Staatsverschuldung

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Staatsverschuldung - quo vadis?
Bereits Ende März 2009 hatte ich darauf hingewiesen, dass die von der US-Immobilienkrise ausgelöste globale Finanzkrise und Rezession durch eine Überflutung des Systems mit Liquidität entschärft
werden konnte, dass damit aber der Grundstein für eine noch grössere Finanzkrise gelegt worden sei.
Als Konklusion warnte ich vor Anlagen in Nominalwerten (insbesondere in USD) und empfahl im Gegenzug Anlagen in Realwerten, allen voran Gold (siehe: www.vgz.ch/Notenpresse_laeuft.pdf).
In der Zwischenzeit hat der USD 5 % (zwischenzeitlich sogar 10 %) eingebüsst und das Gold 20 %
zugelegt. Und nun ist die Diskussion um die Bonität von Staatsanleihen entbrannt. Im Zentrum steht
Griechenland. Was aufmerksame Beobachter schon längst wussten, wird nun in den Medien ausgebreitet, nämlich dass Griechenland (aber auch andere Staaten, allen voran Italien) “kreative Buchhaltung“ anwandte, um die in Maastricht festgelegten Konvergenz-Kriterien zur Übernahme des Euros zu
“erfüllen“. Doch auch so genannt starke Euro-Länder wie Deutschland und Frankreich haben in den
letzten Jahren die festgelegte Obergrenze für das Budgetdefizit mehrfach überschritten.
Seit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers im September 2008 hat sich die Situation auf beiden
Seiten des Atlantiks akzentuiert. Um das Finanzsystem sowie viele Arbeitsplätze zu retten, mussten
die Regierungen hunderte von Milliarden Dollar und Euro in die Hand nehmen. Der Entschuldung von
Hausbesitzern insbesondere in USA sowie Banken steht eine massive Neuverschuldung der öffentlichen Hand gegenüber. Anleger begannen sich deshalb Gedanken über die Bonität gewisser Staaten
zu machen und wurden in Griechenland fündig. Weil eine Reihe weiterer Euro-Länder (Italien, Portugal, Spanien, Irland) ebenfalls eine hohe und weiter steigende Verschuldung aufweisen, kam der EUR
unter Druck. Die Staats- und Regierungschefs hatten deshalb gar keine andere Wahl, als eine Beistandserklärung für Griechenland abzugeben, um einen Flächenbrand zu verhindern.
Es ist nicht in erster Linie ein Problem des EUR, sondern ein Problem der einzelnen Staaten infolge
einer ungesunden Finanzpolitik. Die Gemeinschaftswährung bietet viele Vorteile, hat aber einen Verlust an Autonomie und Handlungsspielraum zur Folge. Nehmen wir Italien als Beispiel: Vor der Einführung des EUR konnte Italien nach Belieben sich verschulden, Geld drucken, inflationieren etc. Als
Konsequenz davon fiel der Aussenwert der Lira kontinuierlich (zwischen 1970 und 1995 verlor die LIT
etwa 90 % ihrer Kaufkraft gegenüber dem CHF). Und wenn die Zahl der Nullen zu gross wurde, konnte man zwei oder drei Nullen streichen…
Mit dem EUR ist dies nicht mehr möglich. Die Euro-Länder sind zu Disziplin hinsichtlich Inflation, Budgetdefizit und Staatsverschuldung angehalten. Somit ist es nicht mehr möglich, durch offene oder
verdeckte Abwertung der Währung günstigere Terms of Trade zu erreichen bzw. die ungenügende
Produktivität auszugleichen. Mit anderen Worten kann die Anpassung nicht mehr über den Wechselkurs erfolgen. Hingegen kann und wird der Markt die Bonität eines Landes mit tiefen Zinsen honorieren bzw. eine ungesunde Finanzpolitik durch hohe Zinsen bestrafen. So muss der griechische Staat
heute 3 - 4 % mehr Zins bezahlen als z.B. die deutsche Regierung. Bei einer bereits hohen Staatsverschuldung und weiterhin hohen Budgetdefiziten ist eine Zahlungsunfähigkeit und Moratorium nicht
mehr auszuschliessen. Deshalb muss wohl noch einige Zeit mit Unruhe an den sehr sensiblen Devisenmärkten gerechnet werden.
Solches Ungemach droht nicht nur Griechenland und einigen weiteren Euro-Ländern (den GIPSIStaaten), sondern auch Grossbritannien und den USA. Ich habe schon mehrfach darauf hingewiesen
wie abhängig die USA von der Bereitschaft des Auslands zur Finanzierung ihres Leistungsbilanzdefizites sind. In den letzten Jahren hatten insbesondere China und Japan, aber auch Südkorea, Taiwan
und Russland in grossem Stil USD-Reserven angehäuft und einen guten Teil davon in Treasury Bills
und Bonds angelegt. Doch bereits im Frühling 2009 ermahnten die Chinesen die USA bezüglich dem
“quantitative easing“ und der damit einhergehenden Schwächung des USD und begannen ihre USDGuthaben abzubauen. Einerseits stellten sie dem IWF USD 50 Mrd. als Darlehen zur Verfügung; weil
diese in Form von SZR gutgeschrieben werden, kam dies einem “ausserbörslichen Verkauf“ von USD
28 Mrd. gleich, weil USD nur mit 44 % in den Sonderziehungsrechten gewichtet sind. Anderseits kauften die Chinesen “real assets“ (Rohstoffe wie Kupfer, Farmland, Beteiligungen an ausländischen Unternehmen, insbesondere im Bereich Rohstoffe). Und im Februar wurde bekannt, dass die Chinesen
auch den Bestand an US-Staatspapieren abgebaut und damit den 1. Rang als grösster Gläubiger der
USA grosszügig Japan überlassen haben. Dies alles lässt tief blicken und nichts Gutes erahnen angesichts des ungebrochen hohen Finanzierungsbedarfs der US-Regierung!
Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ, die Bank der Zentralbanken mit Sitz in Basel)
hat Anfang Februar eine Studie mit dem Titel “The Future of Public Debt: Prospects and Implications“
publiziert (kann mit www.vgz.ch/BISonPublicDebt2010.pdf aufgerufen werden). Darin stellt die BIZ
fest, dass die Staatsschulden explodieren und zudem weit grösser sind als offiziell ausgewiesen, weil
die Kosten für Pensionsverpflichtungen, die aufgrund der demografischen Entwicklung (immer weniger Arbeitstätige und immer mehr Rentner) rasch steigen, nicht enthalten sind. Als Schlussfolgerung
warnt die BIZ vor einer globalen Schuldenkrise!
Bezüglich Konjunktur gehe ich von einem wenn auch verhaltenen Wirtschaftswachstum aus. Die Gefahr eines “double dip“ (d.h. eines nochmaligen Konjunktureinbruchs) ist m.E. nicht sehr gross, falls
die Zentralbanken nicht plötzlich auf die Geldbremse treten. Die jüngste Diskontsatzerhöhung in den
USA bereitet mir kein Kopfzerbrechen, werden damit doch nur die Refinanzierungskosten der ohnehin
im Geld schwimmenden Banken “normalisiert“. Exponenten des Federal Reserve haben denn auch
durchblicken lassen, dass der Tagesgeldsatz noch längere Zeit (voraussichtlich bis ins nächste Jahr)
bei 0 - 0.25 % belassen werden dürfte. Angesicht der unverändert um 10 % oszillierenden (offiziellen)
Arbeitslosenquote wäre alles andere eine Überraschung.
An meinen “anlagepolitischen Überzeugungen“ haben die vorerwähnten Entwicklungen nichts geändert, sie haben mich im Gegenteil darin bestärkt:
1. Realwert- statt Nominalwertanlagen: Eine Schuldenkrise ist m.E. unausweichlich, d.h. die Frage
ist nicht ob, sondern wann. Wie diese auch immer verläuft, Nominalwertanlagen werden als Verlierer daraus hervorgehen, während Edelmetalle, Immobilien und Aktien krisenresistenter Unternehmen auch diese Krise überstehen werden.
2. US-Dollar meiden (bzw. absichern): Die drohende Zahlungsunfähigkeit Griechenlands und die
dadurch ausgelöste Verunsicherung gegenüber dem EUR lenken davon ab, dass die USA stark
überschuldet und der USD immer noch überbewertet ist. Der CHF ist eine der wenigen “gesunden“ Währungen (die Schweiz wies auch 2009 ein Budgetüberschuss auf, während alle anderen
OECD-Länder tiefrote Zahlen schreiben), die SNB versucht aber den EUR/CHF-Wechselkurs stabil zu halten, weshalb sich der CHF mit dem EUR abgeschwächt hat. Gold ist die einzige “Währung“ ohne Wenn und Aber.
3. Das “Pazifische Jahrhundert“ ist angebrochen: Mehr als die Hälfte der Menschen leben in Asien.
Der Nachholdbedarf ist riesig, eine junge und motivierte Bevölkerung holt aber mit Riesenschritten
auf, wodurch sich das wirtschaftliche Schwergewicht nach Asien verlagert. Hinzu kommt, dass die
meisten asiatische Tiger-Länder eine geringe Verschuldung und hohe / steigende Währungsreserven aufweisen. (Ein Bericht über meine beiden kürzlichen Asienreisen kann mit
www.vgz.ch/Reisebericht.pdf aufgerufen werden.)
März 2010
Markus Winkler
VGZ, Zürich
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