, 348.
Gericht darf sich nicht auf eigene Sachkunde berufen,
vgl. BGH, 5 StR 197/07.
Konsum von Drogen i.S.d. BtMG meist Episode.
Konsum von Haschisch nicht der Einstieg, dem
unweigerlich der Konsum härterer Drogen folgt.
Nur bei ein Gruppe von 5 % droht ein längere
Gebrauch und eine Abhängigkeit.
Allein aus Konsum folgt noch keine (verminderte)
Schuld(un-) -fähigkeit.
Verminderte Schuldfähigkeit kommt in Betracht,
wenn
Missbrauch
zu
Auswirkungen
auf
Persönlichkeit geführt hat, Entzugserscheinungen
vorliegen
oder
Angst
vor
erneuten
Entzugserscheinungen zur Tatbegehung geführt hat,
vgl. BGH, StV 2001, 83; StV 2005, 19.
Insbesondere Cannabiskonsum ist weit verbreitet.
So haben im Jahr 2010 7,4 % der Jugendlichen
zwischen 12 und 17 und 35 % der 18 bis 25jährigen
mindestens einmal Cannabis konsumiert.
Im Jahr 2010 wurden nach der Polizeilichen
Kriminalstatistik 2.152.803 Tatverdächtige registriert,
betreffend BtM-Delikte. Davon waren 25,1 % unter
21.
Abgeurteilt wurden im Jahr 2009 1.056.809 Personen
(Doppelzählung möglich). Jugendliche hatten einen
Anteil von 9,4 %, Heranwachsende von 11,2 %.
Bei BtM-Delikten lag die Zahl der Jugendlichen bei 4,9
%, die der Heranwachsenden bei 14,9 %.
Von sämtlichen Verurteilungen des Jahres 2009
entfallen 7,2 % auf Jugendliche und 10,2 % auf
Heranwachsende.
Bei BtM-Delikten liegt der Anteil der Jugendlichen bei
3,6 %, der Heranwachsenden ist er ähnlich.
Allerdings wurde bei Heranwachsenden in 70,1 % der
Fälle, wenn es um BtM-Delikte ging, Jugendstrafrecht
angewandt. Sonst liegt die Quote bei 65,2 %.
Angeklagte werden zu 66,3 % bei Anwendung des JGG
verurteilt, zu 75 %, wenn es um BtM ging.
Die Freispruchquote bei Anwendung des JGG liegt bei
2,7 % und 1,8 %, wenn BtM im Spiel waren.
Bei 16 % der Verurteilungen nach JGG wird
Jugendstrafe verhängt. Wurde wegen eines BtMDelikts angeklagt, liegt die Quote bei 21,3 %
Diese Jugendstrafen werden insgesamt bei 64,3 % zur
Bewährung ausgesetzt. Diese Quote liegt bei BtMDelikten bei 72,9 %.
Quelle:
Kotz/Rahlfs,
Praxis
Betäubungsmittelstrafrechts, 2013
des
Abhängigkeit hat eine Geschichte, die ein Anhaltspunkt
für die Anwendung von Jugendstrafrecht sein kann nach §
105 Abs. 1 Nr. 1 JGG.
Erwerb harter Drogen lässt allein keinen Rückschluss auf
das Vorliegen von schädlichen Neigungen zu, vgl. OLG
Zweibrücken, StV 89, 313.
Zurückhaltung bei Weisung nach § 10 Abs. 2 JGG
hinsichtlich einer Entwöhnungsbehandlung. Grund:
Stigmatisierung,
Beschäftigung über einen längeren Zeitraum und den
Kontakt mit anderen drogenabhängigen oder –
gefährdeten Jugendlichen kontraproduktiv sein.
Ein früherer Therapieabbruch lässt nicht auf
Therapieunwilligkeit schließen, vgl. OLG Karlsruhe, StV 02,
263.
Gibt es eine statisch höhere Delinquenz bei
Ausländern und Aussiedlern?
Statistiken beinhalten Straftaten, die nur von diesen
Personengruppen begangen werden können.
Es liegen Faktoren vor, die eher dazu führen können,
strafrechtlich
auffällig
zu
werden,
z.B.
Pendelerziehung, Wechsel der kulturellen Einflüsse,
enge Wohnverhältnisse.
Eltern können vermehrt sozialen Anforderungen der
hiesigen Gesellschaft nicht gerecht werden. Sie
haben beruflich und im Umgang mit Schwierigkeiten
und scheitern.
Junge Ausländer müssen sich mit verschiedenen Werten
innerhalb Familie, Schule u.ä. auseinandersetzen.
Sprachschwierigkeiten in der einen, aber auch in der
anderen Sprache kommen mitunter dazu.
Diese Faktoren sind bei der Würdigung des Einzelfalles zu
berücksichtigen, da sie ggf. zu einer Verzögerung der Reife
führen oder bei der Strafzumessung mit ins Gewicht
fallen.
Ernsthafte Gefahr der Ausweisung ist bei der
Strafzumessung zu berücksichtigen, wobei die §§ 53 ff.
AufhG besonders zu beachten sind.
Im Hinblick auf den Erziehungsgedanken des JGG kann es
nicht zulässig sein, einen Jugendlichen in ein unsicheres
Herkunftsland auszuweisen.
Als Wiederholungstäter gilt, wer mit mehr
als fünf Taten jugendgerichtlich in
Erscheinung getreten ist, wobei die Taten
über Bagatelltaten hinausgehen müssen.
Pädagogik empfiehlt bei solchen Tätern
intensive sozialpädagogische Betreuung,
Förderung und Unterstützung.
Praxis verhält sich anders, zumeist
eskalierend mit weiteren und schärferen
Sanktionen. Am Ende Freiheitsstrafe ohne
Bewährung.
Ansicht der Praxis: Wer eine Sanktion missachtet hat,
bei dem kann nur mit einer schärferen Sanktion der
erzieherische Zweck erfüllt werden.
Unter zwei Aspekten bedenklich:
Problemlage und die daraus resultierende Motivation
für die Straftat wird verkannt.
Schuldprinzip wird außer Kraft, das einer
Strafverschärfung aus erzieherischen Gründen
Grenzen setzt.
Dies ist bei der Verteidigung solcher Jugendlicher zu
beachten. Gericht und Staatsanwaltschaft sollten
insoweit über die Fragwürdigkeit einzelner
Maßnahmen und deren möglichen Verstoß gegen
oben genannte Grundätze „informiert“ werden.
Ursachen für Gewalttaten und schwere Straftaten sind
vielfältig.
Gewalttäter haben oft Vorerfahren.
Dies gepaart mit Armut, Arbeitslosigkeit, engen
Wohnverhältnissen
und
instabilen
Familienverhältnissen.
Gewalt als Lösungsmodell von Konflikten wird
vorgelebt,
bzw.
es
werden
entsprechende
Erfahrungen gesammelt, z.B. in der Schule oder durch
den Konsum von Medien verschiedenster Formen.
Gruppendynamik verstärkt sich mit dem Ausbleiben
stabilisierender Faktoren.
Ideologische Motive und Reaktion auf Ablehnung.
Tötungs- und Sexualdelikte sind seit Jahren
in der Statistik konstant.
Heftige Reaktionen von Gerichten sind
häufig einer medialen Berichterstattung
geschuldet.
Exzessive mediale Berichterstattung über
schwerste Straftaten, die ggf. nicht hart
genug geahndet wurden, sorgt für eine
Reaktion in der Bevölkerung, die dann
wieder die Politik auf den Plan ruft.
Was kann Jugendstrafrecht bewirken?
Studien zeigen: Die abschreckende Wirkung ist gering.
Eine Abwägung findet, wenn überhaupt nur im
Hinblick auf das Entdeckungsrisiko statt.
Abschreckung entsteht durch Akzeptanz von Normen.
Diejenigen, die Werte und Normen akzeptieren,
geraten kaum in Konflikt mit dem Gesetz.
Diejenigen, die dies nicht oder nur schwer
akzeptieren, geraten vermehrt in Kontakt mit den
Gerichten, wobei sich Einstellung gegen die Werte
und Normen noch verschlechtert.
Nur 30 % aller Verfahren werden mit einem
Urteil erledigt.
Fast 90 % aller Maßnahmen sind ambulant.
Je heftiger die Reaktion, desto höher die
Rückfallquote.
80 % aller ohne Bewährung zu einer
Jugendstrafe
Verurteilten
werden
rückfällig.
Bei den 16-20jährigen liegt diese Quote
sogar bei 90%.
Interpretation dieser Zahlen:
Erziehung durch Strafe funktioniert nicht.
Rückfallhäufigkeit ist darin begründet, dass
ohnehin nur die hoffnungslosen Fälle zu einer
Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt
werden.
Vergleiche von Ahndungen gleicher Straftaten
zeigen, dass sich die Rückfallquote kaum ändert,
egal ob streng oder nachsichtig geurteilt wird.
Dies lässt den Schluss zu, dass harte Strafen nicht
unbedingt kontraproduktiv für die Entwicklung,
aber wirkungslos sind.
Materielles Recht
Der Erziehungsgedanke
Das JGG kennt keine Definition von Erziehung.
Es wird in verschiedenen Vorschriften auf den
Erziehungsgedanken hingewiesen, §§ 5, 31, 52a
I 3, 89c, 68, 74 JGG.
Zudem betont § 2 I JGG das Ziel des
Jugendstrafrechts.
Folge:
Stellt
der
Tatrichter
den
Erziehungsgedanken voran, kann er fast alles
begründen.
Weitere Folge:
Insbesondere im Bereich der Bagatelldelikte härtere
Sanktion, als im Erwachsenenstrafrecht.
Nach § 153a StPO kann ein Verfahren auch ohne
Geständnis eingestellt werden, was mittels des § 45 III
JGG nicht möglich ist.
Verteidigung sollte erinnern, dass nicht die
Lebensführung
eines
Jugendlichen
der
strafrechtlichen Prüfung unterliegt.
Maßnahmen des JGG sollen aufgrund einer konkreten
strafrechtlich relevanten Tat des Jugendlichen zur
Anwendung kommen.
Keine Rolle spielen Verteidigung der
Rechtsordnung und Generalprävention.
Vorrangig ist das Tatunrecht gegen die Folge der
Straftat für die weitere Entwicklung des
Jugendlichen abzuwägen (BGHSt 15, 224; 16,
261).
Das Schrifttum vertritt die Auffassung, dass mit
dem Jugendstrafrecht Wiederholungsgefahr
vermindert werden soll. Erziehung sei Sache des
KJHG.
Die Praxis schert sich nicht um diese
theoretischen Ansätze.
Es wird der Strafrahmen des allgemeinen
Straffrechts zur Anwendung gebracht, ohne
dass dies zulässig wäre.
Unzutreffend ist auch die Vorstellung, dass
Jugendliche milder bestraft werden, als
Erwachsene, insbesondere wenn eine
Verurteilung zu einer Jugendstrafe ansteht.
Dies zeigt der Strafrahmen von sechs
Monaten aufwärts zeigt.
Jugendstrafrecht und Allgemeines Strafrecht
Die allgemeinen Vorschriften des Strafrechts gelten zum
JGG subsidiär, sofern im JGG keine Regelung enthalten ist,
§ 2 II JGG.
Diskussion besteht derzeit bei der Frage der Anwendung
des § 257c StPO.
Eisenberg (JGG, 15. Aufl. § 2 Rdn. 39 ff.) vertritt die
Auffassung, dass Absprachen regelmäßig unzulässig sein
sollen.
Meyer-Goßner (54. Aufl., § 257c, Rdn. 7):
Verständigungen über die Frage der Anwendung des JGG
bei
Heranwachsenden
zulässig,
sofern
keine
Schlechterstellung erfolgt sowie bzgl. der Vereinbarung
einer
Strafobergrenze.
Verständigungen
müssen
erzieherisch unbedenklich sein und das Geständnis muss
positiven Einfluss auf Erziehung haben. Verständigungen
regelmäßig Fall notwendiger Verteidigung.
Der BGH hat bisher nur zur alten Gesetzeslage Stellung
bezogen (BGH, 3 StR 433/07). Trotzdem in diesem Urteil
einige Bedenken anklingen, die Zulässigkeit aber
grundsätzlich bejaht wurde, wurde bis jetzt nicht
abschließend zu dem Problem Stellung bezogen. Dazu
folgen später noch weiter Ausführungen.
Ein weiterer Punkt, der zu stetigen Diskussionen führt ist
die Anordnung der Entnahme einer DNA-Probe.
Vorschrift des § 81g IV StPO, wonach Maßnahmen bis zu
Tilgung aus dem Erziehungsregister zulässig sind, läuft
Grundsätzen des JGG zuwider, weil dauerhafte
Speicherung zu einer Stigmatisierung führt, die wiederum
die soziale Integration einschränken kann (BVerfG, StV
2009, 80ff).
Auch
die
erkennungsdienstliche
Behandlung führt zu Kontroversen.
Alter und Wirkung auf die weitere
Entwicklung sind zu berücksichtigen.
Es besteht kein öffentliches Interesse,
wenn es sich um eine einmalige Tat handelt
und die Familie angemessen auf den Vorfall
reagiert hat, BayVG, StraFo 2004, 52f. für
Diebstahl in einem bes. schweren Fall.
Verantwortungsreife und Strafunmündigkeit
Personen unter 14 Jahren sind strafunmündig,
§§ 1 JGG, 19 StGB. Dieses Verfahrenshindernis
ist in jeder Verfahrenslage zu beachten und
schließt
bereits
die
Einleitung
eines
Ermittlungsverfahrens aus.
Reaktionen können lediglich nach dem KJHG
(SGB VIII) erfolgen.
Erkennungsdienstliche
Behandlung
und
körperliche Untersuchung nach den §§ 81a, b
StPO sind unzulässig.
Wer Jugendlicher ist, bestimmt § 1 II JGG.
Die Berechnung erfolgt nach § 187 II 2 BGB.
§ 3 JGG: Jugendlicher muss Verantwortungsreife
besitzen.
Einsichtsfähigkeit verneint: Nur Maßnahmen nach §
3 S. 2 JGG.
§ 3 JGG zielt, im Gegensatz zu den §§ 20, 21 StGB
allein auf Reifemängel ab. Es kommt also darauf an,
ob eine Einsichtsfähigkeit vorliegt und die Fähigkeit,
nach dieser Einsicht zu handeln. Maßgeblich ist
dabei der Tatzeitpunkt, was mitunter zu
Nachreifungen führt.
Eine Drogenabhängigkeit spricht für eine
Reifeverzögerung oder deren Unterbrechung
(Eisenberg, § 105, Rdn. 18).
Konsum spricht für einen Entwicklungsstillstand
(OLG Bremen, StV 1993, 536).
Deswegen ist bei Heranwachsenden bei der Prüfung
des Entwicklungsstadiums besondere Sorgfalt
anzulegen.
Frage nach der konkreten Tat: Klar ist, dass man
nicht stehlen darf. Diese Erkenntnis ist womöglich
bei einem Sexualdelikt nicht ohne weiteres gegeben.
Die Prüfung von § 3 JGG hat damit für jede
einzelne Tat zu erfolgen.
Die Feststellung erfolgt nach Prüfung durch
den Bericht der JGH, § 38 II JGG und ggf.
durch ein entwicklungspsychologisches
Gutachten.
Für Heranwachsende gilt § 3 JGG aufgrund
der fehlenden Nennung in § 105 JGG nicht.
Es kommen allein die §§ 20, 21 StGB zur
Anwendung.
Heranwachsende
§ 105 I JGG enthält zwei Alternativen.
Vorrangig ist die tatbezogene zweite Alternative
der typischen Jugendverfehlung zu prüfen (BGH
StV 1987, 307 ff.).
Eine solche kann sich aus den Tatumständen
ergeben, insbesondere bei jugendtypischen
Delikten. Darüber hinaus können die
Beweggründe der Tat jugendspezifisch sein.
Im Zweifel ist jedenfalls Jugendstrafrecht
anzuwenden (BGHSt 5, 366).
Eine Jugendverfehlung ist bei keiner Straftat
ausgeschlossen, insbesondere können hier die
inneren Beweggründe entscheidend sein.
Auch zweckgerichtetes überlegtes Handeln
steht der Annahme nicht zwingend gegenüber
(BGH NStZ RR 1999, 26).
Ebenso wenig die Tatsache, dass es sich ggf. um
eine Tat handelt, die von allen Altersklassen
begangen werden kann und begangen wird
(BGH NStZ, 2001, 102).
Die Tat muss nach Erscheinungsbild und/oder
Beweggründen Merkmale jugendlicher Unreife
aufweisen.
Die Tat muss nach Erscheinungsbild und/oder
Beweggründen Merkmale jugendlicher Unreife
aufweisen.
Auch wenn das äußere Erscheinungsbild das der
Tat eines Erwachsenen aufweist, kann eine
Jugendverfehlung vorliegen, wenn die konkrete
Tat auf Leichtsinn, Unüberlegtheit, soziale
Unreife,
Unbekümmertheit
und
falsch
verstandener Freundschaft zurückgeht, BGH,
NStZ-RR 1999,26; LG Gera, StV 1998, 346.
Bei BtM-Delikten lässt allein die Tatsache, dass
eine Reise nur zum Verkauf von BtM gedient
hat, das Vorliegen einer Jugendverfehlung nicht
entfallen.
Handeltreiben mit BtM kann durchaus eine
Jugendverfehlung darstellen.
Denn die Absicht, BtM gewinnbringend zu
vertreiben kann durchaus aus Abenteuerlust
oder anderen jugendlichen Beweggründen
erfolgen, BGH, StV 1989, 311.
Etwas anderes kann sich ergeben, wenn
Kurierfahrten allein wegen der attraktiven
Entlohnung begangen wurden, KG Berlin, 3
Ws 39/01.
Hingegen ist eine Jugendverfehlung nicht
auszuschließen, wenn gemeinschaftlicher
Anbau von Cannabispflanzen erfolgt, OLG
Zweibrücken, 1 Ss 95/87.
Die zweite Alternative macht besondere
Schwierigkeiten in der Anwendung. Der
BGH in BGHSt 36, 37, 40 dazu:
„Für
die
Gleichstellung
eines
Heranwachsenden mit einem Jugendlichen
ist maßgebend, ob in dem Täter noch in
größerem Umfang Entwicklungskräfte
vorhanden sind.“
D.h. nach BGH, ist lediglich die Entwicklung
eines Jugendlichen vorhanden, kann sich der
Heranwachsende aber nicht weiterentwickeln,
ist die Anwendung von Jugendstrafrecht nicht
möglich (BGHSt 22, 41, 42).
Dazu eine vom BGH mit Beschluss vom
14.08.2012, 5 StR 318/12 aufgehobene
Begründung,
die
eine
mathematische
Begründung nicht zulässt:
Sie (die Jugendkammer) hat darauf abgestellt,
dass „Reifeverzögerungen zum Zeitpunkt der
Tat, die einen Umfang von etwa 1,5 Jahre
gehabt haben müssten, um die Gleichstellung
mit einem Jugendlichen zu rechtfertigen“, nicht
zu erkennen seien.
Auch können biographische Besonderheiten
eines zur Tatzeit 20 Jahre und neun Monate
alten Angeklagten die Annahme rechtfertigen,
dass die Persönlichkeitsentwicklung noch nicht
abgeschlossen ist (BGH, StV 2011, 591).
Der Verteidiger sollte Berichte der JGH und des
Bewährungshelfers kritisch werten.
Eigene Ermittlungen durch Gespräch mit dem
Mandanten, den Eltern, Geschwistern sind
empfehlenswert, ggf. sollten auch weitere
Bezugspersonen befragt werden, wenn dies in
der Situation angezeigt und mit den Interessen
des Mandanten vereinbar ist.
Krankenakten und strafrechtliches Vorleben sind
ebenfalls von Bedeutung.
Sofern nötig und möglich ist ein Gutachten zum
Reifegrad einzuholen.
Die Einholung eines solchen Gutachtens kann
nicht unter Berufung auf eigene Sachkunde des
Gerichts abgelehnt werden, BGH, StrFO 2010,
384.
Besonderheiten birgt auch der § 106 JGG, wenn
die Voraussetzungen des § 105 I JGG nicht
vorliegen. Es kann sodann die Strafe gemildert
werden.
Sicherungsverwahrung darf daneben nicht
angeordnet werden, § 106 III 1 JGG.
Diversion
Die §§ 45, 47 JGG eröffnen für die StA die Möglichkeit von
der Verfolgung abzusehen und für das Gericht, das
Verfahren einzustellen.
Hierfür hat sich der Begriff Diversion etabliert, der mit
Vermeidung am ehesten zu übersetzen wäre.
Vermieden werden sollen vor allem stationäre
Maßnahmen.
§ 109 II JGG schafft eine Anwendungsmöglichkeit der §§
45, 47 JGG auch für Heranwachsende, wenn auf sie
Jugendstrafrecht angewendet wird.
Zu beachten ist, dass § 45 JGG nur im
Ermittlungsverfahren Anwendung findet bei leichter bis
mittlerer Kriminalität.
Ganz erhebliche Beachtung durch den Verteidiger
muss die Tatsache haben, dass durch die Diversion die
Unschuldsvermutung nicht eingeschränkt werden
darf, da die Maßnahmen nach §§ 45, 47 JGG im
Erziehungsregister eingetragen werden.
Die §§ 170 II, 154, 154a StPO sind mithin vorrangig zu
prüfen. Eine Ausnahme bildet lediglich die mögliche
Umgehung des § 32 JGG (Einstellung der Taten als
Jugendlicher) mit der Folge, dass Erwachsenenrecht
Anwendung findet.
Auch ist ein Absehen von Strafe nach § 60 StGB
vorrangig zu prüfen.
Streitig
ist
das
Verhältnis
der
Einstellungsmöglichkeiten des JGG zu denen des
BtMG.
Die wohl h.M. sieht in § 31a BtMG eine
Spezialvorschrift im Verhältnis zu §§ 45, 47 JGG, so
dass bei Vorliegen der Voraussetzungen eine
Einstellung nach § 31a BtMG zu erfolgen hat.
Andere Meinungen halten §§ 45, 47 JGG für
spezieller, so dass vorranging, trotz nachteiliger
registerrechtlicher Folgen, diese zur Anwendung
kommen sollen.
Allerdings ist zu beachten, dass § 45 II JGG über den
Anwendungsbereich des § 31a BtMG hinausgeht.
Streitig ist auch das Verhältnis der §§ 37, 38 BtMG zu
den §§ 45, 47 JGG.
Teilweise wird den BtMG-Regelung der Vorzug
gegeben, z.T. wird für ein Nebeneinander der
Vorschriften plädiert.
Jedenfalls kann die erforderliche Zustimmung des
Richters nach § 37 BtMG nicht durch die Anwendung
des § 45 JGG umgangen werden.
Die §§ 37, 38 BtMG sollten dann zur Anwendung
kommen, wenn eine Abhängigkeit vorliegt und
Jugendstrafe bis zu 2 Jahren zu erwarten ist.
§ 29 V BtMG (Absehen von Strafe) ist nach h.M. auch
im Jugendstrafverfahren anzuwenden.
„richtige“ Rechtsfolgen
Bei den Rechtsfolgen ist zu beachten, dass sich,
anders als im Erwachsenenrecht die einzelnen
Maßnahmen nicht gegenseitig ausschließen. Es
können Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel
kombiniert werden, ebenso verschiedene Maßregeln
und Zuchtmittel, § 8 JGG.
Aus den §§ 5, 17 JGG ergibt sich zudem ein
Stufenverhältnis,
wonach
zunächst
Erziehungsmaßregeln und erst, wenn diese nicht
ausreichen, Zuchtmittel und wenn beides nicht
ausreicht oder die Schwere der Schuld dies gebietet,
Jugendstrafe zu verhängen ist.
Erziehungsmaßregeln ergeben sich aus den
§§ 9 ff. JGG und dienen der Erziehung aus
Anlass der Straftat.
Erziehungsbedürftigkeit
und
Erziehungsfähigkeit müssen vorliegen.
Zudem muss die Maßregel ausreichen, § 5
II JGG, sonst wären Zuchtmittel zu
verhängen.
Nach § 10 I1 JGG sind Weisungen Gebote und
Verbote, welche die Lebensführung des
Jugendlichen regeln und dadurch seine
Erziehung fördern sollen.
Die Aufzählung ist nicht abschließend, weshalb
alles denkbar ist, was die Voraussetzungen des
§ 10 JGG erfüllt, materiell geeignet und
verhältnismäßig ist.
Trotz Rechtskraft ist die Änderung der Weisung
nach § 11 II JGG möglich, wenn sich die
Umstände des Jugendlichen ändern.
Unzulässig sind Weisungen, den Weisungen
anderer Personen nachzukommen, da eine
Übertragung nicht zulässig ist und Weisungen
eine bestimmte Lehre zu beginnen, da die freie
Berufswahl eingeschränkt werden würde.
Die Weisung bzgl. einer Arbeit oder eine
Arbeitsauflage
sollen
aufgrund
der
Verhältnismäßigkeit bei 60-120 Stunden ihre
Obergrenze finden gem. einer Empfehlung des
64. DJT.
Befolgt der Jugendliche Weisungen, die in einem
Urteil oder nach § 53 JGG auferlegt wurden nicht, so
kann ein Ungehorsamsarrest von bis zu 4 Wochen
verhängt werden, § 11 III JGG, wenn eine Belehrung
erfolgt ist. Dies gilt nicht für Weisungen nach §§ 45,
47 JGG.
Zuvor ist auch Gelegenheit zur mündlichen Äußerung
zu geben, § 65 I 3 JGG, worauf der Verteidiger
hinwirken sollte. Der Beschluss bzgl. des Arrestes ist
zuzustellen und mit einer Rechtsmittelbelehrung zu
versehen, § 65 II 2 JGG.
Wir die Weisung vor Vollstreckung erfüllt, ist davon
abzusehen, § 11 III 3 JGG.
Zuchtmittel
Eindringlicher Mahn- und Ordnungsruf, § 13 I JGG.
Dienen der Ahnung und Sühne, sollen auch
Entwicklung des Täters erzieherisch begünstigen.
Verwarnung, § 14 JGG
Förmliche Zurechtweisung, ähnlich Ermahnung des §
45 III JGG.
Zu trennen sind Verurteilung und Vollzug. Nach
Rechtsmittelverzicht kann nach Eintritt der
Rechtskraft Vollzug erfolgen, sonst in einem
gesonderten Termin mündlich oder auch schriftlich.
Auflagen, § 15 JGG
Schadenswiedergutmachung (bei Bestehen eines
zivilrechtlichen Anspruchs),
Entschuldigung (bei wechselseitiger Bereitschaft und
in Gegenwart des Richters),
Arbeits- und Geldauflagen.
Arbeitsauflage mit höchster Verwendung, die auch
eine ahndende Funktion hat, da Wiedergutmachung
und Geldauflage an der fehlenden materiellen Kraft
des Täters scheitern. Denn die Geldauflage ist aus
eigenen Mitteln, § 15 II Nr. 1 JGG zu zahlen.
Auflagen, § 15 JGG
Werden Auflagen nicht befolgt, gilt hierfür über
§ 15 III JGG dasselbe wie zu § 11 III JGG.
Eine Änderung der Auflage ist möglich, § 15 III 1
JGG, um auf Veränderung reagieren oder
erzieherische Gründe beachten zu können.
Jugendarrest, § 16 JGG
Verhängung erfolgt in Form von Freizeit-, Kurz- oder
Dauerarrest.
Freizeitarrest betrifft die wöchentliche Freizeit am
Wochenende:
Samstagmorgen
bis
Sonntagnachmittag. Er wird auf ein oder zwei
Freizeiten bemessen.
Kurzarrest wird für eine Dauer von zwei bis vier Tagen
anstatt
Freizeitarrest
verhängt,
wenn
ein
zusammenhängender Vollzug aus erzieherischen
Gründen zweckmäßig ist. Ein Freizeitarrest entspricht
zwei
Tagen
Kurzarrest.
Eine
nachträgliche
Umwandlung ist möglich, § 86 JGG.
Der Dauerarrest beträgt 1 bis 4 Wochen.
Arrest wird in speziellen Jugendarrestanstalten
vollzogen, § 90 II JGG.
Arrest soll der Warnung dienen und eine
Auseinandersetzung mit der Tat ermöglichen, § 90 I 3
JGG.
Einzelheiten regelt die JAVollzO, die auf § 115 JGG
beruht.
Zu beachten ist, dass von der Vollstreckung
abgesehen werden kann, wenn zwischen Rechtskraft
und Vollzug mindestens 6 Monate liegen, § 87 III 3
JGG. Nach § 87 IV JGG darf nicht mehr vollstreckt
werden, wenn die Zeitspanne mindestens 1 Jahr
beträgt.
Jugendstrafe
Enthält Elemente allgemeinen Strafrechts, nämlich
Sühne, Abschreckung, Besserung und Schutz der
Allgemeinheit. Allerdings haben diese Zwecke stets
hinter
das
Erziehungsziel
zurückzutreten.
Generalprävention und Schutz der Allgemeinheit
dürfen bei der Verhängung keine Rolle spielen.
Jugendstrafe ist zu verhängen, wenn wegen
schädlicher Neigungen des Jugendlichen, die in der
Tat zum Ausdruck gekommen sind, Maßregeln oder
Zuchtmittel zur Erziehung nicht mehr ausreichen oder
diese wegen der Schwere der Schuld erforderlich ist, §
17 II JGG.
Schädliche Neigungen
Erhebliche Anlage- und Erziehungsmängel, die
ohne längere Gesamterziehung des Täters die
Gefahr
von
Störungen
der
Gemeinschaftsordnung durch weitere Straftaten
begründen (Eisenberg, 15. Aufl. § 17, Rdn. 18
mwN).
Diese schädlichen Neigungen müssen bei der
Tat hervortreten und im Zeitpunkt der
Entscheidung noch bestehen und weitere
Straftaten befürchten lassen.
Sollen schädliche Neigungen beim Ersttäter
angenommen werden, muss festgestellt und
begründet werden, dass schon vor der Tat
entwickelte, bislang aber noch nicht
hervorgetretene
Persönlichkeitsmängel
vorhanden waren, die auf die Tat Einfluss hatten
und für die Zukunft weitere Straftaten
befürchten lassen, BGH, NStZ RR 2002, 20.
Diese drohenden Straftaten müssen aber ein
bestimmtes
Gewicht
haben.
Allein
Bagatelldelikte genügen nicht, Eisenberg, § 17,
Rdn. 18a.
Indizwirkung für die Annahme haben:
Vorplanung von Verbrechen mit anderen
Mittätern
maßgebende Rolle bei der Tatausführung
Brutalität
Rücksichtslosigkeit
Vorahndungen
frühere Untersuchungshaft
Die Untersuchungshaft kann dann als positiv
für den Täter angeführt werden, wenn hier
eine gute Führung erfolgt ist, BGH 3 StR
515/96. Schlechte Führung kann allerdings
auch das Gegenteil bewirken.
Beim Ersttäter sollen folgende Punkte auf schädliche
Neigungen schließen lassen:
Schuleschwänzen
wiederholtes
Scheitern
bei
beruflichen
Integrationsmaßnahmen
Ausweichen vor dem erzieherischen Einfluss der
Eltern
Verweigerungshaltung bei JH-Maßnahmen
Verweigerung gemeinnütziger Arbeit im Rahmen der
Sozialhilfegewährung
Verhalten nach der zu verurteilenden Tat
Insbesondere das Nachtatverhalten kann
Anlass zur Argumentation bieten. So etwa
wenn eine Lösung aus einer Gruppe
stattgefunden hat, einer regelmäßigen
Arbeit
oder
Schulausbildung
etc.
nachgegangen wird.
Zudem soll aus dem objektiven
Unrechtsgehalt der Tat der Schluss auf eine
subjektive
erhebliche
Vorwerfbarkeit
gezogen werden können.
Gegen schädliche Neigungen sprechen:
Einmaliges, spontanes Fehlverhalten, BGH 5 StR
199/10
überwiegender Einfluss älterer Mittäter
alkoholbedingte Enthemmung
geringer Tatbeitrag
geringfügige Vortaten
Abenteuerlust
Not
falsch verstandene Freundschaft
Auch eine vor einer Tat erlittene Demütigung kann
nicht zur Annahme schädlicher Neigungen führen,
BGH 5 StR 55/09.
Allein der Erwerb von BtM lässt nicht auf
schädliche Neigungen schließen, OLG Köln, StV
1993, 531.
Ebenso genügt der wiederholte Verkauf, auch
harter Drogen, nicht für die Annahme
schädlicher Neigungen, OLG Hamm, StV 2005,
69.
Gleiches gilt für den Missbrauch harter BtM wie
Heroin, OLG Zweibrücken, StV 1989, 313.
Vertretbar dürfte es auch sein, eine Tätigkeit als
Aufklärungshilfe nach § 31 BtMG positiv im
Hinblick auf das Vorliegen schädlicher
Neigungen zu bewerten.
Schwere der Schuld
Ergibt sich aus der Tat selbst und der Beziehung
des Jugendlichen zu der Tat, BGH StV 1996, 598.
Alle für das Maß der Schuld bedeutsamen
Punkte zu berücksichtigen, insbesondere
Tatmotive.
Abschreckung als Strafzweck darf keine Rolle
spielen (BGHSt 16, 261f.), allerdings soll der
Gedanke der Verteidigung der Rechtsordnung,
wenn es für das Rechtsempfinden ansonsten
unverständlich wäre, Berücksichtigung finden,
BGHSt 24, 40 ff.
Allein Schwere des Tatunrechts kann keine
Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld
begründen, OLG Hamm StV 2007, 2.
Darlegung, warum der Erziehungsaspekt nur
durch eine Jugendstrafe erreicht werden kann,
erforderlich, BGH NStZ RR 2006, 27.
Deswegen wird bei Fahrlässigkeitsdelikten in
der Regel eine Jugendstrafe ausscheiden, OLG
Karlsruhe NStZ 1997, 241.
Es sind drei Schritte zur Prüfung der Schwere
der Schuld zu beachten:
Liegt ein Verbrechen oder schweres Vergehen
mit
schweren
Tatfolgen
ohne
Milderungsgründe vor.
Ist dem Jugendlichen unter Berücksichtigung
von Alter und Entwicklung und Reife sowie
der Tatsituation persönlich ein schwerer
Vorwurf zu machen?
Ist Jugendstrafe im Zeitpunkt des Urteils aus
erzieherischen Gründen noch notwendig,
BGH, StV 1993, 531?
Zu beachten ist auch, dass eine nähere Prüfung
erfolgen muss, wenn ein minder schwerer Fall
des unerlaubten Handeltreibens mit BtM in
Betracht zu ziehen ist, OLG Hamm, 3 RVs 6/10.
Keine Schwere der Schuld, wenn eine nicht
geringe Menge aus jugendspezifischen Gründen
zum Eigenkonsum eingeführt wird, OLG
Zweibrücken, StV1990, 508.
Etwas anderes kann sich ergeben, wenn mit
erheblicher Menge Handel getrieben wird und
dabei auch Minderjährige versorgt werden, AG
Eisenach, 455 Js 13030/06 1 Ls jug.
Ein Rückschluss auf die Schwere der Schuld
mit der Begründung, die Tat wäre für einen
Erwachsenen mit einem Mindestmaß von 2
Jahren belegt, ist unzulässig, OLG Hamm, ZJJ
2005, 448.
Auch bei Annahme der Schwere der Schuld
ist die Bemessung der Jugendstrafe nach
erzieherischen
Gesichtspunkten
zu
bemessen, BGH, Beschluss v. 28.02.2012, 3
StR 15/12.
Bemessung
Dauer: 6 Monaten bis 5 Jahren bei Jugendlichen.
Bei Verbrechen mit einer Höchststrafe von mehr als
10 Jahren, ist das Höchstmaß 10 Jahre, § 18 I JGG.
Bei Heranwachsenden ist das Höchstmaß allgemein
10 Jahre, § 105 III JGG.
Die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts gelten
nicht, § 18 I 3 JGG. § 46 III StGB ist nicht anwendbar,
BGH NStZ 2008, 693.
Obwohl eine entsprechende Vorschrift fehlt, sind
Milderungsgründe, aber auch solche, die einen
besonders
schweren
Fall
begründen,
zu
berücksichtigen, OLG Hamm StV 2001, 178f.
Bemessung ist an der erzieherischen Notwendigkeit
auszurichten, BGH StV 1994, 598. Aktuell: BGH, 3 StR
15/12.
Es hat konkrete Auseinandersetzung mit den
erzieherischen Erwägungen stattzufinden.
Wenn Gründe des Schuldausgleichs und der Sühne
neben den erzieherischen Gründen berücksichtigt
werden ist es zulässig, das erzieherisch notwendige
Maß zu überschreiten, BGH NStZ 1996, 232.
Das Gewicht des Tatunrechts ist dabei gegen die
Folgen für den Jugendlichen abzuwägen. Hierzu
können Erkenntnisse aus der U-Haft herangezogen
werden.
Ungeklärt, ob bei Verstoß gegen das spezielle
Beschleunigungsgebot eine Kompensation im Rahmen
der Vollstreckungslösung (BGH GS StV 2008, 133) erfolgen
soll. Insbesondere ist ungeklärt, ob eine Kompensation
bei schädlichen Neigungen oder nur bei Schwere der
Schuld möglich sein soll, BGH StV 2009, 93; BGH StraFO
2011, 56 f.
Hierbei ist die Entwicklung zur Anwendung des Gesetzes
über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren
und Ermittlungsverfahren zu beobachten.
Jugendstrafen von mehr als 5 Jahren lassen sich allein mit
erzieherischen Gründen nicht rechtfertigen. Es müssen
Gründe des Schuldausgleichs hinzukommen, BGH NStZ
1996, 496.
Anrechnung von U-Haft, § 52a JGG
Das Gericht kann nach § 52a I 2 JGG anordnen,
dass keine Anrechnung erfolgt, wenn dies im
Hinblick auf das Verhalten nach der Tat oder aus
erzieherischen Gründen nicht gerechtfertigt ist.
Die Nichtanrechnung kann aber nur in Fällen
erfolgen, in denen bei Anordnung aus zeitlichen
Gründen eine ausreichende erzieherische
Wirkung durch die Vollstreckung nicht mehr
gewährleistet ist, BGHSt 37, 75f.
Aussetzung zur Bewährung
Jugendstrafe bis zu einem Jahr setzt das Gericht zur
Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, dass die
Verurteilung als Warnung ausreicht und ein
rechtschaffender Lebenswandel zu erwarten ist, § 21 I
JGG.
Wahrscheinlichkeit erforderlich, dass keine weiteren
Straftaten verübt werden. Hierin liegt ein Unterschied zu
§ 56 I StGB, wonach keine Straftaten mehr zu erwarten
sein dürfen.
Bei Verurteilung von einem bis zu zwei Jahren (§ 21 II
JGG)
ist
ebenfalls
auszusetzen,
wenn
nicht
ausnahmsweise die Vollstreckung im Hinblick auf die
Entwicklung geboten ist und die Voraussetzungen des §
21 I JGG vorliegen.
Eine Vorschrift wie § 56 III StGB fehlt, so dass
generalpräventive Aspekte nicht angeführt
werden können.
Bei Aussetzung erfolgt nach § 32 II Nr. 3 BZRG
keine
Eintragung
ins
polizeiliche
Führungszeugnis.
§ 22 I JGG bestimmt, dass die Bewährungszeit
bei mindestens zwei und höchsten bei drei
Jahren liegen soll. Eine Verkürzung oder
Verlängerung ist gem. § 22 II JGG möglich.
§ 23 I JGG: Auflagen und Weisungen, um erzieherisch
einzuwirken. Bei Nichtbeachtung gelten die §§ 10, 11 III,
15 JGG entsprechend, d.h. es kommt nicht ohne weiteres
zu einem Widerruf. Allerdings soll eine entsprechend
Warnung dahinterstehen.
§ 24 I JGG bestimmt, dass für höchstens 2 Jahre ein
Bewährungshelfer zu bestellen ist, d.h. es ist keine
Ausnahme wie im Bereich des § 56d StGB.
§ 26 I JGG regelt den Widerruf. Dieser kommt nach Nr. 1
in Betracht, wenn in der Bewährungszeit eine Straftat
begangen wird. Sofern für die neue Straftat ebenfalls
Bewährung oder weniger verhängt wird, sollte der
Widerruf zu vermeiden sein. Insbesondere ist auf die
Möglichkeit der Verlängerung und der Verschärfung der
Weisungen und Auflagen hinzuweisen, § 26 II JGG.
Nach Nr. 2 ist ein Widerruf bei Verstoß gegen
Weisungen möglich, wenn dadurch zu erwarten ist,
dass weitere Straftaten begangen werden.
Nach Nr. 3 erfolgt der Widerruf, wenn Auflagen nicht
erfüllt werden. Eine zu erwartende Strafbegehung ist
nicht notwendig.
Mit Erlass der Jugendstrafe wird der Strafmakel für
beseitigt erklärt, § 100 JGG. Lediglich bei
Sexualdelikten gilt § 100 S. 2 JGG.
Ansonsten gilt § 97 II JGG.
Entscheidend ist dies bei Auskünften aus dem BZR, §
41 III BZRG.
Vorbehalt der Verhängung von Jugendstrafe
§ 27 JGG: Wenn nach Ausschöpfung aller
Ermittlungsmöglichkeiten nicht mit Sicherheit
festgestellt werden kann, ob in der Straftat des
Jugendlichen schädlichen Neigungen von einem
Ausmaß hervorgetreten sind, die die Verhängung
einer Jugendstrafe erforderlich machen, so kann die
Schuld festgestellt werden, aber die Entscheidung
über die Verhängung einer Jugendstrafe für eine
Bewährungszeit ausgesetzt werden.
Letztlich geht das Gericht damit von schädlichen
Neigungen aus, es kann dessen Umfang aber nicht
feststellen.
§ 27 JGG setzt eine eingehende Würdigung des bisherigen
strafrechtlichen Werdeganges insbesondere der einzelnen
Straftaten voraus.
Die festzusetzende Bewährungszeit beträgt zwischen
einem und zwei Jahren, § 28 JGG. Eine Verlängerung oder
Verkürzung ist möglich. Ein Bewährungshelfer ist zu
bestellen, § 29 JGG. Die gleichzeitige Verhängung eines
Jugendarrestes ist nicht möglich, BGHSt 35, 288.
16a JGG
Stellt sich während der Bewährungszeit heraus, dass die
missbilligte Tat auf schädliche Neigungen zurückzuführen
war, ist in einem weiteren Urteil eine Jugendstrafe
festzusetzen, §§ 30 I, 62 I JGG. Ist dies nicht der Fall, wird
der Schuldspruch durch Beschluss getilgt, § 30 II JGG.
Klärung obliegt allein dem Richter, der die
Entscheidung nach § 27 JGG getroffen hat. Sie
kann nicht, wie im Falle des § 58 III 2 JGG auf
den Richter übertragen werden, in dessen
Bezirk der Jugendliche seinen Wohnsitz hat.
Dies sieht § 62 JGG gerade nicht vor, BGH NStZ
2011, 524.
Abzustellen ist gem. dem Wortlaut auf den
Tatzeitpunkt. Entwickeln sich die schädlichen
Neigungen erst später im Laufe der
Bewährungszeit, kommt eine Verhängung der
Jugendstrafe nicht in Betracht.
Befand sich der Jugendliche in U-Haft ist eine
Anrechnung erst im Nachverfahren möglich.
Allerdings sollte mit der Entscheidung nach § 27 JGG
dann eine Entschädigungsentscheidung getroffen
werden, § 8 I 1 StrEG. Sollte sich im Nachverfahren
eine
Anrechnung
ergeben,
tritt
die
Entschädigungsentscheidung außer Kraft (§ 14 I 1
StrEG entsprechend) und die Zahlung kann
zurückgefordert werden.
Die Praxis ist mit der Anwendung des § 27 JGG
insgesamt zurückhaltend, da die Art der Sanktion dem
Jugendlichen nur schwer zu vermitteln ist.
Vorbehalt der Strafaussetzung, § 57 JGG
Solange der Strafvollzug noch nicht begonnen wurde,
kann nachträglich die Aussetzung durch Beschluss
vom erkennenden Richter angeordnet werden, § 57 I
JGG, sofern kein Widerruf vorliegt nach § 26 JGG.
Das Gericht verhängt eine bewährungsfähige
Jugendstrafe und unterlässt eine Aussage zur
Aussetzung. Diese wird in der Entscheidung für einen
bestimmten Zeitraum, meist 6 Monate, vorbehalten.
In dieser Zeit kann der Jugendliche positive Umstände
schaffen (Wohnung, Ausbildungsplatz etc.). Zumeist
werden entsprechende Weisungen erlassen.
Wurde die Strafaussetzung zur Bewährung gewährt,
rechtfertigt eine neue Straftat innerhalb der
Vorbewährung nicht den Bewährungswiderruf, OLG
Stuttgart StV 1996, 271.
In der Praxis wird häufig nach Ablauf der
Vorbewährungszeit ohne mündliche Verhandlung im
Beschlusswege nach vorheriger schriftlicher Anhörung
entschieden.
Steht eine negative Entscheidung bevor, sollte auf
eine mündliche Verhandlung hingewirkt werden. Die
Bestellung als PV gilt auch für diesen Verfahrensteil
trotz Rechtskraft, OLG Karlsruhe StV 1998, 348.
Rechtsmittel ist die sofortige Beschwerde
nach § 59 I JGG.
Vorläufige Maßnahmen bei einer negativen
Entscheidung in analoger Anwendung der
§§ 2 JGG, 453c StPO sind unzulässig.
§ 453c StPO erfasst nur die Fälle eines zu
erwartenden Widerrufs der Aussetzung, so
dass eine Analogie zu Lasten vorliegen
würde, Eisenberg, § 57, Rdn. 17.
Das Prinzip der einheitlichen Sanktion
Dem Erziehungsgedanken folgend ist für
mehrere Taten nur ein bestimmte Rechtsfolge
oder ein einheitlich aufeinander abgestimmtes
Bündel von Maßnahmen festzusetzen, § 31 I 1
JGG.
Es besteht insoweit ein Unterschied zum § 55
StGB. Eine einheitliche Maßnahme oder
Jugendstrafe ist immer zu bilden, wenn nach
der letzten Verurteilung eine weitere Straftat
begangen wurde und die vorherige noch nicht
vollständig erledigt ist.
Wird während laufender Bewährung eine neue
Straftat begangen, wird einheitlich nach § 31 II JGG
eine neue Strafe festgesetzt und frühere Entscheidung
einbezogen.
Es ist neu über die Frage der Aussetzung zu
entscheiden.
Wird keine Bewährung gewährt, ist kein expliziter
Widerruf erforderlich.
Gleiches gilt im umgekehrten Fall, der entsprechende
Möglichkeiten für die Verteidigung bietet. Hinsichtlich
des alten Urteils besteht Bindungswirkung auch bzgl.
der Strafzumessungserwägungen.
Bei der Strafzumessung besteht vielfach ein
Einfallstor für die Revision, da im Urteil nicht allein
die Höhe der früheren Verurteilung mitgeteilt
werden darf, sondern eine neue selbständige und
von der früheren Beurteilung unabhängige
einheitliche
Gesamtwürdigung
der
Rechtsfolgenbemessung fehlt, OLG Koblenz StV
2011, 591.
Damit ist die Einheitsjugendstrafe unabhängig vom
Strafausspruch der einbezogenen Entscheidung zu
bestimmen, womit sie auch geringer ausfallen
kann, BGH NStZ 2000, 263; BGHSt 37, 34 ff.
§ 31 I 3 JGG begrenzt die einheitliche Rechtsfolge auf
4 Wochen Arrest oder 10 Jahre Jugendstrafe.
Streitig ist, ob im Falle des § 31 III JGG (ausdrückliche
Nichteinbeziehung aus erzieherischen Gründen) die
Verhängung einer Jugendstrafe von 10 Jahren möglich
sein kann.
BGH (NJW 2002, 73, 76f.) hält dies in besonders
schweren Fällen für möglich hält, weil aus dem Gesetz
kein Höchstmaß der erzieherischen Einwirkung zu
erkennen sei.
Dies dürfte aber aus Verteidigersicht auch im Hinblick
auf die im JGG festgeschriebenen Höchststrafen zu
diskutieren sein.
Verteidigung an sich
Zunächst ist festzuhalten, dass gem. § 2 JGG die
allgemeinen Regelungen der StPO zur Anwendung
kommen.
Mit einigen Vorschriften des JGG soll der
Erziehungsgedanke herausgestellt werden.
Dazu beinhalten die §§ 43 – 81, 109 JGG besondere
Regelungen zum Verfahren.
Insbesondere soll, um die Wirkung im Sinne der
Spezialprävention zu verstärken, eine schnelle
Reaktion erfolgen.
Die Überlegungen sind vor allem:
Verfahrensbeschleunigung
Flexibilität des Verfahrens
Wenig formalistisches Verfahren
Einen Jugendverteidige gibt es nicht.
Der Verteidiger muss nicht erzieherisch befähigt und
in der Jugenderziehung erfahren sein, vgl. § 37 JGG,
der nur Jugendrichter und Jugendstaatsanwälte
nennt.
Die alte Richtlinie Nr. 1 zu § 68 JGG, die noch auf die
Nazizeit zurückging, wonach nur entsprechend
geeignete Verteidiger beigeordnet werden sollten,
wurde gestrichen.
Den Verteidiger trifft mithin der Erziehungsgedanke
nicht.
Dem staatlichen Strafanspruch ist mithin auch
entgegenzutreten, wenn er im Lichte des
Erziehungsgedanken verhängt werden soll.
Wichtig ist es, auf die Möglichkeit der
Pflichtverteidigerbestellung hinzuweisen, da § 74 JGG
häufig zur Anwendung kommt und die Jugendlichen
von den Verfahrenskosten freistellt. Ansonsten
drohen Schadensersatzansprüche.
Zudem sollten die Eltern, auch wenn sie zahlen,
darauf hingewiesen werden, allein die Interessen des
Mandanten zu wahren sind und Schweigepflicht
besteht.
Der Jugendliche sollte eingehend über den Ablauf
aufgeklärt werden, was seine Rechte und Pflichten
sind. Insbesondere sollte die Stellung der JGH erörtert
werden.
Vor allem weil die JGH nach h.M. keine
Verschwiegenheitspflicht
und
kein
Zeugnisverweigerungsrecht besitzt.
Spricht der Jugendliche im dortigen Gespräch über die
Tat, muss die JGH auf entsprechende Frage
antworten.
Die Pflichtverteidigung richtet sich nach §§ 68 JGG,
140 StPO und dehnt die Möglichkeiten der Bestellung
leicht zugunsten des Jugendlichen aus.
Erfahrungsgemäß ist der „Auftritt“ des Jugendlichen
vor Gericht sehr wichtig.
„Cooles“ oder genervtes Auftreten kommen auch bei
jüngeren Richter gar nicht gut an.
In einem Gespräch sollte auch ggf. vorhandenen
Falschen Vorstellungen des Jugendlichen und/oder
der Eltern entgegengetreten werden.
Vielfach bestehen falsche Vorstellungen bzgl. der
Straferwartung, aber auch umgekehrt fehlt es
mitunter an der notwendigen Einstellung zu dem
Verfahren.
Zudem ist, um dem Jugendlichen die Scheu zu
nehmen, die Verschwiegenheitsverpflichtung des
Verteidigers zu verdeutlichen. Vor allem, dass diese
auch gegenüber den Eltern gilt. Auch wenn die ggf.
die Rechnung bezahlen.
Dabei ist zu beachten, dass insbesondere § 140 II
StPO extensiv auszulegen ist, was der Unerfahrenheit
des Jugendlichen geschuldet ist, vgl. OLG Schleswig,
StV 2009, 86; OLG Hamm, StV 2008, 120.
Dazu folgende (alte) Statistik:
Im Jahr 1986 waren nur 25,7 % der Angeklagten vor
dem Jugendrichter verteidigt, gegenüber 59,1 % der
Angeklagten vor dem Strafrichter, vgl. NJW 1989,
1025.
Jedenfalls sollte ein Fall der notwendigen
Verteidigung vorliegen, wenn überhaupt die
Verhängung von Jugendstrafe droht, vgl. OLG Hamm,
StV 2009, 85.
Mitteilungen im Rahmen des Vorverfahrens:
§ 70 JGG besagt, dass in geeigneten Fällen
Mitteilungen
über
die
Einleitung
eines
Ermittlungsverfahrens an die JGH, Familiengericht,
Vormundschaftsgericht und Schule gemacht werden
sollen.
Ob und welche Mitteilungen getätigt wurden, sollte
aus der Ermittlungsakte überprüft werden.
Täterbezogene Ermittlungen:
§ 43 I 1 JGG regelt, dass nicht nur die Tat und deren
Hergang ermittelt werden soll, sondern auch die Lebensund Familienverhältnisse.
Nachfragen bei Schule und Ausbildungsstätte sollte aber
restriktiv gehandhabt werden, um eine Stigmatisierung zu
vermeiden. Insoweit ist auf § 43 I 3 JGG hinzuweisen.
Täterbezogene Ermittlungen sind für die Frage der
Anwendung der §§ 20, 21 StGB und zur Beurteilung, ob
schädliche Neigungen vorliegen, von großer Bedeutung.
Sofern nach § 43 II 2 JGG ein Sachverständiger
beigezogenen wird, ist aus diesem Anlass ein Verteidiger
zu bestellen.
Vorläufige Maßnahmen nach § 71 JGG
Demnach können vorläufige Anordnungen über die
Erziehung getroffen werden.
Gem. § 109 JGG findet die Vorschrift keine
Anwendung auf Heranwachsende.
Maßnahmen können sein:
Wechsel des Arbeitsplatzes
Annahme einer Arbeits- oder Lehrstelle
Unterbringung in einer geeigneten Familie
Unterbringung in einer betreuten Wohngruppe
Verbot des Umgangs mit bestimmten Personen
Eine spezielle Form ist die einstweilige Unterbringung
nach § 71 II JGG.
Dieser wird mittels Unterbringungsbefehl erlassen.
Die Maßnahme muss im Hinblick auf Tat und weitere
Entwicklung, insbesondere der Bewahrung vor
weiteren Taten, geboten sein.
Verhältnismäßigkeit ist zu beachten.
§ 71 II JGG ist zu anderen Maßnahmen subsidiär und
nur als ultima ratio anzuordnen.
Es hat eine Anhörung stattzufinden.
§ 71 II JGG geht bei Vorliegen beider Voraussetzungen
der Uhaft vor.
Untersuchungshaft
§ 72 V JGG: Besondere Pflicht zur Beschleunigung.
Werden nicht alle organisatorisch denkbaren
Möglichkeiten ausgenutzt, kann dies im Rahmen der
§§ 121, 122 StPO zur Aufhebung des HB führen.
Mildere Maßnahme, auch bei schweren Delikten:
Unterbringungsbefehl
Ein HB kann auch nachträglich in einen
Unterbringungsbefehl umgewandelt werden, wenn
die Möglichkeit besteht.
Insgesamt ist U-Haft nur vertretbar, wenn
Jugendstrafe ohne Bewährung zu erwarten ist.
Besonderes Augenmerk ist auch auf den Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit zu legen, der durch § 72 JGG
zum Ausdruck kommt.
Es sind immer andere Maßnahmen zu prüfen.
Es ist eine Auseinandersetzung in der Begründung des
HB erforderlich, warum die Verhältnismäßigkeit
gewahrt ist, OLG Köln, StRR 2008, 35.
Es ist darzulegen, warum andere Mittel gerade nicht
angewendet werden können.
Diese besondere Begründungspflicht ist zwingend, §
72 I 3 JGG.
Die Nichtbeachtung führt zur Aufhebung des HB, OLG
Hamm, 3 Ws 86/09, NStZ 2010, 281.
Dies ist begründet in den empirisch belegten
negativen Folgen der U-Haft für Jugendliche im
Bereich der Entwicklung und der gesellschaftlichen
Akzeptanz.
Gem. § 52a JGG ist die Anrechnung der Uhaft nicht
obligatorisch.
§§ 112, 113 StPO sind gem. § 2 II JGG anzuwenden.
Besonderheiten:
Dringender Tatverdacht ist auf die besondere
jugendstrafrechtliche Verantwortlichkeit zu beziehen
und die Begründung des HB hat sich hierzu zu
verhalten.
Bei den einzelnen Haftgründen ist den
jugendgemäßen Umständen Rechnung zu tragen,
d.h. die einzelnen Faktoren haben eine andere
Bedeutung als im Erwachsenenstrafrecht.
Vor allem die häufig verwendete Fluchtgefahr ist
aufgrund der Möglichkeiten, die Jugendlichen zur
Verfügung stehen, deren Handlungskompetenz und
Erfahrung selten tatsächlich gegeben.
Ähnliches gilt für die Verdunkelungsgefahr.
§ 72 II JGG schränkt den Vollzug eines HB
wegen Fluchtgefahr von daher auch weiter
ein.
Zudem: Die Fluchtgefahr aus dem Fehlen
eines festen Wohnsitzes herzuleiten ist
unzulässig, da Jugendliche einen Anspruch
darauf
haben,
bei
den
Erziehungsberechtigten zu wohnen oder
sie haben nach § 42 KJHG einen Anspruch
auf Inobhutnahme durch die Einrichtungen
der Jugendhilfe.
Auch gibt es keinen Haftgrund der hohen
Straferwartung, da die Beurteilung des Jugendlichen
zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung erfolgt.
Deswegen kann bei Verhaftung/Eröffnung noch
nicht abgeschätzt werden, welche Strafe im Raum
steht.
Auch die Wiederholungsgefahr nach § 112a StPO ist
enger auszulegen. So sind für die Prognose
verlässliche Tatsachengrundlagen zu benennen.
Hinsichtlich der Erheblichkeit der prognostizierten
Straftaten ist auch das Handlungsunrecht von dem
eines Erwachsenen deutlich zu unterscheiden.
Damit sind die Voraussetzungen für die
Verhängung von U-Haft bei Jugendlichen
höher.
Dennoch ist die U-Haftquote z.B. bei BtMDelikten höher, wenn Freiheitsstrafe ohne
Bewährung zu erwarten ist:
bei Erwachsenen sitzen 25 %,
bei Heranwachsenden 66 %,
bei Jugendlichen 100 %.
Das lässt den Schluss zu, dass apokryphe Haftgründe
eine große Rolle spielen. Dieser kann allein der
Erziehungszweck sein.
Gern wird sie auch eingesetzt, um die „Leere“
zwischen Dauerarrest und 6 Monaten Jugendstrafe
zu füllen.
U-Haft ist aber ein Mittel der Verfahrenssicherung.
Zu beachten ist auch, dass § 72 JGG bei
Heranwachsenden keine Anwendung findet.
Dennoch sollten die aus § 72 JGG entwickelten
Gedanken bei Heranwachsenden nicht außer acht
gelassen werden. Sie können für eine
entsprechende Argumentation zur Aussetzung
herangezogen.
Besonderheiten im Hauptverfahren
§ 48 I JGG: Verfahren gegen Jugendliche Verhandlung nicht öffentlich.
Auch, wenn wegen Taten verhandelt wird, die teils als
Jugendlicher, teils als Heranwachsender begangen
wurden, BGHSt 20, 21 ff.
Wird gegen Jugendliche und Heranwachsende
verhandelt, gilt der Grundsatz der Öffentlichkeit, § 48
III 1 JGG i.V.m. § 103 I, II JGG.
Ein Ausschluss ist aus erzieherischen Gründen
möglich, § 48 III 2 JGG.
§ 48 II JGG regelt, dass der Verletzte und sein
Erziehungsberechtigter an der HV teilnehmen dürfen.
Besonderheiten im Hauptverfahren
Nach § 109 I 4 JGG kann auch gegen Heranwachsende
die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden, wenn dies
im Interesse des Heranwachsenden ist.
Der Ausschluss der Erziehungsberechtigten ist (auch
zeitweilig) nicht zulässig, § 51 II JGG.
Ausnahmen sind in § 51 II 1 JGG geregelt, der hierzu
fünf Fälle aufführt.
Den Eltern eines Minderjährigen ist das letzte Wort zu
gewähren, BGH StraFo 2002, 290. Vorsicht ist
geboten.
Diversion jederzeit möglich.
Besonderheiten im Hauptverfahren
Grundsätzlich muss der Angeklagte bei der HV anwesend
sein, §§ 230 I, 231 StPO.
Ausnahmen finden sich in § 247 StPO, der auch im
Jugendstrafverfahren Anwendung findet.
§ 51 I JGG regelt den Ausschluss aber noch einmal
speziell.
Demnach kann der Jugendliche von solchen Erörterungen
ausgeschlossen werden, die Nachteile für seine Erziehung
bedeuten könnten.
Im Umkehrschluss soll dies bedeuten, dass ein Ausschluss
für das gesamte Verfahren nicht möglich ist.
Solche
Gründe
sollen
z.B.
vorliegen,
wenn
schwerwiegendes aus bzgl. Eltern, deren Umgang,
Krankheiten etc. erörtert wird.
Besonderheiten im Hauptverfahren
Dies sollte aber sehr restriktiv behandelt werden, weil
eine überzogene und vielleicht auch falsche
Rücksichtnahme
die
Verteidigung
sicherlich
behindert.
Auch dürfte der Jugendliche solchen Inhalten, von
deren Erörterung er ausgeschlossen war, die dann
aber ggf. in den Urteilsgründen zu finden sind, eher
mit Misstrauen begegnen.
Dies gilt trotz der Verpflichtung des Gerichts, den
Jugendlichen nach § 51 I 2 JGG zu informieren.
Besonderheiten im Hauptverfahren
Gegen den Jugendlichen kann kein Strafbefehl
erlassen werden, § 79 I JGG.
Gegen
den
Heranwachsenden
nur,
wenn
Erwachsenenstrafrecht zu Anwendung kommt, vgl. §
109 II JGG.
Auch kann dass beschleunigte Verfahren der StPO
nicht angewandt werden, § 79 II JGG.
Dieses aber beim Heranwachsenden, weil eine
Verweisung im § 109 JGG fehlt.
Deswegen
ist
auch
das
beschleunigte
Jugendverfahren unzulässig.
Für Heranwachsende gilt die Vorschrift nicht, §§ 109,
112 S. 2 JGG
Besonderheiten im Hauptverfahren
Die Privatklage findet gegen Jugendliche nicht statt, §
80 I 1 JGG. Entsprechende Delikte werden gem. § 80 I
2 JGG verfolgt.
Die Nebenklage ist nach § 80 III JGG zulässig,
allerdings ist eine besondere seelische oder
körperliche Schädigung, bzw. deren konkrete Gefahr
zusätzliche Voraussetzung für die Nebenklage.
Der Katalog des § 80 III JGG ist abschließend, so dass §
229 StGB kein Nebenklagedelikt ist.
Besonderheiten im Hauptverfahren
Das Adhäsionsverfahren findet gegen einen
Jugendlichen nicht statt, § 81 JGG.
Als
Ersatz
kommen
aber
die
Schadenswiedergutmachung nach § 15 I Nr. 1 JGG
und der TOA nach § 10 I 3 Nr. 7 JGG in Betracht.
Beides kann auch als Bewährungsauflage angeordnet
werden.
Wird ein dennoch gestellter Antrag des Opfer
zutreffend zurückgewiesen, hat das Opfer die Kosten
zu tragen, § 472a II StPO.
§ 81 JGG gilt nicht für Heranwachsende, selbst wenn
Jugendstrafrecht zur Anwendung kommt.
Besonderheiten im Hauptverfahren
Absprachen nach § 257c StPO.
Vor der Einführung des § 257c StPO bestand Einigkeit,
dass eine Absprache im Jugendstrafrecht nicht
durchgeführt werden soll.
Die Entscheidung über die Anwendung von
Jugendstrafrecht auf Erwachsene wurde als
ureigenste Aufgabe des Gerichts angesehen, die nicht
zur Disposition und Diskussion mit den weiteren
Verfahrensbeteiligten stand, BGH StV 2001, 555.
Diese Entscheidung konnte damit nicht Teil einer
Urteilsabsprache sein.
Die
Anwendung
von
Jugendstrafrecht
als
„Gegenleistung“ für ein Geständnis galt als unzulässig.
Besonderheiten im Hauptverfahren
Absprachen nach § 257c StPO.
Als unzulässig galt auch die Absprache über eine
Sanktionsobergrenze, da ansonsten § 18 JGG und
damit die erforderliche erzieherische Einwirkung ggf.
nicht möglich sei.
Dies wurde damit begründet, dass die notwendige
erzieherische Einwirkung sich nicht durch ein
Geständnis ändern oder mindern kann.
Dies alles galt, bevor § 257c StPO eingeführt wurde.
Besonderheiten im Hauptverfahren
Absprachen nach § 257c StPO.
Der Gesetzgeber ist der Auffassung , dass sich das
Jugendstrafverfahren nur in Ausnahmefällen für
Absprachen eignet, RegE BT-Drucks 16/11736.
Ungeeignet sollen demnach Absprachen über die
Sanktionsentscheidung insgesamt sein.
Damit bleibt nach dem Willen des Gesetzgebers wenig
Raum für Absprachen.
Jedenfalls ist dann die Mitwirkung eines Verteidigers
zwingend.
Ein Ausschluss von Absprachen ist weder gesetzlich
geregelt, noch gewünscht.
Damit dürften nun auch die vorstehenden Absprachen
zulässig sein, vgl. z.B. M-G, § 257c, Rdn. 7
Besonderheiten im Hauptverfahren
Absprachen nach § 257c StPO.
Wenn dann eine Absprache erfolgt ist zweierlei zu
prüfen:
Ergeben sich aus dem Erziehungsgedanken besondere
Anforderungen?
§ 43 JGG gibt die Erforschung der Täterpersönlichkeit
auf, d.h. hier wird es keinen Verzicht geben können,
mit der Folge, dass die JGH nach § 38 JGG beizuziehen
ist.
Ist das Aushandeln der Rechtsfolge ausnahmsweise
erzieherisch unbedenklich und führt das Geständnis
tatsächlich
zu
einer
verminderten
Erziehungsbedürftigkeit.
Rechtsmittel
Zunächst ist festzuhalten, dass für die Rechtsmittel die
Vorschriften der StPO gelten, sofern denen keine
Vorschrift aus dem JGG entgegensteht.
Zentrale Vorschrift ist § 55 JGG.
Dadurch werden die Rechtsmittel im Ergebnis
beschränkt.
Grund soll dafür die Beschleunigung des Verfahrens
sein, da eine schnelle rechtskräftige Beendigung aus
erzieherischen Gründen geboten ist.
Die Staatsanwaltschaft sind aus diesem Grund
gehalten, restriktiv mit Rechtsmitteln zuungunsten
umzugehen, Nr. 147 ff. RiStBV
Rechtsmittel
Die Beschränkung der Rechtsmittel stellt eine
wesentliche
Verschlechterung
zum
Erwachsenenstrafrecht dar.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Vereinbarkeit
mit der Verfassung festgestellt, weil demnach kein
Anspruch auf den Instanzenzug besteht und die
Gründe für die Beschränkung nachvollziehbar seien,
BVerfG, NJW 1988, 477.
Im Einzelnen:
Rechtsmittel
Es ist lediglich das Rechtsmittel gegen Verurteilung
hinsichtlich des Schuldspruches möglich, d.h. der
Verteidiger muss Freispruch begehren, BVerfG, 2 BvR
1824/06.
Er kann auch die rechtliche Würdigung in Frage stellen
oder behaupten, dass eine Weisung unzulässig oder
gesetzeswidrig ist (Eisenberg, § 55, Rdn. 48), was aber
die Ausnahme sein dürfte.
Die Beschränkung der Berufung auf die Frage der
Anwendung von Erwachsenen- oder Jugendstrafrecht
ist unzulässig, LG Göttingen StraFo 2007, 282.
Rechtsmittel
§ 55 I JGG: Kein Rechtsmittel gegen Art, Umfang
und Auswahl der Sanktion unterhalb der
Jugendstrafe.
Die Beschränkung greift, wenn die Änderung
der Rechtsfolge, deren Wegfall oder die
Ersetzung durch eine andere erstrebt wird.
Ausnahme ist allein die Hilfe zur Erziehung nach
§ 12 Nr. 2 JGG, § 55 I 2 JGG.
Rechtsmittel
Es
gilt
auch
im
Jugendstrafrecht
das
Verschlechterungsverbot nach den §§ 331 I, 358 II StPO.
Schwierig wird es mitunter, die einzelnen Rechtsfolgen in
ihrer Wirkung zu bestimmen.
Bei den einzelnen Freiheitsstrafen ist dies noch möglich:
Verhängung der Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt
nach § 27 JGG
Zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe nach § 21 JGG.
Zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe nach § 56
StGB.
Jugendstrafe ohne Bewährung nach § 17 JGG.
Freiheitsstrafe ohne Bewährung nach § 38 StGB.
Rechtsmittel
Bei den Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel ist dies
nicht mehr so einfach:
Zunächst ist immer eine auf den Einzelfall bezogene
Gesamtbetrachtung vorzunehmen.
Dabei ist auf die konkrete Belastung zu betrachten,
die das jeweilige Mittel für den Einzelnen in seiner
Situation hat.
Dabei sind an die Vernunftmaßstäbe des Einzelnen
objektive Kriterien anzulegen (Ostendorf, § 55, Rdn.
15).
Eine Abstufung kann insofern nur in Auflagen,
Weisungen und Arrest erfolgen.
Rechtsmittel
Besonders fatal stellt sich § 56 I 1 JGG dar, insbesondere
in der Beratung, weil vielfach nicht bekannt.
Bekannt ist § 449 StPO: Keine Vollstreckung ohne
Rechtskraft.
Hiervon weicht § 56 I 1 JGG ab.
Das Gericht kann eine Teilvollstreckung bei
Einheitsjugendstrafe
erklären,
wenn
die
Schuldfeststellungen bei einer oder mehrerer Taten nicht
beanstandet worden sind.
Zwar wird wegen der Durchbrechung des Grundsatzes der
einheitlichen Sanktion nur zurückhaltend davon Gebrauch
gemacht, aber der Erziehungsgedanke rechtfertigt alles.
§ 55 II JGG: Nur Berufung oder Revision möglich, d.h.
gegen das Berufungsurteil ist keine Revision möglich.
Ein Rechtsmittel durch zwei Instanzen ist nur möglich,
wenn die StA Berufung eingelegt hat. Dann ist gegen
dieses Urteil die Revision des Angeklagten möglich.
Hat der Angeklagte Revision, die StA Berufung
eingelegt, bleibt des Revisionsrecht erhalten,
BayObLG NStZ RR 2001, 49.
Neben § 55 II JGG besteht die Möglichkeit, gegen
Urteile durch die die Aussetzung zur Bewährung (§57
JGG) abgelehnt wurde, sofortige Beschwerde nach §
59 I JGG einzulegen. Es wird allerdings nur ein
schriftliches Verfahren durchgeführt.
Ob gegen ein Berufungsurteil die sofortige
Beschwerde dieser Art zulässig ist, ist
umstritten.
Die Rechtsprechung meint, die Sperrwirkung
des § 55 II JGG gilt auch hier, OLG Düsseldorf
NStZ 1994, 198. Die Literatur ist anderer
Auffassung.
Es besteht die Möglichkeit gegen das Urteil
Revision und sofortige Beschwerde betr. der
Aussetzung einzulegen, § 59 V JGG. Zuständig
ist dann das Revisionsgericht.
Ergeben sich Änderungen nach Rechtskraft, kann ein
Antrag nach § 57 II JGG gestellt werden, um die
Aussetzung zu erreichen.
Gegen die Entscheidung ist dann wieder die
Beschwerde nach § 59 I JGG statthaft.
Legt die StA gegen ein Urteil mit Aussetzung nach §
57 JGG Berufung mit dem Ziel ein, dass keine
Aussetzung erfolgt, wandelt § 59 I JGG das an sich
zulässige Rechtsmittel der Berufung in die sofortige
Beschwerde um.
In die dann abgelaufene Revisionsfrist gibt es keine
Wiedereinsetzung.
Damit ist das Ende erreicht.
Es bleibt die Hoffnung, dass Sie etwas „mitnehmen“
konnten.
Betäubungsmittelstrafrecht
Konsum
Selbstkonsum ist straflos. Das Weiterreichen begründet
eine strafbare Verbrauchsüberlassung, BayObLG NStZ rr
1998, 149.
Besitz, § 29 I Nr. 3 BtmG
Besitz
erfordert
das
Bestehen
eines
Herrschaftsverhältnisses und den Willen zum Besitz, so
dass das Entsorgen von BtM kein Besitz sein kann, BGH,
NStZ 2005, 155.
Kein Besitz bei Cannabispflanzen in gemeinsamer
Wohnung, OLG Celle StV 2000, 624; BGH StV 2007, 81.
Allein Kenntnis und Billigung erfüllt auch nicht die
Voraussetzungen der Beihilfe, BGH NStZ RR, 2006, 349.
Damit kann auch keine Unterlassungstat vorliegen, da der
Mitbewohner keine Garantenstellung inne hat.
Handeltreiben, § 29 I Nr. 1 BtmG
Begriff wird von der Rechtsprechung weit ausgelegt.
Jedes eigennützige Bemühen, das darauf gerichtet ist,
den Umsatz von Betäubungsmitteln zu ermöglichen oder
zu fördern.
Ausreichend ist eine nur gelegentliche, einmalige oder
vermittelnde Tätigkeit, ohne dass es zur Anbahnung
bestimmter Geschäfte kommen muss, BGHSt 34, 124.
Zahlungsvorgänge und unterstützende Finanzaktionen
können den Tatbestand des Handeltreibens erfüllen, BGH
StV 1997, 549.
Weder ist ein Umsatz erforderlich, noch müssen BtM
tatsächlich vorhanden gewesen sein, BGHSt 6, 247, da es
sich um ein Unternehmensdelikt, nicht um ein
Erfolgsdelikt handelt, BGH NStZ RR 1996, 48.
Die Tat ist auch vollendet, wenn der erstrebte Umsatz
nicht erzielt wurde, z.B. wenn ein Scheinkäufer der
Polizei auftritt, BGH StV 1981, 276.
Beim Spitzel wiederum fehlt es an der Strafbarkeit,
weil der Vorsatz zum Handeltreiben fehlt, sondern nur
der Wille vorliegt, BtM dem Markt zu entziehen.
Vielfach werden damit bereits Handlungen zum
Handeltreiben, die ansonsten nur den Rahmen einer
Hilfstätigkeit erreichen würden.
Allerdings ist diesem dann im Rahmen der
Strafzumessung Rechnung zu tragen. Zudem ist die
Annahme eines minder schweren Falles in Erwägung
zu ziehen, BGH StV 2006, 23.
Zudem ist präzise zwischen strafloser
Vorbereitungshandlung
und
Versuchsbeginn zu unterscheiden und
genau darzustellen, wo die Grenze
zwischen Beihilfe und Mittäterschaft durch
das Gericht gezogen wurde, BGH aaO.
Kriterien zur Unterscheidung sind:
Grad des eigenen Interesses am Erfolg
Umfang der Tatbeteiligung
Tatherrschaft
Allerdings ist nicht jede eigennützige Förderung
fremder Umsatzgeschäfte ein täterschaftliches
Handeltreiben.
Eine ganz untergeordnete Tätigkeit genügt in der
Regel nicht.
Täterschaft bei Kurieren:
Erhält dieser nur eine Pauschalvergütung für die
Einfuhr, kann Beihilfe vorliegen, BGH NStZ RR 1999,
186; BGH NStZ 2006, 454.
Entscheidend ist auch, ob er mit dem Erwerb und
dem Absatz etwas zu tun gehabt hat. Dieser ist aber
Täter der unerlaubten Einfuhr.
Der Schuldspruch wegen täterschaftlicher Einfuhr bedingt
aber nicht die Bewertung der Handlung als
täterschaftliches Handeltreiben. Es bedarf mithin der
Abgrenzung, so dass eine unerlaubte Einfuhr in Tateinheit
mit Beihilfe zum Handeltreiben in Betracht kommen kann.
Durch die weite Ausdehnung des Begriffs Handeltreiben
ist für einen Versuch kaum noch Raum. Beispiele für
einen Versuch sind:
Feste Kaufabsicht, der Dealer kann oder will nicht
verkaufen
Unschlüssigkeit über die Veräußerung des im Besitz
befindlichen BtM
Fehlgeschlagene Bemühung um eine Tätigkeit als Kurier
Zum Ganzen: BGH StV 2006, 22.
Abzugrenzen
sind
auch
Versuch
und
Vorbereitungshandlung.
Verkaufsgespräche gelten als Vorbereitungshandlung.
Gleiches gilt für Planungen zum Erwerb. Aber
womöglich § 30 II StGB!
Gewerbsmäßiges Handeltreiben nach § 29 III Nr. 1
BtmG stellt einen besonders schweren Fall dar und
liegt vor, wenn es um eine nicht geringe Menge geht
und sich der Täter durch den wiederholten Absatz
eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer
und einigem Umfang verschaffen will, BGH StV 2001,
461.
Für das bandenmäßige Handeltreiben nach § 30a I
Nr. 1 BtmG sind mindesten 3 Personen zur
mehrfachen Tatbegehung erforderlich.
Beim Handeltreiben mit Waffen nach § 30a II Nr. 2
BtmG gilt: Nicht geringe Menge und Beisichführen
einer Waffe, zumindest in einem Teilakt und
zumindest durch einen Mittäter, da § 28 II StGB
nicht anwendbar ist. Zum Ganzen: BGH GS, StV
2003, 282.
Zu denken ist immer an den minder schweren Fall,
§ 30a III BtmG, insbesondere im Bereich der Waffe.
Abgabe:
Übertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt ohne
rechtsgeschäftliche Grundlage und ohne Gegenleistung
an einen Dritten, der über die BtM frei verfügen kann,
BGH StV 1999, 428.
Für den Versuch ist erforderlich, dass der Täter zur
Übergabe ansetzt. Die Vereinbarung später zu übergeben
genügt nicht, BayObLG StV 1993, 478.
Veräußerung:
Entgeltliche aber uneigennützige Übereignung eines BtM
unter Einräumung der Verfügungsgewalt und mithin eine
durch rechtsgeschäftlich qualifizierte Form der Abgabe,
BGH NStZ 1991, 89.
Für den Versuch kann auf die Angaben zur Abgabe
verwiesen werden.
Einfuhr und Ausfuhr:
Einfuhr ist das Verbringen von BtM aus dem Ausland in den
Geltungsbereich des BtmG. Die Ausfuhr das Verbringen von BtM
aus dem Geltungsbereich des BtmG ins Ausland.
Bei der Einfuhr beginnt der Versuch mit einem KFZ erst kurz vor
Erreichen der Hoheitsgrenze, insbesondere wenn die letzte
Ausfahrt verfehlt wurde, OLG Düsseldorf NStZ 1994, 548. Das
Beladen allein ist noch keine versuchte Einfuhr, BGH MDR 1975,
21.
Bei einem Flugzeug beginnt der Versuch mit dem Einchecken
des Reisegepäcks.
Transitfälle sind in solche von geringer und nicht geringer
Menge zu unterscheiden, da der Strafrahmen des § 30 I Nr. 4
BtmG nur bei nicht geringer greift. Ansonsten gilt der
Strafrahmen des § 29a I Nr. 2 BtmG.
Bei einem Postversand beginnt der Versuch mit der Abgabe des
Paketes.
Anbau:
Anbau ist die Aufzucht der Pflanzen. Mit der Ernte
beginnt der Tatbestand der Herstellung, BayObLG
NStZ RR 2002, 181.
Sobald in den Cannabispflanzen THC aufgebaut wird,
geht der Anbau in den unerlaubten Besitz von BtM
über.
Dient der Anbau dem Weiterverkauf, kann bereits ein
vollendetes Handeltreiben vorliegen.
Das Zurverfügungstellen von Räumlichkeiten kann die
Beihilfe überschreiten, wenn die Pflanzen mit
wirtschaftlichem Eigeninteresse daneben auch die
Pflanzen versorgt oder die Räume ausgerüstet
werden, BGH NStZ 2006, 578.
Bewertungseinheit:
Insbesondere bei Veräußerungen aus einem einheitlichen
Vorrat zu beachten.
Ebenso stellen verschiedene Teilakte (Erwerb, Einfuhr,
Veräußerung) eine Bewertungseinheit dar.
BGH 3 StR 81/12:
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
werden mehrere Verkaufsvorgänge durch den Erwerb und
Besitz der hierzu bestimmten Gesamtmenge zu einer
Bewertungseinheit verbunden, sofern sie denselben
Güterumsatz betreffen. Dabei setzt die Annahme einer
Bewertungseinheit konkrete Anhaltspunkte dafür voraus,
dass bestimmte Einzelverkäufe aus einer einheitlich
erworbenen Gesamtmenge herrühren (BGH, Beschluss
vom 5. März 2002 - 3 StR 491/01, BGHR BtMG § 29
Bewertungseinheit 21 mwN).
Mengenbegriffe
Normale Menge nach § 29 I BtmG: Mengen bei denen
es sich um Mengen handelt, die nicht als gering
anzusehen sind und deshalb nicht nach § 29 V BtmG
behandelt werden.
Es handelt sich aber auch nicht um Mengen, die den
Umfang der „nicht geringen Menge“ erreichen, § 29a I
Nr. 2 BtmG.
Maßgeblich für die Bestimmung der nicht geringen
Menge ist die äußerst gefährliche Dosis für einen
drogenunerfahrenen Erstkonsumenten, BGHSt 33, 8.
Dazu folgende Grenzwerte der Rechtsprechung:
Heroin: 1,5 g Hydrochlorid
Cannabis: 7,5 g THC
Kokain: 5 g Hydrochlorid
Amphetamin: 10 g Amphetamin-Base
LSD: 6 g oder 300 Trips
Morphin: 4,5 g Hydrochlorid
MDE (Extasy): 30 g MDE-Base
Die
geringe
Menge
umfasst
höchstens
Konsumeinheiten.
THC: 0,045 g
H-HC: 0,15 g
K-HC: 0,3 g
Amphetamin: 0,15 g Base
3
Bei geringen Mengen kann eine Bestrafung
unterbleiben, wenn diese dem Selbstkonsum
dient.
Ist im Urteil eine geringe Menge festgestellt, so
muss eine Anwendung des § 29 V BtmG im
Urteil erörtert werden.
Feststellungen zum Wirkstoffgehalt sind bei
einer Verurteilung notwendig.
Wenn keine Sicherstellung erfolgt ist oder aus
sonstigen Gründe keine chemische Analyse
erfolgt ist, ist vom günstigsten Mischverhältnis
auszugehen.
Statische Erwägungen des Gerichts nicht zulässig.
Straßenheroin hat in Deutschland z.B. nur einen
Wirkstoffgehalt von 5 %. Die Grenze zur nicht
geringen Menge ist damit erst bei 30 g Zubereitung
überschritten.
Bei Haschisch beträgt der Wirkstoff mindestens 5 %
bei durchschnittlicher Qualität, BGH NStZ 1009, 139,
142.
Die Grenze zur nicht geringen Menge ist damit bei
einer Rohmenge von rund 150 g überschritten. Die
Annahme eines höheren Wirkstoffgehaltes ohne
Analyse ist rechtsfehlerhaft, BGH StV 2004, 602.
Aufklärungshilfe:
Gem. § 31 BtmG kann das Gericht nach seinem Ermessen die
Strafe mildern oder von einer Bestrafung nach § 29 I, II, IV oder
VI absehen, wenn der Täter durch freiwillige Offenbarung seines
Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Tat über
seinen eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt wird.
Dabei ist es nicht notwendig, dass die Aufklärungshilfe zu neuen
Erkenntnissen
führt.
Es
genügt,
wenn
bisherige
Ermittlungsergebnisse verstärkt werden und die Arbeit der
Ermittlungsbehörden erleichtert und beschleunigt wird, BGH
StraFO 2004, 429; BGH StV 2000, 623.
Ein umfassendes Geständnis ist für die Anwendung nicht
erforderlich, BGH NStZ 2000, 433. Ebenso wenig ein
Fahndungserfolg, BGH StV 2000, 318.
Das Gericht muss in seinem Urteil die Angaben nachvollziehbar
bewerten, BGH StV 2003, 286.
Werden durch die Angaben bisher nicht bekannte BtM-Bestände
sichergestellt, kann auch der Strafmilderungsgrund des § 31 Nr.
2 BtmG erfüllt sein, BGH StV 2005, 558.
Zurückstellung:
Gem. § 35 BtmG kann die Vollstreckung durch eine
therapeutische
Behandlung
ersetzt
werden.
Voraussetzungen sind:
•
Rechtskräftiges Urteil
•
Straftat wegen BtM-Abhängig begangen
•
Offener Strafrest nicht höher als 2 Jahre
•
Behandlung muss der Rehabilitation dienen
•
Behandlungsbeginn muss gewährleistet sein
•
Zustimmung des Gerichts des ersten Rechtszuges
Es muss sich nicht um eine stationäre Behandlung
handeln, eine ambulante genügt, OLG Oldenburg, StV
2005, 284.
Gegen die Versagung der Zurückstellung ist nach § 35
II 2 BtmG der Rechtsweg gem. §§ 23 ff. EGGVG
eröffnet.
Ein Versagungsgrund kann nur gegeben sein, wenn
konkrete Zweifel an einem ernsthaften Therapiewillen
vorliegen. Konsum vor der Therapie vermag diese
Zweifel nicht zu begründen, da dieses Verhalten
gerade Bestandteil einer noch nicht therapierten
Sucht ist, OLG Koblenz StV 2006, 588.
§ 35 BtmG ersetzt nicht die Unterbringung. Liegen die
Voraussetzungen des § 64 StGB vor, hat das Gericht
diese anzuordnen.
BtM und Straßenverkehr
Die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 I StGB
greift bei der Benutzung von KFZ nur dann ein, wenn
der Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs dies
erfordert, BGH GS StV 2005, 551.
Allein der Schluss aus der sich in der Tat
widerspiegelnden kriminellen Energie auf eine
straßenverkehrsrechtliche
Ungeeignetheit
ist
unzulässig.
Bei Fahrten unter BtM-Einfluss reichen für die
Annahme des § 316 StGB selbst hohe Wirkstoffwerte
nicht aus. Es müssen konkrete Ausfallerscheinungen
vorliegen, OLG Zweibrücken StV 2004, 322.
Polizeiliche Aufforderungen zur Durchführung bestimmter
Verhaltenstests zur Abklärung einer BtM-bedingten
Fahruntüchtigkeit sind nur zulässig, wenn diese freiwillig
und nach vorheriger Ausklärung bzgl. der Freiwilligkeit
durchgeführt werden.
Ansonsten besteht eine Unverwertbarkeit aufgrund des
Grundsatzes, dass niemand an seiner eigenen
Überführung mitwirken muss. Entsprechend muss ein
Widerspruch
bzgl.
der
Verwertung
in
der
Hauptverhandlung erhoben werden.
Nicht jeder Nachweis von BtM im Blut genügt für eine
Verurteilung nach § 24a II StVG. Notwendig ist eine
Konzentration, die es als möglich erscheinen lässt, dass
die Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war, BVerfG StV 2005,
383.
Der Grenzwerte bestehen wie folgt:
- THC 1 ng/ml (Blut)
- Morphin/Heroin10 ng/ml
- Benzoylecgonin (Abbauprodukt bei
Kokain) (BZE) 75 ng/ml
- MDMA 25 ng/ml
- MDE oder MDA 25 ng/ml
- Amphetamin25 ng/ml
Ende
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