8. Lineare Fixpunkt Theorie. Wir haben gesehen wie man Gleichungen der Form A•x=w löst. Dabei ist eine Matrizen A ∈ Matn R und eine Vektor w ∈ Rn gegeben und gesucht sind die unbekannten Vektoren x (von denen es ja bekanntlich mehrere geben kann). Jetzt wollen wir einen wichtigen Schritt weiter gehen. Klaus Johannson, Lineare Algebra (L2/L5) 2 . Lineare Algebra (L2/L5) 1. Formulierung des Fixpunkt Problems. In dieser Vorlesung fragen wir uns wie man eine Gleichung der Form A•x x = |A • x| |x| löst, wobei wieder die Matrix A ∈ Matn R gegeben ist und die Vektoren x gesucht sind. Genauer haben wir das folgende Problem. (1. Fassung) Sei A ∈ Matn R. Finde alle Vektoren x ∈ Rn mit x Ax = |Ax| |x| (hier haben wir der Einfachheit halber wieder das bekannte Multiplikationszeichen verwendet). Dies ist nun aber tatsächlich ein Problem von einem völlig neuen Typ, was man daran erkennen kann, dass dies Problem nicht nur lineare Unterräume, sondern auch die Einheitssphäre involviert. Klaus Johannson, Lineare Algebra (L2/L5) §8 Lineare Fixpunkttheorie. 3 Um dies zu sehen, beachte man dass q |x| := x21 + x22 + . . . + x2n . d.h. |x| ist die ”Länge” des Vektors x. 1. Beobachtung. Man überzeugt sich schnell, dass x 1 = x = 1 |x| = 1. |x| |x| |x| x immer ein Vektor der Länge 1, d.h. Demnach ist |x| Ax ein Einheitsvektor. Insbesondere ist auch |Ax| immer ein Einheitsvektor. Die Menge aller Vektoren der Länge 1 ist aber, nach Definition, gerade die Einheitssphäre. Diede schreibt man gewöhnlich wie folgt: x | x ∈ Rn S n := { x ∈ k n | |x| = 1 } = |x| Wegen der eben gemachten Beobachtung induziert jede Matrix A ∈ Matn R eine Abbildung ϕA : S n → S n , x Ax 7→ |x| |Ax| Klaus Johannson, Lineare Algebra (L2/L5) 4 . Lineare Algebra (L2/L5) der Einheitssphäre. Im R2 sieht das so aus: Ax x ϕ(x) S1 Induzierte Abbildung der Sphäre Das Lösen der Gleichung Ax x = , x ∈ Rn , |Ax| |x| ist also gleichbedeutend mit dem Finden eines Fixpunkt der Abbildung ϕA , und somit dasselbe wie das Lösen der Gleichung ϕ(z) = z, z ∈ S n Klaus Johannson, Lineare Algebra (L2/L5) §8 Lineare Fixpunkttheorie. 5 x (man setze einfach z = |x| ). Unsewr Problem wird somit zu einem Fixpunkt Problem: Problem. (2. Fassung) Sei A ∈ Matn R. Finde alle Fixpunkte der Abbildung Az , ϕA : S → S , z → 7 |Az| n n d.h. finde alle Vektoren z ∈ S n mit ϕ(z) = z. 2. Eigenwerte und Eigenvektoren. 2. Beobachtung. Es gilt Ax x |Ax| = ⇔ Ax = x |Ax| |x| |x| Also hat unser Fixpunkt Problem genau dann eine Lösung, wenn die Gleichung Ax = λx eine Lösung hat. Somit hat unser Problem auch die folgende Form. Klaus Johannson, Lineare Algebra (L2/L5) 6 . Lineare Algebra (L2/L5) Problem. (3. Fassung) Sei A ∈ Matn R. Finde alle λ ∈ R und alle x ∈ Rn mit Ax = λx Bemerkung. Man beachte, dass diesmal die Gleichung zwei verschiedene Typen von Unbekannten hat. Einmal die Variable x und zusätzlich die Variable λ - also zum einen eine Variable, die ein Vektor ist, und zum anderen eine Variable, die ein Skalar ist. Wir suchen Lösungen für beide unbekannten Größen. Die neue Variable, λ, hat einen besonderen Namen. Definition. Eine Zahl λ ∈ k heißt Eigenwert der Matrix A ∈ Matn (k), wenn ker(A − λI) 6= 0, wobei ker(B) := { x ∈ Rn | Bx = 0 }. Problem: Finde alle Eigenwerte von A. Bemerkung. Es wird sich gleich herausstellen, dass die Anzahl der Eigenwerte immer endlich ist. Somit ist das obige Problem wohl-definiert. Klaus Johannson, Lineare Algebra (L2/L5) §8 Lineare Fixpunkttheorie. 7 Definition. Sei A ∈ Matn k und λ ∈ k ein Eigenwert von A. Dann heißt E(A, λ) := ker(A − λI) Eigenraum und die Vektoren aus E(A, λ) heißen Eigenvektoren (bzgl. (A, λ)). Bemerkung. Als Unterraum von Rn hat jeder Eigenraum E(A, λ) eine endliche Basis. Es gibt Methoden die endlichen Basien von Unterräumen zu bestimmen. Wenn man also λ kennt, dann kann man den Eigenraum E(A, λ) vollständig bestimmen. Das ist dann nämlich dasselbe wie die uns schon bekannte Berechnung des Lösungsraumes des linearen Gleichungssystems (A − λA)x = 0. Allerdings kann dies numerische Aufgabe rechnerisch durchaus recht aufwendig sein. Man überlässt deshalb solche Rechnungen gerne einem Computerprogramm. Im folgenden müssen wir uns auf die Suche nach Eigenwerten konzentrieren. 3. Berechnungsverfahren für Eigenwerte. 1. Angewandte Theorie. Klaus Johannson, Lineare Algebra (L2/L5) 8 . Lineare Algebra (L2/L5) In der klassischen Eigenwert Theorie benutzt man eine Abbildung det : Matn k → k mit der Eigenschaft, dass ker(A−λI) 6= 0 ⇔ det(A− λI) = 0. Also gilt: λ ist ein Eigenwert von A ⇔ det(A − λI) = 0. Man muss also folgende Determinante ausrechnen a11 − λ a21 det . . . ... an1 a12 ... a1n a22 − λ . . . a2n ... ... ... ... ... ... ... . . . ann − λ Beispiel. Man betrachte die Matrix 2 1 1 . Dann 1 ist 0 = det(A − λI) = det 2−λ 1 = det 1 1−λ 2 1 1 1 −λ 1 0 0 1 Klaus Johannson, Lineare Algebra (L2/L5) §8 Lineare Fixpunkttheorie. 9 Berechnung der Determinante führt auf folgende Gleichung (2 − λ) · (1 − λ) − 1 = λ2 − 3λ + 1 = 0 und so 3 1√ 5. λ1/2 = − ± 2 2 Damit haben wir zwei reelle Eigenwerte gefunden. Es bleibt die Eigenräume zu diesen Eigenwerten zu bestimmen. Hierzu müssen wir die folgenden beiden Matrix-Gleichungen: √ 3 1 2− 2 − 2 5 1 √ x = 0 und 1 3 1 1− 2 − 2 5 √ 1 3 1 2− 2 + 2 5 √ x=0 1 3 1 1− 2 + 2 5 d.h. das folgende Gleichungs-System ( 12 − 1 2 √ 5 ) x1 + x2 √ x1 + (− 12 − 21 5) x2 =0 =0 (und ein entsprechendes für die zweite Matrix-Gleichung lösen). Als Ergebnis erhält man je einen Eigenvektor. Damit hat die von A induzierte Abbildung ϕA : S 1 → S 1 genau vier Fixpunkte (nämlich die Klaus Johannson, Lineare Algebra (L2/L5) 10 . Lineare Algebra (L2/L5) Schnittpunkte des Einheitskreises mit den durch den Eigenvektoren gegebenen Eigengeraden). 2. Formale Theorie. Das obige Verfahren hat leider einen kleinen Schönheitsfehler. Der besteht darin, dass wir die Determinante nur für kleine Matrizen kennen. Wir wollen nun zeigen, dass man Eigenwerte im Prinzip auch ohne Determinanten-Rechnungen finden kann, Lemma. Für jede Matrix A ∈ Matn k gibt es nun ein Polynom pA (x) ∈ k[x] mit pA (A) = 0 Beweis. Man betrachte die Folge der Matrizen I, A, A2 , . . . , Am , . . . aus Matn R. Da Matn R selbst ein endlich-dimensionaler Vektorraum ist (mit dim = n2 ), gibt es mindestens eine Zahl m ∈ N so dass I, A, A2 , . . . , Am Klaus Johannson, Lineare Algebra (L2/L5) §8 Lineare Fixpunkttheorie. 11 linear abhängig ist. Es gibt also a0 , a1 , a2 , . . . , am ∈ R, die nicht alle gleich Null sind, mit a0 I + a1 A + a2 A2 + . . . + am Am = 0 Also ist pA (x) := a0 + a1 x + a2 x2 + . . . + am xm ∈ R[x] ein Polynom mit pA (A) = 0. ♦ Sei nun ein Polynom pA (x) ∈ R[x] so gewählt, dass pA (A) = 0 und grad pA (x) minimla, d.h. so klein wie möglich ist. Satz. λ ∈ R ist ein Eigenwert für A, wenn pA (λ) = 0. Beweis. Sei λ ∈ R eine Lösung von pA (λ) = 0. Dann gilt pA (x) = q(x) · (x − λ) mit grad q(x) < grad pA (x). Klaus Johannson, Lineare Algebra (L2/L5) 12 . Lineare Algebra (L2/L5) und somit q(A) • (A − λI) = pA (A) = 0. Annahme. ker(A − λI) = {0}. ⇒ die lineare Abbildung LA : Rn → Rn , v 7→ (A − λI)v ist injektiv und so auch surjektiv (da LA eine Selbstabbildung ist). ⇒ ker q(A) = ker pA (A) = Rn . ⇒ q(A) ist die Nullabbildung und so q(A) = 0. Weiter ist grad q(x) < grad pA (x) ⇒ Widerspruch (denn pA (x) ist das minimale Polynom mit pA (A) = 0). Also ist ker(A − λI) = 6 0. Nach Definition ist dann λ ein Eigenwert von A. ♦ Bemerkung. Die Umkehrung des vorigen Satzes gilt auch. Wir führen den Beweis hier nicht durch, da er etwas trickreich ist. Der Vollständigkeit halber kann man ihn aber im folgenden Anhang finden. Klaus Johannson, Lineare Algebra (L2/L5) §8 Lineare Fixpunkttheorie. 13 4. Anhang. Satz. Sei A ∈ Matn R eine Matrix. Sei λ ∈ R ein Eigenwert von A und sei q(x) ∈ R[x] ein Polynom mit q(A) = 0. Dann ist q(λ) = 0 Beweis. Da λ ein Eigenwert von A folgt ker(A − λI) 6= 0. Somit gibt es mindestens einen Vektor v ∈ Rn mit v ∈ ker(A − λI) und v 6= 0. Insbesondere ist A • v = λI • v und so Am • v = A • (A • . . . (A • v) = A • (A • . . . A) • λI • v = A • (A • . . .)λ2 I • v = λn I • v Nach Voraussetzung gilt weiter 0 = q(A) = a0 I + a1 A + . . . + an An ⇒ 0 = q(A) • v = (a0 I + a1 A + . . . + an An ) • v ⇒ 0 = q(A) • v = a0 I • v + a1 A • v + . . . + an An • v ⇒ 0 = q(A) • v = a0 I • v + a1 λI • v + . . . + an λn I • v Klaus Johannson, Lineare Algebra (L2/L5) 14 . Lineare Algebra (L2/L5) Dies ist eine Matrix Gleichung. Sie entspricht n2 reellen Gleichungen. Für jeden Eingang der Matrix I eine reelle Gleichung. Betrachten wir nur die Eingänge der Hauptdiagonalen, so erhalten wir n reelle Gleichungen. Genauer, für jeden der Eingänge vi des Vektors v = [v1 , . . . , vn ] eine reelle Gleichung der Form: ⇒ 0 = a0 • vi + a1 λ • vi + . . . + an λn vi , 1 ≤ i ≤ n, ⇒ 0 = (a0 + a1 λ + . . . + an λn ) · vi . Also gibt es mindestens einen Index, etwa j, so dass vj 6= 0. Demnach folgt aus der letzten reellen Gleichung, dass der erste Faktor des Produkts gleich 0 sein muss, d.h. 0 = a0 I + a1 λ + . . . + an λn Dies beweist den Satz. ♦ Literatur. G. Fischer, Lineare Algebra, Vieweg Studium (2000) K. Jänich, Lineare Algebra, Springer (2002) S. Lang, Linear Algebra, Addison Wesley (1970) H. Zieschang, Teubner, 1997 Klaus Johannson, Lineare Algebra (L2/L5)