Artikel Klientinnen-Umfrage - Gleichgeschlechtliche Lebensweisen

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Lesbische Frauen in der Psychotherapie
Hintergründe, Umfrageergebnisse und Empfehlungen
5
Herausgeberin:
Psychosoziale Frauenberatungsstelle
donna klara e. v.
Goethestr. 9
24116 Kiel
erstellt von:
Lisa Schneider, Dipl. Psychologin,
Psychologische Psychotherapeutin
Nachdruck, auch auszugsweise,
nur mit Genehmigung der
Herausgeberin
Mai 2003
Vorwort
4
Inhaltsverzeichnis
5
1.
Zum praktischen Hintergrund unseres Projektes
7
2.
Zum Theoretischen Hintergrund
2.1
Die gleichgeschlechtliche Orientierung in der Geschichte der Psychotherapie
8
2.2
Der derzeitige theoretische Erkenntnisstand und Entwicklungstrends
10
2.2.1
Der Einfluss der Frauen- und der Schwulen- und Lesbenbewegung
10
2.2.2
Das Coming-out
11
2.2.3
Heterosexismus, Homophobie und internalisierte Homophobie
12
2.2.4
Vergleiche zwischen lesbischen und heterosexuellen Frauen
12
2.2.5
Lesbische Identität
13
2.2.6
Definition des Lesbisch-Seins
13
2.2.7
Neuere psychoanalytische Ansätze
14
2.3
Mit welchem Erkenntnisstand der TherapeutInnen ist heute bei Aufnahme einer
Psychotherapie zu rechnen?
2.3.1
Ergebnisse der Psychotherapieforschung
2.3.2
Unreflektierte Alltagstheorien zur Entstehung einer lesbischen
16
Orientierung
17
2.3.3
Scheinbar tolerante, Unterschiede leugnende Grundhaltung
17
2.3.3
Fehlen eines fundierten Fachwissens über lesbische Lebens- und
Erlebensweisen
18
6
2.3.5
Die Ausbildung von PsychotherapeutInnen
18
2.3.6
Zugang zu aktueller Fachliteratur
19
2.3.7
Resümee zum Erkenntnisstand der TherapeutInnen
19
3.
Die Therapeutinnen-Umfrage
3.1
Die Ziele der TherapeutInnen-Umfrage
21
3.2
Die Zielgruppe der TherapeutInnen-Umfrage
21
3.3
Die Umfrage-Methode
22
3.4
Verschickung und Rücklauf des Fragebogens
23
3.5
Auswertung des Fragebogens
23
3.5.1
Statistische Angaben zu den Therapeutinnen
23
3.5.2
Angaben über die Klientinnen und deren Verhalten in der Therapie
24
3.5.3
Fachliche Meinungen der TherapeutInnen zur therapeutischen Arbeit
3.5.4
3.6
mit lesbischen/ lesbisch empfindenden Klientinnen
26
Fortbildungsbedarf
30
Resümee der TherapeutInnen-Umfrage
31
7
4.
Die Klientinnen-Umfrage
4.1
Die Ziele der Klientinnen-Umfrage
33
4.2
Die Zielgruppe der Klientinnen-Umfrage
33
4.3
Die Umfrage-Methode
33
4.4
Verteilung und Rücklauf des Klientinnen-Fragebogens
34
4.5
Auswertung des Klientinnen-Fragebogens
34
4.5.1
Statistische Angaben zu den Klientinnen, den aufgesuchten
TherapeutInnen und den Therapien
4.5.2
Anliegen und Umgangsweisen der Klientinnen mit ihrer sexuellen
Orientierung in der Therapie
4.5.3
36
Die Sicht/ das Empfinden der Klientin bzgl. des Umgangs der/des
Therapeutin/en mit ihrer sexuellen Orientierung
4.5.4
35
38
Verhalten und Erfahrungen der lesbischen/ lesbisch empfindenden
Frauen auf der Suche nach einem Therapieplatz
40
4.5.5
Wünsche und Anregungen der Klientinnen an bzw. für TherapeutInnen 41
4.5.6
Weitere Therapieerfahrungen
43
4.6
Zusammenfassung der Ergebnisse beider Umfragen
46
5.
Empfehlungen
5.1
Empfehlungen für die PsychotherapeutInnen-Ausbildung
48
5.2
Empfehlungen für PsychotherapeutInnen
49
5.3
Empfehlungen für Klientinnen bei der TherapeutInnen-Suche
54
Literatur
55
Anhang
57
Tabellarische Auswertung der TherapeutInnen-Umfrage (TH)
58
Tabellarische Auswertung der Klientinnen-Umfrage (KL)
62
Zum Verein
68
Hinweise auf Veröffentlichungen
68
8
1.
Zum praktischen Hintergrund unseres Projektes
Aus der langjährigen praktischen Beratungsarbeit mit lesbischen Frauen und Frauenpaaren
heraus entwickelte sich 1999 in der Psychosozialen Frauenberatungsstelle donna klara e.V.
das Vorhaben, durch eine noch gezieltere und effektivere Öffentlichkeitsarbeit auf eine Verbesserung der Situation lesbischer/ lesbisch empfindender Frauen in der Psychotherapie
hinzuwirken. Ausgangspunkt unseres Projekts war das vielfach von Klientinnen unserer Beratungsstelle geäußerte Empfinden, dass sie in Psychotherapien aufgrund ihrer sexuellen
Orientierung diskriminiert, abgewertet oder mit Unverständnis konfrontiert werden.
Für die betroffene Klientin sind solche Diskriminierungen ausgerechnet dann, wenn sie sich
einem Menschen in ihren intimsten Gefühlen und Gedanken offenbart oder sich gerade in einer
Krisensituation befindet und Hilfe benötigt, sehr verwirrend und schmerzlich. Sie sind besonders
schwer zu verkraften und führen oft zum Abbruch einer notwendigen Behandlung. Dies gilt
sowohl für lesbische Frauen in Einzeltherapie als auch für lesbische Paare und Familien, die in
Ehe- und Familienberatungsstellen immer noch häufig auf traditionelle Familienbilder treffen.
Schätzungen zufolge sind 10% der Frauen lesbisch und ca. 70% des Klientels von PsychotherapeutInnen Frauen. Das heißt also, dass die Zahl lesbischer/ lesbisch empfindender Frauen
in Psychotherapien keine kleine Minderheit darstellt.
Ziel unseres Projekts war es, Einfluss zu nehmen einerseits in Richtung auf eine akzeptierende
und wertschätzende Haltung von PsychotherapeutInnen gegenüber dem lesbischen Empfinden
und Verhalten von Klientinnen und andererseits in Richtung auf die Stärkung von lesbischen/
lesbisch empfindenden Klientinnen in ihrer Selbstbehauptung und Gegenwehr bei Abwertungen
und Diskriminierungen in der Psychotherapie.
Des weiteren wollten wir aus der Praxis heraus, mit den uns zur Verfügung stehenden
(knappen)
Mitteln,
inhaltliche
Anregungen
geben
für
weitere
dringend
erforderliche
wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Thema, z.B. für sinnvolle Fragestellungen und
Methoden.
Als einen ersten wichtigen Schritt dazu beschlossen wir, zunächst das Vorkommen und die
Verbreitung einzelner Formen von Abwertung und Diskriminierung lesbischen/ lesbisch empfindenden Frauen in der Psychotherapie gegenüber genauer zu eruieren. Um Erkenntnisse auf
einer möglichst breiten Datenbasis zu erhalten, planten wir zwei getrennt, vom Inhalt her
teilweise parallele Umfragen bei den beiden am therapeutischen Geschehen beteiligten Personengruppen, bei den niedergelassenen PsychotherapeutInnen und bei lesbischen/ lesbisch
empfindenden Frauen, die eine Psychotherapie gemacht haben.
9
2.
Zum Theoretischen Hintergrund
2.1
Die gleichgeschlechtliche Orientierung in der Geschichte der Psychotherapie
Die in der Geschichte lange Zeit vorherrschenden homosexuellen- und lesbenfeindlichen
Einstellungen (Homosexualität als Sünde, Verbrechen, Laster), und das Ignorieren speziell der
weiblichen Homosexualität fand ihren Niederschlag auch in der Geschichte der Psychologie,
Psychiatrie und Psychotherapie. In einer z.T. wohlmeinenden Haltung wurde Homosexualität im
Verlauf des 20. Jahrhunderts in diesen Disziplinen zur Krankheit deklariert und damit
entkriminalisiert. Statt eines Verbrechens oder einer Sünde wurde Homosexualität jetzt als
Perversion, abnormales Verhalten, als Charakterstörung, oder als Zeichen einer defizitären
Persönlichkeitsentwicklung,
ihre
Entstehung
als
erklärungsbedürftig
und
die
gleichgeschlechtliche Orientierung als heilungsbedürftig betrachtet. (Falco 1993, Gissrau 1993
a, Zeul 1993, Poluda 2000, Wiesendanger 2001, Rauchfleisch 2002).
Bei den Versuchen, das Entstehen einer Homosexualität zu erklären, nahm die Psychoanalyse
eine zentrale Rolle ein. Als älteste Form der Psychotherapie und als diejenige Therapieform, die
über das ausführlichste Psychotherapiekonzept verfügt, hatte sie entscheidenden Einfluss auf
die Mehrzahl der anderen Therapieschulen. (Eden & Woltereck, 1993).
Freud selbst, der den Menschen ursprünglich als in seinem Wesen bisexuell verstand, entwickelte keine umfassende Theorie der weiblichen Homosexualität. Es lassen sich nur einzelne
Bemerkungen in verschiedenen seiner Schriften finden, die voll von Widersprüchlichkeiten sind.
Er schwankte zwischen Akzeptanz und tiefgreifenden Einsichten einerseits und massiven
pathologisierenden Abwertungen der Homosexualität andererseits (Gissrau 1993 a). Seine
NachfolgerInnen ließen dann in einer unbewussten Identifizierung mit den anti-homosexuellen
gesellschaftlichen Normen in ihren Theorieansätzen zur Entstehung der Homosexualität –
zumeist war nur von der männlichen Homosexualität die Rede - eine überwiegend ambivalente
bis ablehnende Haltung durchblicken.
Im psychoanalytischen Krankheitsmodell werden – kurz zusammengefasst - die Störungen bei
Schwulen und Lesben auf einen frühkindlichen Konflikt in der ödipalen Phase zurückgeführt,
welcher aber nicht normal gelöst werden könne, sondern in einen „negativen Ödipuskomplex“
münde. Das führe erstens zur Abkehr von der Heterosexualität und zweitens zu schweren
Persönlichkeitsstörungen, unter denen alle Homosexuellen litten. Es sei ein Versagen bzw. eine
Fixierung in der psychosexuellen oder der Ich-Entwicklung. Die normale Entwicklung führe
dagegen zur reifen heterosexuellen Entwicklungsstufe und zum reifen Ausdruck der
Heterosexualität (Wiesendanger 2001).
10
Dieses „Grundprinzip“ steckt hinter den vielfältigen spezifischeren psychoanalytischen Aussagen zu den funktionellen und Entstehungsfaktoren einer gleichgeschlechtlichen Orientierung,
wie z.B. es sei Ausdruck oder Reparationsversuch einer gestörten Identität, einer gestörten
Beziehung zur Mutter, ein Hilfs-Arrangement, das den drohenden psychischen Tod gerade
noch verhindere, diene der Abwehr von Depressionen und Ängsten, der Abwehr von
Kastrationsängsten und Penisneid (Alves 1993, Eden & Woltereck 1993, Gissrau 1993 a, b,
Poluda 2000. Als weitere mitwirkende Faktoren kämen mangelnde Voraussetzungen bei den
Eltern, traumatische Erfahrungen, Frustrationen, heterosexuelle Enttäuschungen, Verführungen
etc. hinzu (Falko 1993).
Der geringschätzenden Theorienbildung zur Homosexualität und dem pathologisierenden und
defizitgeleiteten Ansatz entsprechend wurde als Ziel der psychoanalytischen Behandlung eine
Heilung bzw. Veränderung zur Heterosexualität angestrebt, auch wenn der Anlass für die
Aufnahme einer Analyse ein ganz anderer war. Hintergrund dafür ist die psychoanalytische
Grundannahme, dass den PatientInnen ihre wirklichen Probleme nicht bewusst seien. Nicht die
vorgebrachten Probleme, sondern die abnorme Partnerwahl stehe im Zentrum der Pathologie,
so dass der Erfolg der Behandlung überwiegend darin liege, diese Abnormalität zu bearbeiten
(Zeul 1993).
Dass sich die psychoanalytische Sichtweise der weiblichen Homosexualität so lange halten
konnte, hing neben ihrem großen Einfluss auf die Sozial- und Humanwissenschaften auch mit
ihrer speziellen Methode der Erkenntnisgewinnung zusammen. Die Krankheitstheorien der
Psychoanalyse über weibliche Homosexualität basierten ausschließlich auf Beobachtungen der
äußerst kleinen und einseitig ausgewählten Stichprobe der lesbischen AnalysepatientInnen,
ohne dass PsychoanalytikerInnen sich auch nur im geringsten mit gesunden, nicht psychisch
gestörten Lesben beschäftigt hätten, ein Vorgehen, das heute als wissenschaftlich unhaltbar gilt
(Gissrau, 1993b, Zeul 1993, Rauchfleisch u.a. 2002).
Andere Therapieschulen haben anders als die Psychoanalyse keine eigenen Theorieansätze
zur Entstehung einer gleichgeschlechtlichen Orientierung entwickelt, sondern neben unreflektierten gesellschaftskonformen Alltagstheorien teilweise die Annahmen der Psychoanalyse
unkritisch in ihre therapeutische Praxis einfließen lassen.
Die Verhaltenstherapie, bei der es nicht primär um eine Änderung der Gefühle, sondern des
Verhaltens geht, hat in ihrer Geschichte zwar keine spezifischen Erklärungsmodelle zur Entstehung von Homosexualität entwickelt, wohl aber Therapieansätze zur „Umpolung“ von
Homosexuellen. In ausgesprochen gewalttätigen Interventionen wurde versucht, durch Konditionierungsverfahren, speziell durch sogenannte Aversionstherapien, mit Hilfe von Elektroschocks oder Übelkeit erzeugenden Medikamenten eine Abneigung den eigenen homosexu-
11
ellen Impulsen gegenüber und als Folge ein heterosexuelles Verhalten zu erzeugen. Alle
Versuche dieser Art haben ihr Ziel nicht erreicht (Wiesendanger 2001).
2.2
Der derzeitige theoretische Erkenntnisstand und Entwicklungstrends
Durch das Aufkommen der Frauenbewegung und der Schwulen- und Lesbenbewegung und
durch deren politische Arbeit seit den 70er und verstärkt den 80er Jahren hat in der Gesamtbevölkerung und damit auch im Kreis der SozialwissenschaftlerInnen und PsychotherapeutInnen ein Umdenken stattgefunden (Rauchfleisch u.a. 2002). Unter dem Einfluss dieser neuen
Emanzipationsbewegungen wurde den „Schreckensvisionen“ (Gissrau 1993 b), die die
Psychoanalyse von der Homosexualität gezeichnet hatte, neue Ergebnisse der psychologischen und soziologischen Homosexualitätsforschung entgegengestellt, die zu vielen ganz
anderen Ergebnissen kamen. Sie setzten einen Trend zur Entpathologisierung von
Homosexualität in Gang. Ausdruck dieses Umdenkens ist die Tatsache, dass 1987 von der
APA (American Psychiatric Assoziation) im Diagnose-System DSM III – R und 1991 von der
WHO in der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen ICD-10 Homosexualität als
Diagnose einer psychische Störung gestrichen worden ist (Wiesendanger 2001, Rauchfleisch
u.a. 2002).
2.2.1
Der Einfluss der Frauen- und der Schwulen- und Lesbenbewegung
Seit Mitte der 80er Jahre werden dann auch Konzepte wie eine Psychologie der lesbischen
Liebe oder spezielle Fragestellungen im Zusammenhang mit Psychotherapie von lesbischen
Klientinnen ernsthaft diskutiert (Falco 1993). Die Frauen- und Lesbenbewegung und ihr nahestehende Fachfrauen der psychologischen und Sozialwissenschaften verwoben sich zunehmend auf produktive Weise miteinander, was zu einem fruchtbaren Erkenntnisgewinnungsprozess und Pionierarbeit führte.
In der Frauen- und der Lesbenbewegung hatten sich – z.T. auch in deutlicher Abgrenzung von
der männlich dominierten Homosexualitätsforschung - verschiedene politisch-ideologische, aber
immer auch kritisch reflektierte und z.T. hinterfragte Trends in der Betrachtung der lesbischen
Orientierung herausgebildet (Blessing 1990, Dürmeier u.a. (Hg.) 1990, Eden & Woltereck 1990,
Geier & Blessing 1992, Falco 1993, Streit, 2001):
Die lesbische Liebe wurde nicht mehr als Abwendung vom Mann verstanden, sondern als
Hinwendung zur Frau und damit auch als eine Auflehnung gegen die „Zwangsheterosexualität“.
Dabei trat die primär sexuelle Komponente des Lesbisch-Seins stärker in den Hintergrund zu
Gunsten eines Verständnisses als eine umfassende Lebensform. Das Lesbisch-sein erfuhr eine
radikale positive Umbewertung bis hin zur Selbst-Idealisierung. Es galt innerhalb der Frauenund Lesbenbewegung jetzt als eine attraktive, fortschrittliche Lebensweise. Besonders die
12
sogenannten „politischen Lesben“, die sich aus politischer Überzeugung auch in der Sexualität
Frauen zuwandten, sahen im Lesbisch-sein eine vorbildliche und überlegene, in aller
Konsequenz frauenorientierte und damit wirklich feministische Lebensweise („Feminismus ist
die Theorie, Lesbisch-sein die Praxis“).
Die Hinwendung zu Frauen auch in der Sexualität wurde als bewusste und freie Wahl betrachtet, die in dem Moment möglich wird, wo das eigene gesellschaftlich und individuell tabuisierte lesbische Begehren nicht mehr abgewehrt werden muss. Diese Auffassung stand
damit im Gegensatz zu älteren, vor allem in den Kreisen der männlichen Homosexualitätsforschung immer wieder vertretenen Ansicht, die sexuelle Orientierung stehe in Zusammenhang
mit Erbfaktoren (wie z.B. bei Rauchfleisch u.a. 2002).
In Abkehr von defizitorientierten Auffassungen wurde der Blick verstärkt auf die spezifischen
Stärken lesbischer Frauen gerichtet. Es wurde eine besondere Fähigkeit und (Ich-) Stärke darin
gesehen, dass lesbische Frauen ein beachtliches Quantum an Nonkonformismus und
Eigenwilligkeit aufbrachten, um ein Leben wider alle Konvention und Normen, d.h. auch im
Angesicht von Sanktionen und Gefährdungen zu gestalten.
Der Druck zur traditionellen „Weiblichkeit“ wurde von der Mehrzahl der lesbischen Frauen
abgelehnt. Sie versuchten, sich bewusst von traditionell „weiblichen“ Verhaltensweisen und
„weiblichem“ Aussehen abzugrenzen, verhielten sich also nicht geschlechtsrollenkonform und
gerieten dadurch eher in die Gefahr, pathologisiert zu werden.
Durch die Frauenbewegung wurde auch der Weg frei zu einer stärkeren Differenzierung zwischen weiblichen und männlichen Homosexuellen. Zwar sind beide Gruppen durch gesellschaftliche Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung betroffen, unterscheiden sich
aber ansonsten in ihren Lebensweisen und der Gestaltung der Liebesbeziehungen beträchtlich
voneinander.
2.2.2
Das Coming-out
In der Schwulen- und Lesbenbewegung rückte zunächst das „Coming-out“ als „der Mittelpunkt
der homosexuellen Entwicklung“ (Wiesendanger 2001, S. 61) ins Zentrum der Aufmerksamkeit.
„Der Entwicklungsprozess des Coming-out umfasst einen innerpsychischen Vorgang, nämlich
das Gewahrwerden und die schließliche Gewissheit, lesbisch oder schwul und nicht
heterosexuell zu sein, und eine soziale Dimension, bei der es um den Weg geht, sich
entsprechend der sexuellen Orientierung zunehmend auch in der Öffentlichkeit zu präsentieren
und einen eigenen Lebensstil zu finden“(Wiesendanger 2001, S.61).
Es wurde versucht, die unterschiedlichen Herausforderungen, die Schwule und Lesben in einer
anti-homosexuellen Gesellschaft zu bewältigen haben, genauer zu beschreiben und
dementsprechend den Prozess des Coming-out in verschiedenen Schritten zu beschreiben
(z.B. Geier 1992, Wiesendanger 2001). In diesem Prozess bis hin zum „integrierten Coming-
13
out“ (Wiesendanger 2001) gilt es, die Zugehörigkeit zu einer verachteten Minderheit in das
eigene Selbstbild zu integrieren (Dannecker 2001).
14
2.2.3
Heterosexismus, Homophobie und internalisierte Homophobie
Um die gesellschaftliche Ablehnung der Homosexualität begrifflich prägnant fassen zu können
und sie als Diskriminierung und eklatantes Unrecht deutlich zu kennzeichnen, wurde der Begriff
des „Heterosexismus“ geprägt. „Heterosexismus ist ein gesellschaftliches und institutionalisiertes Denk- und Verhaltenssystem, welches Heterosexualität anderen Formen sexueller
Orientierung gegenüber als überlegen klassifiziert“ (Wiesendanger 2001, S.27). Der
Heterosexismus ist eine allgegenwärtige, meist unreflektierte gesellschaftliche Umgangsform,
der sich niemand entziehen kann. Er führt beim einzelnen Menschen zur „Homophobie“, ein
weiterer zentraler Begriff. „Homophobie bezeichnet eine soziale, gegen Schwule und Lesben
gerichtete Aversion, welche mit Emotionen der Abscheu, des Ärgers und der Angst einhergeht“
(Wiesendanger 2002, S. 27). Die homophoben Einstellungen in der Umwelt werden in
unterschiedlichem Ausmaß von den Mitgliedern einer heterosexistischen Gesellschaft, also
auch von den Homosexuellen selbst, übernommen und führen so zur „internalisierten
Homophobie“, zur bewussten oder unbewussten Abwertung der eigenen homosexuellen
Tendenzen. Die internalisierte Homophobie drückt sich dann in Zweifeln, Unsicherheit,
Minderwertigkeitsgefühlen und Selbstablehnung bzgl. der eigenen Wünsche und Impulse aus
und zieht erhebliche innere Konflikte in der Phase des Prä-Coming-out nach sich (Falco 1993,
Gissrau 1993 b, Wiesendanger 2001, Rauchfleisch u.a. 2002).
2.2.4
Vergleiche zwischen lesbischen und heterosexuellen Frauen
Im Vergleich mit der Forschung zur männlichen Homosexualität ist mit Untersuchungen zu
lesbischen Frauen erst viel später begonnen worden. Erst in den 80er Jahren wurden gleich
viele Studien zur weiblichen und männlichen Homosexualität publiziert. Bis dahin wurden
Angaben über lesbische Frauen oftmals von Daten, die für schwule Männer galten, abgeleitet
(Schreurs 1994).
Auf Seiten der psychologischen- und der Sozialwissenschaften wurde in zahlreichen Forschungsarbeiten das Krankheitsmodell der Homosexualität mehr als hinreichend widerlegt. In
Vergleichen zwischen lesbischen und heterosexuellen Frauen ging es immer wieder um die
Frage, ob lesbische Frauen psychisch gestörter sind als heterosexuelle. Diese Frage hat zwei
Aspekte: zum einen ging es darum, ob - wie die älteren psychoanalytischen Ansätze es
postulieren - Homosexualität an sich krankhaft, d.h. Homosexualität Ursache psychischer
Krankheitssymptome ist. Zum anderen galt es zu klären, ob und in welchem Ausmaß bei
Homosexuellen ihre Diskriminierung und die damit verbundenen erhöhten Belastungen Ursache
für psychische und soziale Störungen sind. Insgesamt stellte sich heraus, dass lesbische
Frauen psychisch nicht gestörter sind als heterosexuelle, in bezug auf einige Indikatoren für
psychische Gesundheit sogar besser abschnitten als heterosexuelle Frauen. U.a. ergab sich
eine positive Korrelation zwischen psychischer Gesundheit und dem Ausmaß an Offenheit
15
bezüglich der eigenen homosexuellen Orientierung. In der Phase vor dem Coming-out zeigten
sich aber besonders Mädchen und junge Frauen psychisch belasteter und häufiger in
psychischen, z.T. suizidalen Krisen (Falco 1993, Gissrau 1993 b, Rauchfleisch u.a. 2002).
2.2.5
Lesbische Identität
Mit wachsender Bewusstwerdung der Homosexualität veränderte sich der Brennpunkt der
Aufmerksamkeit von der Suche nach Ursachen des Lesbisch- bzw. Schwul-seins zu Bemühungen, den Entwicklungsprozess hin zu einer „homosexuellen bzw. lesbischen Identität“ zu
beschreiben (Falco 1993). Es ging dabei um eine Stärkung der inneren Übereinstimmung mit
der eigenen sexuellen und emotionalen Präferenz und damit um die Stärkung des Selbstwertgefühls in einer allseits heterosexuell organisierten und homosexualitätsfeindlichen Umwelt
und in der Folge um eine Erleichterung des Coming-out (Rauchfleisch u.a. 2002).
Es wurden Phasenmodelle erarbeitet, die einen typischen Entwicklungsprozess hin zu einer
homosexuellen Identität beschreiben sollten. Untersuchungen zeigten aber, dass bei Lesben im
Unterschied zu Schwulen der Prozess der Identitätsbildung individuell sehr unterschiedlich
verläuft und sich nicht in starre Phasenmodelle pressen lässt (Schreurs 2001).
Das Konstrukt der „homosexuellen Identität“, das zum ersten Mal in den 70er Jahren auftauchte, ist darüber hinaus nicht klar definiert und nimmt unterschiedliche Bedeutungen an.
(Falco 1993). Es geht dabei zunächst um eine Unterscheidung zwischen nach außen hin
sichtbarer sexueller Aktivität, die ja von vielen homosexuell empfindenden Menschen oft gar
nicht gelebt wird, und dem inneren Selbstbild, dem Selbstgefühl, der Selbstdefinition als homosexuell bzw. lesbisch. Es kann am ehesten als ein Konzept bzw. eine Überzeugung von sich
selbst betrachtet werden, die mit dem realen Verhalten, mit Interessen oder Zuneigungen mehr
oder weniger kongruent sein kann (Falco 1993).
Von feministischer Seite wird die Entwicklung einer nicht pathologisierenden Theorie der
lesbischen Identitätsentwicklung eingefordert, in der das Lesbisch-Sein in seiner positiv bewerteten Entscheidung für eine mögliche Lebensform beschrieben wird (Eden & Woltereck
1990).
2.2.6
Definition des Lesbisch-Seins
Identität impliziert aber ein gewisses Maß an Dauerhaftigkeit und Rigidität (Falco 1993), während sich aber in der heutigen Alltagsrealität und in der aktuellen Forschungsliteratur abzuzeichnen beginnt, dass unter der größer werdenden gesellschaftlichen Akzeptanz die sexuelle
Orientierung im Verlauf des Lebens zunehmend häufiger (auch mehrfach) gewechselt wird
(sequentielle Homo- und Heterosexualität) (Düring 1994) und dass in einem Individuum
gleichzeitig homo- wie heterosexuelle Tendenzen vorliegen können (Bisexualität). Die Ge-
16
schlechtspartnerorientierung besitzt also keine dichotome Aufteilung, sondern stellt ein Kontinuum zwischen den Extrempolen der ausschließlich homosexuellen und ausschließlich
heterosexuellen Ausrichtung dar (Rauchfleisch 2002).
Eine neuere Untersuchung von Wiesendanger (1998) kommt zu dem Ergebnis, dass das innere
Erleben von gleichgeschlechtlichen Gefühlen, Bildern, Phantasien etc. bei weiblichen
Psychotherapeutinnen nur bei 70,8 % ausschließlich heterosexuell und nur zu 2,3 % ausschließlich lesbisch ist. 26,9 % der befragten Frauen lagen auf einem Kontinuum dazwischen.
Des weiteren wurde belegt, dass keine eindeutigen Korrelationen zwischen lesbischem sexuellen Verhalten, lesbischen Empfindungen und Interessen, emotionalen Bindungen zu Frauen
und einer lesbischen Selbstdefinition feststellbar sind (Falco 1993), so dass Definitionen für
eine lesbische Orientierung schwierig sind. Neuere Definitionsversuche von Homosexualität
sind dementsprechend Bündelungen verschiedener für die Geschlechtspartnerorientierung
relevante Facetten oder Faktoren. Sie beziehen sich nicht ausschließlich auf das nach außen
sichtbare Sexualverhalten, sondern beziehen auch das innerpsychische Empfinden (erotische
und sexuelle Bilder, Phantasien etc.), die emotionalen Bindungen, den Lebensstil und das
Eigenverständnis in die Definition mit ein (Rauchfleisch 2002).
Dementsprechend erscheint es zu stark vereinfacht zu sein, von der Homosexualität oder der
(homogenen) Gruppe der Lesben oder Schwulen zu sprechen, sondern eher sinnvoll, von einem Ausprägungsgrad der Homosexualität bei jedem einzelnen Individuum auszugehen. Eine
solche Sichtweise impliziert die Chance einer freieren Identitätsentwicklung jenseits von starren
Rollenbildern, allerdings um den Preis des ständigen Konflikts mit einer Umwelt, die die
Übernahme einer eindeutigen Rolle von einem Individuum erwartet. Es bleibt abzuwarten, wie
der Diskurs über „lesbische Identität“ sich angesichts dieser Tendenzen weiterentwickeln wird.
2.2.7
Neuere psychoanalytische Ansätze
Den Sichtweisen psychoanalytischer AutorInnen kommt nach wie vor eine gewisse Bedeutung
bei, da die Berufsgruppe der TiefenpsychologInnen einen großen Teil des Therapiemarktes in
Deutschland abdeckt und die psychoanalytische Theorienbildung nach wie vor von vielen
anderen Therapieschulen in Ermangelung eigener Ansätze in beträchtlichem Ausmaß
übernommen wird.
Da die PsychoanalytikerInnen ihrerseits Erkenntnissen nicht-psychoanalytischer Herkunft
gegenüber traditionsgemäß wenig aufgeschlossen sind, hat sich die jüngere AnalytikerInnenGeneration - gegen Widerstände in den eigenen Reihen - auch erst relativ spät und nur vereinzelt mit den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zur lesbischen Orientierung auseinandergesetzt, und das, obwohl die Sexualität gerade in der psychoanalytischen Theorie eine
zentrale Rolle spielt
17
Gissrau stellt fest, dass es kaum einen neuen und geschlossenen psychoanalytischen Versuch
gibt, die Theorie der weiblichen Homosexualität und Heterosexualität zu reformulieren. Die
althergebrachten pathologisierenden Annahmen stellen zum großen Anteil immer noch
unwiderrufene Lehrmeinungen dar (Gissrau 1993 b).
So stehen noch 1993 in einer Aufsatzsammlung (Alves 1993) von psychoanalytischen Beiträgen zum Thema „lesbische Liebe“ Lesben wertschätzende Arbeiten und Artikel, die als
Prototypen einer pathologisierenden Sicht auf lesbische Frauen gelten können, ohne kritische
Kommentierung nebeneinander.
Bei den Lesben wertschätzenden Ansätzen zeigen sich derzeit zwei Tendenzen.
Ausgehend von den neuesten Ergebnissen der Sozialforschung und eigenen Untersuchungen
unternimmt Gissrau (1993 a, b) den Versuch, eine eigene tiefenpsychologische Theorie der
lesbischen Entwicklung aufzustellen. Sie begreift die weibliche Homosexualität dabei einfach
als eine unter verschiedenen Lebensweisen. Sie geht davon aus, dass es besondere
Weichenstellungen in der psychosexuellen Entwicklung von später lesbischen Frauen gibt, d.h.
sie sucht - in nicht pathologisierender oder anderweitig abwertender Weise - nach verallgemeinerbaren lebensgeschichtlichen Ursachen für die lesbische Orientierung, wie sie es
auch für die heterosexuelle Orientierung für angebracht hält.
Poluda-Korte (1993) geht davon aus, dass vom Kind aufgrund einer grundsätzlichen Bisexualität beide Eltern sexuell begehrt werden. Dementsprechend unternimmt sie den psychoanalytischen Versuch, den sogenannten „negativer weiblicher Ödipus-Komplex“, (das Rivalisieren der kleinen Tochter mit dem Vater um die begehrte Mutter), dem von psychoanalytischer
Seite kaum Beachtung geschenkt wurde, theoretisch neu zu fassen. Sie wählt dabei den Begriff
„lesbischer Komplex“ als Bezeichnung für den verschleiernden und abwertenden Terminus des
„negativen weiblichen Ödipus-Komplexes“, um die sexuelle Liebe der Tochter zur Mutter direkt
zu benennen (Poluda-Korte 1993). Wie der „Ödipus-Komplex“ stellt der Begriff des „lesbischen
Komplexes“ ein Instrument zur Analyse der psychosexuellen Entwicklung des Mädchens dar
und ermöglicht es, das Entstehen der Abwehr gegen weibliche Homosexualität besser zu
verstehen und Wege zu deren Re-Integration zu finden.
In einem weiteren aufschlussreichen Artikel (Poluda, 2000) analysiert sie das negativ getönte
Bild der lesbischen Frau in neueren psychoanalytischen Falldarstellungen, in denen die psychischen Probleme in altbewährter psychoanalytischer Tradition mit der lesbischen Orientierung
in Zusammenhang gebracht werden. Sie zeigt auf, dass die von ihren heterosexuellen
Kolleginnen (McDougall, Halenta, Siegel, Kestenberg) analysierten und als „typische“ oder
„richtige“ lesbische Klientinnen vorgeführten Frauen jeder einzelnen Analytikerin sich zwar
jeweils untereinander stark zu ähneln scheinen, diese Gruppen „typisch“ lesbischer Frauen aber
so unterschiedlich ausfallen wie ihre Therapeutinnen. Die „typische“ oder „richtige“ Lesbe ist
Poluda zufolge ein Konstrukt, das weniger mit den lesbischen Frauen selbst zu tun hat, als
vielmehr
mit
der
keineswegs
zufälligen
gegenseitigen
Wahl
von
Patientinnen
und
18
AnalytikerInnen, mit den vorbewussten Bildern der Analytikerinnen vom Lesbisch-Sein und mit
deren abgewehrten eignen homosexuellen Anteilen.
Poluda fragt sich, ob „Homosexualität“, wenn schon keine pathologische, dann überhaupt eine
einheitliche Kategorie, neben einer entsprechenden Kategorie „Heterosexualität“ darstellt. Sie
kommt aufgrund ihrer Analyse der Falldarstellungen und ihrer eigenen Erfahrungen mit
lesbischen Klientinnen zu der Überzeugung, dass Homosexualität keiner zu vereinheitlichenden
Gruppe von psychischen Strukturen entspricht, dass Homo- und Heterosexualität keine sich
gegenseitig ausschließenden Alternativen darstellen, sondern dass es nur eine Sexualität mit
verschiedenen polarisierten Dimensionen - u.a. einem homo- und einem heterosexuellen Pol gibt, die sich in den verschiedensten historischen Formen manifestieren. Nach Poluda geht es
bei der Polarität homosexuell - heterosexuell auf psychischer Ebene weniger um ein Entweder Oder als um ein individuelles Mehr oder Weniger.
Auffallend bei Poluda ist, dass sie in ihre Erörterungen keinerlei nicht-psychoanalytische Literatur zu diesem Thema einbezieht, ein für psychoanalytische AutorInnen typisches Vorgehen.
Hier wird noch einmal verständlich, weshalb die psychoanalytische Forschung nach Freud so
oft mit ihren Erkenntnissen zeitlich weit hinter dem aktuellen Stand der sozialen Bewegungen
und dem empirischen sozialwissenschaftlichen Erkenntnisstand hinterherhinkt.
Insgesamt lässt sich zur psychoanalytischen Theorienbildung sagen, dass sich die Pathologisierung homosexueller Lebensweisen gelockert hat, aber noch längst nicht als überwunden
gelten kann (Dannecker 2001).
2.3
Mit welchem Erkenntnisstand der TherapeutInnen ist heute bei Aufnahme einer
Psychotherapie zu rechnen?
Aus der bisher skizzierten Entwicklung wird verständlich, dass ein Teil der Schwulen und
Lesben aus guten Gründen gegenüber PsychiaterInnen und PsychotherapeutInnen skeptisch
bis ablehnend eingestellt ist. Aufgrund der Berichte vieler lesbischer Therapie-Klientinnen ist
uns bekannt, dass eine immer noch beträchtlich Anzahl von TherapeutInnen trotz der Änderung
von diagnostischen Kriterien und trotz oder in Unkenntnis der neueren Forschungsliteratur an
den früheren pathologisierenden Positionen festhält Gleichzeitig scheint sich aber doch
zunehmend eine Auffassung von Homosexualität als der Heterosexualität gleichwertige, an sich
nicht pathologische Variante des sexuellen Begehrens durchzusetzen.
2.3.1
Ergebnisse der Psychotherapieforschung
Die wissenschaftliche Forschung zu Fragen der klinischen Behandlung von Lesben im Rahmen
der Psychotherapie befindet sich derzeit immer noch im Anfangsstadium. Es hat bisher einige
19
wenige Studien zu den Therapieerfahrungen lesbischer Frauen und Untersuchungen zu den
Einstellungen von PsychotherapeutInnen zu lesbischen Klientinnen gegeben.
In einer Studie von 1985 zu Therapieerfahrungen von Lesben haben sich noch 48 % in irgendeiner Weise von ihren TherapeutInnen diskriminiert gefühlt, und bei 18 % der Befragten
wurde gezielt versucht, die Homosexualität zu „heilen“, obwohl die Frauen mit anderen
Problemen in die Therapie gekommen waren (Gissrau 1993 b). Dem gegenüber belegen
neuere Untersuchungen zu Einstellungen von TherapeutInnen zur Homosexualität (Wiesendanger 1998, Frossard 2000), dass eine Mehrzahl der TherapeutInnen den Lesben nicht mehr
à priori eine gestörte Persönlichkeit attestiert. Man kann daher heute bereits davon sprechen,
dass die nicht-pathologisierenden Persönlichkeits- und Therapiekonzepte ein größeres Gewicht
besitzen als die alten, die Homosexualität als Krankheit interpretierenden Theorien
(Rauchfleisch u.a. 2002).
In einer Studie von 1984 in den USA zu TherapeutInnen-Einstellungen zeigte sich, dass die
TherapeutInnen zwar relativ positive Einstellungen hatten, aber schlecht informiert waren. Sie
verfügten nur über einen Bruchteil der Grundkenntnisse über homosexuelle Männer und
Frauen, die über wissenschaftliche Literatur zugänglich waren (Falco 1993).
2.3.2
Unreflektierte Alltagstheorien zur Entstehung einer lesbischen Orientierung
Eine nach wie vor bei TherapeutInnen häufig anzutreffende Vermutung ist die, dass die Entwicklung einer lesbischen Orientierung im Zusammenhang mit lebensgeschichtlich erfahrenen
Defiziten und speziell mit sexuellen Traumatisierungen durch Männer stehe (Rauchfleisch u.a.
2002). Wissenschaftliche Belege gibt es hierfür aber nicht. Entscheidend an dieser Stelle ist,
dass
bezeichnenderweise
die
Entwicklung
einer
heterosexuellen
Orientierung
als
selbstverständlich angesehen und nicht etwa auf traumatische Erfahrungen mit Frauen
zurückgeführt wird, was ebenfalls eine gewisse Plausibilität hätte. D.h. dass recht schnell an
eine neurotisch bedingte Homosexualität gedacht wird, während eine neurotisch bedingte
Heterosexualität („Eigentlich wäre sie lesbisch, wenn sie nicht durch traumatische Erfahrungen
heterosexuell geworden wäre“) nicht in Betracht gezogen wird.
2.3.3
Scheinbar tolerante, Unterschiede leugnende Grundhaltung
Bei dem Bestreben von PsychotherapeutInnen sich von Vorurteilen, Pathologisierungen und
Diskriminierungen zu befreien, werden gelegentlich die Unterschiede, die zwischen heterosexuellen und lesbischen Frauen z.B. in ihren Erfahrungen, ihrer Lebensweise, in der Gestaltung ihrer Liebesbeziehungen tatsächlich bestehen, oder die immer noch häufig erlittenen
Diskriminierungserfahrungen im Sinne einer vordergründig wohlmeinenden Haltung der politisch korrekten Toleranz geleugnet („Das ist doch heute kein Problem mehr“) (Rauchfleisch u.a.
20
2002). D.h. es wird nicht die Unterscheidung realisiert, dass die gleichgeschlechtliche
Orientierungen selbst nichts mit psychischer Gesundheit oder Krankheit zu tun hat, dass aber
die Bedingungen, unter denen Lesben trotz zunehmender Akzeptanz in unserer Gesellschaft
leben, nach wie vor mehr oder weniger große Schwierigkeiten bieten und z.B. zu Anpassungsstörungen führen können, die nicht auf eine primäre psychische Störung zurückzuführen sind, sondern Folgen der spezifischen belastenden Lebenssituation sind. (Rauchfleisch u.a. 2002).
2.3.4
Fehlen
eines
fundierten
Fachwissens
über
lesbische
Lebens-
und
Erlebensweisen
In den Studien der letzten Jahre werden - eher subtile - Formen der Diskriminierung und
Abwertung von Lesben ausgemacht, die oft eher aus Unwissenheit und Unsensibilität der
TherapeutInnen als in abwertender Absicht passieren. Hintergrund dafür ist oft das Fehlen
eines fundierten Fachwissens über lesbische Lebens- und Erlebensweisen und über lesbische
Paarbeziehungen, auch bei den nicht pathologisierenden Fachleuten (Dürmeier1990, Falco
1993, Rauchfleisch u.a. 2002).
Dieses Wissen ist nicht etwas, das sich quasi von selbst versteht, sondern stellt einen wichtigen
Bestandteil des psychotherapeutischen Fachwissens dar. Es muss speziell angeeignet werden,
besonders wenn es keinen persönlichen Zugang zum Thema gibt. Auch fehlt oft das Wissen
darüber, in welcher Weise sich z.B. tief greifende Erfahrungen der Enttäuschung, Belastungen
durch hohe emotionale Spannung aufgrund unterschiedlicher Selbst- und Fremdakzeptanz und
die Erfahrungen gesellschaftlicher Diskriminierung der eigenen Lebensweise verkomplizierend
auf die Entwicklung psychischer Störungen bei Lesben auswirken können (Rauchfleisch u.a.
2002). „Da es für das Leben unter diesen gesellschaftlichen Bedingungen einer besonderen
Ich-Stärke und Reife bedarf, befinden sich zudem gleichgeschlechtlich empfindende Menschen
mit psychischen Störungen in einer gegenüber heterosexuellen psychische Kranken ungleich
schwierigeren Lage.“ (Rauchfleisch u.a. 2002, S. 37).
2.3.5
Die Ausbildung von PsychotherapeutInnen
Was die Ausbildung von PsychotherapeutInnen betrifft, fehlen derzeit noch aktuelle Untersuchungen darüber, inwieweit das Thema der gleichgeschlechtlichen Orientierung von Ausbildungsinstituten in das allgemeine Ausbildungsprogramm aufgenommen worden ist. Es ist zu
vermuten, dass dies nur in den seltensten Fällen stattgefunden hat, und wenn, dann vermutlich
nicht als obligatorischer Fortbildungsbaustein, sondern eher als freiwilliges Angebot. Und nach
wie vor werden Homosexuelle in einigen psychoanalytischen Instituten von der Ausbildung und
damit
-
zumindest
theoretisch
-
von
der
Berufsausübung
als
PsychoanalytikerIn
ausgeschlossen (Wiesendanger 2001).
21
2.3.6
Zugang zu aktueller Fachliteratur
Da eine Wissensvermittlung auf effektive Weise in Aus- und Fortbildungsgängen kaum anzutreffen ist, müssen (angehende) TherapeutInnen, wenn sie sich mit dem Thema beschäftigen
wollen, verhältnismäßig viel Zeit, z.B. in eine aufwendige eigenständige Literatursuche,
investieren.
In der wissenschaftlichen Literatur ist das Thema „Psychotherapie mit lesbischen Frauen“ trotz
eines vermehrten Interesses, besonders im englischsprachigen Bereich, eher ein selten
diskutiertes Thema. Zwar könnte diese Situation den Eindruck entstehen lassen, bei sich offen
und tolerant empfindenden Fachleuten spiele die sexuelle Orientierung in Beratung und
Therapie keine Rolle bzw. sie würde das therapeutische Vorgehen auf PatientInnen - wie
TherapeutInnenebene nicht beeinflussen und sei deshalb ein zu vernachlässigender Faktor.
Diese Auffassung entspricht – wie oben aufgezeigt - jedoch nicht der Realität. Neben der
neueren Literatur, in der eine weitgehend von Pathologisierung freie Auffassung von gleichgeschlechtlichen Orientierungen vertreten wird, wird auch weiterhin die alte pathologisierende
Literatur rezipiert (Rauchfleisch u.a. 2002).
Erst neuerdings gibt es einige wenige deutschsprachige, für die therapeutische Praxis leicht
verwertbare Bücher mit dem notwendigen Basiswissen und praktischen Hinweisen zu einer
angemessenen Grundhaltung und sinnvollen Interventionen bei homosexuellen KlientInnen.
(Wiesendanger 2001, Rauchfleisch u.a. 2002). Es geht in diesen Büchern allerdings überwiegend um homosexuelle Männer. Lesbische Frauen nehmen hier wieder nur eine Randposition ein. Inwieweit die Ergebnisse für die Arbeit mit Lesben brauchbar sind, muss sich erst
noch erweisen.
2.3.7
Resümee zum Erkenntnisstand der TherapeutInnen
Für PsychotherapeutInnen allgemein ist die Beschäftigung mit dem Thema kein „Selbstgänger“,
weder wird ihnen das Thema in der Therapieausbildung nahegebracht, noch gibt es
ausreichend leicht auffindbare und praxistaugliche Fachliteratur auf dem neuesten Erkenntnisstand. Wer sich mit den Besonderheiten in der Therapie mit lesbischen Frauen informieren
will, muss dafür Energie und Engagement aufbringen, es sei denn, es gibt einen persönlichen
Zugang zum Thema.
Neben den selbst homosexuellen bzw. lesbischen TherapeutInnen, denen man erst einmal ein
solches Engagement unterstellen kann, gibt es selbstverständlich auch eine Anzahl heterosexueller TherapeutInnen, die dieses Engagement aufbringen und sich qualifiziert mit dem
Thema beschäftigen.
Lesbische Frauen auf der Suche nach einem Therapieplatz können aber ebenso auf
TherapeutInnen treffen, die auf dem Stand der alten pathologisierenden Konzepte und
unreflektierten Alltagstheorien sind oder in einer scheinbar toleranten und akzeptierenden
22
Haltung Unterschiede zu heterosexuellen Klientinnen leugnen und von daher bisher keinen
Informations- oder Fortbildungsbedarf bei sich gesehen haben.
23
3.
DIE THERAPEUTINNEN-UMFRAGE
3.1
Die Ziele der TherapeutInnen-Umfrage
Unsere Vermutungen über die Einstellungen und das Verhalten von PsychotherapeutInnen
lesbischen/ lesbisch empfindenden Frauen gegenüber gingen in zwei entgegengesetzte
Richtungen: zum einen, vermuteten wir, dass – im Vergleich mit der Gesamtbevölkerung PsychotherapeutInnen aufgrund ihrer alltäglichen Konfrontation mit außergewöhnlichen Lebensereignissen und –geschichten eher eine größere Toleranz Lebensweisen jenseits der
Dominanzkultur gegenüber aufbringen, andererseits wissen wir aber auch um die in der Geschichte der Psychotherapie bis heute in Praxis und Theorie vorkommenden eklatanten Pathologisierungen und Diskriminierungen homosexueller Menschen. Zur Klärung der Frage
nahmen wir als erstes eine Umfrage bei PsychotherapeutInnen in Angriff. Hier ging es uns
darum, auf empirischem Wege Aufschluss über das Verhalten und die Einstellungen der
Fachleute lesbischen/ lesbisch empfindenden Frauen gegenüber zu erhalten, dazu haben wir
einen Fragebogen entwickelt, in dem wir nach den fachlichen Meinungen der PsychotherapeutInnen zum Umgang mit lesbischen/ lesbisch empfindenden Frauen fragten. Da erfahrungsgemäß in Fragen nach Meinungen und Einstellungen die Antworten nur zu einem Teil
Rückschlüsse auf das reale Verhalten der Befragten zulassen und sich in hohem Maß an der
sozialer Erwünschtheit orientieren, können die Meinungsäußerungen aber nicht als faktisches
Verhalten der TherapeutInnen missverstanden werden. Das Ausmaß realer Diskriminierungen
liegt in der Regel sehr viel höher, als die geäußerten Meinungen es auf den ersten Blick
erwarten lassen. Um Daten zu erhalten, die wirklich die Realität abbilden, müssen weitere
Methoden hinzukommen, die im Rahmen unsere Arbeit nicht leistbar sind.
Da viele TherapeutInnen – wie oben beschrieben – nur sehr unzureichend über die Lebensweise lesbischer Frauen informiert sind, waren wir darüber hinaus daran interessiert zu erfahren, wie der Informations- und Wissensstand der TherapeutInnen zum Thema ist und wo sie
sich informieren. Mit diesen Fragen verfolgten wir noch den „Nebeneffekt“, relevante Informationen für eine effektivere Gestaltung unserer Bildungs- und Fortbildungsangebote für
Fachfrauen im psychosozialen Bereich (u.a. Fortbildungen, Vorträge und schriftliche Informationen) und über einen etwaigen konkreten Fortbildungsbedarf zu erhalten.
Nicht zuletzt war es ein wesentliches Ziel unserer Umfragen, allein durch die Konfrontation mit
einem Fragebogen zu einer (verstärkten) Auseinandersetzung sowohl der TherapeutInnen als
auch der Klientinnen mit dem Thema anzuregen.
3.2
Die Zielgruppe der TherapeutInnen-Umfrage
Wie haben uns entschieden, die Umfrage auf die niedergelassenen PsychotherapeutInnen mit
Kassenzulassung in Schleswig-Holstein zu beschränken. Zum einen hat dies arbeitsökonomische Gründe, da die Anschriften dieser Gruppe im Gegensatz zur Gruppe aller appro-
24
bierten, der angestellt tätigen oder der TherapeutInnen, die auf der Grundlage des Heilpraktikergesetzes tätig sind, relativ problemlos zugänglich. Zum anderen ist dies die Gruppe, die
den größten Teil der psychotherapeutischen Versorgung in Schleswig-Holstein abdeckt, und
von daher besonders relevant für unsere Fragestellung ist. Wir gehen davon aus, dass die
Ergebnisse unserer Umfrage auf andere Gruppen von psychotherapeutisch Tätigen übertragen
werden können.
3.3
Die Umfrage-Methode
Die Wahl und Entwicklung des Erhebungsinstrumentes stellte das schwierigste Problem bei der
Untersuchung dar. Wir haben uns bei der Wahl des Erhebungsinstrumentes für einen angesichts der Komplexität des Themas sehr kurzen - Fragebogen entschieden, der durch
Ankreuzen von vorgegebenen Antwortmöglichkeiten, aber auch durch freie Antworten ausgefüllt
werden konnte. Zum einen wollten wir aussagekräftige Informationen erhalten, zum anderen
eine hohe Rücklaufquote erzielen. Ein sehr ausführlicher Fragebogen oder Fragen, die für ihre
Beantwortung viel Zeit erfordern, hätten unweigerlich zu einem geringen Rücklauf geführt und
wären wahrscheinlich nur von denjenigen TherapeutInnen ausgefüllt worden, die ein
beträchtliches Interesse am Thema haben, so dass der Grad der Verallgemeinerbarkeit der
Ergebnisse noch geringer gewesen wäre. Die Entscheidung für das Zulassen freier Antworten
bei den Items hatte darüber hinaus den Hintergrund, dass wir bei den befragten TherapeutInnen einerseits mit einer starken inhaltlichen Festlegung auf bestimmte Antwortmöglichkeiten keine zusätzliche Reaktanz erzeugen wollten und wir andererseits an eventuell
interessanten und aufschlussreichen Meinungsäußerungen interessiert waren.
Andere Erhebungsverfahren wie, z.B. qualitative Interviews, erschienen uns angesichts unserer
knappen zeitlichen und finanziellen Ressourcen und angesichts der noch größeren
Schwierigkeiten bzgl. der Verallgemeinerbarkeit als zu aufwendig.
Die von uns gewählte Form des Fragebogens mit vielen freien Antwortmöglichkeiten bereitet
bei der Auswertung einige Schwierigkeiten, zumal wir in der Anweisung zum Ausfüllen ausdrücklich darauf hingewiesen haben, dass uns auch unvollständig ausgefüllte Fragebögen
willkommen sind. Hintergrund für diesen Hinweis war der Wunsch, die Akzeptanz des Fragebogens zu erhöhen und eine möglichst hohe Rücklaufquote zu erreichen. Für die Auswertung
bedeutet dies, dass die einzelnen Fragen von unterschiedlich vielen TherapeutInnen
beantwortet wurden und auch dort Mehrfachnennungen vorkamen, wo sie nicht vorgesehen
waren. Wir haben uns entschlossen, auch diese Daten zu akzeptieren. Das führte bei der
Darstellung der Ergebnisse dazu, dass die aufaddierten Prozentangaben nicht immer 100%
ergeben.
Bei der Auswertung der freien Antworten haben wir aus ökonomischen Gründen auf aufwendige
Verfahren der wissenschaftlichen Inhaltsanalyse verzichtet und nur eine grobe Sichtung der
25
Aussagen daraufhin vorgenommen, ob sie interessante, bisher nicht beachtete Aspekte des
Themas ansprechen.
3.4
Verschickung und Rücklauf des Fragebogens
Im März 2001 haben wir 849 Fragebögen an alle in Schleswig-Holstein niedergelassenen
PsychotherapeutInnen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Kassenzulassung hatten,
verschickt. Davon waren 434 weiblich und 415 männlich. Von diesen Fragebögen haben wir
289 ausgefüllt zurückerhalten, 189 von weiblichen Therapeutinnen, 94 von männlichen. Das
entspricht einer Rücklaufquote von insgesamt 34%, genauer: bei den weiblichen TherapeutInnen von 44%, bei den männlichen von 23%.
Diese Rücklaufquote ist im Vergleich zu ähnlichen Befragungen von PsychotherapeutInnen und
angesichts des mit dem Ausfüllen verbundenen Aufwandes sehr hoch, besonders bei den
weiblichen Therapeutinnen, und wird von uns als Interesse am Thema
und als große
Akzeptanz des Fragebogens gewertet. Trotzdem kann diese Befragung nicht als repräsentativ
gelten, da davon auszugehen ist, dass es sich – wie immer bei derartigen Umfragen - um eine
selektive Stichprobe handelt, das heißt um eine Umfrage bei denjenigen TherapeutInnen,
denen das Thema so bedeutsam und/ oder interessant erscheint, dass sie zum Aufbringen des
Arbeitsaufwandes bereit waren. Es kann begründet davon ausgegangen werden, dass es sich
dabei eher um diejenigen TherapeutInnen handelt, die eine liberale, nicht bewusst abwehrende
oder abwertende Haltung dem Thema gegenüber einnehmen.
3.5
Auswertung des Fragebogens
Aufgrund unserer knappen Ressourcen haben wir den Fragebogen nur in den für uns zentralen
Aspekten ausgewertet. Differenziertere Auswertungen in Einzelfragen sind darüber hinaus
möglich.
Die ausführlichen Auswertungen in Tabellenform sind im Anhang (Anhang TH) aufgeführt.
3.5.1
Statistische Angaben zu den Therapeutinnen
Von den TherapeutInnen waren 65% weiblich und 33% männlich (TH A1), das Alter lag bis auf
wenige Ausnahmen zwischen 30 und 60 Jahren (31 – 40 Jahre:16%, 41 – 50 Jahre:44%, 51 –
60 Jahre:33%) (TH A2). Zu 54% waren sie psychologische PsychotherapeutInnen, zu 40%
ärztliche PsychotherapeutInnen und zu 8% Kinder-und JugendlichenpsychotherapeutInnen (TH
A3).
26
3.5.2
Angaben über die Klientinnen und deren Verhalten in der Therapie
Um statistische Angaben zu den Klientinnen von den TherapeutInnen zu bekommen, stellte
sich uns das Problem, was wir mit „lesbisch“ in diesem Fragebogen genau meinen, angesichts
der Vielfalt von Formen und Erscheinungsweisen lesbischen Empfindens und Verhaltens und
angesichts der Tatsache, dass zunehmend mehr Frauen die sexuelle Orientierung (z.T.
mehrfach) wechseln oder gleichzeitig – in unterschiedlicher Gewichtung – lesbisch und
heterosexuell empfinden.
Damit die TherapeutInnen den Fragebogen einheitlich ausfüllen, haben wir folgende Anweisung
gegeben:
„Es geht hier (in diesem Fragebogen)
-
um Klientinnen/Patientinnen, die Ihnen gegenüber über ihr lesbisches Empfinden und
Verhalten berichtet haben. Schon aus methodischen Gründen kann es nicht um Frauen
gehen, bei denen Sie eine lesbische Orientierung vermuten.
-
sowohl um Frauen mit einem manifesten, nach außen sichtbaren lesbischen Sexualverhalten als auch um Frauen, die von einem innerpsychischen lesbischen Erleben
(erotische oder sexuelle Empfindungen, Phantasien, Bilder) berichten
-
um die ganze Bandbreite des Kontinuums lesbischen Erlebens, also sowohl um ausschließliches oder überwiegendes, als auch um gelegentliches oder einmaliges lesbisches Erleben. D.h. bisexuelle Frauen sind hier mitgemeint.
-
sowohl um „ich – syntones“ also mit der sexuellen Selbstdefinition als lesbisch, bisexuell oder heterosexuell in Konsens stehendes lesbisches Empfinden oder Verhalten als
auch um „ich – dystones“, also zwar eingestandenes, aber mit der Selbstdefinition in
Dissens stehendes lesbisches Empfinden oder Verhalten.
Zusammengefasst bedeutet das, dass es hier um Frauen geht, die in irgendeiner Form von
eigenem erotischem/sexuellem Empfinden oder Verhalten anderen Frauen gegenüber berichtet
haben.“
Für die Auswertung unserer Umfrage bedeutet dies, dass wir bei den Zahlenangaben zu den
„lesbisch empfindenden“ Klientinnen nur Zahlen über diejenigen haben können, die in der
Therapie ihre lesbische Orientierung/ ihr lesbisches Empfinden offen legten. All die Frauen, die
ihre sexuelle Orientierung oder ihre nicht gelebten Wünsche und Sehnsüchte in Bezug auf
sexuelle Kontakte und/oder Beziehungen zu Frauen verschwiegen haben, sind hier nicht mit
erfasst.
Bei der Frage nach der Anzahl der (wie oben definierten) lesbischer/ lesbisch empfindenden
Klientinnen erhielten wir eine Gesamtzahl von 487. Das sind im Durchschnitt 1,7 pro TherapeutIn. Wenn man diese Zahl aufgeschlüsselt nach Geschlecht (TH B1), Alter (TH B2) und
TherapeutInnenstatus (TH B3) betrachtet, und sie mit den statistischen Angaben zu den
27
TherapeutInnen vergleicht, wird deutlich, dass diese Verteilungen sich in etwa entsprechen.
D.h. lesbische/ lesbisch empfindende Klientinnen der mit dieser Umfrage erreichten TherapeutInnen haben sich ihre/n Therapeutin/en nicht gezielt nach Geschlecht, Alter oder TherapeutInnenstatus ausgesucht. Bei Betrachtung der einzelnen Fragebögen fiel jedoch auf, dass
die Zahl der lesbischen/ lesbisch empfindenden Klientinnen bei den einzelnen TherapeutInnen
eine große Bandbreite aufwies und zwischen 0 und 8 schwankte. Das deutet darauf hin, dass
lesbische/ lesbisch empfindende Frauen gezielt bestimmte einzelne TherapeutInnen aufsuchen.
Im Fragebogen wurden die TherapeutInnen nach dem Anlas der Klientinnen für die Aufnahme
einer Psychotherapie gefragt. Es ergaben sich folgende Zahlen (TH B2):85% der Klientinnen
hatten die Therapie wegen psychischer Probleme/ Symptome ohne direkten Bezug zur
sexuellen Orientierung aufgenommen, 3% wegen Diskriminierungserfahrungen aufgrund der
sexuellen Orientierung, 6% wegen eines Wunsches nach bzw. Problemen mit dem Coming-out,
8% wegen Problemen mit der lesbischen Lebensweise oder aufgrund des lesbischen
Empfindens und 26% wegen Problemen in der lesbischen Partnerschaft (Mehrfachnennungen
waren möglich).
Aus diesen Zahlen geht hervor, dass – wie zu erwarten war - die große Mehrzahl der lesbischen/ lesbisch empfindenden Frauen eine Therapie aufgrund von psychischen Problemen/
Symptomen ohne direkten Bezug zur sexuellen Orientierung aufnimmt. Nur 8 – 17% (aufgrund
der Möglichkeit zu Mehrfachnennungen sind keine genaueren Zahlen möglich) der lesbischen/
lesbisch empfindenden Frauen nahmen nach Einschätzung der TherapeutInnen eine Therapie
wegen Problemen auf, die im direkten Zusammenhang mit ihrer sexuellen Orientierung/ ihrem
lesbischen Empfinden standen.
Bei diesen Zahlen bleiben allerdings die Fragen offen
•
ob lesbische/ lesbisch empfindende Frauen heute weniger Probleme haben mit ihrer
sexuellen Orientierung
•
ob sie solche Probleme in der Therapie verschweigen
•
ob sie diese Probleme nicht zu Beginn und daher nicht als Anlass, sondern erst im weiteren Verlauf der Therapie, wenn sie mehr Vertrauen zur/ zum TherapeutIn gefasst
haben, ansprechen
•
ob die TherapeutInnen die Probleme im Zusammenhang mit der sexuellen Orientierung
bagatellisieren und sie nicht als Anlass für die Aufnahme der Therapie wahrnehmen
•
ob lesbische/ lesbisch empfindende Frauen professionelle Unterstützung bei solchen
Problemen eher in anderen Institutionen (z.B. Beratungsstellen) suchen.
Da wir aus den Beratungen mit lesbischen/ lesbisch empfindenden Klientinnen des öfteren
hören, dass sie gezögert haben, ihre sexuelle Orientierung, die ja ein bedeutsames biographisches Datum darstellt, überhaupt oder zumindest zu Beginn der Therapie preiszugeben,
haben wir die TherapeutInnen danach gefragt. in welcher Phase der Therapie die Klientinnen
28
ihre sexuelle Orientierung/ ihr lesbisches Empfinden zum erstenmal erwähnt haben (TH B3).
Bei 46% war das im Erstgespräch. bei 36% in den ersten 10 Sitzungen und bei 18% später.
Dies bedeutet, dass über die Hälfte der betreffenden Frauen ihre sexuelle Orientierung/ ihr
lesbisches Empfinden nicht im Erstgespräch offenbart, obwohl TherapeutInnen sich in der
Regel im Erstgespräch einen ersten groben Überblick über die Lebenssituation, wichtigen
Bezugspersonen und andere relevante Daten der Klientin verschaffen. Die Tatsache, dass 18%
der betreffenden Frauen ihre sexuelle Orientierung/ ihr lesbisches Empfinden noch nach der 10.
Sitzung nicht offenbart hatte, deutet darauf hin, dass hier eine große Unsicherheit und ein
gewisses Misstrauen besteht, gerade in einer Situation, in der eine große Offenheit bzgl. der
intimsten Bereiche der Person gefordert und in der Regel mitentscheidend ist für den Erfolg der
Therapie.
Auf die Frage (TH B4) , bei wie vielen dieser Klientinnen/Patientinnen das lesbische Empfinden
oder Verhalten bzw. Aspekte der lesbischen Lebensweise ein bedeutsames Thema in der
Therapie war, gaben die TherapeutInnen an, dass dies bei 248, d.h. bei 51% der Klientinnen
der Fall gewesen sei. Das heißt, wenn man die Frage nach dem Therapieanlass (TH
B2)mitbetrachtet, dass die lesbische Orientierung in der Regel nicht der Anlass für die Aufnahme einer Therapie, wohl aber ein bedeutsames Thema in der Therapie ist. Eine entsprechende fachliche Qualifikationen ist daher auf Seiten der TherapeutIn unbedingt erfordert.
3.5.3
Fachliche Meinungen der TherapeutInnen zur therapeutischen Arbeit mit lesbischen/ lesbisch empfindenden Klientinnen
In diesem Abschnitt des Fragebogens haben wir die TherapeutInnen gebeten anzugeben,
welche fachlichen Meinungen zum Thema der lesbischen sexuellen Orientierung und zum
Umgang damit in der Psychotherapie sie haben. Wir haben bewusst auf Items, die darüber
hinaus auf die persönlichen Einstellungen zum Thema und auf einen etwaigen homophoben
Hintergrund der TherapeutInnen abzielen, verzichtet, da wir von einer nur geringen Bereitschaft
der TherapeutInnen, solche Fragen zu beantworten, ausgegangen sind.
Die Zahl der Fragen haben wir versucht, so gering wie möglich zu halten und sie so zu formulieren, dass sie genügend Anreiz bieten, sich mit ihnen inhaltlich zu beschäftigen. Wir haben
einige Antwortmöglichkeiten vorgegeben, aber auch die Möglichkeit angeboten, eine
individuelle Meinung zu äußern. Die von uns vorgegebenen Antwortmöglichkeiten haben wir
aus der Fachliteratur herausgefiltert bzw. in Gesprächen mit TherapeutInnen über ihre Einstellungen und Vorgehensweisen und aus Berichten von lesbischen/ lesbisch empfindenden
Frauen über ihre Therapieerfahrungen rekonstruiert. Hintergrund für diese Fragen ist das schon
oben geschilderte Wissen um das Vorkommen von Diskriminierungen lesbischer/ lesbisch
empfindender Frauen auch in der Psychotherapie.
29
Das erste Item zielte darauf ab, ob die sexuelle Orientierung auf Frauen als eine individuelle,
eventuell sogar bewusst getroffene Entscheidung gesehen wird, für die es allenfalls einen
individuellen Hintergrund gibt oder ob hinter der lesbischen Orientierung. allgemeine Ursachen
gesehen werden.
Die Auswertung dieses Items (TH C1) ergab, dass immerhin noch 13% der TherapeutInnen
verallgemeinerbare Ursachen annehmen. Genannt wurden, wie erwartet, z.B. genetische bzw.
pränatale, hormonelle Faktoren, (sexuelle) Gewalterfahrungen, Entwicklungsstörungen in der
Kindheit, Beziehungsstörungen zu Mutter oder Vater (frühe Enttäuschungen, Entbehrungen),
Misslingen der Geschlechtsrollenfindung etc.
Beim zweiten Item geht es darum, wie TherapeutInnen damit umgehen, wenn eine lesbische/
lesbisch empfindende Klientin von ihrer sexuellen Orientierung berichtet (TH C2). In Beratungen
haben uns lesbische/ lesbisch empfindende Frauen immer wieder berichtet, dass sie, obwohl
sie mit einem ganz anderen Anliegen in die Therapie gegangen sind, aufgefordert wurden, über
die Gründe für ihre sexuellen Orientierung zu berichten. Heterosexuell lebende Frauen werden
bezeichnenderweise so gut wie nie danach gefragt, weshalb sie sich für eine heterosexuelle
Lebensweise entschieden haben.
5% der TherapeutInnen vertraten die Ansicht, die sexuelle Orientierung sollte in der Therapie
bei lesbisch empfindenden Klientinnen auf ihre Ursachen hin bearbeitet werden, 90%, dass sie
nicht anders thematisiert werden sollte als bei heterosexuellen Frauen und 5% vertraten eine
andere Meinung.
Die Ergebnisse bei diesem Item weisen darauf hin, dass das Bewusstsein über die Diskriminierung, die in der Aufforderung zur Bearbeitung der Ursachen speziell der lesbischen
Orientierung liegt, groß ist. Dies Ergebnis steht in deutlichem Widerspruch zu dem, was uns
Klientinnen über ihre Therapieerfahrungen berichten und bedarf weiterer Klärung.
Die freien Antworten („andere Meinung“) sind mehrheitlich Differenzierungen: die sexuelle
Orientierung solle auf ihre Ursachen hin bearbeitet werden z.B. wenn das von der Klientin
gewünscht werde, wenn die Klientin selbst Probleme mit ihrer sexuellen Orientierung habe,
wenn das zur Abklärung der Psychodynamik wichtig sei, wenn die sexuelle Orientierung mit der
Störung in Zusammenhang stehe etc. Bei diesen Antworten fragt es sich, weshalb das an
dieser Stelle von den TherapeutInnen extra angemerkt wird, so als ob dies nicht auch bei
heterosexuell lebenden Frauen in gleicher Weise angebracht wäre. Es liegt die Vermutung
nahe, dass hier doch ein, wenn auch geringer Unterschied zwischen lesbischen und heterosexuell lebenden Frauen gemacht werden soll.
In unseren Beratungen haben wir von vielen lesbischen/ lesbisch empfindenden Frauen erfahren, dass sie das Thematisieren ihrer sexuellen Orientierung von Seiten der TherapeutIn,
ohne dass sie selbst es initiiert hätten, als grenzverletzend empfunden haben. Sie hatten den
Eindruck, ihre sexuelle Orientierung werde als „Makel“, der einer besonderen Berücksichtigung
bedürfe, gesehen. Andere lesbische/ lesbisch empfindende Frauen waren froh, wenn die
30
TherapeutIn das tabuisierte Thema in einer akzeptierenden Haltung angesprochen hat,
entweder wenn die Klientin aufgrund eigener Schamgefühle ihrem Empfinden gegenüber es
selbst nicht ansprechen mochte oder wenn sie realisierte, dass die TherapeutIn um die
Schwierigkeiten, als lesbische Frau mit der gesellschaftlichen Diskriminierung zu leben, wusste
und sich als kompetente Gesprächspartnerin in dieser Frage erwies.
Von daher haben wir die Meinung danach erfragt, ob und wenn ja, unter welchen Umständen
TherapeutInnen das Thema von sich aus ansprechen sollten.
C3 Die sexuelle Orientierung sollte bei lesbisch empfindenden Klientinnen / Patientinnen, die
selbst nicht weiter auf dieses Thema eingehen, von Seiten des/der Therapeuten/in
Antwortmöglichkeit
Anzahl der Zustimmungen
Prozent
a) nicht angesprochen werden
31
11%
b) grundsätzlich angesprochen werden
72
25%
c1) angesprochen werden, wenn es darum geht, 116
40%
ein Coming-out in der Therapie zu erleichtern
c2) angesprochen werden, wenn es darum geht, 129
43%
mögliche Diskriminierungserfahrungen zu erfragen
c3) angesprochen werden unter anderen Bedin- 56
20%
gungen
(277 TherapeutInnen haben diese Frage beantwortet; Mehrfachnennungen waren unter c)
möglich)
Die Ergebnisse (TH C3) zeigen, dass 11% der TherapeutInnen meinen, dass das Thema der
sexuellen Orientierung nicht von der/dem Therapeutin/en angesprochen werden sollte, 25%,
dass es grundsätzlich und 64% dass es unter bestimmten Bedingungen (u.a. Erleichterung des
Coming-out, Erfragen von Diskriminierungserfahrungen) geschehen solle. Auch hier fragt es
sich, ob diese TherapeutInnen in gleicher Weise mit der sexuellen Orientierung heterosexueller
Klientinnen verfahren. Bei den freien Antworten wird in der Mehrzahl eine hilfreiche Absicht
hinter dem Ansprechen deutlich.
Da erst vor einigen Jahren Homosexualität aus dem offiziellen Verzeichnis psychischer Störungen entfernt wurde, erhofften wir uns aus dem folgendem Item Aufschluss darüber, ob dies
von den TherapeutInnen nachvollzogen wurde und wieweit eine bedingungslose Bereitschaft
besteht, lesbische/ lesbisch empfindende Frauen in der eigenen Wahl ihrer sexuellen
Orientierung zu unterstützen.
85% der TherapeutInnen waren der Meinung, dass eine lesbisch empfindende Klientin / Patientin in der Therapie grundsätzlich in der Akzeptanz ihrer sexuellen Orientierung unterstützt
werden sollte (TH C4). Immerhin 4 TherapeutInnen, das sind 1,5%, vertraten tatsächlich noch
die Ansicht, dass lesbische Frauen grundsätzlich in der Entwicklung einer heterosexuellen
Orientierung unterstützt werden sollten. Sie vertreten damit weiterhin die Pathologisierung einer
31
lesbischen Orientierung, die klassische offene Diskriminierung. Und 15% der TherapeutInnen
sind nur unter besonderen Bedingungen, nicht aber grundsätzlich, bereit, lesbische/ lesbisch
empfindende Frauen in der Akzeptanz der von ihnen gewählten Lebensweise zu unterstützen.
In den freien Antworten kommt eine Vielfalt von verschiedenen Meinungen zum Ausdruck, so
dass hier keine Tendenz in irgendeine Richtung festzustellen ist.
Die Antwortalternativen der 4 Items, die eher auf eine diskriminierende Haltung lesbischen
Frauen gegenüber hinweisen (C1b, C2a, C3b (mit Einschränkungen), C4a und C4c), haben wir
einer genaueren Betrachtung, differenziert nach Geschlecht, Alter und Therapeutenstatus,
unterzogen.
Diese Items noch einmal im Überblick:
C1b: Für die Entwicklung einer lesbischen Orientierung gibt es verallgemeinerbare Ursachen.
C2a: Die sexuelle Orientierung sollte bei lesbisch empfindenden Klientinnen in der Therapie
auf ihre Ursachen hin bearbeitet werden.
C3b: Die sexuelle Orientierung sollte bei lesbisch empfindenden Klientinnen / Patientinnen, die
selbst nicht weiter auf dieses Thema eingehen, von Seiten des/der Therapeuten/in
grundsätzlich angesprochen werden.
C4a: Eine lesbisch empfindende Klientin / Patientin sollte in der Therapie unterstützt werden in
Richtung auf die Entwicklung einer heterosexuellen Orientierung.
C4c: Eine lesbisch empfindende Klientin / Patientin sollte in der Therapie unter besonderen
Bedingungen in der Akzeptanz ihrer sexuellen Orientierung unterstützt werden.
Es zeigte sich, dass die weiblichen TherapeutInnen im Vergleich zum Gesamtanteil von 66%
weiblicher Therapeutinnen auffällig häufig die Alternativen C1b (83%), C2a (85%), C4a (75%)
und C4c (78%) ankreuzten. Dies kann – zwar aufgrund der geringen Zahlen nur vorsichtig –als
Hinweis
gedeutet
werden,
dass
die
Tendenz zu
Diskriminierungen
bei
weiblichen
TherapeutInnen größer ist als bei den männlichen. Es lässt sich vermuten, dass dieses Ergebnis auf die bei weiblichen Therapeutinnen beim Thema der explizit „lesbischen“ (und nicht
„homosexuellen“) Orientierung stärker angesprochene Homophobie zurückzuführen ist.
Bei den verschiedenen Altersgruppen war entgegen unseren Erwartungen die geringste
Tendenz zur Diskriminierung in der Altersgruppe der 51-60jährigen TherapeutInnen zu finden.
Die Prozentzahl der Zustimmung bei dieser Altersgruppe zu den Antwortalternativen C1b
(18%), C2a (23%) und C4c (22%) lag deutlich unter dem Anteil dieser Altersgruppe (33%) an
der Gesamtzahl der TherapeutInnen. Demgegenüber lag speziell die Altersgruppe der 41-50Jährigen bei den Items C1b (60%) und C2a (53%) deutlich über ihrem Anteil an der
GesamttherapeutInnenzahl (41%). Erklären lässt sich dieser Befund eventuell mit der größeren
Berufserfahrung der 51-60-Jährigen. Erfahrungsgemäß entfernen ältere TherapeutInnen sich
mit zunehmendem Alter von den in den Ausbildungen angeeigneten Standpunkten zugunsten
von Einstellungen aufgrund der eigenen Berufs- und Lebenserfahrungen. Unsere Erwartung,
32
dass jüngere TherapeutInnen wegen der in den letzten Jahrzehnten gesamtgesellschaftlich
gewachsenen Toleranz lesbischen Lebensweisen gegenüber weniger zu Diskriminierungen
neigen, hat sich also nicht bestätigt und ist noch einmal ein Hinweis darauf, dass die berufliche
Ausbildung
mit
ihren
z.T.
überholten
Theorien
ausschlaggebender
ist
als
gesamtgesellschaftliche Meinungsbildungsprozesse. Ingesamt ein deutlicher Hinweis auf die
dringliche Notwendigkeit der Integration dieses Themas in die Grundausbildung von
TherapeutInnen.
Beim TherapeutInnenstatus ergaben sich keine auffälligen Tendenzen.
Es bleibt allerdings noch einmal festzuhalten: Aufgrund der insgesamt geringen Tendenz der
TherapeutInnen, die als Hinweis auf eine diskriminierende Haltung gewerteten Items anzukreuzen, lassen sich aus diesen Ergebnissen keine wissenschaftlich begründeten Schlüsse auf
unterschiedliche
Diskriminierungstendenzen
bei
den
TherapeutInnengruppen
ableiten.
Genauere Aussagen bleiben aufwendigeren wissenschaftlichen Untersuchungen überlassen.
3.5.4
Fortbildungsbedarf
Um den Fortbildungsbedarf einschätzen zu können, haben wir in unserem Fragebogen zunächst nach dem Umfang der Wissensvermittlung während der Ausbildung gefragt: Auf die
Frage, ob eine lesbische Lebensweise und lesbisches Empfinden und Verhalten von Klientinnen / Patientinnen und der Umgang damit in der Psychotherapie ein Thema in der (Grund-)
Ausbildung zum/zur Psychotherapeuten/in gewesen sei (TH D1), gaben 5% an, dass das
ausführlich, 38% in geringem Umfang und 58% nicht der Fall gewesen sei.
Aus den Zahlen wird deutlich, dass weit über die Hälfte der TherapeutInnen in ihrer Ausbildung
sich, wie zu erwarten war, mit diesem Thema nicht beschäftigt hat. Bei den übrigen ist natürlich
die Qualität der Ausbildung zu diesem Thema unklar und bedarf u.E. dringend der genaueren
Überprüfung.
Das nächste Item zielte auf einen konkreten Fortbildungsbedarf ab: Auf die Frage „Haben Sie
Bedarf an Fortbildung zum Themenkreis „Therapeutische Arbeit mit lesbischen Frauen“? (TH
D2) antworteten 14% mit ja, 56% gaben die Antwort „Ich finde das Thema wichtig / interessant,
habe aber aktuell meine Prioritäten anders gesetzt“ und 30% hatten keinen Fortbildungsbedarf.
Hieraus wird ersichtlich, dass ein Interesse am Thema zwar von vielen bekundet wird, der
Wunsch nach Fortbildung zu diesem Thema aber insgesamt gering ist. Die Gründe für eine
andere Prioritätensetzung können natürlich vielfältig sein und bedürfen ebenfalls einer weiteren
Klärung.
Des weiteren haben wir nach den Quellen gefragt, woher die TherapeutInnen im wesentlichen
ihre Informationen über lesbische/ lesbisch empfindende Frauen beziehen. Die Antworten
33
können eventuell Aufschluss darüber bringen, welche Strategien für die Verbesserung des
Wissensstandes über lesbische/ lesbisch empfindende Frauen und lesbische Lebensweisen
vielversprechend sein könnten (TH D3). Entsprechend der Häufigkeit der Nennung ergab sich
folgende Reihenfolge: aus den Berichten lesbischer Klientinnen (65%), aus der Fachliteratur
zum Thema (59%), aus persönlichen Kontakten mit lesbischen Frauen (58%), aus Berichten
von Kolleg/inn/en über lesbische Klientinnen (z.B. in der Supervision (45%), aus den Medien
(Funk, Fernsehen, Zeitschriften, Romane etc.) (42%), aus Fortbildungsveranstaltungen
(Tagungen, Vorträge, Workshops etc.) zum Thema (26%) und aus eigener Erfahrung (13%).
Für uns wird aus diesen Zahlen u.a. deutlich, dass TherapeutInnen auf fachlicher Ebene zwar
auch zu einem nicht geringen Maß durch Fortbildungsveranstaltungen (Tagungen, Vorträge,
Workshops etc.), aber - aufgrund der besseren Erreichbarkeit verständlicherweise - in viel
größerem Ausmaß durch Fachliteratur erreichbar sind. Dies möchten wir als Hinweis aufgreifen,
dass es in der Antidiskriminierungsarbeit zum Thema sinnvoll sein könnte, Literaturlisten, mit
Fachliteratur auf einem aktuellen Erkenntnisstand stärker publik zu machen. Auch hier sind
weitere Untersuchungen nötig.
Insgesamt wird aus den Fragen zum Thema „Fortbildungsbedarf“ ersichtlich, dass es gravierende Mängel in der Ausbildung von PsychotherapeutInnen bzgl. des Themas der lesbischen
Orientierung/ Lebensweise gibt. Dass das Thema doch von vielen TherapeutInnen als wichtig
und interessant angesehen wird (56%), könnte über unser eigenes Interesse hinaus auch für
Ausbildungsinstitutionen als Aufforderung aufgefasst werden , sich in ihren Curricula stärker
dieses Themas anzunehmen. Darüber hinaus besteht eine Notwendigkeit, bei den TherapeutInnen noch stärker ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es im Sinne einer Qualitätssteigerung der eigenen Arbeit sinnvoll und notwendig ist, sich zu diesem Thema fortzubilden, besonders angesichts der sich abzeichnenden Tendenz, dass in Zukunft, bei einer
stärkeren gesellschaftlicher Akzeptanz lesbischer Lebensweisen die Zahl der lesbischen/
lesbisch empfindenden Frauen weiter zunehmen wird.
3.4 Resümee der TherapeutInnen-Umfrage
Diese Untersuchung wirft letztendlich mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Das ist von uns
auch so erwartet worden. Wir haben von Anfang an eine Gegenüberstellung der Ergebnisse
dieser TherapeutInnenumfrage mit den Ergebnissen einer entsprechenden Umfrage bei
Klientinnen eingeplant.
Vorläufig lässt sich zu den o.g. Projektzielen nach Auswertung dieses ersten Fragebogens
folgendes sagen:
34
1. Bzgl. des Vorkommens lesbendiskriminierender Einstellungen bei den PsychotherapeutInnen
lässt sich zwar insgesamt eine große Akzeptanz feststellen. Aufgrund der Selbstselektion der
Stichprobe und der Tatsache, dass es sich um Meinungsäußerungen mit einer hohen sozialen
Erwünschtheit und keinesfalls um konkretes Verhalten handelt, sollten bei dieser Frage die
Ergebnisse der Klientinnenumfrage berücksichtigt werden (s.u.). Außerdem sollte bei der
Bewertung berücksichtigt werden, dass eine hochgradige Sensibilität gegenüber eigenen
Tendenzen zu Vorurteilen, Diskriminierungen, unbeabsichtigten Abwertungen und Kränkungen
KlientInnen gegenüber und deren weitest gehende Vermeidung zum Grundhandwerkszeug
einer/s Therapeutin/en gehört und deren Fehlen einen gravierenden Kompetenzmangel
darstellt. D.h. angesichts dessen, was berechtigterweise von TherapeutInnen erwartet werden
kann, ist die auf den ersten Blick positiv ausfallende Bewertung doch erheblich zu relativieren.
2. Unsere Vermutung über einen Mangel an Fortbildung zum Thema hat sich bestätigt. Erfreulicherweise ergaben sich aber auch Hinweise auf eine große Aufgeschlossenheit dem
Thema gegenüber, was sich zusätzlich auch in der hohen Rücklaufquote ausdrückte. Weitere
Überlegungen zu effektiven Antidiskriminierungsstrategien im Bildungsbereich stehen für uns
an. Von den offiziell zugelassenen Ausbildungsinstitutionen sollten dringend Qualitätsstandards
für die Arbeit mit lesbischen Frauen (und anderen diskriminierten Gruppen) entwickelt werden.
3. Durch die Verschickung des Fragebogens an alle in Schleswig-Holstein kassenzugelassenen
PsychotherapeutInnen konnte über das Einholen von Daten hinaus erreicht werden, dass mehr
als ein Drittel von ihnen sich mit dem Thema beim Ausfüllen beschäftigt hat und alle, zumindest
kurzfristig, beim Erhalt des Fragebogens mit dem Thema konfrontiert waren, ein „Nebeneffekt“
der Untersuchung, der nicht unterschätzt werden darf.
35
4.
DIE KLIENTINNENUMFRAGE
4.1
Die Ziele der Klientinnen-Umfrage
Unser konkretes Anliegen bei der Klientinnen-Befragung war es, Aufschluss zu erhalten zum
einen zu den Anliegen und Umgangsweisen der Klientinnen mit ihrer sexuellen Orientierung in
der Therapie und zum anderen zur Sicht/ dem Empfinden der Klientin bzgl. des Umgangs des
Therapeutin/en mit ihrer sexuellen Orientierung. Darüber hinaus erhofften wir, von den
betroffenen Frauen selbst auf direkte Weise Anregungen zu bekommen, wie TherapeutInnen
das Thema der sexuellen Orientierung der Klientin auf produktive, nicht diskriminierende Art in
der Therapie behandeln können.
4.2
Die Zielgruppe der Klientinnen-Umfrage
Angesichts der Vielfalt von Formen und Erscheinungsweisen lesbischen Empfindens und
Verhaltens und angesichts der Tatsache, dass zunehmend mehr Frauen die sexuelle Orientierung (z.T. mehrfach) wechseln oder gleichzeitig – in unterschiedlicher Gewichtung – lesbisch
und heterosexuell empfinden, also eine klare Abgrenzung zwischen lesbischen und
heterosexuellen Frauen in der Lebensrealität weitgehend als überholt erscheint, haben wir die
Definition von „lesbischen/ lesbisch empfindenden Frauen“ bewusst weit gewählt. Der von uns
entwickelte Fragebogen richtete sich dementsprechend an „Frauen, die sich erotisch/ sexuell zu
Frauen hingezogen fühlen, unabhängig davon, ob sie tatsächlich sexuelle Kontakte oder
Liebesbeziehungen zu Frauen haben/ hatten oder (noch) nicht, und auch unabhängig davon, ob
sie sich selbst ausdrücklich als „lesbisch“ definieren. D.h. er richtete sich sowohl an Frauen mit
ausschließlichem oder überwiegendem, als auch an Frauen mit gelegentlichem oder
einmaligem erotisch/ sexuellem Empfinden und/ oder Verhalten Frauen gegenüber. Dieser
Fragebogen wendete sich also an „lesbische“ und „bisexuelle“ Frauen und auch an
„heterosexuell“
lebende
Frauen,
die
sich
nach
erotisch/
sexuellen
Kontakten/
Lie-
besbeziehungen zu Frauen sehnen“ (Einleitungstext des Fragebogens).
4.3
Die Umfrage-Methode
Bei der Wahl eines Erhebungsinstrumentes haben wie uns bei der Klientinnenumfrage für einen
relativ umfangreichen Fragebogen entschieden, der durch Ankreuzen von vorgegebenen
Antwortmöglichkeiten, aber auch durch freie Antworten ausgefüllt werden sollte. Das
Durchführen qualitativer Interviews haben wir zum einen aus Gründen unserer knappen zeitlichen und finanziellen Ressourcen und der Schwierigkeiten bzgl. der Verallgemeinerbarkeit
der Ergebnisse verworfen, Zum anderen hatten wir bereits im Vorfeld dieser Umfrage auf
36
verschiedenen anderen Wegen versucht, Diskriminierungserfahrungen lesbischer/ lesbisch
empfindender Frauen über das, was wir in unserer Beratungsarbeit hören, hinaus in Erfahrung
zu bringen. Dabei hatte sich herausgestellt, dass die Resonanz auf Aufrufe zu qualitativen
Interviews für betroffene Frauen speziell zu diesem Thema recht gering war. Unserer
Einschätzung nach sind dafür verschiedene Faktoren verantwortlich:
Zum einen ist die Bewusstheit darüber, was eine – u.U. sehr subtile Diskriminierung der lesbischen Lebensweise/ Orientierung darstellt, nur bei einem Teil der Betroffenen soweit ausgeprägt, dass sie diese Erfahrungen in Worte fassen und kommunizieren könnten. Zum anderen ist generell die Bereitschaft gering, über einen so intimen Bereich wie die eigene Psychotherapie offen zu sprechen und das eventuell problematische Verhalten der/des Therapeutin/en, zu dem/ der ja in der Regel eine starke emotionale Beziehung besteht/ bestand,
öffentlich zu machen, auch wenn dies anonym geschieht.
4.4
Verteilung und Rücklauf des Klientinnen-Fragebogens
Die Zielgruppe der lesbischen/ lesbisch empfindenden Frauen mit Therapieerfahrungen ist
anders als die Zielgruppe der TherapeutInnen sehr viel schwieriger zu erreichen und unterliegt
in viel höherem Maße der Selbstselektion. Wir haben versucht derzeitige und ehemalige
Therapieklientinnen durch die Auslage und Weitergabe der Fragebögen in den SchleswigHolsteinischen Frauenfachberatungsstellen, Frauengleichstellungsstellen und anderen psychosozialen Institutionen, bei einer Tagung
zum Thema „Lesbisches Leben in Schleswig-
Holstein“ und durch Veröffentlichung im Internet und Anzeigen in Lesben-Zeitschriften zu
erreichen. Von der theoretischen Möglichkeit, die PsychotherapeutInnen zu bitten, die Fragebögen an ihre Klientinnen weiterzugeben oder in ihrer Praxis auszulegen, haben wir Abstand
genommen, da es aus therapeutischer Sicht in der Regel nicht sinnvoll ist, die Klientin und die
therapeutische Beziehung mit einem solchen Anliegen zu belasten, und wir von daher an dieser
Stelle nicht mit einer Kooperation der TherapeutInnen rechnen konnten.
Aufgrund der Verbreitung im Internet beschränkt sich die erreichte Teilnehmerinnengruppe nicht
auf Frauen aus Schleswig-Holstein.
Wir erhielten 111 auswertbare Fragebögen zurück, eine Anzahl, die wir angesichts des Themas
und der Schwierigkeiten, die Zielgruppe zu erreichen, als relative groß einschätzen.
4.5
Auswertung des Klientinnen-Fragebogens
Aufgrund unserer knappen Ressourcen haben wir auch diesen Fragebogen nur in den für uns
zentralen Aspekten ausgewertet. Differenziertere Auswertungen in Einzelfragen sind darüber
hinaus möglich.
Die ausführlichen Auswertungen in Tabellenform sind im Anhang (Anhang KL) aufgeführt.
37
4.5.1
Statistische Angaben zu den Klientinnen, den aufgesuchten TherapeutInnen und
den Therapien
Um ein genaueres Bild über die erreichte Zielgruppe und damit eine Einschätzung der Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse zu erhalten haben wir einige statistische Daten erhoben.
Bei der Auswertung ergaben sich deutliche Hinweise darauf, dass es sich bei der mit unserem
Fragebogen erreichten Zielgruppe um eine in starkem Maße selbst-selektierte Stichprobe von
lesbischen/ lesbisch empfindenden Frauen handelt:
Die große Mehrheit der befragten Frauen waren zum Befragungszeitpunkt zwischen 31 und 50
Jahre alt (KL A1) und wählten sich bzgl. der Berufsgruppe der/des Therapeutin/en (KL B2) zu
17% ärztliche PsychotherapeutInnen, zu 62% Dipl.-PsychologInnen und zu 16% Angehörige
anderer Berufsgruppen, d.h. also ganz überwiegend (78%) nicht-ärztliche TherapeutInnen.
Bzgl. des Geschlechts wählten sie zu 92% eine weibliche und nur zu 5% einen männlichen
Therapeuten (KL B1). Hier zeigt sich, dass es sich bei den befragten Klientinnen um eine
andere Stichprobe handelt als bei den Klientinnen der TherapeutInnen-Umfrage: Dort war es
so, dass die Zahl der lesbisch empfindenden Klientinnen bei weiblichen und männlichen
einerseits und bei ärztlichen und psychologischen TherapeutInnen andererseits sich annähernd
gleich verteilte. D.h. in der TherapeutInnen-Umfrage gab es keine Hinweise auf die gezielte
Auswahl bestimmter TherapeutInnengruppen.
Darüber hinaus ist die Anzahl der Selbstzahlerinnen (KL C4) mit 26% relativ hoch und weist
darauf hin, dass die betreffenden Frauen bereit waren, für die freie Wahl der/s Therapeutin/en
große Unkosten auf sich zu nehmen..
Die beschriebenen Therapien waren zwar zum Großteil ambulante Einzeltherapien (KL C3) in
psychotherapeutischen Praxen (Kl C2), wurden aber nur zu 38% in Schleswig-Holstein
durchgeführt (KL C1), so dass eine direkte Gegenüberstellung zu den Ergebnissen unsere
Umfrage bei in Schleswig-Holstein zugelassenen PsychotherapeutInnen auch unter diesem
Aspekt nicht durchführbar ist.
Insgesamt bedeutet das für die Interpretation und Verallgemeinerung der Ergebnisse der
Klientinnen-Umfrage, dass die Ergebnisse sich wohl nur auf die Gruppe derjenigen lesbischen/
lesbisch empfindenden Frauen beziehen, die in irgendeiner Weise Berührung haben mit
Frauenfachberatungsstellen, Gleichstellungsstellen und lesbenspezifischen Veranstaltungen.
Des weiteren zeigte sich, dass die Ergebnisse dieser Umfrage sich hauptsächlich auf Psychotherapien beziehen, die im Zeitraum 1990 bis heute begonnen wurden (KL A2). Vergleiche
von Therapien in den 90er Jahren mit Therapien in den 70er und 80er Jahren sind daher
ebenfalls aufgrund der zu geringen Datenbasis nicht sinnvoll möglich.
38
4.5.2
Anliegen und Umgangsweisen der Klientinnen mit ihrer sexuellen Orientierung in
der Therapie
In diesem Fragenblock haben wir zunächst danach gefragt, was für die Klientinnen der Anlass
zur Aufnahme einer Psychotherapie (KL D1) war. Bei 80% waren das psychische Probleme/
Symptome ohne direkten Bezug zum lesbischen Empfinden oder der sexuellen Orientierung,
bei 28% waren es Probleme in der lesbischen Partnerschaft. Nur 5% der Frauen nannten
Diskriminierungserfahrungen aufgrund der sexuellen Orientierung und auch andere von uns
vorgegebene Antwortalternativen (Wunsch nach/ Probleme mit dem Coming-out als lesbische
Frau, Probleme mit der lesbischen Lebensweise oder aufgrund des lesbischen Empfindens,
Probleme in der heterosexuellen Partnerschaft wegen des lesbischen Empfindens/ Verhaltens)
wurden kaum genannt.
Die Zahlen bei diesem Item decken sich weitgehend mit den Angaben der TherapeutInnen zum
Therapieanlass und dokumentieren somit noch einmal, dass nicht das Lesbisch-Sein und auch
nicht die gesellschaftlichen Probleme damit die Hauptgründe für sie Suche nach
psychotherapeutischer Unterstützung sind, sondern allgemeine psychische und Partnerschaftsprobleme, wie bei heterosexuellen/ heterosexuell empfindenden Frauen auch.
Bei den Ergebnissen zu den Fragen nach dem Coming-out in der therapeutischen Situation
ergaben sich folgendes Bild:
Nur 3% der befragten Frauen haben ihr lesbisches Empfinden/ Ihre sexuelle Orientierung in der
Therapie bewusst verschwiegen (KL D2.1). Das könnte vordergründig darauf hinweisen, dass
das Coming-out heute doch wesentlich einfacher geworden ist. Wir vermuten allerdings eher,
dass bei der erreichten Zielgruppe, den lesbischen Frauen im Umfeld von Fraueninstitutionen/
der Frauenbewegung, von einer gestärkten Bereitschaft zum Coming-out ausgegangen werden
kann, so dass die Übertragbarkeit dieses Ergebnisses auf nicht-frauenbewegte Frauen nicht
gesichert erscheint.
Als Gründe für das Verschweigen wurde Peinlichkeit, das Vermeiden des Themas „Sexualität“
überhaupt und Angst vor Ablehnung, Unverständnis, Nicht-Ernst-Genommen-Werden und dem
Abtun des Lesbisch-Seins als bloße „Phase“ genannt.
Bei der Frage nach der Therapiephase, in der zum ersten Mal das lesbische Empfinden angesprochen wurde (KL D3), ergaben sich in dieser Umfrage deutliche Unterschiede zu den
Angaben der TherapeutInnen: Im Vergleich zu den TherapeutInnen-Angaben (TH B3) (im
Erstgespräch: 46%, in den ersten 10 Sitzungen: 36%, später: 18%) zeigt sich eine größere
Offenheit bei den Frauen der Klientinnen-Umfrage (im Erstgespräch: 73%, in den ersten 10
Sitzungen: 13 später: 14%). Doch auch hier ist der Prozentsatz der Frauen, die sich erst in
einer späten Therapiephase offenbart haben, erstaunlich groß und dokumentiert noch einmal
das große Misstrauen vieler lesbisch empfindender Frauen den TherapeutInnen gegenüber.
Noch deutlicher wird diese Tendenz, wenn man die Antworten auf diese Frage differenziert
danach auswertet, ob die Frauen sich vor Aufnahme der Therapie über die Haltung der The-
39
rapeutIn lesbischen Lebensweisen gegenüber (bei Freundinnen/ Bekannten, in einer Beratungsstelle oder bei der/dem Therapeutin/en selbst) informiert hatten oder nicht (KL F1.1).
Die vorinformierten Frauen haben erwartungsgemäß deutlich früher ihre lesbische Orientierung
offengelegt (im Erstgespräch: 91 %, in den ersten 10 Sitzungen: 5%, später: 4%) als die nicht
vorinformierten Frauen (im Erstgespräch: 54 %, in den ersten 10 Sitzungen: 21%, später: 25%).
Bei den nicht vorinformierten Frauen
fallen die Zahlen z.T. noch negativer aus als in der
TherapeutInnen-Umfrage und belegen damit, in welch hohem Maß die Offenheit lesbischer/
lesbisch empfindender Frauen - und damit vermutlich auch die Wahrscheinlichkeit eines
Therapieerfolgs - von den Vermutungen über die Einstellung der/s TherapeutIn zur
Gleichgeschlechtlichkeit abhängen.
In einer weiteren Frage haben wir danach gefragt, ob die Klientinnen in der Therapie offen über
ihr lesbisches Empfinden/ ihre sexuelle Orientierung sprechen konnten (KL D4). Auch hier
haben wir die Antworten differenziert nach vorinformierten und nicht vorinformierten Frauen
ausgewertet:
Die Zahl der Frauen, die vorbehaltlos mit ja antworten konnten, ist mit 79% relativ gering, mit
65% bei den nicht vorinformierten Frauen ausgesprochen gering. In einer Psychotherapie, in
der es ja gerade darum geht, sich in den intimsten Aspekten des Lebens preiszugeben, konnte
also ein Drittel der Frauen der zweiten Gruppe nicht vorbehaltlos über einen so zentralen
Aspekt des eigenen Lebens sprechen. Es fragt sich, ob eine solche Therapie wirklich effektiv
sein kann.
Diese Frage stellt sich umso mehr, als – wie die nächste Frage zeigt – das lesbische Empfinden
bzw. die sexuelle Orientierung für 51% der Klientinnen ein bedeutsames Thema in der Therapie
war (KL D5), auch wenn der Therapieanlass nicht damit in Zusammenhang stand. Dies hängt
vermutlich damit zusammen, dass die sexuelle Orientierung ein sehr zentraler Aspekt der
Persönlichkeit ist und von daher viele Lebens- und Problembereiche mit berührt, die dann auch
in der Therapie bearbeitet werden.
Gleichzeitig ging es aber erwartungsgemäß nur einer Minderheit der Frauen, - nämlich 9%
eindeutig und 20% zum Teil - darum, sich in der Therapie mit der Frage zu beschäftigen, warum
sie lesbisch geworden sind, bzw. lesbisch empfinden (KL D6). Die Gründe, warum Klientinnen
sich mit dieser Frage beschäftigen wollten, bleibt hier unklar. Es kann sowohl mit der eigenen
internalisierten Homophobie in Zusammenhang stehen, aber auch Ausdruck von Neugier auf
die unbewussten Prozesse sein, die zu bedeutsamen Weichenstellungen in der eigenen
Biographie führten.
Bei der Frage nach einem etwaigen Wunsch, die sexuelle Orientierung in Richtung auf ein
heterosexuelles Empfinden/ eine heterosexuelle Orientierung zu ändern (KL D7), war das
40
Ergebnis eindeutig: Nur zwei Frauen (2%) hatten einen solchen Wunsch an die Therapie. Beide
hatten die Therapie im Zeitraum 1995-1999 begonnen.
4.5.3
Die Sicht/ das Empfinden der Klientin bzgl. des Umgangs des Therapeutin/en mit
ihrer sexuellen Orientierung
Bei diesen Fragen ging es uns darum, zu erforschen, wie die TherapeutInnen sich bzgl. des
Themas tatsächlich verhalten haben (Frage E1) und wie die Therapieklientinnen das Verhalten
der/s TherapeutIn erlebt und bewertet haben.
Wir haben zunächst danach gefragt, ob die/der Therapeut/in von sich aus, ohne dass die
Klientin selbst ihr lesbisches Empfinden/ ihre sexuelle Orientierung erwähnt hätte, darauf zu
sprechen gekommen ist (KL E1.1).
Bei 22% der TherapeutInnen war das der Fall.
Unklar bleiben die Hintergründe für das Ansprechverhalten der TherapeutInnen. Wenn die
lesbische Orientierung von der/dem TherapeutIn angesprochen wurde, fand das die Mehrzahl
der Klientinnen (73%) gut, während das Nicht-Ansprechen zu keiner eindeutig positiven oder
negativen Bewertung führte.
Bei der Frage nach dem Ansprechen einer von der Klientin selbst nicht geäußerten lesbischen
Orientierung durch den/die TherapeutIn, wäre es vermutlich in Zukunft sinnvoll, genauer zu
differenzieren: das Ansprechen durch die/den TherapeutIn hat im Prä-Coming-out, d.h. in der
Phase der Verunsicherung und des Sich-und/oder-anderen-noch-nicht-eingestehen Könnens
wohl eine ganz andere, vermutlich entlastende Wirkung als in der Phase des selbstbewussten
Umgangs damit.
Von den 61 Klientinnen, die selbst Probleme mit ihrem lesbischen Empfinden/ ihrer sexuellen
Orientierung hatten, haben sich nur 51% insgesamt, von den nicht vorinformierten sogar nur
36% und auch von den vorinformierten Frauen nur 63% voll und ganz mit diesen Problemen
vom Therapeuten/ von der Therapeutin verstanden gefühlt (KL E2).
Dies weist auf eine große Uninformiertheit der TherapeutInnen und eine fehlende Einfühlung in
das Empfinden und die Lebensrealität der lesbischen/ lesbisch empfindenden Frauen hin. Aber
auch eine oberflächlich tolerante Haltung, die eine die Schwierigkeiten aufgrund von
Diskriminierungen leugnet, kommt als Erklärung für diesen Befund in Frage.
Bei den nächsten Fragen ging es darum, Hinweise auf dass Ausmaß von pathologisierenden
und abwertenden Tendenzen bei den TherapeutInnen zu bekommen.
Auf die Frage (KL E3), „Hatten Sie den Eindruck, dass der/ die Therapeut/in es wichtig findet,
dass Sie sich in der Therapie mit der Frage beschäftigen, warum Sie lesbisch empfinden bzw.
41
lesbisch geworden sind?“ fühlten sich 14% der Frauen zur Beschäftigung mit dem Entstehen
ihres Lesbisch-seins gedrängt.
Bei der Frage (KL E5), ob die Klientinnen den Eindruck hatten, dass die/der Therapeut/in offen
oder verdeckt darauf hingewirkt hat, dass sie ihr lesbisches Empfinden/ Ihre sexuelle
Orientierung ändern in Richtung auf ein heterosexuelles Empfinden/ eine heterosexuelle
Orientierung, ergab sich ein ähnliches Bild: Auf 5% der Fragebögen (vorinformierte Frauen: 4%,
nicht vorinformierte Frauen: 6%) ist diese Frage mit „ja“ beantwortet, auf 11% mit „zum Teil“
(vorinformierte Frauen: 4%, nicht vorinformierte Frauen: 19%).
Und bei der Frage (KL E4) „Hatten Sie den Eindruck, dass der/ die Therapeut/in Ihr lesbisches
Empfinden/ Ihre sexuelle Orientierung akzeptiert, bzw. Sie in dessen/ deren Akzeptanz
unterstützt hat?“ fühlten sich insgesamt 8% nicht akzeptiert (vorinformierte Frauen: 4%, nicht
vorinformierte Frauen: 13%) und 16% nur zum Teil unterstützt (vorinformierte Frauen: 16%,
nicht vorinformierte Frauen: 22%).
Die Antworten auf die letzten drei Fragen machen deutlich, dass zwar eine deutliche Mehrheit
der Frauen unserer Stichprobe sich in ihrer Lebensweise nicht pathologisiert, sondern
akzeptiert fühlte, dass aber die Zahl der sich pathologisiert und nicht akzeptiert fühlenden
Frauen nach wie vor erschreckend hoch ist.
Die Wahrnehmung der Klientinnen bzgl. der Haltung und dem Verhalten der TherapeutInnen
sind im Vergleich mit den Selbstaussagen in der TherapeutInnen-Umfrage (TH C2, TH C4)
deutlich negativer, besonders bei den nicht vorinformierten Klientinnen.
Hier stellt sich die Frage, ob bzw. inwieweit das Verhalten der TherapeutInnen in einem so
bedeutsamen Ausmaß von ihren Einstellungen abweicht oder ob bzw. inwieweit die Klientinnen
in ihrem Wissen um die in der Geschichte der Psychotherapie vertretenen Positionen starke
Befürchtungen entwickelt haben, die die Wahrnehmung der/s Therapeutin/en heute mit
beeinflussen.
Bei den 16% der Frauen, die eine Psychotherapie abgebrochen haben, stand der Abbruch zu
28% eindeutig und bei zusätzlich 11% zum Teil in Zusammenhang mit der Haltung der/des
Therapeutin/en zum lesbischen Empfinden/ der lesbischen Orientierung (KL E6.1, KL E6.2), ein
Ergebnis, dass deutlich macht, dass eine nicht-akzeptierende Haltung der TherapeutInnen auch
zusätzliche Kosten im Gesundheitswesen nach sich ziehen kann.
Bei 30% der Therapien kamen Bemerkungen oder Verhaltensweisen von Seiten der/des
Therapeutin/en vor, durch die die Klientin sich als lesbisch empfindende/ lesbisch lebende Frau
auf grobe oder subtile Weise diskriminiert oder verletzt fühlte. Auch bei den vorinformierten
Frauen war das noch zu 25% der Fall.
42
Für solche Diskriminierungen und Verletzungen gaben die Klientinnen zahlreiche Beispiele
(zum Teil stichwortartig). Hier eine Auswahl:
•
„Als ich erwähnt habe, wie schwierig es für mich ist, offen mit meiner Beziehung zu einer Frau umzugehen, aus Angst und aus der Erfahrung von Ablehnung, Unsicherheit
meines Gegenübers, kam zunächst die Reaktion „das muss ja auch nicht jeder wissen“.
•
„Therapeut sagte, ich lebe in einem „Frauenreservat.“
•
„Sie hat mich gewarnt, dass ich lesbisch werden könnte“
•
„Als ich erzählte, das wir einen Tanzkurs machen, fragte sie, wer denn bei uns führen
würde. Ich hatte das Gefühl (wie schon oft bei anderen erlebt), das sei die Frage: wer
ist bei euch der Mann? Als ich ihr das sagte, wirkte sie betroffen.“
•
„Musste Rechenschaft ablegen, ob bei Freizeitaktivitäten auch Männer dabei sind,
sollte mehr mit Männern unternehmen“
•
„Frage, ob ich als Kind / Jugendliche auch „normale“ Mädchenfreundschaften ohne sexuelle Wünsche hatte.“
•
„Ich sollte am Anfang einen Fragebogen schriftlich beantworten. In diesem Fragebogen
tauchten Fragen zu „Partnerschaften“ auf, die eindeutig heterosexuelle Antworten
erwarteten. Lesbische Liebe war nicht mitgedacht gewesen.“
•
„Interesse / Nachfrage bei Erwähnung von Männern“
•
„Als ich über meinen Kinderwunsch sprach, hielt mir meine Therapeutin einen Vortrag,
dass Kinder Väter brauchen, Diskriminierung erfahren würden, wenn sie mit zwei
lesbischen Müttern aufwachsen würden“
•
„Der Ausspruch der Therapeutin, dass sie den Eindruck hat, „lesbische Beziehungen
neigen zu neurotischen Auswüchsen“, Sie suchen eben ständig nach der Mutter.“
4.5.4
Verhalten und Erfahrungen der lesbischen/ lesbisch empfindenden Frauen auf
der Suche nach einem Therapieplatz
In einem weiteren Fragenblock interessierten wir uns für das Vorgehen der Frauen bei der
Suche nach einem Therapieplatz. Die Hälfte hatte sich vorinformiert über die Haltung der/des
jeweiligen Therapeutin/en zum Lesbisch-sein (KL F1.1, KL F1.2), und zwar zu 51% bei
Freundinnen oder Bekannten, zu 27% in einer Beratungsstelle und zu 42% bei der/dem Therapeutin/en selbst (Mehrfachnennungen waren möglich).
Die Tatsache, dass die Hälfte der Frauen sich vorher über die Haltung der/des Therapeutin/en
informiert hat weist auf die große Bedeutung dieser Frage für die betroffenen Frauen und das
Ausmaß ihrer Befürchtungen hin. Das heißt, dass die lesbischen/ lesbisch empfindenden
Frauen, die wir mit unserem Fragebogen erreicht haben, zur Hälfte nicht darauf vertraut haben,
dass TherapeutInnen selbstverständlich eine akzeptierende Haltung lesbischen Lebensweisen
gegenüber haben.
43
41% der Frauen auf Therapiesuche haben bei mehreren TherapeutInnen Probesitzungen in
Anspruch genommen, bei durchschnittlich 2,3 TherapeutInnen (KL F2.1, F 2.2).
Bei denen, die mehrere TherapeutInnen ausprobierten, war bei 32% der Umgang mit dem
Thema des lesbischen Empfindens/ der sexuellen Orientierung ausschlaggebend für die NichtAufnahme der Therapie (KL F2.3)
Gefragt nach ihren Erfahrungen in diesen Probesitzungen (KL F3) berichteten die Frauen
einerseits von positiven Erlebnissen, vor allem mit selbst lesbischen. TherapeutInnen, aber
auch von Diskriminierungserfahrungen: Mehrere berichteten, dass sie gefragt worden seien,
warum sie lesbisch geworden seien oder ob sie Probleme mit Männern hätten. Sie berichteten
von offenkundiger Uninformiertheit über das Thema, Erstaunen oder Unsicherheit auf Seiten
der/des Therapeutin/en, Versuche der/des Therapeutin/en der Klientin die Entstehung ihres
Lesbisch-seins zu erklären, bis hin zu offenen Abwertungen (z.B. „Hatten Sie schon mal
richtigen Sex?“, abfälligen Äußerungen über „Radikallesben, die ja selber schuld an ihrer
Diskriminierung seien“) und Unverschämtheiten (Thema Kinderwunsch; „Wissen Sie, dass bei
rein weiblichen Sexualkontakten keine Kinder entstehen können?“)
4.5.4
Wünsche und Anregungen der Klientinnen an bzw. für TherapeutInnen
In unserem Fragebogen haben wir die Klientinnen gebeten, in eigener Formulierung ihre
größten Wünsche an, bzw. Anregungen für Psychotherapeut/in/en, die mit lesbischen/ lesbisch
empfindenden Klientinnen arbeiten, aufzuschreiben.
Bei den Wünschen und Anregungen der lesbischen Frauen - 94 Frauen haben zu diesem Punkt
ihre Meinung geäußert - wurden in zahlreichen und vielfältigen Variationen bestimmte
Themenbereiche angesprochen. Der am häufigsten auch an dieser Stelle geäußerte Wunsch
war, keine Pathologisierung ihrer lesbischen Orientierung zu erfahren. Stattdessen erwarten sie
Offenheit und Akzeptanz auf Seiten der/s TherapeutIn. Sie wünschen sich z.B. „vollständige
Akzeptanz der Lebensweise als eine gleichwertige Form von Lebensgestaltung“, „absolute
Akzeptanz der lesbischen Lebensweise, indem sie nicht in Frage gestellt wird, sondern die
Klientin eher unterstützt wird, offen damit leben zu können“, „eine bestärkende Haltung (positiv
und aktiv), nicht nur Akzeptanz“.
Sie erwarten von den TherapeutInnen, „dass sie offen sind für eine Vielfalt von Lebens- und
Liebensweisen“, dass sie sich „neugierig, nicht voyeuristisch für die Lebensform und die
Geschichte dazu interessieren“ und dass sie „das Lesbischsein so behandeln wie die
Heterosexualität“. Sie möchten „normal“ behandelt werden, keine „positive Diskriminierung“,
„keine Scheintoleranz“, „keine Überbewertung“. „Warum sollte das Lesbischsein irgendeinen
Sonderstatus haben?“ „Wenn das Lesbischsein für die Klientin kein Problem ist, dann soll die
Therapeutin/der Th. das Lesbisch-sein nicht zum Problem machen“.
44
Ein weiteres häufig genanntes Anliegen der Klientinnen an die TherapeutInnen ist, dass diese
sich besser über lesbische Lebensweisen fortbilden und informieren mögen, z.B. über aktuelle
Themen und Diskussionen zum Thema, über lesbische Beziehungsdynamiken, über den
Themenbereich Vorurteile, Stigmatisierung und Umgang mit Minderheiten. Die TherapeutInnen
sollten „sich endlich mal in die Thematik einarbeiten, d.h. fortbilden, und nicht einfach
heterosexuelle Standards auf Lesben und deren Beziehungen anwenden“ und über ein
„gewisses Basiswissen über die Szene“ verfügen. Die/der Therapeut/in „sollte lesbische
Freundinnen haben“, „am besten ist, sie sind selbst lesbisch“. Es wird den TherapeutInnen
empfohlen, „Supervision mit einem Schwerpunkt lesbisch-sein“ in Anspruch nehmen. Sie sollten
aufpassen, „dass sie sich nicht übernehmen, wenn sie Heteras sind, in dem, was sie glauben:
dass es genauso wäre, wie ihre eigenen Erfahrungen“. Und: „Das Thema Bisexualität sollte
mehr ins Bewusstsein rücken.“
Ebenfalls ausgesprochen häufig wird eine Auseinandersetzung der/s Therapeutin/en mit den
eigenen homoerotischen Anteilen und der eigenen Homophobie gewünscht „egal ob lesbisch
oder hetero“. Die TherapeutInnen sollten „mit sich selbst und ihrer Sexualität im Klaren sein“,
„sich klar sein darüber, warum sie nicht lesbisch sind“, der Klientin gegenüber „Unsicherheit und
Erfahrung (auch fehlende) transparent machen“. Die Klientinnen wünschen sich, dass sie in der
Auseinandersetzung mit ihrer verinnerlichten Homophobie durch die/den Therapeutin/en
gefördert werden: „dass der lesbischen Klientin auch eine Arbeit an den eigenen homophoben
Anteilen möglich ist (setzt Auseinandersetzung der TherapeutIn mit sich voraus).“ Neben dem
Reflektieren der eigenen Homophobie auf Seiten der/des Therapeutin/en wird auch ein
Reflektieren einer „Heterophobie“ gewünscht.
Es gehört für die Klientinnen zur fachlichen Kompetenz der TherapeutInnen, dass diese sich
selbstkritisch mit ihren eigenen Grenzen auseinandersetzen und diese auch offen eingestehen:
•
„Von einer Therapeutin, die mit lesbischen Fragen nicht umgehen kann, wünsche ich
mir, dass sie das der Klientin gegenüber sagt.“
•
„Offenheit und Ehrlichkeit, auch was –bei aller therapeutischen Distanz - die eigenen
Grenzen betrifft“
•
„Bei heterosexuellen Therapeutinnen: sich selbst hinterfragen bezügl. unbewusster Diskriminierung“.
Es wurde auch mehrfach gewünscht, die TherapeutIn solle ihre eigene sexuelle Orientierung
offen legen. Sie solle „ihren eigenen Standpunkt diesbezüglich geklärt haben und transparent
machen gegenüber Klientinnen gleich zu Anfang!“, „Ich bin mir relativ sicher, dass meine
Therapeutin lesbisch ist und würde es gut finden, wenn die Klientin sich geoutet hat, dass es
die Therapeutin genauso hält. Es müsste auch nicht sofort sein, aber doch innerhalb der
Therapie.“
45
In der therapeutischen Arbeit möchten die lesbischen/ lesbisch empfindenden Frauen nicht auf
ihre sexuelle Orientierung reduziert werden:
„Nicht nur über das Thema Homosexualität reden; der/die Klient/in hat durchaus auch andere
Probleme über die gesprochen werden sollen und nichts mit der sexuellen Orientierung zu tun
haben; nicht alles im Zusammenhang oder im Spiegel der Homosexualität betrachten.“
Weitere Anregungen für die konkrete therapeutische Arbeit waren u.a.:
•
„Sie begleiten und unterstützen, ein selbstbestimmtes Leben mit erfüllter Sexualität und
Beziehung zu führen.“
•
„Ich wünsche mir, dass sich PsychotherapeutInnen intensiv mit dem Balanceakt
auseinandersetzen:
Einerseits
Lesbisch-sein
zu
akzeptieren,
aber
dennoch
Verhaltensweisen und Beziehungsprobleme ihrer lesbischen/lesbisch empfindenden
Klientinnen zu hinterfragen bzw. therapeutisch zu bearbeiten.“
•
„Die
Voraussetzungen
und
Bedingungen
der
homosexuellen
Orientierung
herausarbeiten, ohne das Ziel im Hinterkopf zu haben, „das Ruder umzulegen.“
•
„Die Therapeutin sollte ein besonderes Augenmerk auf Coming-out-Fragen haben und
dies auch selbst thematisieren.“
•
„...dass sie mitdenken, dass die Klientin lesbisch sein könnte oder lesbische
Empfindungen hat“
•
„Anlaufstellen o.ä. gesagt bekommen für Coming-out-Gruppen“.
•
In
Gruppentherapien:
„Wenn Diskriminierung unter den Patienten vorkommt,
einzuschreiten und es zum Thema in der Gruppe machen. Ich wünsche mir einen
Schutzraum, wenn ich schon „draußen“ Diskriminierung ertragen muss, dann nicht auch
noch da.“
•
Bei lesbischen Therapeutinnen: „Nicht nur als „wir“ denken, sondern auch Unterschiede
zwischen Lesben zulassen.“
•
„Ich finde es wichtig, dass auch in psychiatrischen Kliniken in S.H., was lesbische
Frauen betrifft, auch diesbezüglich Therapeutinnen zur Verfügung stehen, die in der
Lage sind, entsprechend mit lesbischen Frauen Therapien durchzuführen.“
•
„Endlich den bescheuerten Satz: „Haben Sie Probleme mit dem anderen Geschlecht?“
aus den Fragebögen streichen!“
4.5.5
Weitere Therapieerfahrungen
In unserem Fragebogen haben wir zusätzlich zu unseren Fragen Raum gelassen für jede Art
weiterer Erfahrungsberichte zum Thema. Auffallend ist bei diesen Berichten, dass von den
insgesamt 66 Frauen, die sich an dieser Stelle noch einmal äußerten, 30, also fast die Hälfte,
auf die sexuelle Orientierung der/des Therapeutin/en (bis auf eine Ausnahme weiblich) Bezug
nahmen. Von diesen Therapeutinnen wurden 19 als lesbisch oder bisexuell benannt.
46
Die Erfahrungsberichte waren zu einem großen Teil positiv. Neben einigen kritischen fanden
sich zu einem großen Teil positive Erfahrungsberichte, viele davon ausdrücklich über
heterosexuelle Therapeutinnen. Hier einige Beispiele:
•
„Therapeutin war heterosexuell. Sehr wertschätzend mir als Lesbe gegenüber, sehr
normaler
Umgang
damit.
Arbeitete
mit
einer
lesbischen
Kollegin
in
Gemeinschaftspraxis, kannte selber viele Lesben. Das war sehr wichtig für mich
damals, um mich selber „normal“ zu finden.“
•
„...sagte sie, dass sie selbst lesbisch sei und das nur Klientinnen gegenüber erwähnte,
für die das selbst ein Thema sei. Für mich war damit das Eis gebrochen.“
•
„Mein Therapeut macht keinen Unterschied zwischen Homo und Hetero, wir haben zu
Anfang auch darüber gesprochen und ich finde seinen Umgang damit sehr gut.
•
„Sie ist offen und aufmerksam, aber natürlich kann sie vieles nicht so ganz nachfühlen
(ist nicht tragisch für mich). Sie ist heterosexuell.“
•
„Mir war es wichtig, eine lesbisch lebende Therapeutin zu finden, da ich keine Lust
hatte, mein Lesbischsein seitens der Therapeutin künstlich problematisiert zu
bekommen und dadurch von dem abgelenkt zu werden, worum es mir in der Therapie
ging. Das würde ich auch allen empfehlen, die solch eine Möglichkeit haben.“
•
„Mein subjektiver Eindruck war, dass die Therapeutin zwar offen reagiert hat und es als
normale sexuelle Variante bewertet hat. Allerdings hatte ich während der gesamten
Therapie Zweifel, ob sie mich in meinem Lesbisch-sein und in meiner Sexualität wirklich
ernst genommen hat und es nicht als „Fixierung auf einer unreifen Entwicklungsstufe“
gesehen hat. Jetzt, wo ich so drüber schreibe: ich glaube, ich werde sie mal fragen...“
•
„Ich weiß nicht, wie ich diese Therapie überlebt hätte, wenn ich nicht auf Literatursuche
gegangen wäre und mir die psychosexuellen Schablonen Freuds und deren
feministische Kritik angelesen hätte.“
•
„Eine konsequente Entscheidung für die lesbische Lebensweise wurde aber nicht
akzeptiert, mir wurde vermittelt, sie, Frau Z., wisse besser, wer/was ich sei, jedenfalls
keine Lesbe.“
•
„oberflächliche, unreflektierte Akzeptanz bei vielen Therapeutinnen, auch ehrlich
gemeint u. mit den besten Absichten, aber eher in der Art, dass wir ja doch alle
dieselben Probleme haben.“
•
„Mir hat einmal ein Therapeut in einer Probesitzung mitgeteilt, dass ich hetero sei.“
•
„Wegen des gespürten Unverständnisses bin ich bei allen „lesbischen“ Themen stets
wachsam gewesen, habe gefühlt, „uns“ schützen zu müssen, war also im Grunde
politisch aktiv, habe versucht, „Entwicklungsarbeit“ zu leisten, wodurch es für mich
persönlich unmöglich war, Probleme in lesbischen Bezügen / Beziehungen zu
besprechen, was selbstverständlich ein Bedürfnis von mir war - nun wechsle ich die
Therapeutin."
•
„Meine Therapeutin sagte, dass sie im Patriarchat erzogen wurde und dass es sein
kann, dass sie trotz liberaler Haltung diskriminierend sein könnte, ohne es zu merken,
47
dann solle ich sie darauf aufmerksam machen. Diese Offenheit förderte mein
Vertrauen.“
•
„Ich habe meine eigene Homosexualität bzw. meine lesbischen sexuellen Wünsche und
meine lesbische Lebensweise oft selbst in und außerhalb der Therapie abgelehnt.
Meine Therapeutin hat mich und meine sexuelle Orientierung immer akzeptiert und
unterstützt.“
•
„Die Therapeutin, die ich mir ausgesucht hatte, die mir empfohlen worden war, hatte
selbst auch Erfahrungen, lesbisch zu leben. Das schuf bei mir Vertrauen und im Laufe
der Therapie spürte ich auch deutlich, dass sie weiß, wovon ich spreche. Später habe
ich mit meiner Lebenspartnerin eine Paartherapie bei einer Hetero-Therapeutin
gemacht. Sie ging so offen und selbstverständlich, einfühlsam und mit großer Achtung
mit uns um, so dass ich heute denke, eine Therapeutin für Lesben muss nicht selbst
lesbisch sein. Und trotzdem ist es natürlich vertraulicher vom Gefühl her.“
•
„Meine Erfahrung ist durchweg positiv, da ich meine Therapeutin als sehr behutsam
und vorsichtig erlebt habe, als sehr klar und mit einer grundlegenden Akzeptanz
lesbische Lebensweise, obwohl sie keine Lesbe war.“
•
„Da meine Therapeutin selbst lesbisch lebt, brauche ich nicht viel zu erklären, wenn es
um meine Lebensweise geht- das finde ich sehr gut! Außerdem war mir von Anfang an
klar, dass sie mein Lesbischsein akzeptiert, was mir einige Verunsicherungen ersparte,
als es zu Beginn der Therapie darum ging, Vertrauen aufzubauen. Mir gefällt zudem ihr
humorvoller Umgang mit dem Thema (ernst sein kann sie natürlich auch).“
•
„Die Therapeutin hat bereits im Erstgespräch ihre eigene lesbische Orientierung
klargemacht. Hat mir gut getan.“
•
„Ich habe innerhalb von 10 Jahren Erfahrungen mit drei verschiedenen Therapeutinnen
gemacht (wegen Wohnortwechsel). Dass ich Lesbe bin, war nie ein Problem, ich denke,
weil es für mich kein „Problem“ ist. Ich war also positiv überrascht, wie
selbstverständlich meine Therapeutin mit dem Thema umgegangen ist, auch wenn ich
bis jetzt das Thema Sex nicht mit ihr ansprechen würde aus Angst davor, sie zu
verunsichern.“
•
„Egal ob in der Klinik oder in der ambulanten Therapie habe ich nur positive
Erfahrungen. Ich habe Menschen gefunden, die mich bestärkt haben, mein „Lesbischsein“ zu leben. Es war toll und ich bin diesen Therapeutinnen heute sehr dankbar!“
•
„Im Erstgespräch habe ich auch meine Beziehung und deren Probleme benannt und
dabei beobachtet, wie die Reaktion der Therapeutin war, sie sozusagen „getestet“. Sie
hat „bestanden“ und die folgende Therapie war absolut akzeptierend und sehr hilfreich
für mich.“
48
4.6
Zusammenfassung der Ergebnisse beider Umfragen
Die Ergebnisse der Klientinnen-Umfrage zusammengefasst, ergibt sich das Bild, dass eine
große Mehrheit der Klientinnen positive Erfahrungen mit ihrer lesbischen Orientierung in der
Therapie gemacht hat und auf Akzeptanz und Offenheit der/des Therapeutin/en gestoßen ist,
vor allem wenn sie sich vorher über die Haltung der/des Therapeutin/en informiert haben.
Dieser Befund kann eine Ermutigung sein für lesbische/ lesbisch empfindende Frauen, die eine
Therapie machen möchten.
Gleichzeitig werden bei den befragten Frauen aber in ausgeprägter Weise Befürchtungen,
Skepsis und Vorsicht PsychotherapeutInnen gegenüber deutlich. Diese Befürchtungen drücken
sich vor allem in einer späten Offenlegung der lesbischen Orientierung innerhalb des
Therapieprozesses und auch danach noch in einer eingeschränkten Offenheit, über diesen
bedeutsamen Aspekt ihres Lebens zu sprechen, aus.
Die Befürchtungen sind auch nach wie vor sehr angebracht: viele der befragten Frauen haben
in ihren Therapien auf mehr oder minder offene oder subtile Weise Diskriminierungen, vor allem
eine Pathologisierung ihrer Lebensweise erfahren. Eine offene, interessierte und akzeptierende
Haltung einer lesbischen Lebensweise gegenüber – wie es in einer Psychotherapie
unabdingbare
Voraussetzung
sein
sollte–
ist
auch heute noch trotz zunehmender
gesellschaftlicher Toleranz und Akzeptanz offensichtlich nicht selbstverständlich. Hinzu kommt,
dass, wie aus den konkreten Schilderungen der Klientinnen hervorgeht, viele Therapeutinnen
unzureichend informiert sind über die Lebens- und Erfahrungswelt lesbischer/ lesbisch
empfindender Frauen.
Bei der mit unserem Fragebogen erreichten Zielgruppe handelt es sich offenbar um Frauen mit
großer Bewusstheit und einem großen Wissen über das Thema, wie u.a. aus dem häufigen
Benutzen des Fachvokabular ersichtlich wird. Die Ergebnisse sind interessant, jedoch nur
eingeschränkt verallgemeinerbar. Die Erfahrungen weniger selbstbewusster und nicht durch ein
feministisch
geprägtes
Umfeld
gestützter
Lesben
sind
in
dieser
Untersuchung
unterrepräsentiert. Es muss befürchtet werden, dass deren Erfahrungen in der Psychotherapie
negativer ausfallen.
Aufgrund der Schwierigkeit, die Zielgruppe der lesbischen/ lesbisch empfindenden Frauen mit
Therapieerfahrungen zu erreichen, ist es uns nicht gelungen, genau die Gruppe von Frauen zu
erreichen, die sich in der Zeit der TherapeutInnen-Umfrage (Anfang 2001) gerade in SchleswigHolstein in einer Psychotherapie befanden. Das Erreichen genau dieser Zielgruppe hätte es uns
ermöglicht, die Ergebnisse der TherapeutInnen-Umfrage mit den Ergebnissen der KlientinnenUmfrage direkt zu konfrontieren. Statt dessen haben wir eine Gruppe lesbischer/ lesbisch
empfindender Frauen mit Therapieerfahrungen erreicht, die sich bereits ausgesprochen intensiv
und theoretisch reflektiert mit dem Thema befasst hat. Ein unschätzbarer Vorteil unserer Daten
liegt daher vor allem in der Quantität und Qualität der Anmerkungen und Anregungen der
49
Befragten und damit in ihrer Brauchbarkeit für die Entwicklung von Standards und
Empfehlungen für die Psychotherapie. Das heißt, wir haben mit unserer Untersuchung nicht nur
herausfinden können, wie in der Psychotherapie von Seiten der TherapeutInnen derzeit mit
dem Thema der lesbischen Orientierung umgegangen wird, mehr noch, wie dieser Umgang
sich in Zukunft verbessern kann.
In der TherapeutInnen-Umfrage weisen die Ergebnisse zum Teil in eine positive Richtung: für
die große Mehrheit der TherapeutInnen, die an unserer Umfrage teilgenommen haben, ist eine
lesbische
Orientierung
keine
behandlungsbedürftige
Krankheit
oder
Symptom
einer
psychischen Störung. Da Einstellungen aber in keinem sehr engen Zusammenhang mit dem
realen Verhalten stehen, ist es nicht verwunderlich, dass die Klientinnen die TherapeutInnen,
besonders bei denen, die ihnen nicht vorher empfohlen wurden, zahlreiche Diskriminierungen
und Abwertungen erlebt haben. Diskriminierungen lesbischen/ lesbisch empfindenden Frauen
gegenüber sind allerdings in einer insgesamt heterosexistischen Gesellschaft kaum vermeidbar,
auch nicht bei PsychotherapeutInnen, bei denen berechtigterweise ein sehr hohes Maß an
diesbezüglicher Sensibilität erwartet werden kann. Es geht für PsychotherapeutInnen – sowohl
für die heterosexuellen als auch die schwulen/ lesbischen - darum, sie so weit wie möglich zu
reduzieren und mit dem Rest einen guten Umgang zu finden.
In der TherapeutInnen-Umfrage wurde ein Mangel an Fortbildung zum Thema deutlich.
Erfreulicherweise ergaben sich aber bei den TherapeutInnen auch Hinweise auf eine große
Aufgeschlossenheit dem Thema gegenüber. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass
die PsychotherapeutInnen selbst ein Interesse daran haben, sich ihren lesbischen/ lesbisch
empfindenden Klientinnen gegenüber weniger diskriminierend und kränkend zu verhalten. Die
Frage ist allerdings, wie viel Zeit und Energie sie bereit sind, in die Beschäftigung mit diesem
Thema zu investieren. Nur eine Minderheit der TherapeutInnen äußerte ein Interesse an
Fortbildung dazu.
50
5.
Empfehlungen
5.1
Empfehlungen für die PsychotherapeutInnen-Ausbildung
Wie unsere TherapeutInnen-Befragung ergibt, fand und findet das Thema der therapeutischen
Arbeit mit lesbischen/ lesbisch empfindenden Frauen in Therapieausbildungen wenig bis keine
Berücksichtigung. Und die Zulassung von lesbischen, schwulen und bisexuellen KandidatInnen
zur psychotherapeutischen Weiterbildung ist in den psychoanalytischen Instituten noch immer
keine Selbstverständlichkeit (Rauchfleisch u.a. 2002).
Das Wissen um die aktuellen Themen, Lebens- und Erlebensweisen, Konfliktfelder,
Beziehungsstrukturen und -dynamiken von Lesben und der Umgang damit in der
Psychotherapie ist nicht etwas, das sich quasi von selbst versteht, sondern stellt einen
wichtigen
Bestandteil
des
psychotherapeutischen
Fachwissens,
ein
Qualitätsmerkmal
psychotherapeutischen Arbeitens, dar, das speziell angeeignet werden muss, besonders wenn
es keinen persönlichen Zugang zum Thema gibt.
Die Arbeit mit Lesben erfordert keine völlig neuen professionellen Ansätze, aber die vielfach
vertretene Ansicht, die Therapie mit dieser Klientel sollte sich überhaupt nicht von derjenigen
mit heterosexuellen KlientInnen unterscheiden, gilt als überholt. Es geht darum, einige
Modifikationen vorzunehmen und einige spezifische Aspekte in der Therapie mit Lesben zu
berücksichtigen (Falco 1993, Wiesendanger 2001, Rauchfleisch u.a.2002).
Zur Sicherung und Verbesserung der Fachlichkeit angehender PsychotherapeutInnen sollte der
Prozess der diesbezüglichen Qualifizierung institutionalisiert, d.h. als obligatorischer (nicht als
bloß freiwilliger) Bestandteil des Ausbildungsprogramms fest verankert werden.
Für bereits ausgebildete und praktizierende TherapeutInnen stellt sich ggf. die Frage nach einer
„Nachqualifikation“. Unsere TherapeutInnen-Umfrage hat u.a. ergeben, dass ein Interesse am
Thema durchaus vorhanden ist, dass ein Bedarf nach aufwendigeren Angeboten, wie z.B.
mehrtägigen Fortbildungen, nur bei einer Minderheit vorhanden ist. Es sollten daher neben
Fortbildungen und Vorträgen verstärkt niedrigschwellige und wenig Aufwand erfordernde
Materialien wie Literaturlisten, Broschüren etc. entwickelt und angeboten werden. Es erscheint
dringend erforderlich, dass alle TherapeutInnen motiviert werden, sich zumindest das
allernötigste
Basiswissen
lesbischer/lesbisch
anzueignen,
empfindender
um
Klientinnen
unnötige
und
Kränkungen
die
und
gravierendsten
Verletzungen
Formen
der
Pathologisierung, Diskriminierung und sonstiger Abwertung in Zukunft zu vermeiden und damit
im übrigen auch eine höhere Effizienz von Psychotherapien zu erreichen. Es reicht sicher nicht,
wenn sich einige wenige TherapeutInnen, z.B. aufgrund ihrer eigenen gleichgeschlechtlichen
Ausrichtung, auf das Thema spezialisieren. Das mag in Großstädten bei der Gruppe der gut
über Psychotherapie informierten Lesben eine ausreichende qualifizierte therapeutische
51
Versorgung gewährleisten, mit Sicherheit aber nicht in ländlichen Regionen und bei Lesben
ohne bisherige Berührungspunkte mit dem psychosozialen Bereich.
Als ein wichtiges Instrument der politischen Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsarbeit hat
sich die fachkompetente Erarbeitung von Richtlinien oder Standards erwiesen. Vor allem im
englischsprachigen Bereich hat eine Arbeit an solchen Standards für die Therapie mit
Homosexuellen bereits begonnen. Solche Standards können dann Basis-Bausteine einer
TherapeutInnenausbildung darstellen.
Viele
der
Ergebnisse
unserer
beider
Umfragen
können
als
Ansatzpunkte
bzw.
Diskussionsbeiträge zur Entwicklung solcher Standards oder als vorläufige Empfehlungen für
die therapeutische Praxis dienen. Und auch für lesbische/ lesbisch empfindende Frauen auf der
Suche nach oder in einer Psychotherapie bieten unsere Ergebnisse einige nützliche Hinweise
zur Vermeidung von Kränkungen aufgrund der sexuellen Orientierung.
5.2
Empfehlungen für PsychotherapeutInnen
Die hier aus unseren Umfragen und aus der neueren qualifizierten Fachliteratur abgeleiteten
bzw. durch sie angeregten und in der Folge aufgeführten Empfehlungen sind keineswegs
endgültig und unbestritten, sondern sie bedürfen einer ständigen kritischen Überprüfung an den
praktischen Erfahrungen damit und ggf. einer Modifikation. Über Rückmeldungen zu
Erfahrungen im Umgang damit und über weitere Anregungen und Ergänzungen sind wir
dankbar.
Bewusstheit der TherapeutInnen über des Ausmaßes der eigenen homosexuellen
Gefühle, der eigenen heterosexistischen Voreingenommenheit und Homophobie
Hierzu gehört zunächst das Wissen um die bisexuelle Grundausstattung des Menschen, das
Kontinuum (statt der Dichotomie), auf dem menschliche Sexualität dargestellt werden kann, und
die Variabilität der sexuellen Orientierung im Laufe des Lebens. Bei einer fehlenden Klarheit
über die eigenen homosexuellen Anteile und die damit verbundenen Gefühle können
gravierende
Probleme
in
der
Gegenübertragung
auftreten.
Die
Analyse
auf
Selbsterfahrungsebenene bzw. Kenntnis der eigenen Wertvorstellungen, der Ängste,
Unsicherheiten und Abwehrstrukturen in Bezug auf die eigene sexuelle Orientierung bilden die
Grundlage für das Vermeiden von Abwertungen der Klientin, für eine wertschätzende
Grundhaltung und eine Empathie in die Gefühls- und Lebenswelt lesbischer/ lesbisch
empfindender Klientinnen.
Wertschätzende Grundhaltung
52
Als am wichtigsten für die Therapie mit lesbischen/ lesbisch empfindenden Frauen gilt sowohl in
der Fachliteratur als auch bei den von uns befragten Frauen eine die lesbische Orientierung
wertschätzende Grundhaltung. Dazu gehört Offenheit der lesbischen Klientin gegenüber, das
Fehlen jeglicher Pathologisierung der lesbischen Liebe, die über politisch korrekte Toleranz
hinausgehende wirklich vorbehaltlose Akzeptanz und Anerkennung der Homosexualität als eine
der Heterosexualität gleichwertige Variante sexueller Orientierung (Wiesendanger 2001). Auf
das Fehlen einer solchen Grundhaltung reagieren lesbische/ lesbisch empfindende Frauen am
sensibelsten. Sie verspüren dann eine Atmosphäre, in der es ihnen gefährlich erscheint, das
Thema offen anzuschneiden (Falco 1993).
Wissensaneignung über lesbische Lebensweisen
Es wäre wünschenswert, wenn der/die Therapeut/in ein Interesse an und ein Basiswissen über
lesbische Lebenszusammenhänge hat, ein Wissen über relevante Themen, Dynamiken und
Konfliktfelder, über typische Szene- und Diskriminierungserfahrungen, über Probleme
lesbischer Mütter etc.. Auch wenn die Klientin die Expertin für die Spezifika lesbischer
Lebensweisen ist, ist es primär die Aufgabe der/des Therapeutin/en, sich zumindest in groben
Zügen aktiv zu informieren, nicht Sache der Klientin, ein entsprechendes Wissensdefizit der/des
Therapeutin/en auf Kosten ihrer knapp bemessenen Therapiezeit auszugleichen. Ohne dass
dies als Empfehlung gemeint sein kann, ist erfahrungsgemäß ein unmittelbarer Kontakt der/des
Therapeutin/en zu lesbischen Lebensstilen und zu lesbischer Kultur und ein direkter Kontakt zu
lesbischen Frauen hilfreich. Es geht darum, die Ähnlichkeiten in den Lebens- und
Erfahrungswelten von lesbischen und heterosexuellen Frauen zu kennen, vor allem aber auch
die Unterschiede nicht zu leugnen. Lesben fühlen sich z.B. oft nicht ernst genommen durch eine
Gleichsetzung lesbischer und heterosexueller Beziehungserfahrungen (Eden & Woltereck 1990,
Falco 1993, Wiesendanger 2001, Rauchfleisch u.a. 2002).
Kenntnis der spezifischen Belastungen und Stressoren in der Biographie von Lesben
Viele Erfahrungsbereiche einer lesbischen Biographie sind heterosexuellen TherapeutInnen
fremd. Es ist aber wichtig, die objektiven Lebensumstände der Klientin in ihrer Bedeutung für
die emotionalen Konflikte zu berücksichtigen. Es geht hier um die Entwicklung einer speziellen
„Hellhörigkeit“ für bestimmte Themen (Rauchfleisch u.a. 2002): Das Verbergen zentraler
Aspekte der eigenen Identität, Auswirkungen von Unterdrückung und Unsichtbarkeit, die
besonderen Belastungen eines Coming-out, die Selbstdestruktivität der internalisierten
Homophobie, die oft fehlende oder nur eingeschränkte Akzeptanz der Partnerin durch die
Familie, nicht vorhandene Rollenmodelle etc. hinterlassen Spuren, die die/der Therapeutin/en in
ihrem Entstehungszusammenhang erkennen können sollte.
Stärkung des Selbstwertgefühls der Klientin als lesbische/ lesbisch empfindende
FrauTherapeutInnen, die lesbischen Klientinnen gerecht werden wollen, sollten nicht nur
negative Bewertungen unterlassen, sondern in der Lage sein, auf eine aktive Art und Weise die
53
Gleichwertigkeit
dieses
Lebensstils
aufzuzeigen.
Dies
ist
u.a.
notwendig,
um
das
Selbstwertgefühl der Klientin in einer allseits heterosexuell organisierten und Homosexualität
ablehnenden Umwelt zu stärken. Angesichts der Sozialisation der TherapeutInnen in einer
heterosexistischen Gesellschaft ist anzunehmen, dass eine positive Einstellung zur lesbischen
Liebe nicht von alleine entsteht. Daher ist vor allem bei heterosexuellen TherapeutInnen eine
aktive Auseinandersetzung mit dieser Lebensweise erforderlich.
Unterstützung der Klientin im Umgang mit Diskriminierungserfahrungen
Die
von
der
Klientin
berichteten
Diskriminierungserfahrungen
sollten
von
der/dem
Therapeutin/en nicht geleugnet werden, wenn er z.B. in vordergründig liberaler Haltung meint,
dass Homosexualität gesellschaftlich längst akzeptiert sei. Oft geht es vielmehr darum, den
Blick der Klientin für Diskriminierungen, die sie selbst bagatellisiert, als solche zu benennen als
Voraussetzung für die Erarbeitung effektiver Selbstbehauptungsstrategien.
Phasenspezifisches Vorgehen bei Coming-out-Problemen
Die Mehrzahl der lesbischen/ lesbisch empfindenden Klientinnen begibt sich nicht wegen
etwaiger Probleme mit ihrer sexuellen Orientierung in Therapie, sondern wegen allgemeiner
psychischer Probleme. Falls es in der Therapie doch um ein Coming-out geht, ist ein
phasenspezifisches Vorgehen angezeigt. Der gesamte Prozess des Coming-out lässt sich in
verschiedene Phasen unterteilen (Wiesendanger 2001, Rauchfleisch 2002), z.B. in
1. die Phase des Prä-Coming-out
2. das eigentliche Coming-out, d.h. die Phase der inneren Akzeptanz des Lesbischseins und die
Kommunikation der gleichgeschlechtlichen Orientierung gegenüber einem Kreis mehr oder
weniger ausgewählter Außenstehender
3. die Phase des integrierten Coming-out in der das lebenslang immer wieder notwendige
Coming-out in der alltäglichen Interaktion im Lebensumfeld ohne stärkere emotionale
Labilisierung bewältigt wird.
In der Phase des Prä-Coming-out geht es darum, lesbische / lesbisch empfindende Frauen
überhaupt als solche zu erkennen, d.h. sensibel zu sein gegenüber entsprechenden Signalen
der Klientin, aber auch gegenüber ihren berechtigten Ängsten und sie darin zu unterstützen,
sich der/dem Therapeutin/en anzuvertrauen und die lesbischen Empfindungen zu akzeptieren.
In der Phase des eigentlichen Coming-out sollte die Klientin ohne Druck ermutigt werden, sich
auch dem näheren Umfeld zu offenbaren. Dabei sollten einerseits die Belastungen und
andererseits die Entlastungen sowohl eines Coming-out als auch der Aufrechterhaltung einer
heterosexuellen Fassade berücksichtigt und besprochen werden.
In der Phase des integrierten Coming-out ist die lesbische Orientierung meist zur
Selbstverständlichkeit geworden und das Thema tritt in den Hintergrund.
Berücksichtigung der Stärken offen lesbisch lebender Frauen
54
Aufgrund der Herausforderungen einer gesellschaftlich abgewerteten Lebensweise entwickeln
lesbische Frauen zum Teil ausgesprochene Stärken, die von der/dem Therapeutin/en
anerkannt und weiter gestärkt werden sollten. So ist unter lesbischen Frauen z.B. kein Leben
mit einer vom Mann abgeleiteten Identität zu finden.
Ansprechen der Probleme der Klientin mit ihrer lesbischen Orientierung durch die/den
Therapeutin/en
Die Schwierigkeiten der Klientin, über Probleme mit dem Lesbisch-sein zu sprechen, wird von
TherapeutInnen oft unterschätzt, besonders dann, wenn sie sich ihrer eigenen wertschätzenden
Haltung dieser Beziehungsform gegenüber sicher sind. TherapeutInnen gehen oft davon aus,
dass die Klientinnen keine Schwierigkeiten damit haben, wenn sie nicht darüber reden. (Falco
1993).
Das Schweigen der Klientin über ihre lesbische Orientierung überhaupt oder ihre Probleme
damit, ihr Argwohn und ihre Vorsicht können zunächst einmal als eine realitätsgerechte
Anpassung an eine homosexualitätsfeindliche Umgebung gesehen werden (Gissrau 1993 b).
Bei Klientinnen in der Phase des Prä-Coming-out ist ein Nicht-Ansprechen der Thematik durch
die/den Therapeutin/en ausgesprochen problematisch, da dadurch sich die Homophobie der
Klientin verstärken kann (Rauchfleisch 2002).
Individuell gewünschte Suche der Klientin nach den Hintergründen für ihr Lesbisch-sein
Die Suche nach Erklärungen für das Lesbisch-sein von Seiten der Klientin kann reines
Interesse oder Neugier sein, ist aber auch oft Ausdruck einer tiefen Verunsicherung als Folge
der Pathologisierung von Homosexualität und einer Suche nach Schutz und Halt. (Eden &
Woltereck 1990). Es sollte der Therapeutin/en bewusst bleiben, dass es hierbei um den
individuellen Entwicklungsprozess der Klientin, um persönliche Konstellationen oder Aspekte in
ihrer Lebensgeschichte geht, die eine Entscheidung für das eigene Lesbisch-sein unterstützen
oder deutlich machen. Es geht nicht um die Suche nach einem ursächlichen kausalen
Zusammenhang für das Lesbisch-sein (Eden & Woltereck 1990).
Das Thema „Weiblichkeit“ in der Therapie
Besonders männliche Therapeuten beschäftigten sich in der Therapie oft ausgiebig mit der
„Weiblichkeit“ der Klientin (Rauchfleisch u.a. 2002). Lesbische Frauen haben sich oftmals dem
Druck zu konventionellem weiblichen Geschlechtsrollenverhalten entzogen und ein eigenes
Weiblichkeitsverständnis entwickelt. Statt diese Haltung kritisch zu hinterfragen, geht es - wenn
es denn tatsächlich Probleme in diesem Bereich auf Seiten der Klientin gibt – darum, in
differenzierter Weise die Kosten als auch den Nutzen von Verstößen gegen traditionelle
Geschlechtsrollen-Vorschriften zu beleuchten (Rauchfleisch u.a. 2002). Ein traditionelles Bild
von Weiblichkeit verstellt zudem oft den Blick auf das Vorkommen auch von problematischem,
traditionell „männlichem“ Verhalten, z. B. Gewalttätigkeit auch bei Frauen/Lesben.
Coming-out der/s TherapeutIn bzgl. der eigenen sexuellen Orientierung
55
Da gleichgeschlechtlich orientierte KlientInnen weniger unreflektiert und automatisch von der
heterosexuellen Orientierung anderer Menschen ausgehen und da sie in einer ebenfalls
gleichgeschlechtlichen Ausrichtung der/des Therapeutin/en einen Schutzfaktor vor einer
Abwertung und Pathologisierung ihrer eigenen Lebensweise sehen, sind sie in der Regel mit
der Frage beschäftigt, welche sexuelle Orientierung die/der Therapeut/in hat. Für die Klientin ist
daher in der Regel die Offenlegung der sexuellen Orientierung der/des (schwulen/lesbischen,
aber auch der/des heterosexuellen) Therapeutin/en entlastend und eine Art „vertrauensbildende
Maßnahme“, bei heterosexuellen TherapeutInnen besonders dann, wenn sie mit wertschätzenden Bemerkungen zu gleichgeschlechtlichen Lebensweisen verbunden wird.
Informationen über aktuelle Angebote für Lesben
Besonders im Coming-out-Prozeß ist es für die Klientin sehr hilfreich und sicher auch
vertrauensbildend, wenn die/der Therapeut/in sich auskennt mit aktuellen Angeboten für
Lesben, z.B. spezielle Beratungsstellen, Treffpunkten, Coming-out-Gruppen etc. in der Region.
Vermeidung heterozentristischer Formulierungen
In den Formulierungen der/des Therapeutin/en und in der Gestaltung von Fragebögen und
anderem schriftlichen Material in der therapeutischen Arbeit sollte, besonders bei Fragen nach
der Partnerschaft, die Möglichkeit, dass die Klientin keine heterosexuelle, sondern eine
gleichgeschlechtliche Beziehung führt, mit berücksichtigt werden. Dies vermittelt einer
lesbischen
Klientin
den
Eindruck,
dass
eine
gleichgeschlechtliche
Orientierung
selbstverständlich in Erwägung gezogen und akzeptiert wird.
Das Eingeständnis von Verständnisgrenzen
Ein solches Eingeständnis zusammen mit einem weiter bestehenden Interesse der/des
Therapeutin/en am Erleben der Klientin kann für diese sehr entlastend sein. Es macht ein
genaues Nachfragen bei der Klientin nötig und kann so Missverständnissen und Verletzungen
vorbeugen.
Weitervermittlung der Klientin bei fehlender Fachkompetenz
Auch bei diesem Thema gilt, dass PsychotherapeutInnen ihre praktische Tätigkeit auf
diejenigen Gebiete beschränken sollten, in denen sie fachlich ausgewiesen sind. Bei
unzureichender Qualifikation bzgl. der Arbeit mit lesbischen Klientinnen oder bei einer eher
distanzierten oder ablehnenden Haltung ihnen gegenüber sollten lesbische Frauen mit einem
Therapieanliegen selbstverständlich an fachkompetente KollegInnen weitervermittelt werden.
56
5.3
Empfehlungen für Klientinnen bei der TherapeutInnen-Suche
In unserer Klientinnen-Umfrage waren negativen Erfahrungen der Klientinnen in der Gruppe der
Frauen, die sich vorher über die Haltung der/des Therapeutin/en einer lesbischen Lebensweise
gegenüber informiert haben, deutlich seltener. Das heißt, dass ein solches Sich-vorabinformieren eine relativ gute Strategie der TherapeutInnenwahl darstellt, die allerdings
keineswegs eine Garantie für eine diskriminierungsfreie Therapie bietet. Wo die Informationen
am verlässlichsten eingeholt werden können, ob eher bei Freundinnen oder in Beratungsstellen
oder ob ein gezieltes Ansprechen des Themas im Erstgespräch bei der/dem Therapeutin/en
selbst und eine Orientierung an ihrer/seiner Reaktion die günstigste Strategie darstellt, müsste
weiter empirisch abgeklärt werden.
Aus den Antworten auf die in freier Form zu beantwortenden Fragen im Klientinnen-Fragebogen
geht hervor, wie wichtig den Klientinnen die Wahl der/s TherapeutIn und hierbei vor allem die
sexuelle Orientierung der/des Therapeutin/en war. Es kann vermutet werden, dass die relativ
positiven
Therapie-Erfahrungen
der
befragten
Frauen
der
Strategie
einer
gezielten
TherapeutInnenauswahl, speziell selbst lesbischer Therapeutinnen, geschuldet ist. Eine solche
Strategie ist natürlich nur dann sinnvoll, wenn mehrere TherapeutInnen zur Auswahl stehen,
was bei einem Mangel an freien Therapieplätzen oder in mit PsychotherapeutInnen
unterversorgten Regionen nicht der Fall ist.
Es könnte durchaus sinnvoll sein, Orientierungsleitlinien für Fragestellungen in Vorgesprächen
zu erarbeiten (Dürmeier 1990) und Hinweise, woran die Einstellungen der TherapeutInnen zum
lesbischen Leben zu erkennen sind.
Nach Dürmeier (1990) sollten Fragen der/des Therapeutin/en nach heterosexuellen Erfahrungen bei Lesben und Fragen und Aussagen von TherapeutInnen zu Vermutungen über das
Entstehen des Lesbischseins hellhörig machen.
Aber auch während einer laufenden Psychotherapie ist es oftmals notwendig, die/den Therapeutin/en auf etwaiges diskriminierendes Verhalten hinzuweisen, auch wenn das in einer
gefühlsmäßig so aufwühlenden und vereinnahmenden Situation, wie es eine Psychotherapie
und die therapeutische Beziehung darstellen, ausgesprochen schwierig sein kann und im PräComing-out vielleicht sogar unmöglich ist. Für erfolgreiche Umgangsweisen von Klientinnen mit
offenen und subtilen Formen der Diskriminierung und Abwertung in einer Psychotherapie fehlen
derzeit noch empirische Daten und Orientierungspunkte. Sie sollten in Zukunft entwickelt
werden, so dass bei Verletzungen der Klientin durch – vielleicht nicht beabsichtigte Diskriminierungen durch die/den Therapeutin/en eher die Chance besteht, dass weniger
Therapien von den Klientinnen aus diesem Grund abgebrochen werden und die
TherapeutInnen ihr Verhalten effektiver reflektieren und verändern können.
57
Literatur
Alves, Eva-Maria (Hg.) (1993): Stumme Liebe: Der „lesbische Komplex“ in der Psychoanalyse.
Freiburg (Kore).
Alves, Eva-Maria (1993): Stumme Liebe: Ein Vorwort. In: Alves (Hg.), S. 5-10.
Blessing, Annemie (1990): Erfahrungen einer nicht-lesbischen Therapeutin in der Arbeit mit
lesbischen Frauen – Eine Lehrzeit in drei fiktiven Ausbildungsabschnitten. In: Dürmeier u.a.
(Hg.), S. 106-114.
Dannecker, Martin (2001): Das verschwundene Problem: Homosexualität und Psychoanalyse.
In. Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (Hg.), S. 20-51.
Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (Hg.) (2001): Beratung von Lesben und Schwulen: Dokumentation
der VII. Fachtagung des Verbandes lesbischer Psychologinnen und schwuler Psychologen in
Deutschland e.V. (VLSP) „Selbstverständlich. Beratung und Psychotherapie mit Lesben und
Schwulen“, München, 7.-9. April 2000.
Düring, Sonja (1994): Sequentielle Homo- und Heterosexualität. Zeitschrift für Sexualforschung,
7, 193 – 202
Dürmeier, Waltraud u.a. (Hg.) (1990): Wenn Frauen Frauen lieben ... und sich für SelbsthilfeTherapie interessieren. München (Frauenoffensive).
Dürmeier, Waltraud (1990): Unterwegs im Psychotherapie-Dschungel – Ein Leitfaden für
lesbische Frauen. In: Dürmeier u.a. (Hg.), S.209-240.
Eden, Gabriele u. Woltereck, Britta (1990): Die therapeutische Arbeit mit lesbischen Frauen:
Besonderheiten und Anregungen. In: Dürmeier u.a. (Hg.), 30-46.
Falco, Kristine L.(1993): Lesbische Frauen: Lebenswelt – Beziehungen – Psychotherapie.
Mainz (Matthias Grünewald).
Frossard, Jacqueline (2000): Lesbische Frauen in der Psychotherapie. Diss. Universität Basel.
Geier, Burgel u. Blessing, Annemie (1992): Lesben und lesbische Paarbeziehungen. In: Bilden,
Helga (Hg.): Das Frauentherapie-Handbuch. München (Frauenoffensive), S. 63-71.
58
Gissrau, Barbara (1993a): Die Sehnsucht der Frau nach der Frau: Das Lesbische in der
weiblichen Psyche. Zürich (Kreuz).
Gissrau, Barbara (1993b): Sympathie für die „Anormalität“? ist Homosexualität an sich eine
Krankheit? In: Alves (Hg.), S. 11-44.
Poluda-Korte, Eva S. (1993): Der „lesbische Komplex“: Das homosexuelle Tabu und die
Weiblichkeit. In: Alves (Hg.), S. 73-132.
Poluda, Eva S. (2000): Das Bild der lesbischen Frau in der Psychoanalyse. Psyche, 4, S. 322 –
353.
Rauchfleisch, Udo u.a. (2002): Gleich und doch anders: Psychotherapie und Beratung von
Lesben, Schwulen, Bisexuellen und ihren Angehörigen. Stuttgart (Klett-Cotta).
Schreurs, Karlein (1994): Sozialwissenschaftliche Forschung zum Thema lesbische Identität
und lesbische Partnerschaften. In: Dokumente lesbisch-schwuler Emanzipation des Referates
für gleichgeschlechtliche Lebensweisen Berlin Nr. 9, S. 17-49.
Streit, Monica (2001): Selbst-verständlich lesbisch? VLSP-Materialien, Heft 6.
Wiesendanger, Kurt (2001): Schwule und Lesben in Psychotherapie, Seelsorge und Beratung:
Ein Wegweiser. Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht).
Zeul, Mechthild (1993): Klinische Anmerkungen zur weiblichen Homosexualität. In: Alves (Hg.),
S.163-188.
59
Anhang
60
Anhang
Tabellarische Auswertung der TherapeutInnen-Umfrage (TH)
A1 Geschlecht der TherapeutInnen
Weiblich
189 (65%)
Männlich
94 (33%)
(283 TherapeutInnen haben diese Frage beantwortet)
A2 Alter der TherapeutInnen
< 30 J.
1 (<1%)
31 – 40 J.
47 (16%)
41 – 50 J.
128 (44%)
51 – 60 J.
96 (33%)
> als 60 J.
12 ( 4%)
(286 TherapeutInnen haben diese Frage beantwortet)
A3 TherapeutInnenstatus
Psychologische/r Psychotherapeut/in (PPT)
155 (54%)
Ärztliche/r Psychotherapeut/in (ÄPT)
117 (40%)
Kinder-und Jugendlichenpsychotherapeut/in
24 ( 8%)
(KJPT)
(286 TherapeutInnen haben diese Frage beantwortet)
B1 Anzahl der lesbischen/ lesbisch empfindenden Klientinnen bei
TherapeutInnen insgesamt
487
weiblicher Therapeutin
323 (66%)
männlicher Therapeut
146 (30%)
TherapeutIn im Alter von
<30 Jahre
2 (<1%)
31 – 40 Jahre
103 (21%)
41 – 50 Jahre
202 (41%)
51 – 60 Jahre
163 (33%)
> 60 Jahre
13 (3%)
61
TherapeutInnenstatus
Psychologischem/ er Psychotherapeuten/ in
284 (58%)
Arztlichem/er Psychotherapeuten/ in
169 (38%)
Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten/ in
50 (10%)
(289 TherapeutInnen haben diese Frage beantwortet)
B2 Anzahl der Klientinnen, die aus folgenden Anlässen eine Psychotherapie aufnehmen
Antwortmöglichkeit
Anzahl
a) Psychische Probleme / Symptome (ohne direkten Bezug zur 412
Prozent
(85%)
sexuellen Orientierung)
b) Diskriminierungserfahrungen aufgrund der sexuellen Orientierung
17
(3%)
c) Wunsch nach/ Probleme mit dem Coming-out als lesbische Frau
30
(6%)
d) Probleme mit der lesbischen Lebensweise oder aufgrund des les-
38
(8%)
126
(26%)
bischen Empfindens
e) Probleme in der lesbischen Partnerschaft
(Aussagen über insgesamt 487 Klientinnen; Mehrfachnennungen waren möglich)
B3 Anzahl der Klientinnen, die in folgenden Stadien der Therapie von sich aus ihr lesbisches
Empfinden und/ oder Verhalten erwähnt haben:
Antwortmöglichkeit
Anzahl
a) im Erstkontakt
221
(46%)
b) während der ersten 10 Sitzungen
175
(36%)
85
(18%)
später
Prozent
(Aussage über insgesamt 481 Klientinnen)
C1 Für die Entwicklung einer lesbischen Orientierung gibt es
Antwortmöglichkeit
Anzahl der Zustimmungen
Prozent
a) keine verallgemeinerbaren Ursachen
234
86%
36
13%
b) verallgemeinerbare Ursachen, und zwar ...
(272 TherapeutInnen haben diese Frage beantwortet)
C2 Die sexuelle Orientierung sollte bei lesbisch empfindenden Klientinnen in der Therapie
Antwortmöglichkeit
a) auf ihre Ursachen hin bearbeitet werden
Anzahl der Zustimmungen
Prozent
13
5
b) nicht anders thematisiert werden als bei hete- 249
90
rosexuellen Frauen
c) andere Meinung
45
16
(278 TherapeutInnen haben diese Frage beantwortet)
62
C3 Die sexuelle Orientierung sollte bei lesbisch empfindenden Klientinnen / Patientinnen, die
selbst nicht weiter auf dieses Thema eingehen, von Seiten des/der Therapeuten/in
Antwortmöglichkeit
Anzahl der Zustimmungen
Prozent
a) nicht angesprochen werden
31
11%
b) grundsätzlich angesprochen werden
72
25%
c1) angesprochen werden, wenn es darum geht, 116
40%
ein Coming-out in der Therapie zu erleichtern
c2) angesprochen werden, wenn es darum geht, 129
43%
mögliche Diskriminierungserfahrungen zu erfragen
c3)
angesprochen
werden
unter
anderen 56
20%
Bedingungen
(277 TherapeutInnen haben diese Frage beantwortet; Mehrfachnennungen waren unter c)
möglich)
C4 Eine lesbisch empfindende Klientin / Patientin sollte in der Therapie
Antwortmöglichkeit
Anzahl der Zustimmungen
a) unterstützt werden in Richtung auf die Ent-
4
Prozent
1,5%
wicklung einer heterosexuellen Orientierung
b) grundsätzlich in der Akzeptanz ihrer sexuellen 234
85%
Orientierung unterstützt werden
c) unter besonderen Bedingungen in der Ak-
40
15%
zeptanz ihrer sexuellen Orientierung unterstützt
werden
(274 TherapeutInnen haben diese Frage beantwortet)
D1 War eine lesbische Lebensweise und lesbisches Empfinden und Verhalten von Klientinnen
/ Patientinnen und der Umgang damit in der Psychotherapie ein Thema in Ihrer (Grund-)
Ausbildung zum/zur Psychotherapeuten/in?
Antwortmöglichkeit
Anzahl der Zustimmungen
Prozent
a) ja, ausführlich
15
5%
b) ja, in geringem Umfang
108
38%
c) nein
162
58%
(281 TherapeutInnen haben diese Frage beantwortet)
63
D2 Haben Sie Bedarf an Fortbildung zum Themenkreis „Therapeutische Arbeit mit lesbischen
Frauen“ ?
Antwortmöglichkeit
Anzahl der Zustimmungen
a) Ja, ich würde gern an einer Fortbildung teil- 40
Prozent
14%
nehmen
b) Ich finde das Thema wichtig / interessant, habe 156
56%
aber aktuell meine Prioritäten anders gesetzt
c) Nein, ich habe keinen Bedarf
84
30%
(279 TherapeutInnen haben diese Frage beantwortet)
D3
Woher beziehen Sie im wesentlichen Ihre Informationen über lesbische Frauen /
lesbische Lebensweisen?
Antwortmöglichkeit
Anzahl der Zustimmungen
Prozent
a) aus eigener Erfahrung
35
13%
b) aus persönlichen Kontakten mit lesbischen 191
58%
Frauen
c) aus den Berichten lesbischer Klientinnen / Pa- 180
65%
tientinnen
d) aus Berichten von Kolleg/inn/en über lesbische
124
45%
e) aus den Medien (Funk, Fernsehen, Zeitschrif- 117
42%
Klientinnen/Patientinnen (z.B. in der Supervision)
ten, Romane etc.)
f) aus Fortbildungsveranstaltungen (Tagungen,
72
26%
g) aus der Fachliteratur zum Thema
164
59%
h) andere Quellen
0
0%
Vorträge, Workshops etc.) zum Thema
(277 TherapeutInnen haben diese Frage beantwortet; Mehrfachnennungen waren ausdrücklich
möglich)
64
Tabellarische Auswertung der Klientinnen-Umfrage (KL)
A1 derzeitiges Alter der Klientinnen
unter 20 J.
-
21 – 30 J.
15 (14%)
31 – 40 J.
61 (55%)
41 – 50 J.
21 (19%)
51 – 60 J.
9 ( 8%)
über 60 J.
5 ( 5%)
Auf 111 Fragebögen war diese Frage beantwortet.
A2 Zeitpunkt des Therapiebeginns
vor 1970
-
1970 – 1979
1 ( 1%)
1980 – 1989
11 (10%)
1990 – 1994
22 (20%)
1995 – 1999
49 (44%)
2000
13 (12%)
2001 oder später
15 (14%)
Auf 111 Fragebögen war diese Frage beantwortet.
B
Psychotherapeut/in:
B1 Geschlecht
weiblich
102 (92%)
männlich
6 ( 5%)
Antwort nicht eindeutig zuzuordnen
3 ( 3%)
Auf 111 Fragebögen war diese Frage beantwortet.
B2 Beruf der/des Therapeutin/en
Diplom-Psychologe/ in
68 (62%)
Arzt/ Ärztin
19 (17%)
anderer Beruf
18 (16%)
nicht bekannt
5 ( 5%)
Auf 110 Fragebögen war diese Frage beantwortet.
65
C
Psychotherapie
C1 Ort der Durchführung
In Schleswig-Hostein
42 (38%)
außerhalb von Schleswig-Hostein
68 (62%)
Auf 110 Fragebögen war diese Frage beantwortet.
C2 Therapieinstitution
In einer psychotherapeutischen Praxis
89 (83%)
in einer Beratungsstelle
4 ( 4%) +2Mehrfachn.= 6 ( 6%)
in einer Klinik
8 ( 7%) +2Mehrfachn.= 10 ( 9%)
in einer anderen Institution
6 ( 6%)
Antwort nicht eindeutig zuzuordnen
2 x 2 Mehrfachnennungen (2. u. 3. Zeile)
Auf 107 Fragebögen war diese Frage beantwortet.
C3 Therapie-Setting
Einzeltherapie
95 (86%)
Paartherapie
1 ( 1%)
Gruppentherapie
4 ( 4%)
Familientherapie
-- ( -%)
Antwort nicht eindeutig zuzuordnen
10 ( 9%)
Auf 110 Fragebögen war diese Frage beantwortet.
C4 Finanzierung der Therapie
von der Krankenkasse oder einem anderem
71 (66%)
Kostenträger bezahlt
selbst bezahlt
Antwort nicht eindeutig zuzuordnen
28 (26%)
9 ( 8%)
Auf 108 Fragebögen war diese Frage beantwortet.
D1 Was war der Anlass für Sie zur Aufnahme einer Psychotherapie?
Psychische Probleme/ Symptome (ohne direkten Bezug zum lesbischen
89 (80%)
Empfinden oder der sexuellen Orientierung
Diskriminierungserfahrungen aufgrund der sexuellen Orientierung
6 ( 5%)
Wunsch nach/ Probleme mit dem Coming-out als lesbische Frau
1 ( 1%)
Probleme mit der lesb. Lebensweise oder aufgrund des lesb. Empfindens
7 ( 6%)
Probleme in der lesbischen Partnerschaft
31 (28%)
Probleme in der heterosexuellen Partnerschaft wegen des lesbischen
2 ( 2%)
Empfindens/ Verhaltens
Sonstiges
35 (32%)
Auf 111 Fragebögen war diese Frage beantwortet. Mehrfachnennungen waren möglich.
66
D2.1
Haben Sie Ihr lesbisches Empfinden/ Ihre sexuelle Orientierung in der Therapie bewusst
verschwiegen?
Ja
3 ( 3%)
Nein
108 (97%)
Auf 111 Fragebögen war diese Frage beantwortet.
D3
Wann haben Sie von sich aus zum ersten Mal dem/ der Therapeuten/in gegenüber Ihr
lesbisches Empfinden/ Ihre sexuelle Orientierung erwähnt?
insgesamt
vorinformiert
nicht vorinformiert
im Erstgespräch
79 (73%)
50 (91%)
28 (54%)
in den ersten 10 Sitzungen
14 (13%)
3 ( 5%)
11 (21%)
Später
15 (14%)
2 ( 4%)
13 (25%)
Zahl der Fragebögen, auf denen diese Frage beantwortet war insgesamt: 108:
D4 Haben Sie in der Therapie offen über Ihr lesbisches Empfinden/ Ihre sexuelle Orientierung
sprechen können?
gesamt
Ja
Nein
zum Teil
vorinformiert
nicht vorinformiert
87 (79%)
50 (93%)
36 (65%)
6 ( 6%)
1 ( 2%)
5 ( 9%)
17 (15%)
3 ( 6%)
14 (25%)
Zahl der Fragebögen, auf denen diese Frage beantwortet war insgesamt: 110:
D5
War das lesbische Empfinden/ Ihre sexuelle Orientierung bzw. Aspekte der lesbischen
Lebensweise für Sie ein bedeutsames Thema in der Therapie?
Ja
55 (51%)
Nein
52 (49%)
Auf 107 Fragebögen war diese Frage beantwortet.
D6
Hatten Sie den Wunsch, sich in der Therapie mit der Frage zu beschäftigen, warum Sie
lesbisch geworden sind, bzw. lesbisch empfinden?
Ja
10 ( 9%)
Nein
78 (71%)
zum Teil
22 (20%)
Auf 110 Fragebögen war diese Frage beantwortet.
D7
Hatten Sie selbst den Wunsch, Ihr lesbisches Empfinden/ Ihre sexuelle Orientierung zu
ändern in Richtung auf ein heterosexuelles Empfinden/ eine heterosexuelle Orientierung?
ja
nein
2 ( 2%)
107 (98%)
Auf 109 Fragebögen war diese Frage beantwortet.
67
E1.1 Ist der/ dieTherapeut/in von sich aus, ohne dass Sie selbst Ihr lesbisches Empfinden/ ihre
sexuelle Orientierung erwähnt haben, darauf zu sprechen gekommen?
E1.2 Wenn ja, wie fanden Sie das?
E1.3 Wenn nein, wie fanden Sie das?
insgesamt
fand ich gut
fand ich nicht gut
war mit egal
ja
22 (22%)
16 (73%)
5 (23%)
1 (5%)
nein
78 (78%)
25 (37%)
15 (22%)
27 (40%)
Auf 100 Fragebögen war diese Frage beantwortet.
E2
Wenn Sie selbst Probleme mit Ihrem lesbischen Empfinden/ ihrer sexuellen Orientierung
hatten: Haben Sie sich mit diesen Problemen vom Therapeuten/ von der Therapeutin verstanden gefühlt?
insgesamt
vorinformiert
nicht vorinformiert
ja
31 (51%)
20 (63%)
10 (36%)
nein
11 (18%)
3 ( 9%)
8 (29%)
zum Teil
19 (31%)
9 (28%)
10 (36%)
Auf 61 Fragebögen war diese Frage beantwortet.
E3 Hatten Sie den Eindruck, dass der/ die Therapeut/in es wichtig findet, dass Sie sich in der
Therapie mit der Frage beschäftigen, warum Sie lesbisch empfinden bzw. lesbisch geworden
sind?
ja
15 (14%)
nein
89 (86%)
Auf 104 Fragebögen war diese Frage beantwortet.
E4
Hatten Sie den Eindruck, dass der/ die Therapeut/in Ihr lesbisches Empfinden/ Ihre se-
xuelle Orientierung akzeptiert, bzw. Sie in dessen/ deren Akzeptanz unterstützt hat?
insgesamt
ja
nein
zum Teil
vorinformiert
nicht vorinformiert
83 (75%)
47 (85%)
36 (65%)
9 ( 8%)
2 ( 4%)
7 (13%)
18 (16%)
6 (11%)
12 (22%)
Auf 110 Fragebögen war diese Frage beantwortet.
68
E5
Hatten Sie den Eindruck, dass der/die Therapeut/in offen oder verdeckt darauf hingewirkt
hat, dass Sie Ihr lesbisches Empfinden/ Ihre sexuelle Orientierung ändern in Richtung auf ein
heterosexuelles Empfinden/ eine
heterosexuelle Orientierung?
insgesamt
Ja
vorinformiert
nicht vorinformiert
5 ( 5%)
2 ( 4%)
3 ( 6%)
nein
92 (84%)
51 (93%)
40 (75%)
zum Teil
12 (11%)
2 ( 4%)
10 (19%)
Auf 109 Fragebögen war diese Frage beantwortet.
E6.1 Haben Sie die Therapie abgebrochen?
ja
18 (16%)
nein
92 (84%)
Auf 110 Fragebögen war diese Frage beantwortet.
E6.2
Wenn ja, stand das in irgendeiner Weise mit (der Haltung der/des Therapeutin/en zu)
Ihrem lesbischen Empfinden/ Ihrer sexuellen Orientierung in Zusammenhang?
Ja
5 (28%)
Nein
11 (61%)
zum Teil
2 (11%)
Auf 18 Fragebögen war diese Frage beantwortet.
E7.1 Gab es Bemerkungen oder Verhaltensweisen von Seiten des/r Therapeuten/in, durch die
Sie sich als lesbisch empfindende/ lesbisch lebende Frau (auf grobe oder subtile Weise)
diskriminiert oder verletzt gefühlt haben?
insgesamt
vorinformiert
nicht vorinformiert
ja
32 (30%)
13 (25%)
19 (35%)
nein
76 (70%)
40 (75%)
35 (65%)
Auf 108 Fragebögen war diese Frage beantwortet.
F1.1
Haben Sie sich vor Beginn der Psychotherapie darüber informiert, ob der/ die Thera-
peut/in über lesbische Lebensweisen informiert ist und/ oder eine akzeptierende Haltung
gegenüber lesbischen/ lesbisch empfindenden Frauen einnimmt?
ja
55 (50%)
nein
55 (50%)
Auf 110 Fragebögen war diese Frage beantwortet.
69
F1.2 Wenn ja, wo?
bei Freundinnen/ Bekannten
28 (51%)
in einer Beratungsstelle
15 (27%)
bei dem/ der Therapeuten/in selbst
23 (42%)
Sonstiges
5 ( 9%)
Auf 55 Fragebögen war diese Frage beantwortet. Mehrfachnennungen waren möglich.
F2.1
Haben Sie bei mehreren Therapeut/inn/en Probesitzungen in Anspruch genommen,
bevor Sie sich auf eine/n Therapeuten/in festgelegt haben?
Ja
44 (41%)
Nein
64 (59%)
Auf 108 Fragebögen war diese Frage beantwortet.
F2.2
Wenn ja, bei wie vielen?
einer/m
7
zwei
25
drei
6
vier
3
fünf
1
sechs
0
sieben
1
unklar („mehrere“)
1
Auf 44 Fragebögen war diese Frage beantwortet.
F2.3
War bei den „ausprobierten“ Therapeut/inn/en der Umgang mit dem Thema des lesbi-
schen Empfindens/ der sexuellen Orientierung ausschlaggebend für die Nicht-Aufnahme der
Therapie?
ja
14 (32%)
nein
26 (59%)
unklar
4 ( 9%)
Auf 44 Fragebögen war diese Frage beantwortet.
Zum Verein:
Der Verein donna klara e.V. – Verein für feministisch-psychosoziale Arbeit und Selbsthilfe –
wurde 1987 im Zuge der neuen Frauenbewegung in Kiel gegründet. Er ist ein
Zusammenschluss von Frauen, die die Entwicklung frauengerechter Ansätze in Theorie und
Praxis der psychosozialen Arbeit fördern wollen.
Donna klara e.V. ist das Dach für die Psychosoziale Frauenberatungsstelle. Hier finden Frauen
Information und Beratung bei der Bewältigung von Lebens- oder psychischen Problemen.
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Jeweils im Herbst des Jahres erscheint ein Fortbildungsprogramm für professionelle Frauen aus
dem psychosozialen und sozialpsychiatrischen Bereich.
Der Bereich der Landesweiten Lesbenarbeit ist neben der Beratungs- und Fortbildungsarbeit
ein weiterer Arbeitsbereich der Beratungsstelle. In diesem Rahmen wurden die vorliegenden
Befragungen zur Situation lesbischer Frauen in der Psychotherapie durchgeführt und
ausgewertet.
Veröffentlichungen:
Dokumentationen:
Folgen der Gewalt
(Kostenbeitrag 3,50 Euro)
Vorträge 1990 – 1993 (Kostenbeitrag 5,00 Euro)
Rundbrief:
Sappho + Klara Infos zu lesbischem Leben
erscheint 3 mal im Jahr kostenlos
alle Veröffentlichungen sind zu beziehen über die Psychosoziale Frauenberatungsstelle donna
klara e. V., Goethestr. 9, 24116 Kiel
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