8. TAYLORPOLYNOME 1 Ein Beispiel. Die Sinusfunktion besitzt die uns schon bekannte Darstellung als Reihe: ∞ X x3 x5 x2n+1 n sin x = x − + ∓ ··· = (−1) 3! 5! (2n + 1)! n=0 Bricht man diese Reihe nach endlich vielen Schritten ab, so erhält man die Taylorpolynome t1(x) = x x3 t3(x) = x − 6 x3 x5 t5(x) = x − + 6 120 x5 x7 x3 t7(x) = x − + − 6 120 5040 2 Sie approximieren sin x in der Nähe von 0 mit wachsender Güte: t1(x) t5(x) t9(x) t3(x) t7(x) 3 33 t33(x) = x33! ∓ · · · 35 t35(x) = − x35! ± · · · t69(x) t71(x) 4 Diesen Sachverhalt wollen wir nun allgemein formulieren. Eine Funktion f : R → R von der Gestalt f (x) = a0 + a1x + · · · + an−1xn−1 + anxn mit reellen Zahlen a0, . . . , an und an 6= 0 heißt ein (reellwertiges) Polynom vom Grade n. 5 Die Ableitungen eines Polynoms: Sei f (k)(x) die k-te Ableitung des Polynoms f (x) = a0 + a1x + · · · + an−1xn−1 + anxn , also f (0) = f , f (1) = f 0, d.h. f (1)(x) = f 0(x) = a1 + · · · + (n − 1)an−1xn−2 + nanxn−1 f (2) = f 00 usw. Durch mehrfaches Ableiten fallen niedere Potenzen heraus. Insbesondere f (n)(x) = n!an , f (n+1)(x) = 0 6 Allgemeiner gilt, mit geeigneten Konstanten ck+1, . . . , cn (deren genaue Gestalt hier nicht wichtig ist), f (k)(x) = k!ak + ck+1x + · · · + cnxn−k Wenn man noch x = 0 einsetzt, bleibt ein einziger Term erhalten: f (k)(0) = k!ak 7 Bestimmung der Koeffizienten durch Differentiation: Umgekehrt ausgedrückt, die Koeffizienten des Polynoms bestimmen sich als f (k)(0) ak = k! Wir halten fest: n X f (k)(0) k f (x) = x k! k=0 8 Taylorpolynome. Diese Formel macht plausibel, dass man auch anderen Funktionen f (wie oben dem Sinus) an der Stelle 0 das Polynom n X f (k)(0) k x tn(x) = k! k=0 zuordnet. Also t0(x) = f (0) t1(x) = f (0) + f 0(0)x 1 t2(x) = f (0) + f 0(0)x + f 00(0)x2 2 . .. 9 Insbesondere ist t1(x) = f (0) + f 0(0)x die Tangente von f an der Stelle 0. Die Taylorpolynome verallgemeinern und verfeinern also die Tangente, wie oben beim Sinus. Sie approximieren die Funktion f (x) besonders gut an der Stelle 0. 10 Voraussetzung ist, dass f ausreichend häufig differenzierbar ist. Dann stimmen in 0 die Ableitungen von f und tn überein, bis hin zur n-ten Ableitung: (k) f (k)(0) = tn (0) für k = 0, . . . , n und dann gilt für x → 0 f (x) = tn(x) + o(|x|n) 11 Beispiel: e-Funktion. f (x) = ex, f (k)(x) = ex, f (k)(0) = 1, also 1 2 1 n tn(x) = 1 + x + x + · · · + x 2 n! P∞ 1 xn . Dies ist das Anfangsstück der Reihenentwicklung n=0 n! 12 Beispiel: Sinus-Funktion. Für f (x) = sin x gilt f 0 = cos, f 00 = − sin, f 000 = − cos, f 0000 = sin, und da geht es von vorne los. Also durchläuft f (0), f 0(0), f 00(0) . . . periodisch die Zahlen 0, 1, 0, −1, 0, 1, 0, −1, . . ., und die Taylorpolynome sind wie oben t1(x) = x x3 t3(x) = x − 6 x5 x3 + t5(x) = x − 6 120 x3 x5 x7 t7(x) = x − + − 6 120 5040 . . . Cosinus analog. 13 Die aus den Taylorpolynomen entstehende unendliche Reihe heißt Taylorreihe. Entsteht so wie in den bisherigen Beispielen immer eine überall gültige Reihendarstellung einer Funktion? Nein! 14 Beispiel: Geometrische Reihe. 1 = (1 − x)−1 mit x 6= 1 gilt Für f (x) = 1−x f (k)(x) = k!(1 − x)−(k+1) und f (k)(0) = k! und die Taylorpolynome sind tn(x) = 1 + x + · · · + xn 15 Also 1 − xn tn(x) = 1−x Nur für −1 < x < 1 verschwindet in dieser Formel für n → ∞ der Term xn. Also gilt die unendliche Reihenarstellung ∞ X 1 2 = 1 + x + x + ··· = xn 1−x n=0 für |x| < 1 Das ist die geometrische Reihe“. ” 16 Beispiel: Logarithmus. f (x) = ln(1 + x) Also f 0(x) = (1 + x)−1, f 00(x) = −(1 + x)−2, f 000(x) = 2(1 + x)−3, . . . , f (k)(x) = ±(k − 1)!(1 + x)−k und f (k)(0) = ±(k − 1)!. Die Taylorpolynome sind 1 1 1 tn(x) = x − x2 + x3 − · · · ± xn 2 3 n Die Taylorreihe stellt für −1 < x ≤ 1 den Logarithmus dar, 17 insbesondere ergibt sich für x = 1 die bemerkenswerte Formel ∞ X 1 1 1 n+1 ln 2 = 1 − + − · · · = (−1) 2 3 n n=1 18 Man kann die Stelle 0 durch eine andere Stelle x0 ersetzen. Dann haben die Taylorpolynome die Gestalt f (n)(x0) 0 tn(x) = f (x0) + f (x0)(x − x0) + · · · + (x − x0)n n! = n X f (k)(x0) k=0 k! (x − x0)k Es wird also 0 durch x0 und die Variable x durch x − x0 ersetzt. 19