Jugendstrafrecht Eiden Juristische Seminare Rechtsanwalt Jens E. Kastner Delinquenz und JGG Jugendstrafrecht soll erziehen Umorientierungsphase Jugenddelinquenz ist überwiegend vorübergehend. Der jugendliche Straftäter, der niemals entdeckt wird, wird nicht zum Serientäter als Erwachsener Gruppe von 5 %, die wiederholt und intensiv Straftaten als Jugendliche begehen. Diese Gruppe ist für etwa 30 % aller Jugendstraftaten verantwortlich, zumeist schwerere Straftaten und Gewaltdelikte Geforderte Strafschärfungen würden damit nur die 5% berücksichtigen Es gibt nicht nur einen Grund für Jugenddelinquenz Zerrüttete Familienverhältnisse, unvollständige Familien, Ablehnung innerhalb der Familie Inkonsistentes Erziehungsverhalten Abgebrochene/fehlende schulische/berufliche Ausbildung, Arbeitslosigkeit; Gewalt in der Familie, Gewalterfahrung als Opfer, Suchtprobleme in der Familie und eigene Eine Rolle spielt Gruppenverhalten und Gruppendynamik. Beim Gruppenverhalten unterwirft sich eine Person bewusst oder unbewusst der Gruppe und zeigt ein Verhalten den, das er allein nicht gezeigt hätte. Ziel: Anerkennung und Hierarchie in der Gruppe zu erlangen oder zu festigen. Häufige Aussage zur Tat: „ Ich konnte nicht anders.“ Jede Person zeigt ein Gruppenverhalten, woraus Gruppendynamik entsteht. Diese führt zu persönlichkeitsfremden Handlungen, die mitunter ein erhebliches Maß an Brutalität aufweisen können. Daraus entstehen Fragen nach: Verantwortungsreife, Schuldfähigkeit, schädlichen Neigungen, Anwendung von Jugendstrafrecht bei Heranwachsenden, da Gruppendelinquenz ein typisches Verhalten von Jugendlichen ist. Folgen des Alkoholmissbrauchs: Die enthemmende Wirkung des Alkohols, gepaart mit Gruppendynamik führt zu Delikten von erheblicher Aggressivität bei geringem Anlass. Die Grenzen von 2 und 3 Promille für die Anwendung der §§ 20, 21 StGB können nicht übernommen werden können. Bei Alkoholkonzentrationen unter 2 Promille ist die verminderte Schuldfähigkeit zu prüfen, vgl. BGH, StV 93, 186; 97, 348. Gericht darf sich nicht auf eigene Sachkunde berufen, vgl. BGH, 5 StR 197/07. Konsum von Drogen i.S.d. BtMG meist Episode. Konsum von Haschisch nicht der Einstieg, dem unweigerlich der Konsum härterer Drogen folgt. Nur bei ein Gruppe von 5 % droht ein längere Gebrauch und eine Abhängigkeit. Allein aus Konsum folgt noch keine (verminderte) Schuld(un-) -fähigkeit. Verminderte Schuldfähigkeit kommt in Betracht, wenn Missbrauch zu Auswirkungen auf Persönlichkeit geführt hat, Entzugserscheinungen vorliegen oder Angst vor erneuten Entzugserscheinungen zur Tatbegehung geführt hat, vgl. BGH, StV 2001, 83; StV 2005, 19. Insbesondere Cannabiskonsum ist weit verbreitet. So haben im Jahr 2010 7,4 % der Jugendlichen zwischen 12 und 17 und 35 % der 18 bis 25jährigen mindestens einmal Cannabis konsumiert. Im Jahr 2010 wurden nach der Polizeilichen Kriminalstatistik 2.152.803 Tatverdächtige registriert, betreffend BtM-Delikte. Davon waren 25,1 % unter 21. Abgeurteilt wurden im Jahr 2009 1.056.809 Personen (Doppelzählung möglich). Jugendliche hatten einen Anteil von 9,4 %, Heranwachsende von 11,2 %. Bei BtM-Delikten lag die Zahl der Jugendlichen bei 4,9 %, die der Heranwachsenden bei 14,9 %. Von sämtlichen Verurteilungen des Jahres 2009 entfallen 7,2 % auf Jugendliche und 10,2 % auf Heranwachsende. Bei BtM-Delikten liegt der Anteil der Jugendlichen bei 3,6 %, der Heranwachsenden ist er ähnlich. Allerdings wurde bei Heranwachsenden in 70,1 % der Fälle, wenn es um BtM-Delikte ging, Jugendstrafrecht angewandt. Sonst liegt die Quote bei 65,2 %. Angeklagte werden zu 66,3 % bei Anwendung des JGG verurteilt, zu 75 %, wenn es um BtM ging. Die Freispruchquote bei Anwendung des JGG liegt bei 2,7 % und 1,8 %, wenn BtM im Spiel waren. Bei 16 % der Verurteilungen nach JGG wird Jugendstrafe verhängt. Wurde wegen eines BtMDelikts angeklagt, liegt die Quote bei 21,3 % Diese Jugendstrafen werden insgesamt bei 64,3 % zur Bewährung ausgesetzt. Diese Quote liegt bei BtMDelikten bei 72,9 %. Quelle: Kotz/Rahlfs, Praxis Betäubungsmittelstrafrechts, 2013 des Abhängigkeit hat eine Geschichte, die ein Anhaltspunkt für die Anwendung von Jugendstrafrecht sein kann nach § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG. Erwerb harter Drogen lässt allein keinen Rückschluss auf das Vorliegen von schädlichen Neigungen zu, vgl. OLG Zweibrücken, StV 89, 313. Zurückhaltung bei Weisung nach § 10 Abs. 2 JGG hinsichtlich einer Entwöhnungsbehandlung. Grund: Stigmatisierung, Beschäftigung über einen längeren Zeitraum und den Kontakt mit anderen drogenabhängigen oder – gefährdeten Jugendlichen kontraproduktiv sein. Ein früherer Therapieabbruch lässt nicht auf Therapieunwilligkeit schließen, vgl. OLG Karlsruhe, StV 02, 263. Gibt es eine statisch höhere Delinquenz bei Ausländern und Aussiedlern? Statistiken beinhalten Straftaten, die nur von diesen Personengruppen begangen werden können. Es liegen Faktoren vor, die eher dazu führen können, strafrechtlich auffällig zu werden, z.B. Pendelerziehung, Wechsel der kulturellen Einflüsse, enge Wohnverhältnisse. Eltern können vermehrt sozialen Anforderungen der hiesigen Gesellschaft nicht gerecht werden. Sie haben beruflich und im Umgang mit Schwierigkeiten und scheitern. Junge Ausländer müssen sich mit verschiedenen Werten innerhalb Familie, Schule u.ä. auseinandersetzen. Sprachschwierigkeiten in der einen, aber auch in der anderen Sprache kommen mitunter dazu. Diese Faktoren sind bei der Würdigung des Einzelfalles zu berücksichtigen, da sie ggf. zu einer Verzögerung der Reife führen oder bei der Strafzumessung mit ins Gewicht fallen. Ernsthafte Gefahr der Ausweisung ist bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, wobei die §§ 53 ff. AufhG besonders zu beachten sind. Im Hinblick auf den Erziehungsgedanken des JGG kann es nicht zulässig sein, einen Jugendlichen in ein unsicheres Herkunftsland auszuweisen. Als Wiederholungstäter gilt, wer mit mehr als fünf Taten jugendgerichtlich in Erscheinung getreten ist, wobei die Taten über Bagatelltaten hinausgehen müssen. Pädagogik empfiehlt bei solchen Tätern intensive sozialpädagogische Betreuung, Förderung und Unterstützung. Praxis verhält sich anders, zumeist eskalierend mit weiteren und schärferen Sanktionen. Am Ende Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Ansicht der Praxis: Wer eine Sanktion missachtet hat, bei dem kann nur mit einer schärferen Sanktion der erzieherische Zweck erfüllt werden. Unter zwei Aspekten bedenklich: Problemlage und die daraus resultierende Motivation für die Straftat wird verkannt. Schuldprinzip wird außer Kraft, das einer Strafverschärfung aus erzieherischen Gründen Grenzen setzt. Dies ist bei der Verteidigung solcher Jugendlicher zu beachten. Gericht und Staatsanwaltschaft sollten insoweit über die Fragwürdigkeit einzelner Maßnahmen und deren möglichen Verstoß gegen oben genannte Grundätze „informiert“ werden. Ursachen für Gewalttaten und schwere Straftaten sind vielfältig. Gewalttäter haben oft Vorerfahren. Dies gepaart mit Armut, Arbeitslosigkeit, engen Wohnverhältnissen und instabilen Familienverhältnissen. Gewalt als Lösungsmodell von Konflikten wird vorgelebt, bzw. es werden entsprechende Erfahrungen gesammelt, z.B. in der Schule oder durch den Konsum von Medien verschiedenster Formen. Gruppendynamik verstärkt sich mit dem Ausbleiben stabilisierender Faktoren. Ideologische Motive und Reaktion auf Ablehnung. Tötungs- und Sexualdelikte sind seit Jahren in der Statistik konstant. Heftige Reaktionen von Gerichten sind häufig einer medialen Berichterstattung geschuldet. Exzessive mediale Berichterstattung über schwerste Straftaten, die ggf. nicht hart genug geahndet wurden, sorgt für eine Reaktion in der Bevölkerung, die dann wieder die Politik auf den Plan ruft. Was kann Jugendstrafrecht bewirken? Studien zeigen: Die abschreckende Wirkung ist gering. Eine Abwägung findet, wenn überhaupt nur im Hinblick auf das Entdeckungsrisiko statt. Abschreckung entsteht durch Akzeptanz von Normen. Diejenigen, die Werte und Normen akzeptieren, geraten kaum in Konflikt mit dem Gesetz. Diejenigen, die dies nicht oder nur schwer akzeptieren, geraten vermehrt in Kontakt mit den Gerichten, wobei sich Einstellung gegen die Werte und Normen noch verschlechtert. Nur 30 % aller Verfahren werden mit einem Urteil erledigt. Fast 90 % aller Maßnahmen sind ambulant. Je heftiger die Reaktion, desto höher die Rückfallquote. 80 % aller ohne Bewährung zu einer Jugendstrafe Verurteilten werden rückfällig. Bei den 16-20jährigen liegt diese Quote sogar bei 90%. Interpretation dieser Zahlen: Erziehung durch Strafe funktioniert nicht. Rückfallhäufigkeit ist darin begründet, dass ohnehin nur die hoffnungslosen Fälle zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt werden. Vergleiche von Ahndungen gleicher Straftaten zeigen, dass sich die Rückfallquote kaum ändert, egal ob streng oder nachsichtig geurteilt wird. Dies lässt den Schluss zu, dass harte Strafen nicht unbedingt kontraproduktiv für die Entwicklung, aber wirkungslos sind. Materielles Recht Der Erziehungsgedanke Das JGG kennt keine Definition von Erziehung. Es wird in verschiedenen Vorschriften auf den Erziehungsgedanken hingewiesen, §§ 5, 31, 52a I 3, 89c, 68, 74 JGG. Zudem betont § 2 I JGG das Ziel des Jugendstrafrechts. Folge: Stellt der Tatrichter den Erziehungsgedanken voran, kann er fast alles begründen. Weitere Folge: Insbesondere im Bereich der Bagatelldelikte härtere Sanktion, als im Erwachsenenstrafrecht. Nach § 153a StPO kann ein Verfahren auch ohne Geständnis eingestellt werden, was mittels des § 45 III JGG nicht möglich ist. Verteidigung sollte erinnern, dass nicht die Lebensführung eines Jugendlichen der strafrechtlichen Prüfung unterliegt. Maßnahmen des JGG sollen aufgrund einer konkreten strafrechtlich relevanten Tat des Jugendlichen zur Anwendung kommen. Keine Rolle spielen Verteidigung der Rechtsordnung und Generalprävention. Vorrangig ist das Tatunrecht gegen die Folge der Straftat für die weitere Entwicklung des Jugendlichen abzuwägen (BGHSt 15, 224; 16, 261). Das Schrifttum vertritt die Auffassung, dass mit dem Jugendstrafrecht Wiederholungsgefahr vermindert werden soll. Erziehung sei Sache des KJHG. Die Praxis schert sich nicht um diese theoretischen Ansätze. Es wird der Strafrahmen des allgemeinen Straffrechts zur Anwendung gebracht, ohne dass dies zulässig wäre. Unzutreffend ist auch die Vorstellung, dass Jugendliche milder bestraft werden, als Erwachsene, insbesondere wenn eine Verurteilung zu einer Jugendstrafe ansteht. Dies zeigt der Strafrahmen von sechs Monaten aufwärts zeigt. Jugendstrafrecht und Allgemeines Strafrecht Die allgemeinen Vorschriften des Strafrechts gelten zum JGG subsidiär, sofern im JGG keine Regelung enthalten ist, § 2 II JGG. Diskussion besteht derzeit bei der Frage der Anwendung des § 257c StPO. Eisenberg (JGG, 15. Aufl. § 2 Rdn. 39 ff.) vertritt die Auffassung, dass Absprachen regelmäßig unzulässig sein sollen. Meyer-Goßner (54. Aufl., § 257c, Rdn. 7): Verständigungen über die Frage der Anwendung des JGG bei Heranwachsenden zulässig, sofern keine Schlechterstellung erfolgt sowie bzgl. der Vereinbarung einer Strafobergrenze. Verständigungen müssen erzieherisch unbedenklich sein und das Geständnis muss positiven Einfluss auf Erziehung haben. Verständigungen regelmäßig Fall notwendiger Verteidigung. Der BGH hat bisher nur zur alten Gesetzeslage Stellung bezogen (BGH, 3 StR 433/07). Trotzdem in diesem Urteil einige Bedenken anklingen, die Zulässigkeit aber grundsätzlich bejaht wurde, wurde bis jetzt nicht abschließend zu dem Problem Stellung bezogen. Dazu folgen später noch weiter Ausführungen. Ein weiterer Punkt, der zu stetigen Diskussionen führt ist die Anordnung der Entnahme einer DNA-Probe. Vorschrift des § 81g IV StPO, wonach Maßnahmen bis zu Tilgung aus dem Erziehungsregister zulässig sind, läuft Grundsätzen des JGG zuwider, weil dauerhafte Speicherung zu einer Stigmatisierung führt, die wiederum die soziale Integration einschränken kann (BVerfG, StV 2009, 80ff). Auch die erkennungsdienstliche Behandlung führt zu Kontroversen. Alter und Wirkung auf die weitere Entwicklung sind zu berücksichtigen. Es besteht kein öffentliches Interesse, wenn es sich um eine einmalige Tat handelt und die Familie angemessen auf den Vorfall reagiert hat, BayVG, StraFo 2004, 52f. für Diebstahl in einem bes. schweren Fall. Verantwortungsreife und Strafunmündigkeit Personen unter 14 Jahren sind strafunmündig, §§ 1 JGG, 19 StGB. Dieses Verfahrenshindernis ist in jeder Verfahrenslage zu beachten und schließt bereits die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens aus. Reaktionen können lediglich nach dem KJHG (SGB VIII) erfolgen. Erkennungsdienstliche Behandlung und körperliche Untersuchung nach den §§ 81a, b StPO sind unzulässig. Wer Jugendlicher ist, bestimmt § 1 II JGG. Die Berechnung erfolgt nach § 187 II 2 BGB. § 3 JGG: Jugendlicher muss Verantwortungsreife besitzen. Einsichtsfähigkeit verneint: Nur Maßnahmen nach § 3 S. 2 JGG. § 3 JGG zielt, im Gegensatz zu den §§ 20, 21 StGB allein auf Reifemängel ab. Es kommt also darauf an, ob eine Einsichtsfähigkeit vorliegt und die Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln. Maßgeblich ist dabei der Tatzeitpunkt, was mitunter zu Nachreifungen führt. Eine Drogenabhängigkeit spricht für eine Reifeverzögerung oder deren Unterbrechung (Eisenberg, § 105, Rdn. 18). Konsum spricht für einen Entwicklungsstillstand (OLG Bremen, StV 1993, 536). Deswegen ist bei Heranwachsenden bei der Prüfung des Entwicklungsstadiums besondere Sorgfalt anzulegen. Frage nach der konkreten Tat: Klar ist, dass man nicht stehlen darf. Diese Erkenntnis ist womöglich bei einem Sexualdelikt nicht ohne weiteres gegeben. Die Prüfung von § 3 JGG hat damit für jede einzelne Tat zu erfolgen. Die Feststellung erfolgt nach Prüfung durch den Bericht der JGH, § 38 II JGG und ggf. durch ein entwicklungspsychologisches Gutachten. Für Heranwachsende gilt § 3 JGG aufgrund der fehlenden Nennung in § 105 JGG nicht. Es kommen allein die §§ 20, 21 StGB zur Anwendung. Heranwachsende § 105 I JGG enthält zwei Alternativen. Vorrangig ist die tatbezogene zweite Alternative der typischen Jugendverfehlung zu prüfen (BGH StV 1987, 307 ff.). Eine solche kann sich aus den Tatumständen ergeben, insbesondere bei jugendtypischen Delikten. Darüber hinaus können die Beweggründe der Tat jugendspezifisch sein. Im Zweifel ist jedenfalls Jugendstrafrecht anzuwenden (BGHSt 5, 366). Eine Jugendverfehlung ist bei keiner Straftat ausgeschlossen, insbesondere können hier die inneren Beweggründe entscheidend sein. Auch zweckgerichtetes überlegtes Handeln steht der Annahme nicht zwingend gegenüber (BGH NStZ RR 1999, 26). Ebenso wenig die Tatsache, dass es sich ggf. um eine Tat handelt, die von allen Altersklassen begangen werden kann und begangen wird (BGH NStZ, 2001, 102). Die Tat muss nach Erscheinungsbild und/oder Beweggründen Merkmale jugendlicher Unreife aufweisen. Die Tat muss nach Erscheinungsbild und/oder Beweggründen Merkmale jugendlicher Unreife aufweisen. Auch wenn das äußere Erscheinungsbild das der Tat eines Erwachsenen aufweist, kann eine Jugendverfehlung vorliegen, wenn die konkrete Tat auf Leichtsinn, Unüberlegtheit, soziale Unreife, Unbekümmertheit und falsch verstandener Freundschaft zurückgeht, BGH, NStZ-RR 1999,26; LG Gera, StV 1998, 346. Bei BtM-Delikten lässt allein die Tatsache, dass eine Reise nur zum Verkauf von BtM gedient hat, das Vorliegen einer Jugendverfehlung nicht entfallen. Handeltreiben mit BtM kann durchaus eine Jugendverfehlung darstellen. Denn die Absicht, BtM gewinnbringend zu vertreiben kann durchaus aus Abenteuerlust oder anderen jugendlichen Beweggründen erfolgen, BGH, StV 1989, 311. Etwas anderes kann sich ergeben, wenn Kurierfahrten allein wegen der attraktiven Entlohnung begangen wurden, KG Berlin, 3 Ws 39/01. Hingegen ist eine Jugendverfehlung nicht auszuschließen, wenn gemeinschaftlicher Anbau von Cannabispflanzen erfolgt, OLG Zweibrücken, 1 Ss 95/87. Die zweite Alternative macht besondere Schwierigkeiten in der Anwendung. Der BGH in BGHSt 36, 37, 40 dazu: „Für die Gleichstellung eines Heranwachsenden mit einem Jugendlichen ist maßgebend, ob in dem Täter noch in größerem Umfang Entwicklungskräfte vorhanden sind.“ D.h. nach BGH, ist lediglich die Entwicklung eines Jugendlichen vorhanden, kann sich der Heranwachsende aber nicht weiterentwickeln, ist die Anwendung von Jugendstrafrecht nicht möglich (BGHSt 22, 41, 42). Dazu eine vom BGH mit Beschluss vom 14.08.2012, 5 StR 318/12 aufgehobene Begründung, die eine mathematische Begründung nicht zulässt: Sie (die Jugendkammer) hat darauf abgestellt, dass „Reifeverzögerungen zum Zeitpunkt der Tat, die einen Umfang von etwa 1,5 Jahre gehabt haben müssten, um die Gleichstellung mit einem Jugendlichen zu rechtfertigen“, nicht zu erkennen seien. Auch können biographische Besonderheiten eines zur Tatzeit 20 Jahre und neun Monate alten Angeklagten die Annahme rechtfertigen, dass die Persönlichkeitsentwicklung noch nicht abgeschlossen ist (BGH, StV 2011, 591). Der Verteidiger sollte Berichte der JGH und des Bewährungshelfers kritisch werten. Eigene Ermittlungen durch Gespräch mit dem Mandanten, den Eltern, Geschwistern sind empfehlenswert, ggf. sollten auch weitere Bezugspersonen befragt werden, wenn dies in der Situation angezeigt und mit den Interessen des Mandanten vereinbar ist. Krankenakten und strafrechtliches Vorleben sind ebenfalls von Bedeutung. Sofern nötig und möglich ist ein Gutachten zum Reifegrad einzuholen. Die Einholung eines solchen Gutachtens kann nicht unter Berufung auf eigene Sachkunde des Gerichts abgelehnt werden, BGH, StrFO 2010, 384. Besonderheiten birgt auch der § 106 JGG, wenn die Voraussetzungen des § 105 I JGG nicht vorliegen. Es kann sodann die Strafe gemildert werden. Sicherungsverwahrung darf daneben nicht angeordnet werden, § 106 III 1 JGG. Diversion Die §§ 45, 47 JGG eröffnen für die StA die Möglichkeit von der Verfolgung abzusehen und für das Gericht, das Verfahren einzustellen. Hierfür hat sich der Begriff Diversion etabliert, der mit Vermeidung am ehesten zu übersetzen wäre. Vermieden werden sollen vor allem stationäre Maßnahmen. § 109 II JGG schafft eine Anwendungsmöglichkeit der §§ 45, 47 JGG auch für Heranwachsende, wenn auf sie Jugendstrafrecht angewendet wird. Zu beachten ist, dass § 45 JGG nur im Ermittlungsverfahren Anwendung findet bei leichter bis mittlerer Kriminalität. Ganz erhebliche Beachtung durch den Verteidiger muss die Tatsache haben, dass durch die Diversion die Unschuldsvermutung nicht eingeschränkt werden darf, da die Maßnahmen nach §§ 45, 47 JGG im Erziehungsregister eingetragen werden. Die §§ 170 II, 154, 154a StPO sind mithin vorrangig zu prüfen. Eine Ausnahme bildet lediglich die mögliche Umgehung des § 32 JGG (Einstellung der Taten als Jugendlicher) mit der Folge, dass Erwachsenenrecht Anwendung findet. Auch ist ein Absehen von Strafe nach § 60 StGB vorrangig zu prüfen. Streitig ist das Verhältnis der Einstellungsmöglichkeiten des JGG zu denen des BtMG. Die wohl h.M. sieht in § 31a BtMG eine Spezialvorschrift im Verhältnis zu §§ 45, 47 JGG, so dass bei Vorliegen der Voraussetzungen eine Einstellung nach § 31a BtMG zu erfolgen hat. Andere Meinungen halten §§ 45, 47 JGG für spezieller, so dass vorranging, trotz nachteiliger registerrechtlicher Folgen, diese zur Anwendung kommen sollen. Allerdings ist zu beachten, dass § 45 II JGG über den Anwendungsbereich des § 31a BtMG hinausgeht. Streitig ist auch das Verhältnis der §§ 37, 38 BtMG zu den §§ 45, 47 JGG. Teilweise wird den BtMG-Regelung der Vorzug gegeben, z.T. wird für ein Nebeneinander der Vorschriften plädiert. Jedenfalls kann die erforderliche Zustimmung des Richters nach § 37 BtMG nicht durch die Anwendung des § 45 JGG umgangen werden. Die §§ 37, 38 BtMG sollten dann zur Anwendung kommen, wenn eine Abhängigkeit vorliegt und Jugendstrafe bis zu 2 Jahren zu erwarten ist. § 29 V BtMG (Absehen von Strafe) ist nach h.M. auch im Jugendstrafverfahren anzuwenden. „richtige“ Rechtsfolgen Bei den Rechtsfolgen ist zu beachten, dass sich, anders als im Erwachsenenrecht die einzelnen Maßnahmen nicht gegenseitig ausschließen. Es können Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel kombiniert werden, ebenso verschiedene Maßregeln und Zuchtmittel, § 8 JGG. Aus den §§ 5, 17 JGG ergibt sich zudem ein Stufenverhältnis, wonach zunächst Erziehungsmaßregeln und erst, wenn diese nicht ausreichen, Zuchtmittel und wenn beides nicht ausreicht oder die Schwere der Schuld dies gebietet, Jugendstrafe zu verhängen ist. Erziehungsmaßregeln ergeben sich aus den §§ 9 ff. JGG und dienen der Erziehung aus Anlass der Straftat. Erziehungsbedürftigkeit und Erziehungsfähigkeit müssen vorliegen. Zudem muss die Maßregel ausreichen, § 5 II JGG, sonst wären Zuchtmittel zu verhängen. Nach § 10 I1 JGG sind Weisungen Gebote und Verbote, welche die Lebensführung des Jugendlichen regeln und dadurch seine Erziehung fördern sollen. Die Aufzählung ist nicht abschließend, weshalb alles denkbar ist, was die Voraussetzungen des § 10 JGG erfüllt, materiell geeignet und verhältnismäßig ist. Trotz Rechtskraft ist die Änderung der Weisung nach § 11 II JGG möglich, wenn sich die Umstände des Jugendlichen ändern. Unzulässig sind Weisungen, den Weisungen anderer Personen nachzukommen, da eine Übertragung nicht zulässig ist und Weisungen eine bestimmte Lehre zu beginnen, da die freie Berufswahl eingeschränkt werden würde. Die Weisung bzgl. einer Arbeit oder eine Arbeitsauflage sollen aufgrund der Verhältnismäßigkeit bei 60-120 Stunden ihre Obergrenze finden gem. einer Empfehlung des 64. DJT. Befolgt der Jugendliche Weisungen, die in einem Urteil oder nach § 53 JGG auferlegt wurden nicht, so kann ein Ungehorsamsarrest von bis zu 4 Wochen verhängt werden, § 11 III JGG, wenn eine Belehrung erfolgt ist. Dies gilt nicht für Weisungen nach §§ 45, 47 JGG. Zuvor ist auch Gelegenheit zur mündlichen Äußerung zu geben, § 65 I 3 JGG, worauf der Verteidiger hinwirken sollte. Der Beschluss bzgl. des Arrestes ist zuzustellen und mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen, § 65 II 2 JGG. Wir die Weisung vor Vollstreckung erfüllt, ist davon abzusehen, § 11 III 3 JGG. Zuchtmittel Eindringlicher Mahn- und Ordnungsruf, § 13 I JGG. Dienen der Ahnung und Sühne, sollen auch Entwicklung des Täters erzieherisch begünstigen. Verwarnung, § 14 JGG Förmliche Zurechtweisung, ähnlich Ermahnung des § 45 III JGG. Zu trennen sind Verurteilung und Vollzug. Nach Rechtsmittelverzicht kann nach Eintritt der Rechtskraft Vollzug erfolgen, sonst in einem gesonderten Termin mündlich oder auch schriftlich. Auflagen, § 15 JGG Schadenswiedergutmachung (bei Bestehen eines zivilrechtlichen Anspruchs), Entschuldigung (bei wechselseitiger Bereitschaft und in Gegenwart des Richters), Arbeits- und Geldauflagen. Arbeitsauflage mit höchster Verwendung, die auch eine ahndende Funktion hat, da Wiedergutmachung und Geldauflage an der fehlenden materiellen Kraft des Täters scheitern. Denn die Geldauflage ist aus eigenen Mitteln, § 15 II Nr. 1 JGG zu zahlen. Auflagen, § 15 JGG Werden Auflagen nicht befolgt, gilt hierfür über § 15 III JGG dasselbe wie zu § 11 III JGG. Eine Änderung der Auflage ist möglich, § 15 III 1 JGG, um auf Veränderung reagieren oder erzieherische Gründe beachten zu können. Jugendarrest, § 16 JGG Verhängung erfolgt in Form von Freizeit-, Kurz- oder Dauerarrest. Freizeitarrest betrifft die wöchentliche Freizeit am Wochenende: Samstagmorgen bis Sonntagnachmittag. Er wird auf ein oder zwei Freizeiten bemessen. Kurzarrest wird für eine Dauer von zwei bis vier Tagen anstatt Freizeitarrest verhängt, wenn ein zusammenhängender Vollzug aus erzieherischen Gründen zweckmäßig ist. Ein Freizeitarrest entspricht zwei Tagen Kurzarrest. Eine nachträgliche Umwandlung ist möglich, § 86 JGG. Der Dauerarrest beträgt 1 bis 4 Wochen. Arrest wird in speziellen Jugendarrestanstalten vollzogen, § 90 II JGG. Arrest soll der Warnung dienen und eine Auseinandersetzung mit der Tat ermöglichen, § 90 I 3 JGG. Einzelheiten regelt die JAVollzO, die auf § 115 JGG beruht. Zu beachten ist, dass von der Vollstreckung abgesehen werden kann, wenn zwischen Rechtskraft und Vollzug mindestens 6 Monate liegen, § 87 III 3 JGG. Nach § 87 IV JGG darf nicht mehr vollstreckt werden, wenn die Zeitspanne mindestens 1 Jahr beträgt. Jugendstrafe Enthält Elemente allgemeinen Strafrechts, nämlich Sühne, Abschreckung, Besserung und Schutz der Allgemeinheit. Allerdings haben diese Zwecke stets hinter das Erziehungsziel zurückzutreten. Generalprävention und Schutz der Allgemeinheit dürfen bei der Verhängung keine Rolle spielen. Jugendstrafe ist zu verhängen, wenn wegen schädlicher Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat zum Ausdruck gekommen sind, Maßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht mehr ausreichen oder diese wegen der Schwere der Schuld erforderlich ist, § 17 II JGG. Schädliche Neigungen Erhebliche Anlage- und Erziehungsmängel, die ohne längere Gesamterziehung des Täters die Gefahr von Störungen der Gemeinschaftsordnung durch weitere Straftaten begründen (Eisenberg, 15. Aufl. § 17, Rdn. 18 mwN). Diese schädlichen Neigungen müssen bei der Tat hervortreten und im Zeitpunkt der Entscheidung noch bestehen und weitere Straftaten befürchten lassen. Sollen schädliche Neigungen beim Ersttäter angenommen werden, muss festgestellt und begründet werden, dass schon vor der Tat entwickelte, bislang aber noch nicht hervorgetretene Persönlichkeitsmängel vorhanden waren, die auf die Tat Einfluss hatten und für die Zukunft weitere Straftaten befürchten lassen, BGH, NStZ RR 2002, 20. Diese drohenden Straftaten müssen aber ein bestimmtes Gewicht haben. Allein Bagatelldelikte genügen nicht, Eisenberg, § 17, Rdn. 18a. Indizwirkung für die Annahme haben: Vorplanung von Verbrechen mit anderen Mittätern maßgebende Rolle bei der Tatausführung Brutalität Rücksichtslosigkeit Vorahndungen frühere Untersuchungshaft Die Untersuchungshaft kann dann als positiv für den Täter angeführt werden, wenn hier eine gute Führung erfolgt ist, BGH 3 StR 515/96. Schlechte Führung kann allerdings auch das Gegenteil bewirken. Beim Ersttäter sollen folgende Punkte auf schädliche Neigungen schließen lassen: Schuleschwänzen wiederholtes Scheitern bei beruflichen Integrationsmaßnahmen Ausweichen vor dem erzieherischen Einfluss der Eltern Verweigerungshaltung bei JH-Maßnahmen Verweigerung gemeinnütziger Arbeit im Rahmen der Sozialhilfegewährung Verhalten nach der zu verurteilenden Tat Insbesondere das Nachtatverhalten kann Anlass zur Argumentation bieten. So etwa wenn eine Lösung aus einer Gruppe stattgefunden hat, einer regelmäßigen Arbeit oder Schulausbildung etc. nachgegangen wird. Zudem soll aus dem objektiven Unrechtsgehalt der Tat der Schluss auf eine subjektive erhebliche Vorwerfbarkeit gezogen werden können. Gegen schädliche Neigungen sprechen: Einmaliges, spontanes Fehlverhalten, BGH 5 StR 199/10 überwiegender Einfluss älterer Mittäter alkoholbedingte Enthemmung geringer Tatbeitrag geringfügige Vortaten Abenteuerlust Not falsch verstandene Freundschaft Auch eine vor einer Tat erlittene Demütigung kann nicht zur Annahme schädlicher Neigungen führen, BGH 5 StR 55/09. Allein der Erwerb von BtM lässt nicht auf schädliche Neigungen schließen, OLG Köln, StV 1993, 531. Ebenso genügt der wiederholte Verkauf, auch harter Drogen, nicht für die Annahme schädlicher Neigungen, OLG Hamm, StV 2005, 69. Gleiches gilt für den Missbrauch harter BtM wie Heroin, OLG Zweibrücken, StV 1989, 313. Vertretbar dürfte es auch sein, eine Tätigkeit als Aufklärungshilfe nach § 31 BtMG positiv im Hinblick auf das Vorliegen schädlicher Neigungen zu bewerten. Schwere der Schuld Ergibt sich aus der Tat selbst und der Beziehung des Jugendlichen zu der Tat, BGH StV 1996, 598. Alle für das Maß der Schuld bedeutsamen Punkte zu berücksichtigen, insbesondere Tatmotive. Abschreckung als Strafzweck darf keine Rolle spielen (BGHSt 16, 261f.), allerdings soll der Gedanke der Verteidigung der Rechtsordnung, wenn es für das Rechtsempfinden ansonsten unverständlich wäre, Berücksichtigung finden, BGHSt 24, 40 ff. Allein Schwere des Tatunrechts kann keine Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld begründen, OLG Hamm StV 2007, 2. Darlegung, warum der Erziehungsaspekt nur durch eine Jugendstrafe erreicht werden kann, erforderlich, BGH NStZ RR 2006, 27. Deswegen wird bei Fahrlässigkeitsdelikten in der Regel eine Jugendstrafe ausscheiden, OLG Karlsruhe NStZ 1997, 241. Es sind drei Schritte zur Prüfung der Schwere der Schuld zu beachten: Liegt ein Verbrechen oder schweres Vergehen mit schweren Tatfolgen ohne Milderungsgründe vor. Ist dem Jugendlichen unter Berücksichtigung von Alter und Entwicklung und Reife sowie der Tatsituation persönlich ein schwerer Vorwurf zu machen? Ist Jugendstrafe im Zeitpunkt des Urteils aus erzieherischen Gründen noch notwendig, BGH, StV 1993, 531? Zu beachten ist auch, dass eine nähere Prüfung erfolgen muss, wenn ein minder schwerer Fall des unerlaubten Handeltreibens mit BtM in Betracht zu ziehen ist, OLG Hamm, 3 RVs 6/10. Keine Schwere der Schuld, wenn eine nicht geringe Menge aus jugendspezifischen Gründen zum Eigenkonsum eingeführt wird, OLG Zweibrücken, StV1990, 508. Etwas anderes kann sich ergeben, wenn mit erheblicher Menge Handel getrieben wird und dabei auch Minderjährige versorgt werden, AG Eisenach, 455 Js 13030/06 1 Ls jug. Ein Rückschluss auf die Schwere der Schuld mit der Begründung, die Tat wäre für einen Erwachsenen mit einem Mindestmaß von 2 Jahren belegt, ist unzulässig, OLG Hamm, ZJJ 2005, 448. Auch bei Annahme der Schwere der Schuld ist die Bemessung der Jugendstrafe nach erzieherischen Gesichtspunkten zu bemessen, BGH, Beschluss v. 28.02.2012, 3 StR 15/12. Bemessung Dauer: 6 Monaten bis 5 Jahren bei Jugendlichen. Bei Verbrechen mit einer Höchststrafe von mehr als 10 Jahren, ist das Höchstmaß 10 Jahre, § 18 I JGG. Bei Heranwachsenden ist das Höchstmaß allgemein 10 Jahre, § 105 III JGG. Die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts gelten nicht, § 18 I 3 JGG. § 46 III StGB ist nicht anwendbar, BGH NStZ 2008, 693. Obwohl eine entsprechende Vorschrift fehlt, sind Milderungsgründe, aber auch solche, die einen besonders schweren Fall begründen, zu berücksichtigen, OLG Hamm StV 2001, 178f. Bemessung ist an der erzieherischen Notwendigkeit auszurichten, BGH StV 1994, 598. Aktuell: BGH, 3 StR 15/12. Es hat konkrete Auseinandersetzung mit den erzieherischen Erwägungen stattzufinden. Wenn Gründe des Schuldausgleichs und der Sühne neben den erzieherischen Gründen berücksichtigt werden ist es zulässig, das erzieherisch notwendige Maß zu überschreiten, BGH NStZ 1996, 232. Das Gewicht des Tatunrechts ist dabei gegen die Folgen für den Jugendlichen abzuwägen. Hierzu können Erkenntnisse aus der U-Haft herangezogen werden. Ungeklärt, ob bei Verstoß gegen das spezielle Beschleunigungsgebot eine Kompensation im Rahmen der Vollstreckungslösung (BGH GS StV 2008, 133) erfolgen soll. Insbesondere ist ungeklärt, ob eine Kompensation bei schädlichen Neigungen oder nur bei Schwere der Schuld möglich sein soll, BGH StV 2009, 93; BGH StraFO 2011, 56 f. Hierbei ist die Entwicklung zur Anwendung des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und Ermittlungsverfahren zu beobachten. Jugendstrafen von mehr als 5 Jahren lassen sich allein mit erzieherischen Gründen nicht rechtfertigen. Es müssen Gründe des Schuldausgleichs hinzukommen, BGH NStZ 1996, 496. Anrechnung von U-Haft, § 52a JGG Das Gericht kann nach § 52a I 2 JGG anordnen, dass keine Anrechnung erfolgt, wenn dies im Hinblick auf das Verhalten nach der Tat oder aus erzieherischen Gründen nicht gerechtfertigt ist. Die Nichtanrechnung kann aber nur in Fällen erfolgen, in denen bei Anordnung aus zeitlichen Gründen eine ausreichende erzieherische Wirkung durch die Vollstreckung nicht mehr gewährleistet ist, BGHSt 37, 75f. Aussetzung zur Bewährung Jugendstrafe bis zu einem Jahr setzt das Gericht zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, dass die Verurteilung als Warnung ausreicht und ein rechtschaffender Lebenswandel zu erwarten ist, § 21 I JGG. Wahrscheinlichkeit erforderlich, dass keine weiteren Straftaten verübt werden. Hierin liegt ein Unterschied zu § 56 I StGB, wonach keine Straftaten mehr zu erwarten sein dürfen. Bei Verurteilung von einem bis zu zwei Jahren (§ 21 II JGG) ist ebenfalls auszusetzen, wenn nicht ausnahmsweise die Vollstreckung im Hinblick auf die Entwicklung geboten ist und die Voraussetzungen des § 21 I JGG vorliegen. Eine Vorschrift wie § 56 III StGB fehlt, so dass generalpräventive Aspekte nicht angeführt werden können. Bei Aussetzung erfolgt nach § 32 II Nr. 3 BZRG keine Eintragung ins polizeiliche Führungszeugnis. § 22 I JGG bestimmt, dass die Bewährungszeit bei mindestens zwei und höchsten bei drei Jahren liegen soll. Eine Verkürzung oder Verlängerung ist gem. § 22 II JGG möglich. § 23 I JGG: Auflagen und Weisungen, um erzieherisch einzuwirken. Bei Nichtbeachtung gelten die §§ 10, 11 III, 15 JGG entsprechend, d.h. es kommt nicht ohne weiteres zu einem Widerruf. Allerdings soll eine entsprechend Warnung dahinterstehen. § 24 I JGG bestimmt, dass für höchstens 2 Jahre ein Bewährungshelfer zu bestellen ist, d.h. es ist keine Ausnahme wie im Bereich des § 56d StGB. § 26 I JGG regelt den Widerruf. Dieser kommt nach Nr. 1 in Betracht, wenn in der Bewährungszeit eine Straftat begangen wird. Sofern für die neue Straftat ebenfalls Bewährung oder weniger verhängt wird, sollte der Widerruf zu vermeiden sein. Insbesondere ist auf die Möglichkeit der Verlängerung und der Verschärfung der Weisungen und Auflagen hinzuweisen, § 26 II JGG. Nach Nr. 2 ist ein Widerruf bei Verstoß gegen Weisungen möglich, wenn dadurch zu erwarten ist, dass weitere Straftaten begangen werden. Nach Nr. 3 erfolgt der Widerruf, wenn Auflagen nicht erfüllt werden. Eine zu erwartende Strafbegehung ist nicht notwendig. Mit Erlass der Jugendstrafe wird der Strafmakel für beseitigt erklärt, § 100 JGG. Lediglich bei Sexualdelikten gilt § 100 S. 2 JGG. Ansonsten gilt § 97 II JGG. Entscheidend ist dies bei Auskünften aus dem BZR, § 41 III BZRG. Vorbehalt der Verhängung von Jugendstrafe § 27 JGG: Wenn nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann, ob in der Straftat des Jugendlichen schädlichen Neigungen von einem Ausmaß hervorgetreten sind, die die Verhängung einer Jugendstrafe erforderlich machen, so kann die Schuld festgestellt werden, aber die Entscheidung über die Verhängung einer Jugendstrafe für eine Bewährungszeit ausgesetzt werden. Letztlich geht das Gericht damit von schädlichen Neigungen aus, es kann dessen Umfang aber nicht feststellen. § 27 JGG setzt eine eingehende Würdigung des bisherigen strafrechtlichen Werdeganges insbesondere der einzelnen Straftaten voraus. Die festzusetzende Bewährungszeit beträgt zwischen einem und zwei Jahren, § 28 JGG. Eine Verlängerung oder Verkürzung ist möglich. Ein Bewährungshelfer ist zu bestellen, § 29 JGG. Die gleichzeitige Verhängung eines Jugendarrestes ist nicht möglich, BGHSt 35, 288. 16a JGG Stellt sich während der Bewährungszeit heraus, dass die missbilligte Tat auf schädliche Neigungen zurückzuführen war, ist in einem weiteren Urteil eine Jugendstrafe festzusetzen, §§ 30 I, 62 I JGG. Ist dies nicht der Fall, wird der Schuldspruch durch Beschluss getilgt, § 30 II JGG. Klärung obliegt allein dem Richter, der die Entscheidung nach § 27 JGG getroffen hat. Sie kann nicht, wie im Falle des § 58 III 2 JGG auf den Richter übertragen werden, in dessen Bezirk der Jugendliche seinen Wohnsitz hat. Dies sieht § 62 JGG gerade nicht vor, BGH NStZ 2011, 524. Abzustellen ist gem. dem Wortlaut auf den Tatzeitpunkt. Entwickeln sich die schädlichen Neigungen erst später im Laufe der Bewährungszeit, kommt eine Verhängung der Jugendstrafe nicht in Betracht. Befand sich der Jugendliche in U-Haft ist eine Anrechnung erst im Nachverfahren möglich. Allerdings sollte mit der Entscheidung nach § 27 JGG dann eine Entschädigungsentscheidung getroffen werden, § 8 I 1 StrEG. Sollte sich im Nachverfahren eine Anrechnung ergeben, tritt die Entschädigungsentscheidung außer Kraft (§ 14 I 1 StrEG entsprechend) und die Zahlung kann zurückgefordert werden. Die Praxis ist mit der Anwendung des § 27 JGG insgesamt zurückhaltend, da die Art der Sanktion dem Jugendlichen nur schwer zu vermitteln ist. Vorbehalt der Strafaussetzung, § 57 JGG Solange der Strafvollzug noch nicht begonnen wurde, kann nachträglich die Aussetzung durch Beschluss vom erkennenden Richter angeordnet werden, § 57 I JGG, sofern kein Widerruf vorliegt nach § 26 JGG. Das Gericht verhängt eine bewährungsfähige Jugendstrafe und unterlässt eine Aussage zur Aussetzung. Diese wird in der Entscheidung für einen bestimmten Zeitraum, meist 6 Monate, vorbehalten. In dieser Zeit kann der Jugendliche positive Umstände schaffen (Wohnung, Ausbildungsplatz etc.). Zumeist werden entsprechende Weisungen erlassen. Wurde die Strafaussetzung zur Bewährung gewährt, rechtfertigt eine neue Straftat innerhalb der Vorbewährung nicht den Bewährungswiderruf, OLG Stuttgart StV 1996, 271. In der Praxis wird häufig nach Ablauf der Vorbewährungszeit ohne mündliche Verhandlung im Beschlusswege nach vorheriger schriftlicher Anhörung entschieden. Steht eine negative Entscheidung bevor, sollte auf eine mündliche Verhandlung hingewirkt werden. Die Bestellung als PV gilt auch für diesen Verfahrensteil trotz Rechtskraft, OLG Karlsruhe StV 1998, 348. Rechtsmittel ist die sofortige Beschwerde nach § 59 I JGG. Vorläufige Maßnahmen bei einer negativen Entscheidung in analoger Anwendung der §§ 2 JGG, 453c StPO sind unzulässig. § 453c StPO erfasst nur die Fälle eines zu erwartenden Widerrufs der Aussetzung, so dass eine Analogie zu Lasten vorliegen würde, Eisenberg, § 57, Rdn. 17. Das Prinzip der einheitlichen Sanktion Dem Erziehungsgedanken folgend ist für mehrere Taten nur ein bestimmte Rechtsfolge oder ein einheitlich aufeinander abgestimmtes Bündel von Maßnahmen festzusetzen, § 31 I 1 JGG. Es besteht insoweit ein Unterschied zum § 55 StGB. Eine einheitliche Maßnahme oder Jugendstrafe ist immer zu bilden, wenn nach der letzten Verurteilung eine weitere Straftat begangen wurde und die vorherige noch nicht vollständig erledigt ist. Wird während laufender Bewährung eine neue Straftat begangen, wird einheitlich nach § 31 II JGG eine neue Strafe festgesetzt und frühere Entscheidung einbezogen. Es ist neu über die Frage der Aussetzung zu entscheiden. Wird keine Bewährung gewährt, ist kein expliziter Widerruf erforderlich. Gleiches gilt im umgekehrten Fall, der entsprechende Möglichkeiten für die Verteidigung bietet. Hinsichtlich des alten Urteils besteht Bindungswirkung auch bzgl. der Strafzumessungserwägungen. Bei der Strafzumessung besteht vielfach ein Einfallstor für die Revision, da im Urteil nicht allein die Höhe der früheren Verurteilung mitgeteilt werden darf, sondern eine neue selbständige und von der früheren Beurteilung unabhängige einheitliche Gesamtwürdigung der Rechtsfolgenbemessung fehlt, OLG Koblenz StV 2011, 591. Damit ist die Einheitsjugendstrafe unabhängig vom Strafausspruch der einbezogenen Entscheidung zu bestimmen, womit sie auch geringer ausfallen kann, BGH NStZ 2000, 263; BGHSt 37, 34 ff. § 31 I 3 JGG begrenzt die einheitliche Rechtsfolge auf 4 Wochen Arrest oder 10 Jahre Jugendstrafe. Streitig ist, ob im Falle des § 31 III JGG (ausdrückliche Nichteinbeziehung aus erzieherischen Gründen) die Verhängung einer Jugendstrafe von 10 Jahren möglich sein kann. BGH (NJW 2002, 73, 76f.) hält dies in besonders schweren Fällen für möglich hält, weil aus dem Gesetz kein Höchstmaß der erzieherischen Einwirkung zu erkennen sei. Dies dürfte aber aus Verteidigersicht auch im Hinblick auf die im JGG festgeschriebenen Höchststrafen zu diskutieren sein. Verteidigung an sich Zunächst ist festzuhalten, dass gem. § 2 JGG die allgemeinen Regelungen der StPO zur Anwendung kommen. Mit einigen Vorschriften des JGG soll der Erziehungsgedanke herausgestellt werden. Dazu beinhalten die §§ 43 – 81, 109 JGG besondere Regelungen zum Verfahren. Insbesondere soll, um die Wirkung im Sinne der Spezialprävention zu verstärken, eine schnelle Reaktion erfolgen. Die Überlegungen sind vor allem: Verfahrensbeschleunigung Flexibilität des Verfahrens Wenig formalistisches Verfahren Einen Jugendverteidige gibt es nicht. Der Verteidiger muss nicht erzieherisch befähigt und in der Jugenderziehung erfahren sein, vgl. § 37 JGG, der nur Jugendrichter und Jugendstaatsanwälte nennt. Die alte Richtlinie Nr. 1 zu § 68 JGG, die noch auf die Nazizeit zurückging, wonach nur entsprechend geeignete Verteidiger beigeordnet werden sollten, wurde gestrichen. Den Verteidiger trifft mithin der Erziehungsgedanke nicht. Dem staatlichen Strafanspruch ist mithin auch entgegenzutreten, wenn er im Lichte des Erziehungsgedanken verhängt werden soll. Wichtig ist es, auf die Möglichkeit der Pflichtverteidigerbestellung hinzuweisen, da § 74 JGG häufig zur Anwendung kommt und die Jugendlichen von den Verfahrenskosten freistellt. Ansonsten drohen Schadensersatzansprüche. Zudem sollten die Eltern, auch wenn sie zahlen, darauf hingewiesen werden, allein die Interessen des Mandanten zu wahren sind und Schweigepflicht besteht. Der Jugendliche sollte eingehend über den Ablauf aufgeklärt werden, was seine Rechte und Pflichten sind. Insbesondere sollte die Stellung der JGH erörtert werden. Vor allem weil die JGH nach h.M. keine Verschwiegenheitspflicht und kein Zeugnisverweigerungsrecht besitzt. Spricht der Jugendliche im dortigen Gespräch über die Tat, muss die JGH auf entsprechende Frage antworten. Die Pflichtverteidigung richtet sich nach §§ 68 JGG, 140 StPO und dehnt die Möglichkeiten der Bestellung leicht zugunsten des Jugendlichen aus. Erfahrungsgemäß ist der „Auftritt“ des Jugendlichen vor Gericht sehr wichtig. „Cooles“ oder genervtes Auftreten kommen auch bei jüngeren Richter gar nicht gut an. In einem Gespräch sollte auch ggf. vorhandenen Falschen Vorstellungen des Jugendlichen und/oder der Eltern entgegengetreten werden. Vielfach bestehen falsche Vorstellungen bzgl. der Straferwartung, aber auch umgekehrt fehlt es mitunter an der notwendigen Einstellung zu dem Verfahren. Zudem ist, um dem Jugendlichen die Scheu zu nehmen, die Verschwiegenheitsverpflichtung des Verteidigers zu verdeutlichen. Vor allem, dass diese auch gegenüber den Eltern gilt. Auch wenn die ggf. die Rechnung bezahlen. Dabei ist zu beachten, dass insbesondere § 140 II StPO extensiv auszulegen ist, was der Unerfahrenheit des Jugendlichen geschuldet ist, vgl. OLG Schleswig, StV 2009, 86; OLG Hamm, StV 2008, 120. Dazu folgende (alte) Statistik: Im Jahr 1986 waren nur 25,7 % der Angeklagten vor dem Jugendrichter verteidigt, gegenüber 59,1 % der Angeklagten vor dem Strafrichter, vgl. NJW 1989, 1025. Jedenfalls sollte ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegen, wenn überhaupt die Verhängung von Jugendstrafe droht, vgl. OLG Hamm, StV 2009, 85. Mitteilungen im Rahmen des Vorverfahrens: § 70 JGG besagt, dass in geeigneten Fällen Mitteilungen über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens an die JGH, Familiengericht, Vormundschaftsgericht und Schule gemacht werden sollen. Ob und welche Mitteilungen getätigt wurden, sollte aus der Ermittlungsakte überprüft werden. Täterbezogene Ermittlungen: § 43 I 1 JGG regelt, dass nicht nur die Tat und deren Hergang ermittelt werden soll, sondern auch die Lebensund Familienverhältnisse. Nachfragen bei Schule und Ausbildungsstätte sollte aber restriktiv gehandhabt werden, um eine Stigmatisierung zu vermeiden. Insoweit ist auf § 43 I 3 JGG hinzuweisen. Täterbezogene Ermittlungen sind für die Frage der Anwendung der §§ 20, 21 StGB und zur Beurteilung, ob schädliche Neigungen vorliegen, von großer Bedeutung. Sofern nach § 43 II 2 JGG ein Sachverständiger beigezogenen wird, ist aus diesem Anlass ein Verteidiger zu bestellen. Vorläufige Maßnahmen nach § 71 JGG Demnach können vorläufige Anordnungen über die Erziehung getroffen werden. Gem. § 109 JGG findet die Vorschrift keine Anwendung auf Heranwachsende. Maßnahmen können sein: Wechsel des Arbeitsplatzes Annahme einer Arbeits- oder Lehrstelle Unterbringung in einer geeigneten Familie Unterbringung in einer betreuten Wohngruppe Verbot des Umgangs mit bestimmten Personen Eine spezielle Form ist die einstweilige Unterbringung nach § 71 II JGG. Dieser wird mittels Unterbringungsbefehl erlassen. Die Maßnahme muss im Hinblick auf Tat und weitere Entwicklung, insbesondere der Bewahrung vor weiteren Taten, geboten sein. Verhältnismäßigkeit ist zu beachten. § 71 II JGG ist zu anderen Maßnahmen subsidiär und nur als ultima ratio anzuordnen. Es hat eine Anhörung stattzufinden. § 71 II JGG geht bei Vorliegen beider Voraussetzungen der Uhaft vor. Untersuchungshaft § 72 V JGG: Besondere Pflicht zur Beschleunigung. Werden nicht alle organisatorisch denkbaren Möglichkeiten ausgenutzt, kann dies im Rahmen der §§ 121, 122 StPO zur Aufhebung des HB führen. Mildere Maßnahme, auch bei schweren Delikten: Unterbringungsbefehl Ein HB kann auch nachträglich in einen Unterbringungsbefehl umgewandelt werden, wenn die Möglichkeit besteht. Insgesamt ist U-Haft nur vertretbar, wenn Jugendstrafe ohne Bewährung zu erwarten ist. Besonderes Augenmerk ist auch auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu legen, der durch § 72 JGG zum Ausdruck kommt. Es sind immer andere Maßnahmen zu prüfen. Es ist eine Auseinandersetzung in der Begründung des HB erforderlich, warum die Verhältnismäßigkeit gewahrt ist, OLG Köln, StRR 2008, 35. Es ist darzulegen, warum andere Mittel gerade nicht angewendet werden können. Diese besondere Begründungspflicht ist zwingend, § 72 I 3 JGG. Die Nichtbeachtung führt zur Aufhebung des HB, OLG Hamm, 3 Ws 86/09, NStZ 2010, 281. Dies ist begründet in den empirisch belegten negativen Folgen der U-Haft für Jugendliche im Bereich der Entwicklung und der gesellschaftlichen Akzeptanz. Gem. § 52a JGG ist die Anrechnung der Uhaft nicht obligatorisch. §§ 112, 113 StPO sind gem. § 2 II JGG anzuwenden. Besonderheiten: Dringender Tatverdacht ist auf die besondere jugendstrafrechtliche Verantwortlichkeit zu beziehen und die Begründung des HB hat sich hierzu zu verhalten. Bei den einzelnen Haftgründen ist den jugendgemäßen Umständen Rechnung zu tragen, d.h. die einzelnen Faktoren haben eine andere Bedeutung als im Erwachsenenstrafrecht. Vor allem die häufig verwendete Fluchtgefahr ist aufgrund der Möglichkeiten, die Jugendlichen zur Verfügung stehen, deren Handlungskompetenz und Erfahrung selten tatsächlich gegeben. Ähnliches gilt für die Verdunkelungsgefahr. § 72 II JGG schränkt den Vollzug eines HB wegen Fluchtgefahr von daher auch weiter ein. Zudem: Die Fluchtgefahr aus dem Fehlen eines festen Wohnsitzes herzuleiten ist unzulässig, da Jugendliche einen Anspruch darauf haben, bei den Erziehungsberechtigten zu wohnen oder sie haben nach § 42 KJHG einen Anspruch auf Inobhutnahme durch die Einrichtungen der Jugendhilfe. Auch gibt es keinen Haftgrund der hohen Straferwartung, da die Beurteilung des Jugendlichen zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung erfolgt. Deswegen kann bei Verhaftung/Eröffnung noch nicht abgeschätzt werden, welche Strafe im Raum steht. Auch die Wiederholungsgefahr nach § 112a StPO ist enger auszulegen. So sind für die Prognose verlässliche Tatsachengrundlagen zu benennen. Hinsichtlich der Erheblichkeit der prognostizierten Straftaten ist auch das Handlungsunrecht von dem eines Erwachsenen deutlich zu unterscheiden. Damit sind die Voraussetzungen für die Verhängung von U-Haft bei Jugendlichen höher. Dennoch ist die U-Haftquote z.B. bei BtMDelikten höher, wenn Freiheitsstrafe ohne Bewährung zu erwarten ist: bei Erwachsenen sitzen 25 %, bei Heranwachsenden 66 %, bei Jugendlichen 100 %. Das lässt den Schluss zu, dass apokryphe Haftgründe eine große Rolle spielen. Dieser kann allein der Erziehungszweck sein. Gern wird sie auch eingesetzt, um die „Leere“ zwischen Dauerarrest und 6 Monaten Jugendstrafe zu füllen. U-Haft ist aber ein Mittel der Verfahrenssicherung. Zu beachten ist auch, dass § 72 JGG bei Heranwachsenden keine Anwendung findet. Dennoch sollten die aus § 72 JGG entwickelten Gedanken bei Heranwachsenden nicht außer acht gelassen werden. Sie können für eine entsprechende Argumentation zur Aussetzung herangezogen. Besonderheiten im Hauptverfahren § 48 I JGG: Verfahren gegen Jugendliche Verhandlung nicht öffentlich. Auch, wenn wegen Taten verhandelt wird, die teils als Jugendlicher, teils als Heranwachsender begangen wurden, BGHSt 20, 21 ff. Wird gegen Jugendliche und Heranwachsende verhandelt, gilt der Grundsatz der Öffentlichkeit, § 48 III 1 JGG i.V.m. § 103 I, II JGG. Ein Ausschluss ist aus erzieherischen Gründen möglich, § 48 III 2 JGG. § 48 II JGG regelt, dass der Verletzte und sein Erziehungsberechtigter an der HV teilnehmen dürfen. Besonderheiten im Hauptverfahren Nach § 109 I 4 JGG kann auch gegen Heranwachsende die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse des Heranwachsenden ist. Der Ausschluss der Erziehungsberechtigten ist (auch zeitweilig) nicht zulässig, § 51 II JGG. Ausnahmen sind in § 51 II 1 JGG geregelt, der hierzu fünf Fälle aufführt. Den Eltern eines Minderjährigen ist das letzte Wort zu gewähren, BGH StraFo 2002, 290. Vorsicht ist geboten. Diversion jederzeit möglich. Besonderheiten im Hauptverfahren Grundsätzlich muss der Angeklagte bei der HV anwesend sein, §§ 230 I, 231 StPO. Ausnahmen finden sich in § 247 StPO, der auch im Jugendstrafverfahren Anwendung findet. § 51 I JGG regelt den Ausschluss aber noch einmal speziell. Demnach kann der Jugendliche von solchen Erörterungen ausgeschlossen werden, die Nachteile für seine Erziehung bedeuten könnten. Im Umkehrschluss soll dies bedeuten, dass ein Ausschluss für das gesamte Verfahren nicht möglich ist. Solche Gründe sollen z.B. vorliegen, wenn schwerwiegendes aus bzgl. Eltern, deren Umgang, Krankheiten etc. erörtert wird. Besonderheiten im Hauptverfahren Dies sollte aber sehr restriktiv behandelt werden, weil eine überzogene und vielleicht auch falsche Rücksichtnahme die Verteidigung sicherlich behindert. Auch dürfte der Jugendliche solchen Inhalten, von deren Erörterung er ausgeschlossen war, die dann aber ggf. in den Urteilsgründen zu finden sind, eher mit Misstrauen begegnen. Dies gilt trotz der Verpflichtung des Gerichts, den Jugendlichen nach § 51 I 2 JGG zu informieren. Besonderheiten im Hauptverfahren Gegen den Jugendlichen kann kein Strafbefehl erlassen werden, § 79 I JGG. Gegen den Heranwachsenden nur, wenn Erwachsenenstrafrecht zu Anwendung kommt, vgl. § 109 II JGG. Auch kann dass beschleunigte Verfahren der StPO nicht angewandt werden, § 79 II JGG. Dieses aber beim Heranwachsenden, weil eine Verweisung im § 109 JGG fehlt. Deswegen ist auch das beschleunigte Jugendverfahren unzulässig. Für Heranwachsende gilt die Vorschrift nicht, §§ 109, 112 S. 2 JGG Besonderheiten im Hauptverfahren Die Privatklage findet gegen Jugendliche nicht statt, § 80 I 1 JGG. Entsprechende Delikte werden gem. § 80 I 2 JGG verfolgt. Die Nebenklage ist nach § 80 III JGG zulässig, allerdings ist eine besondere seelische oder körperliche Schädigung, bzw. deren konkrete Gefahr zusätzliche Voraussetzung für die Nebenklage. Der Katalog des § 80 III JGG ist abschließend, so dass § 229 StGB kein Nebenklagedelikt ist. Besonderheiten im Hauptverfahren Das Adhäsionsverfahren findet gegen einen Jugendlichen nicht statt, § 81 JGG. Als Ersatz kommen aber die Schadenswiedergutmachung nach § 15 I Nr. 1 JGG und der TOA nach § 10 I 3 Nr. 7 JGG in Betracht. Beides kann auch als Bewährungsauflage angeordnet werden. Wird ein dennoch gestellter Antrag des Opfer zutreffend zurückgewiesen, hat das Opfer die Kosten zu tragen, § 472a II StPO. § 81 JGG gilt nicht für Heranwachsende, selbst wenn Jugendstrafrecht zur Anwendung kommt. Besonderheiten im Hauptverfahren Absprachen nach § 257c StPO. Vor der Einführung des § 257c StPO bestand Einigkeit, dass eine Absprache im Jugendstrafrecht nicht durchgeführt werden soll. Die Entscheidung über die Anwendung von Jugendstrafrecht auf Erwachsene wurde als ureigenste Aufgabe des Gerichts angesehen, die nicht zur Disposition und Diskussion mit den weiteren Verfahrensbeteiligten stand, BGH StV 2001, 555. Diese Entscheidung konnte damit nicht Teil einer Urteilsabsprache sein. Die Anwendung von Jugendstrafrecht als „Gegenleistung“ für ein Geständnis galt als unzulässig. Besonderheiten im Hauptverfahren Absprachen nach § 257c StPO. Als unzulässig galt auch die Absprache über eine Sanktionsobergrenze, da ansonsten § 18 JGG und damit die erforderliche erzieherische Einwirkung ggf. nicht möglich sei. Dies wurde damit begründet, dass die notwendige erzieherische Einwirkung sich nicht durch ein Geständnis ändern oder mindern kann. Dies alles galt, bevor § 257c StPO eingeführt wurde. Besonderheiten im Hauptverfahren Absprachen nach § 257c StPO. Der Gesetzgeber ist der Auffassung , dass sich das Jugendstrafverfahren nur in Ausnahmefällen für Absprachen eignet, RegE BT-Drucks 16/11736. Ungeeignet sollen demnach Absprachen über die Sanktionsentscheidung insgesamt sein. Damit bleibt nach dem Willen des Gesetzgebers wenig Raum für Absprachen. Jedenfalls ist dann die Mitwirkung eines Verteidigers zwingend. Ein Ausschluss von Absprachen ist weder gesetzlich geregelt, noch gewünscht. Damit dürften nun auch die vorstehenden Absprachen zulässig sein, vgl. z.B. M-G, § 257c, Rdn. 7 Besonderheiten im Hauptverfahren Absprachen nach § 257c StPO. Wenn dann eine Absprache erfolgt ist zweierlei zu prüfen: Ergeben sich aus dem Erziehungsgedanken besondere Anforderungen? § 43 JGG gibt die Erforschung der Täterpersönlichkeit auf, d.h. hier wird es keinen Verzicht geben können, mit der Folge, dass die JGH nach § 38 JGG beizuziehen ist. Ist das Aushandeln der Rechtsfolge ausnahmsweise erzieherisch unbedenklich und führt das Geständnis tatsächlich zu einer verminderten Erziehungsbedürftigkeit. Rechtsmittel Zunächst ist festzuhalten, dass für die Rechtsmittel die Vorschriften der StPO gelten, sofern denen keine Vorschrift aus dem JGG entgegensteht. Zentrale Vorschrift ist § 55 JGG. Dadurch werden die Rechtsmittel im Ergebnis beschränkt. Grund soll dafür die Beschleunigung des Verfahrens sein, da eine schnelle rechtskräftige Beendigung aus erzieherischen Gründen geboten ist. Die Staatsanwaltschaft sind aus diesem Grund gehalten, restriktiv mit Rechtsmitteln zuungunsten umzugehen, Nr. 147 ff. RiStBV Rechtsmittel Die Beschränkung der Rechtsmittel stellt eine wesentliche Verschlechterung zum Erwachsenenstrafrecht dar. Das Bundesverfassungsgericht hat die Vereinbarkeit mit der Verfassung festgestellt, weil demnach kein Anspruch auf den Instanzenzug besteht und die Gründe für die Beschränkung nachvollziehbar seien, BVerfG, NJW 1988, 477. Im Einzelnen: Rechtsmittel Es ist lediglich das Rechtsmittel gegen Verurteilung hinsichtlich des Schuldspruches möglich, d.h. der Verteidiger muss Freispruch begehren, BVerfG, 2 BvR 1824/06. Er kann auch die rechtliche Würdigung in Frage stellen oder behaupten, dass eine Weisung unzulässig oder gesetzeswidrig ist (Eisenberg, § 55, Rdn. 48), was aber die Ausnahme sein dürfte. Die Beschränkung der Berufung auf die Frage der Anwendung von Erwachsenen- oder Jugendstrafrecht ist unzulässig, LG Göttingen StraFo 2007, 282. Rechtsmittel § 55 I JGG: Kein Rechtsmittel gegen Art, Umfang und Auswahl der Sanktion unterhalb der Jugendstrafe. Die Beschränkung greift, wenn die Änderung der Rechtsfolge, deren Wegfall oder die Ersetzung durch eine andere erstrebt wird. Ausnahme ist allein die Hilfe zur Erziehung nach § 12 Nr. 2 JGG, § 55 I 2 JGG. Rechtsmittel Es gilt auch im Jugendstrafrecht das Verschlechterungsverbot nach den §§ 331 I, 358 II StPO. Schwierig wird es mitunter, die einzelnen Rechtsfolgen in ihrer Wirkung zu bestimmen. Bei den einzelnen Freiheitsstrafen ist dies noch möglich: Verhängung der Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt nach § 27 JGG Zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe nach § 21 JGG. Zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe nach § 56 StGB. Jugendstrafe ohne Bewährung nach § 17 JGG. Freiheitsstrafe ohne Bewährung nach § 38 StGB. Rechtsmittel Bei den Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel ist dies nicht mehr so einfach: Zunächst ist immer eine auf den Einzelfall bezogene Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Dabei ist auf die konkrete Belastung zu betrachten, die das jeweilige Mittel für den Einzelnen in seiner Situation hat. Dabei sind an die Vernunftmaßstäbe des Einzelnen objektive Kriterien anzulegen (Ostendorf, § 55, Rdn. 15). Eine Abstufung kann insofern nur in Auflagen, Weisungen und Arrest erfolgen. Rechtsmittel Besonders fatal stellt sich § 56 I 1 JGG dar, insbesondere in der Beratung, weil vielfach nicht bekannt. Bekannt ist § 449 StPO: Keine Vollstreckung ohne Rechtskraft. Hiervon weicht § 56 I 1 JGG ab. Das Gericht kann eine Teilvollstreckung bei Einheitsjugendstrafe erklären, wenn die Schuldfeststellungen bei einer oder mehrerer Taten nicht beanstandet worden sind. Zwar wird wegen der Durchbrechung des Grundsatzes der einheitlichen Sanktion nur zurückhaltend davon Gebrauch gemacht, aber der Erziehungsgedanke rechtfertigt alles. § 55 II JGG: Nur Berufung oder Revision möglich, d.h. gegen das Berufungsurteil ist keine Revision möglich. Ein Rechtsmittel durch zwei Instanzen ist nur möglich, wenn die StA Berufung eingelegt hat. Dann ist gegen dieses Urteil die Revision des Angeklagten möglich. Hat der Angeklagte Revision, die StA Berufung eingelegt, bleibt des Revisionsrecht erhalten, BayObLG NStZ RR 2001, 49. Neben § 55 II JGG besteht die Möglichkeit, gegen Urteile durch die die Aussetzung zur Bewährung (§57 JGG) abgelehnt wurde, sofortige Beschwerde nach § 59 I JGG einzulegen. Es wird allerdings nur ein schriftliches Verfahren durchgeführt. Ob gegen ein Berufungsurteil die sofortige Beschwerde dieser Art zulässig ist, ist umstritten. Die Rechtsprechung meint, die Sperrwirkung des § 55 II JGG gilt auch hier, OLG Düsseldorf NStZ 1994, 198. Die Literatur ist anderer Auffassung. Es besteht die Möglichkeit gegen das Urteil Revision und sofortige Beschwerde betr. der Aussetzung einzulegen, § 59 V JGG. Zuständig ist dann das Revisionsgericht. Ergeben sich Änderungen nach Rechtskraft, kann ein Antrag nach § 57 II JGG gestellt werden, um die Aussetzung zu erreichen. Gegen die Entscheidung ist dann wieder die Beschwerde nach § 59 I JGG statthaft. Legt die StA gegen ein Urteil mit Aussetzung nach § 57 JGG Berufung mit dem Ziel ein, dass keine Aussetzung erfolgt, wandelt § 59 I JGG das an sich zulässige Rechtsmittel der Berufung in die sofortige Beschwerde um. In die dann abgelaufene Revisionsfrist gibt es keine Wiedereinsetzung. Damit ist das Ende erreicht. Es bleibt die Hoffnung, dass Sie etwas „mitnehmen“ konnten. Betäubungsmittelstrafrecht Konsum Selbstkonsum ist straflos. Das Weiterreichen begründet eine strafbare Verbrauchsüberlassung, BayObLG NStZ rr 1998, 149. Besitz, § 29 I Nr. 3 BtmG Besitz erfordert das Bestehen eines Herrschaftsverhältnisses und den Willen zum Besitz, so dass das Entsorgen von BtM kein Besitz sein kann, BGH, NStZ 2005, 155. Kein Besitz bei Cannabispflanzen in gemeinsamer Wohnung, OLG Celle StV 2000, 624; BGH StV 2007, 81. Allein Kenntnis und Billigung erfüllt auch nicht die Voraussetzungen der Beihilfe, BGH NStZ RR, 2006, 349. Damit kann auch keine Unterlassungstat vorliegen, da der Mitbewohner keine Garantenstellung inne hat. Handeltreiben, § 29 I Nr. 1 BtmG Begriff wird von der Rechtsprechung weit ausgelegt. Jedes eigennützige Bemühen, das darauf gerichtet ist, den Umsatz von Betäubungsmitteln zu ermöglichen oder zu fördern. Ausreichend ist eine nur gelegentliche, einmalige oder vermittelnde Tätigkeit, ohne dass es zur Anbahnung bestimmter Geschäfte kommen muss, BGHSt 34, 124. Zahlungsvorgänge und unterstützende Finanzaktionen können den Tatbestand des Handeltreibens erfüllen, BGH StV 1997, 549. Weder ist ein Umsatz erforderlich, noch müssen BtM tatsächlich vorhanden gewesen sein, BGHSt 6, 247, da es sich um ein Unternehmensdelikt, nicht um ein Erfolgsdelikt handelt, BGH NStZ RR 1996, 48. Die Tat ist auch vollendet, wenn der erstrebte Umsatz nicht erzielt wurde, z.B. wenn ein Scheinkäufer der Polizei auftritt, BGH StV 1981, 276. Beim Spitzel wiederum fehlt es an der Strafbarkeit, weil der Vorsatz zum Handeltreiben fehlt, sondern nur der Wille vorliegt, BtM dem Markt zu entziehen. Vielfach werden damit bereits Handlungen zum Handeltreiben, die ansonsten nur den Rahmen einer Hilfstätigkeit erreichen würden. Allerdings ist diesem dann im Rahmen der Strafzumessung Rechnung zu tragen. Zudem ist die Annahme eines minder schweren Falles in Erwägung zu ziehen, BGH StV 2006, 23. Zudem ist präzise zwischen strafloser Vorbereitungshandlung und Versuchsbeginn zu unterscheiden und genau darzustellen, wo die Grenze zwischen Beihilfe und Mittäterschaft durch das Gericht gezogen wurde, BGH aaO. Kriterien zur Unterscheidung sind: Grad des eigenen Interesses am Erfolg Umfang der Tatbeteiligung Tatherrschaft Allerdings ist nicht jede eigennützige Förderung fremder Umsatzgeschäfte ein täterschaftliches Handeltreiben. Eine ganz untergeordnete Tätigkeit genügt in der Regel nicht. Täterschaft bei Kurieren: Erhält dieser nur eine Pauschalvergütung für die Einfuhr, kann Beihilfe vorliegen, BGH NStZ RR 1999, 186; BGH NStZ 2006, 454. Entscheidend ist auch, ob er mit dem Erwerb und dem Absatz etwas zu tun gehabt hat. Dieser ist aber Täter der unerlaubten Einfuhr. Der Schuldspruch wegen täterschaftlicher Einfuhr bedingt aber nicht die Bewertung der Handlung als täterschaftliches Handeltreiben. Es bedarf mithin der Abgrenzung, so dass eine unerlaubte Einfuhr in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben in Betracht kommen kann. Durch die weite Ausdehnung des Begriffs Handeltreiben ist für einen Versuch kaum noch Raum. Beispiele für einen Versuch sind: Feste Kaufabsicht, der Dealer kann oder will nicht verkaufen Unschlüssigkeit über die Veräußerung des im Besitz befindlichen BtM Fehlgeschlagene Bemühung um eine Tätigkeit als Kurier Zum Ganzen: BGH StV 2006, 22. Abzugrenzen sind auch Versuch und Vorbereitungshandlung. Verkaufsgespräche gelten als Vorbereitungshandlung. Gleiches gilt für Planungen zum Erwerb. Aber womöglich § 30 II StGB! Gewerbsmäßiges Handeltreiben nach § 29 III Nr. 1 BtmG stellt einen besonders schweren Fall dar und liegt vor, wenn es um eine nicht geringe Menge geht und sich der Täter durch den wiederholten Absatz eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang verschaffen will, BGH StV 2001, 461. Für das bandenmäßige Handeltreiben nach § 30a I Nr. 1 BtmG sind mindesten 3 Personen zur mehrfachen Tatbegehung erforderlich. Beim Handeltreiben mit Waffen nach § 30a II Nr. 2 BtmG gilt: Nicht geringe Menge und Beisichführen einer Waffe, zumindest in einem Teilakt und zumindest durch einen Mittäter, da § 28 II StGB nicht anwendbar ist. Zum Ganzen: BGH GS, StV 2003, 282. Zu denken ist immer an den minder schweren Fall, § 30a III BtmG, insbesondere im Bereich der Waffe. Abgabe: Übertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt ohne rechtsgeschäftliche Grundlage und ohne Gegenleistung an einen Dritten, der über die BtM frei verfügen kann, BGH StV 1999, 428. Für den Versuch ist erforderlich, dass der Täter zur Übergabe ansetzt. Die Vereinbarung später zu übergeben genügt nicht, BayObLG StV 1993, 478. Veräußerung: Entgeltliche aber uneigennützige Übereignung eines BtM unter Einräumung der Verfügungsgewalt und mithin eine durch rechtsgeschäftlich qualifizierte Form der Abgabe, BGH NStZ 1991, 89. Für den Versuch kann auf die Angaben zur Abgabe verwiesen werden. Einfuhr und Ausfuhr: Einfuhr ist das Verbringen von BtM aus dem Ausland in den Geltungsbereich des BtmG. Die Ausfuhr das Verbringen von BtM aus dem Geltungsbereich des BtmG ins Ausland. Bei der Einfuhr beginnt der Versuch mit einem KFZ erst kurz vor Erreichen der Hoheitsgrenze, insbesondere wenn die letzte Ausfahrt verfehlt wurde, OLG Düsseldorf NStZ 1994, 548. Das Beladen allein ist noch keine versuchte Einfuhr, BGH MDR 1975, 21. Bei einem Flugzeug beginnt der Versuch mit dem Einchecken des Reisegepäcks. Transitfälle sind in solche von geringer und nicht geringer Menge zu unterscheiden, da der Strafrahmen des § 30 I Nr. 4 BtmG nur bei nicht geringer greift. Ansonsten gilt der Strafrahmen des § 29a I Nr. 2 BtmG. Bei einem Postversand beginnt der Versuch mit der Abgabe des Paketes. Anbau: Anbau ist die Aufzucht der Pflanzen. Mit der Ernte beginnt der Tatbestand der Herstellung, BayObLG NStZ RR 2002, 181. Sobald in den Cannabispflanzen THC aufgebaut wird, geht der Anbau in den unerlaubten Besitz von BtM über. Dient der Anbau dem Weiterverkauf, kann bereits ein vollendetes Handeltreiben vorliegen. Das Zurverfügungstellen von Räumlichkeiten kann die Beihilfe überschreiten, wenn die Pflanzen mit wirtschaftlichem Eigeninteresse daneben auch die Pflanzen versorgt oder die Räume ausgerüstet werden, BGH NStZ 2006, 578. Bewertungseinheit: Insbesondere bei Veräußerungen aus einem einheitlichen Vorrat zu beachten. Ebenso stellen verschiedene Teilakte (Erwerb, Einfuhr, Veräußerung) eine Bewertungseinheit dar. BGH 3 StR 81/12: Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs werden mehrere Verkaufsvorgänge durch den Erwerb und Besitz der hierzu bestimmten Gesamtmenge zu einer Bewertungseinheit verbunden, sofern sie denselben Güterumsatz betreffen. Dabei setzt die Annahme einer Bewertungseinheit konkrete Anhaltspunkte dafür voraus, dass bestimmte Einzelverkäufe aus einer einheitlich erworbenen Gesamtmenge herrühren (BGH, Beschluss vom 5. März 2002 - 3 StR 491/01, BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 21 mwN). Mengenbegriffe Normale Menge nach § 29 I BtmG: Mengen bei denen es sich um Mengen handelt, die nicht als gering anzusehen sind und deshalb nicht nach § 29 V BtmG behandelt werden. Es handelt sich aber auch nicht um Mengen, die den Umfang der „nicht geringen Menge“ erreichen, § 29a I Nr. 2 BtmG. Maßgeblich für die Bestimmung der nicht geringen Menge ist die äußerst gefährliche Dosis für einen drogenunerfahrenen Erstkonsumenten, BGHSt 33, 8. Dazu folgende Grenzwerte der Rechtsprechung: Heroin: 1,5 g Hydrochlorid Cannabis: 7,5 g THC Kokain: 5 g Hydrochlorid Amphetamin: 10 g Amphetamin-Base LSD: 6 g oder 300 Trips Morphin: 4,5 g Hydrochlorid MDE (Extasy): 30 g MDE-Base Die geringe Menge umfasst höchstens Konsumeinheiten. THC: 0,045 g H-HC: 0,15 g K-HC: 0,3 g Amphetamin: 0,15 g Base 3 Bei geringen Mengen kann eine Bestrafung unterbleiben, wenn diese dem Selbstkonsum dient. Ist im Urteil eine geringe Menge festgestellt, so muss eine Anwendung des § 29 V BtmG im Urteil erörtert werden. Feststellungen zum Wirkstoffgehalt sind bei einer Verurteilung notwendig. Wenn keine Sicherstellung erfolgt ist oder aus sonstigen Gründe keine chemische Analyse erfolgt ist, ist vom günstigsten Mischverhältnis auszugehen. Statische Erwägungen des Gerichts nicht zulässig. Straßenheroin hat in Deutschland z.B. nur einen Wirkstoffgehalt von 5 %. Die Grenze zur nicht geringen Menge ist damit erst bei 30 g Zubereitung überschritten. Bei Haschisch beträgt der Wirkstoff mindestens 5 % bei durchschnittlicher Qualität, BGH NStZ 1009, 139, 142. Die Grenze zur nicht geringen Menge ist damit bei einer Rohmenge von rund 150 g überschritten. Die Annahme eines höheren Wirkstoffgehaltes ohne Analyse ist rechtsfehlerhaft, BGH StV 2004, 602. Aufklärungshilfe: Gem. § 31 BtmG kann das Gericht nach seinem Ermessen die Strafe mildern oder von einer Bestrafung nach § 29 I, II, IV oder VI absehen, wenn der Täter durch freiwillige Offenbarung seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Tat über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt wird. Dabei ist es nicht notwendig, dass die Aufklärungshilfe zu neuen Erkenntnissen führt. Es genügt, wenn bisherige Ermittlungsergebnisse verstärkt werden und die Arbeit der Ermittlungsbehörden erleichtert und beschleunigt wird, BGH StraFO 2004, 429; BGH StV 2000, 623. Ein umfassendes Geständnis ist für die Anwendung nicht erforderlich, BGH NStZ 2000, 433. Ebenso wenig ein Fahndungserfolg, BGH StV 2000, 318. Das Gericht muss in seinem Urteil die Angaben nachvollziehbar bewerten, BGH StV 2003, 286. Werden durch die Angaben bisher nicht bekannte BtM-Bestände sichergestellt, kann auch der Strafmilderungsgrund des § 31 Nr. 2 BtmG erfüllt sein, BGH StV 2005, 558. Zurückstellung: Gem. § 35 BtmG kann die Vollstreckung durch eine therapeutische Behandlung ersetzt werden. Voraussetzungen sind: • Rechtskräftiges Urteil • Straftat wegen BtM-Abhängig begangen • Offener Strafrest nicht höher als 2 Jahre • Behandlung muss der Rehabilitation dienen • Behandlungsbeginn muss gewährleistet sein • Zustimmung des Gerichts des ersten Rechtszuges Es muss sich nicht um eine stationäre Behandlung handeln, eine ambulante genügt, OLG Oldenburg, StV 2005, 284. Gegen die Versagung der Zurückstellung ist nach § 35 II 2 BtmG der Rechtsweg gem. §§ 23 ff. EGGVG eröffnet. Ein Versagungsgrund kann nur gegeben sein, wenn konkrete Zweifel an einem ernsthaften Therapiewillen vorliegen. Konsum vor der Therapie vermag diese Zweifel nicht zu begründen, da dieses Verhalten gerade Bestandteil einer noch nicht therapierten Sucht ist, OLG Koblenz StV 2006, 588. § 35 BtmG ersetzt nicht die Unterbringung. Liegen die Voraussetzungen des § 64 StGB vor, hat das Gericht diese anzuordnen. BtM und Straßenverkehr Die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 I StGB greift bei der Benutzung von KFZ nur dann ein, wenn der Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs dies erfordert, BGH GS StV 2005, 551. Allein der Schluss aus der sich in der Tat widerspiegelnden kriminellen Energie auf eine straßenverkehrsrechtliche Ungeeignetheit ist unzulässig. Bei Fahrten unter BtM-Einfluss reichen für die Annahme des § 316 StGB selbst hohe Wirkstoffwerte nicht aus. Es müssen konkrete Ausfallerscheinungen vorliegen, OLG Zweibrücken StV 2004, 322. Polizeiliche Aufforderungen zur Durchführung bestimmter Verhaltenstests zur Abklärung einer BtM-bedingten Fahruntüchtigkeit sind nur zulässig, wenn diese freiwillig und nach vorheriger Ausklärung bzgl. der Freiwilligkeit durchgeführt werden. Ansonsten besteht eine Unverwertbarkeit aufgrund des Grundsatzes, dass niemand an seiner eigenen Überführung mitwirken muss. Entsprechend muss ein Widerspruch bzgl. der Verwertung in der Hauptverhandlung erhoben werden. Nicht jeder Nachweis von BtM im Blut genügt für eine Verurteilung nach § 24a II StVG. Notwendig ist eine Konzentration, die es als möglich erscheinen lässt, dass die Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war, BVerfG StV 2005, 383. Der Grenzwerte bestehen wie folgt: - THC 1 ng/ml (Blut) - Morphin/Heroin10 ng/ml - Benzoylecgonin (Abbauprodukt bei Kokain) (BZE) 75 ng/ml - MDMA 25 ng/ml - MDE oder MDA 25 ng/ml - Amphetamin25 ng/ml Ende