Tetravalenter Grippe-Impfstoff: Erfahrungen aus der

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Medical Tribune · 49. Jahrgang · Nr. 11 · 14. März 2014
INTER MEDICAL REPORT
Tetravalenter Grippe-Impfstoff: Erfahrungen
aus der ersten Anwendungssaison
Die WHO empfiehlt seit 2012 zwei B-Virusstämme für die saisonale Influenza-Vakzine
56 % B-Mismatch in
den letzten elf Jahren
Bisherige Grippe-Impfstoffe enthielten zwei A-Virusstämme und einen
B-Virusstamm, aber die B-Epidemiologie hat sich in den letzten Jahren
verändert. Inzwischen zirkulieren
Stämme der B-Victoria- und B-Yamagata-Line gemeinsam, sodass die
Tetravalenter Impfstoff
bietet breiteren Schutz
Für die Saison 2012/2013 empfahl
die WHO deshalb erstmals vier
Vakzine-Stämme, nämlich zwei Aund zwei B-Virusstämme.5 In der
Saison 2013/2014 steht neben dem
trivalenten Spaltimpfstoff Influsplit®
mit Influsplit™ Tetra der erste und
hierzulande bislang einzige tetravalente Injektionsimpfstoff zur Verfügung, der alle diese Stämme abdeckt
(A/Christchurch/16/2010 [H1N1],
A/Texas/50/2012 [H3N2] und
B/Massachusetts/2/2012 sowie
B/Brisbane/60/2008). Er ist seit März
2013 für Kinder ab drei Jahren und
Erwachsene zugelassen. Die WHO
dazu: „Tetravalente Influenza-Impfstoffe, die einen breiteren Schutz
gegen Influenza-B-Stämme bieten
könnten, werden verfügbar, und
die Impfempfehlungen sollten sich
nicht auf die trivalenten Vakzinen
beschränken.“5
Influenza in Deutschland 2001–2013
2009/2010
Pandemie
100
Flu A
Flu B
90
80
~ 17 %
70
60
50
40
30
*ohne Pandemie 2009/2010
20
B-Linien Mismatch
~ 17 % von Influenza total
~ 56 % von Influenza B
10
0
20
01
/2
20 002
02
/2
20 003
03
/2
20 004
04
/2
20 005
05
/2
20 006
06
/2
20 007
07
/2
20 008
08
/2
20 009
09
/2
20 010
10
/2
20 011
11
/2
20 012
12
/20
13
Die Influenza erzeugt Jahr für
Jahr eine hohe Krankheitslast: Das
Robert Koch-Institut rechnet in
Deutschland pro Grippesaison
mit ein bis fünf Millionen Erkrankungen, 5000 bis 20 000 zusätzlichen
Hospitalisierungen und 8000 bis
14 000 Exzess-Todesfällen.1 Kinder
unter zwei Jahren, Senioren über
65 Jahre und chronisch Kranke tragen ein besonders hohes Komplikations- und Sterberisiko2 – rund
90 % der Todesfälle durch Influenza und Pneumonie betreffen ältere
Menschen.3 Dem trägt die STIKO
Rechnung, indem sie für Risikopersonen und deren Kontakte eine konsequente Durchimpfung empfiehlt.4
klassischen trivalenten Impfstoffe
die aktuellen Stämme nicht mehr
zuverlässig abdecken können.
Etwa 30 % der Grippefälle werden durch B-Stämme verursacht,
wobei der Anteil von Jahr zu Jahr
stark schwankt und bis zu 70 %
ausmachen kann (z. B. 2005/2006,
Abb.). In rund 56 % der B-Infektionen deckte die Vakzine den zirkulierenden Stamm nicht ab – anders
ausgedrückt: In sechs der elf zurückliegenden Saisons herrschte ein
B-Stamm vor, der im Impfstoff nicht
enthalten war.
Influenza (%)
MÜNCHEN – Seit dem vergangenen
Jahr steht mit Influsplit™ Tetra
neben dem herkömmlichen trivalenten Grippe-Impfstoff eine tetravalente Vakzine zur Verfügung, die
einen zusätzlichen B-Virusstamm
enthält, um eine zuverlässigere
Abdeckung der zirkulierenden
B-Stämme zu erreichen. Nun, am
Ende der ersten Grippesaison mit
dem tetravalenten Impfstoff, wird
es Zeit für eine erste Bilanz.
Quelle: http://influenza.rki.de/Saisonbericht.aspx
MT-Grafik
In den vergangenen Jahren stimmten Impf- und zirkulierender B-Virusstamm oft nicht
überein, darum werden jetzt zwei B-Virusstämme für die Vakzine empfohlen.
Influsplit™ Tetra ist gleichwertig immunogen wie der trivalente
Influsplit SSW® bezüglich der darin enthaltenen Stämme und in Bezug auf den zusätzlichen B-Stamm
überlegen.6 Beide Impfstoffe weisen
ein vergleichbares Sicherheits- und
Reaktogenitätsprofil auf.
In klinischen Studien erwies sich
Influsplit™ Tetra im Allgemeinen
als gut verträglich. Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehörten
bei Erwachsenen Schmerzen und
Rötungen an der Einstichstelle, Muskelschmerzen, Kopfschmerzen und
Müdigkeit. Bei Kindern zwischen
drei und sechs Jahren kam es zu Reaktionen wie Schläfrigkeit, Reizbarkeit und Appetitlosigkeit. Eine vollständige Darstellung aller möglichen
Nebenwirkungen findet sich in der
Fachinformation.7 Derzeit laufen zu
Influsplit™ Tetra weitere Phase-IIIStudien mit zusammen rund 25 000
Teilnehmern.
Erstattungspolitik lässt
die Impfraten sinken
Der neue, breiter wirksame Impfstoff
steht in Deutschland derzeit allerdings nur für privat Versicherte und
Selbstzahler zur Verfügung. Denn die
geltenden Erstattungsmodelle der gesetzlichen Krankenkassen – zusätzlich zu dem bereits gesetzlich verankerten EU-Referenzrabatt – werden
von Ausschreibungen und HöchstErstattungspreisen dominiert. Die
Erfahrung lehrt, dass Ausschreibungen zu Lieferengpässen oder
Lieferverzögerungen und sinkenden
Impfraten führen können. In Bayern
beispielsweise sank die Zahl der verimpften Vakzine-Dosen laut Bericht
der KV von über zwei Millionen im
Jahr 2008 auf unter 1,5 Millionen in
2012. Das ist kein süddeutsches Phänomen: Der gleiche Trend zeigt sich
auch in Brandenburg. Zudem finden
die Ausschreibungen so früh im Jahr
statt, dass Innovationen u. U. nicht
mehr berücksichtigt werden können.
1. Robert Koch-Institut: Ratgeber für Ärzte,
Stand 2011, auf www.rki.de
2. CDC 2011, Haas W [Hrsg]: Influenza. Elsevier
GmbH 2009 auf www.cdc.gov/flu/professionals/acip/background.htm
3. CDC 2011, auf www.cdc.gov/flu/about/disease/us_flu-related_deaths.htm
4. Epidemiologisches Bulletin 2013; 34: 313–
344 und 36/37: 366–370
5. WHO Weekly epidemiological record,
No. 47, 23. November 2012
6. Kieninger D et al., BMC Infectious Diseases
2013, 13: 343
7. Fachinformation Influsplit™ Tetra, Stand
April 2013
Fazit für die Praxis
 Der klassische trivalente Grippe-Impfstoff lässt gefährliche Immunitätslücken,
weil seit einigen Jahren unterschiedliche
Influenza-B-Stämme parallel zirkulieren.
Deshalb empfiehlt die WHO seit der Saison 2012/2013 zwei B-Stämme für den
aktuellen Impfstoff.
 Seit 2013 steht in Deutschland ein
tetravalenter Injektionsimpfstoff zur Verfügung, der die Effektivität der Impfung
steigern kann. Bestehende Erstattungsmodelle lassen den Einsatz bei Kassenpatienten derzeit nur für Selbstzahler zu.
Er sollte dennoch bei Risikopatienten
erwogen werden.
Grippeimpfung:
Das rät die STIKO heute4
„Der innovative Impfstoff kam bei uns gut an“
Empfohlen wird die Impfung für:
Interview mit Dr. Ulrike Hein-Rusinek, Leitende Betriebsärztin bei der REWE Group
 über 60-Jährige,
 Schwangere ab zweitem Trimenon,
 Patienten mit Erkrankungen wie
?
Asthma, Diabetes oder chronischen HerzKreislauf-, Leber- und Nierenkrankheiten,
 Personen mit erhöhter Infektionsgefährdung (medizinisches Personal,
Mitarbeiter in Einrichtungen mit umfangreichem Publikumsverkehr).
Neu ist, dass die Influenza-Impfung
nicht nur Personen empfohlen wird, die
eine ungeimpfte Risikoperson betreuen,
sondern auch denen, die eine geimpfte
Risikoperson betreuen. Neu ist auch, dass
bei Kindern im Alter von 2 bis einschließlich 6 Jahren der nasale LAIV bevorzugt
angewendet werden sollte. Denn die Influenza-Impfung bietet keinen 100%igen
Schutz vor Ansteckung. Das gilt vor allem
für ältere oder immungeschwächte Menschen, die indirekt auch vom Impfschutz
ihrer Kontaktpersonen profitieren.
Sie haben in der vergangenen
Saison erstmals tetravalent gegen Grippe geimpft. Was erwarten
Sie sich davon?
Dr. Hein-Rusinek: An den drei Kölner Standorten der REWE-GroupZentrale werden jedes Jahr Influenza-Impfungen angeboten. In der
Impfsaison 2013/2014 wurde der
tetravalente Impfstoff gewählt. Da
er nun vier statt bisher drei Influenza-Stämme enthält, erwarte ich eine
höhere Impfeffektivität. Die Empfehlungen der WHO gehen auch
in diese Richtung, da beobachtet
wurde, dass in den vergangenen
Influenza-Saisons häufig neben den
A-Stämmen auch zwei B-Stämme
in Umlauf waren und es so zur
Infektion trotz Impfung (mit den
bisherigen 3 Stämmen) kommen
konnte.
Im Interview:
Dr. Ulrike
Hein-Rusinek
Leitende
Betriebsärztin bei der
REWE Group
Foto: Privat
Anfangs wurde im Unternehmen
erwogen, den neuen tetravalenten
Impfstoff nur den Beschäftigten der
Touristik oder den anderen Beschäftigten mit Auslandseinsätzen anzubieten. Aber wir wissen oft nicht im
Voraus, wer im nächsten Jahr eventuell nach Asien als Einkäufer reisen
muss.
Das beste Argument für den moderneren Impfstoff war schließlich
ein Verweis auf unsere LeitbildVision: „Nur das Beste – für unsere
Kunden, Kaufleute und Mitarbeiter!“
?
Wie ist der Impfstoff bei Ihren
Mitarbeitern angekommen?
Dr. Hein-Rusinek: Beschäftigte, die
nach der Impfung stärkere Nebenwirkungen als lokalen Schmerz
oder leichte Abgeschlagenheit verspüren, sollen sich immer per Mail
beim Betriebsärztlichen Dienst
melden. Diesmal gab es nur sehr
wenige Meldungen, eher unspezifischer Art. Viele meldeten sich
sogar mit der Bemerkung, so gut
hätten sie die Impfung noch nie
vertragen: keine oder nur geringe
lokale Reaktion im Bereich der Einstichstelle.
Die Ankündigung des innovativen
Influenza-Impfstoffes kam sehr gut
an. Etliche nahmen die Impfung in
Anspruch, die sonst eher zum Hausarzt gegangen sind. Einige kamen
auch erstmals zur Impfung, weil sie
das Angebot und die Informationen
dazu im Intranet überzeugt hatten.
Im letzten Herbst ließen sich 840
der ca. 4500 Beschäftigten bei der
Kölner Zentrale impfen – für einen
Verwaltungsbereich eine sehr hohe
Impfquote.
?
Werden Sie weiter tetravalent
gegen Grippe impfen?
Dr. Hein-Rusinek: In der nächsten
Influenza-Saison werden wir nach
diesen guten Erfahrungen wieder
einen tetravalenten Impfstoff verwenden. Wir hoffen, dass die Kosten für den tetravalenten Impfstoff
dann von den Gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden
können.
Impressum | Idee und Konzeption: Inter Medical Sonderpublikationen · Redaktion: Manuela Arand · Chef vom Dienst: Hannelore Schell · Mit freundlicher Unterstützung der GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG, München · Medical Tribune 11/2014 – 24927
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