Charakteristische Schimmelpilze

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2.3 Charakteristische Schimmelpilze
15
dabei die Tatsache, dass Schimmelpilzsporen in der Regel gefärbt sind.
Diese Pigmentierung, die z. B. durch Melanine hervorgerufen werden kann,
ist ein UV-Schutz, ohne den die Sporen durch den UV-Anteil des Sonnenlichts abgetötet würden. Die Sporenkonzentration unterliegt bestimmten
Rhythmen, die abhängig von Temperatur und Luftfeuchtigkeit sind. So sind
die Gesamtsporenkonzentrationen im Winter gering, während sie im Sommer relativ hoch sind. Dabei können insbesondere Luftturbulenzen zu einer
Verbreitung der Pilzsporen über hunderte von Kilometern führen.
Die Sporenkonzentration in der Innenluft von geschlossenen Räumen ist
dann deutlich von der Außenluft verschieden, wenn eine hermetische Abriegelung der Innenräume erfolgt. Ein bekanntes Phänomen ist die erhöhte
Sporenkonzentration im Winter, wenn durch Heizung und geringe Lüftung eine Anhäufung von xerophilen (xeros, griech. = trocken, Kap. 3.1.3)
Schimmelpilzen zu beobachten ist. Diese Schimmelpilze bilden dann auch
einen großen Anteil der so genannten intramuralen (intramuros, lat. = zwischen den Mauern) Schimmelpilzflora. Neben der quantitativen Häufigkeit
von Schimmelpilzen ist auch ihr Artenreichtum in Innenräumen besonders
dann hoch, wenn diese durch Stäube belastet sind (Kap. 2.2.1).
2.2.3
Wasser
Auch im Wasser können Schimmelpilzsporen nachgewiesen werden. Allerdings ist nicht klar, inwieweit diese Sporen durch Luftübertragung in das
Wasser eingeführt wurden. Da die Sporen der Schimmelpilze in der Regel
unbegeißelt sind, deutet dies auf eine Luftverbreitung der Sporen hin und
weniger auf eine Beweglichkeit im Wasser. Eine Ausnahme bilden die
begeißelten Sporen wasserlebender Oomyceten (Kap. 2.1.2).
2.3
Charakteristische Schimmelpilze
Nach der allgemeinen Morphologie, Systematik, Phylogenie und Lebensweise der Schimmelpilze werden in diesem Kapitel charakteristische Gattungen behandelt. Bei der Auswahl haben wir uns davon leiten lassen,
wie häufig Vertreter dieser Gattung in der Umwelt auftreten. Innerhalb
der Gattungen wiederum wurden einzelne Vertreter besonders herausgegriffen, weil sie z. B. in der Anwendung eine besondere Bedeutung besitzen, sei es als Mykotoxinbildner, Pflanzenschädling oder Produzent in der
Biotechnologie.
16
2.3.1
2 Biologie
Mucor
Die Mucoraceen stellen innerhalb der Zygomyceten (Jochpilze) die wohl
bekannteste Familie mit 18 Gattungen dar. Die Gattung Mucor wiederum
kann generell als phylogenetisch einfache und primitive Gruppe angesehen
werden, die durch ein sehr rasches Wachstum mit ca. 2–3 cm pro Tag bei
20 °C gekennzeichnet ist. Die taxonomische Klassifizierung ist schwierig;
derzeit wird von 49 Arten ausgegangen. Mucor-Arten können generell auf
organischem Material gefunden werden, bevorzugt auf Dung, daher gelten
alle Mucoraceen als koprophil („dungliebend“). Die ursprünglich weißen
oder gelben Kolonien nehmen nach wenigen Tagen aufgrund der intensiven
Sporenbildung eine Schwarz- bis Graufärbung an. Neben der vegetativen
Vermehrung kann bei einigen Arten auch eine sexuelle Vermehrung durch
Zygosporen beobachtet werden. Die Mucoraceen besitzen vielsporige Sporangien und können dadurch von vielen anderen Gattungen innerhalb der
Zygomyceten unterschieden werden (Abb. 2.5). Schimmelpilze finden sich
unter anderem in den folgenden Gattungen der Zygomyceten: Absidia, Apophysomyces, Mortierella, Rhizomucor und Rhizopus. Sie unterscheiden
sich von den Mucor-Arten unter anderem durch ihr Temperaturwachstums­
optimum, das deutlich über 37 °C liegt, während Mucor-Arten ein Temperaturoptimum unter 37 °C besitzen. Vertreter der Gattung Mucor werden
auch als so genannte „Köpfchenschimmel“ bezeichnet. Als Leitart soll hier
Mucor mucedo beschrieben werden.
Mucor mucedo
Diese Art zeichnet sich durch eine weltweite Verbreitung aus und kann
von anderen Vertretern der Gattung Mucor nur sehr schwer morphologisch
unterschieden werden.
Vorkommen Ein sehr häufiger Fundort ist der Dung von Pflanzenfressern, seltener wird die Art in Bodenproben gefunden. Häufig besiedelt der
Schimmelpilz pflanzliche Abfallstoffe und kann aufgrund seiner Enzymausstattung auch Holz zersetzen.
Morphologie Die Kolonien erreichen auf Vollmedium bei einer Temperatur von ca. 20 °C eine Höhe von 25–50 mm. Mucor mucedo wächst bei einer
Temperatur zwischen 5 °C und 25 °C, das Optimum liegt bei 22 °C. Ein
2.3 Charakteristische Schimmelpilze
17
Sporangiospore
Sporangienwand
Columella
Sporangienträger
Abb. 2.5 Habitus der Sporangienträger von Mucor spec. Oben sind eine schematische Zeichnung
(links) sowie ein Übersichtsfoto der Sporangiophoren (rechts) zu sehen. Das Bild links unten
zeigt ein reifes Sporangium mit austretenden Sporen, rechts unten ist ein entleertes Sporangium
zu erkennen, bei dem nur noch die Columella und ein ringförmiger Rest der Sporangienwand am
Ende des Sporangienträgers zu sehen sind. Der Maßstab beträgt bei den oberen beiden Bildern
150 µm und bei den unteren Bildern 10 µm
Wachstum oberhalb von 30 °C kann nicht beobachtet werden. Das Myzel
besitzt oft einen aromatischen Geruch. Neben der asexuellen Fortpflanzung
durch Mitosporen weist Mucor mucedo auch eine sexuelle Fortpflanzung
auf. Dabei können zwei so­genannte Kreuzungstypen unterschieden werden
(vgl. Kap. 4.2.1), deren gegenseitige Erkennung durch ein komplexes System von Isoprenoid-Derivaten gesteuert wird.
18
2 Biologie
Physiologie Die Sporangienträger werden von Hyphen getragen, die bis
zu 40 µm breit sein können und in einer typischen Columella enden. Diese
stellt eine Verdickung der Hyphe dar und ist bis zu 100 µm groß. Von der
Columella schnürt sich die eigentliche Bildungsstätte der Sporen, das Sporangium ab (Abb. 2.5). Die Sporangien selbst erreichen einen Durchmesser von ca. 250 µm und zeigen nach Ausreifung der Sporen eine braune
bis schwarze Pigmentierung. Die Bildung der Sporangienträger wird durch
blaues oder weißes Licht stimuliert. Die Bildung von Mykotoxinen ist bisher nicht beschrieben.
Allgemeine Angaben Wie viele andere Mucor-Arten ist Mucor mucedo
für allergische Reaktionen beim Menschen verantwortlich. Der Schimmelpilz trägt wesentlich zum sogenannten „Hausstaub“ durch die ganzjährige
Verbreitung der Sporen bei (Kap. 6.4.2).
2.3.2
Aspergillus
Die Gattung Aspergillus wird systematisch den Ascomyceten zugeordnet
und umgangssprachlich auch als Gießkannenschimmel bezeichnet. Zu dieser Gattung gehört mit ca. 260 Arten eine Vielzahl von Schimmelpilzen. Sie
ist wie folgt charakteri­siert: Am undifferenzierten Myzel bilden sich aufrecht
stehende Konidiophoren, die terminal in einer vesikelartigen Anschwellung
enden. Die Vesikel sind entweder durch eine Schicht von Phialiden1 (auch
Sterigmata genannt) bedeckt oder aber von einer Schicht von Metulae, die
wiederum Bündel von Phialiden tragen (Abb. 2.6). Die Bildung von Metulae und Phiali­den erfolgt synchron; letztere schnüren Ketten von Konidien
ab, die nach völliger Reife abgeworfen werden. Wie bei Schimmelpilzen
häufig, bilden alle Arten auf Festmedien nach völliger Ausdifferenzierung
der Konidien typische, ornamentartige Strukturen (Kap. 3.1).
Viele Vertreter der Gattung können sich nur asexuell fortpflanzen. Allerdings existieren verschiedene Gattungen, die als Teleomorphe der anamorphen Gattung Aspergillus angesehen werden (Infobox 2.2). Hierzu zählen z. B. die Gattungen Emericella, Eurotium, Fennellia und Neosartorya.
Neben dem unten näher beschriebenen Aspergillus niger sind verschiedenste
Aspergillus-Arten erwähnenswert. Hierzu zählt z. B. Aspergillus nidulans,
1
Phialiden sind die Endzellen der Sporangiophoren, von denen die Konidien abgeschnürt
werden.
2.3 Charakteristische Schimmelpilze
19
Konidiospore
Phialide
Vesikel
Metula
Konidienträger
Abb. 2.6 Habitus der Sporangienträger von Aspergillus niger. Oben sind eine schematische
Zeichnung eines Konidienträgers (links) sowie ein rasterelektronenmikroskopisches Übersichtsbild von reifen Sporangienträgern (rechts) zu sehen. Unten sind ein junger (links) bzw. reifer
(rechts) Konidienträger im Detail dargestellt. Der Maßstab beträgt 200 µm bei dem Bild oben
rechts, sonst 20 µm
der als Modellorganismus der Grundlagenforschung gilt und sowohl einen
sexuellen als auch einen asexuellen Lebenszyklus besitzt. Als Mykotoxinbildner, der auf verdorbenen Nahrungsmitteln gefunden werden kann, ist
Aspergillus flavus bemerkenswert (Kap. 6.3). Dieser Pilz ist, wenn auch viel
seltener als Aspergillus fumigatus, Verursacher der pulmonalen Aspergillose beim Menschen (Kap. 6.1). In Asien wird bei der Nahrungsfermentation häufig Aspergillus oryzae eingesetzt, der auch als Koji-Mould bezeichnet wird (Kap. 5.2). Aspergillus terreus bzw. Aspergillus sydowii sind als
20
2 Biologie
Infobox 2.2
Teleomorphe und Anamorphe
Als Teleomorphe werden solche Arten bezeichnet, die sich sexuell vermehren können und dabei morphologisch erkennbare Strukturen (typischerweise
Fruchtkörper) ausbilden. Dem gegenüber stehen Anamorphe, die ausschließlich asexuelle Fortpflanzungszellen aus­bilden (Kap. 2.1.1). Typischerweise sind
die meisten Schimmelpilze als Anamorphe zu bezeichnen, bei einigen Arten
wurden aber nachträglich sexuelle Formen entdeckt, die dann oft unter anderem Namen bekannt sind. Bei­spiele hierfür sind in den folgenden Gattungen zu
finden: Eupenicillium (Teleomorph) und Penicillium (Anamorph) oder Emericella
(Teleo­morph) und Aspergillus (Anamorph).
pharmazeutisch wichtige Produzenten von Statinen bzw. von Mulundocandinen erwähnenswert (Kap. 5.1).
Apergillus niger
Als Leitart der Gattung Aspergillus wird im Folgenden Aspergillus niger
vorgestellt. Diese Art kann als eine der häufigsten innerhalb der Gattung
angesehen werden und kommt ubiquitär vor. Isolate können von allen nur
erdenklichen Substraten gewonnen werden. Biotechnologisch werden ausgewählte Stämme für die Produktion verschiedener organischer Säuren
und kom­merzieller Enzyme genutzt (Kap. 5.1). Überragend ist dabei die
Rolle als Produzent von mehr als 90% der kommerziell genutzten Zitronensäure (Kap. 5.1.1). Aspergillus niger kann auch für menschliche Infektionen verantwortlich sein, so zum Beispiel für die invasive pulmonale
Aspergillose oder auch für das AFS-Syndrom (pilzbedingte allergische
Nasennebenhöhlen­entzündung – allergic fungal sinusitis, Kap. 6.1)
In der Literatur werden oft verschiedene Aspergillus-Arten unter der
Formgattung „Aspergil­lus niger“ zusammengefasst, die jedoch morphologisch nicht oder nur für den sehr erfahrenen Taxonomen voneinander zu
unterscheiden sind. Lediglich molekulargenetische Verfahren erlauben eine
zweifelsfreie Differenzierung.
Vorkommen Aspergillus niger kommt ubiquitär vor und konnte auf allen
Kontinenten in sämtlichen Klimazonen identifiziert werden. Dies schließt
aride Standorte (Wüsten, Steppen) ebenso wie Nadelholzwälder ein. Die
Variabilität des Standortes wird auch dadurch gekennzeichnet, dass Aspergillus niger sowohl in Sanddünen, Salzmarschen und Mangrovenschlamm
2.3 Charakteristische Schimmelpilze
21
als auch in marinen Habitaten bis zu einer Bodentiefe von 45 cm gefunden wurde. Extreme Fundorte stellen auch Schwermetall-belastete Abwässer dar. Andere Fundorte sind ebenfalls bedeutend: Aspergillus niger findet sich auf Pflanzenteilen, z. B. auf Samen, oder auch im Lungengewebe
infizierter Patienten (Kap. 6.1). Die Mehrzahl der Aspergillus niger-Isolate
kann allerdings, im Gegensatz zu anderen Aspergillus-Arten, eher in gemäßigten als in tropischen Klimazonen gefunden werden.
Morphologie Bei 24–26 °C bildet Aspergillus niger auf Festmedien nach
wenigen Tagen Kolonien mit einem Durchmesser von ca. 2,5–5,0 cm. Innerhalb von 2–3 Tagen entstehen am Myzel Fußzellen, aus denen Konidienträger mit einer Höhe von 1,5–3 mm hervorgehen. An den Konidiophoren entstehen Metulae und Phialiden, welche ihrerseits Ketten von Konidiosporen
abschnüren (Abb. 2.6). Die schwarzen Konidien besitzen einen Durchmesser von ca. 4–5 μm. Invers korreliert zur Konidienbildung kann es auch zur
Sklerotienbildung kommen (Kap. 2.1.1), was meist bei Temperaturen über
25 ºC geschieht.
Physiologie Aspergillus niger besitzt mit 17–42 °C ein breites Wachstums­
optimum. Als Minima und Maxima wurden folgende Werte bestimmt: 11 °C
bzw. 47–48 °C. Die Konidienbildung kann z. B. durch 3-Phosphoglycerat,
Pyruvat oder andere Intermediate des Citrat-Zyklus (Kap. 3.2.2) stimuliert
werden. Ebenso wirkt Glutamat stimulierend auf die Differenzierung, dagegen zeigen hohe Konzent­rationen von Ammonium oder auch Thioharnstoff
einen hemmenden Einfluss auf die Konidienbildung.
Seit ca. 100 Jahren wird dieser Pilze zur Zitronensäurefermentation
genutzt (Kap. 5.1.1). Leistungsstämme sind heute in der Lage, mehr als
200 g/Liter zu bilden. Eine weitere biotechnologisch bedeutende Anwendung stellt die Produktion von Glucoamylase dar, eines Enzyms, das vom
Pilz sehr effizient ausgeschieden wird (Sekretion, Kap. 3.2). Es werden
Ausbeuten von mehr als 10 g/Liter erreicht. Die Glucoamylase wird für
die industrielle Umwandlung von Stärke in Glucose genutzt. Der bei diesen Prozessen entste­hende Glucose-haltige Sirup dient in der Lebensmittelindustrie als Kohlenstoffquelle für fermentative Prozesse wie z. B. der Ethanolproduktion. Es kann davon ausgegangen werden, dass Aspergillus niger
in Zukunft als Produzent von heterologen Genprodukten, wie z. B. menschlichen Proteinen, an Bedeutung gewinnt.
Allgemeine Angaben Vor Kurzem wurde die Gesamtgenomsequenz dieses
Pilzes ermittelt. Das Genom hat eine Größe von 34 Mb, die auf acht Chro-
22
2 Biologie
mosomen verteilt sind. Ausgehend von diesen Daten kann auf ca. 14.200
proteinkodierende Gene geschlossen werden (Kap. 4.2.1, Tabelle 4.2). Dies
beinhaltet auch viele bisher uncharakterisierte Enzyme, die auf neue biotechnologische Anwendungen hoffen lassen.
2.3.3
Penicillium
Diese Gattung ist systematisch den Ascomyceten (Schlauchpilzen) zuzuordnen und zeichnet sich durch die Ausbildung von typischen Sporenträgern (Konidiophoren) aus. Zurzeit sind ca. 235 Penicillium-Arten beschrieben, die durch ihre Morphologie unterscheidbar sind. In Abb. 2.7 ist ein
typischer Sporenträger zu erkennen, der durch die Ausbildung von charakteristischen Verzweigungen (Rami, Metulae und Phialiden) gekennzeichnet
ist. Die Struktur der Sporenträger ist auch namensgebend für den umgangssprachlichen Namen Pinselschimmel. Diese Morphologie der Sporenträger kann jedoch abhängig von der Art reduziert sein, so können Rami bzw.
Rami und Metulae fehlen. Ein Myzelwuchs ist meist zwischen 5 °C und
37 °C zu beobachten. Generell kommen Penicillium-Arten eher in gemäßigteren Klimazonen vor, da sie niedrigere Temperaturen bevorzugen als die
eher wärmeliebenden Aspergillen, die häufiger in tropischen Klimaregionen
oder auf Wärme-erzeugenden Substraten zu finden sind.
Penicillium-Arten vermehren sich in der Regel ausschließlich durch asexuelle Sporen. Vertreter, die sich sexuell fortpflanzen, wurden inzwischen in
die Gattungen Talaromyces und Eupenicillium eingeordnet (Infobox 2.2). In
Bodenproben werden Penicillium-Arten auch in tieferen Schichten gefunden; dies liegt möglicherweise an der Tatsache, dass viele Arten Antibiotika
als Sekundärmetabolite ausscheiden und somit gegenüber Bodenbakterien
einen Wuchsvorteil besitzen.
Bekannte Vertreter der Gattung Penicillium sind die bei der Käseproduktion genutzten Arten Penicillium camemberti und Penicillium roqueforti
sowie Penicillium nalgiovense, der bei der Wurst- und Schinkenherstellung eingesetzt wird (Kap. 5.2). Schließlich sind auch der Antibiotika-Produzent Penicillium chrysogenum oder der Statin-Produzent Penicillium citrinum erwähnenswert (Kap. 5.1). Als Saprophyten können unterschiedliche
Vertreter der Gattung Penicillium aus Bodenproben oder von organischen
Abfällen isoliert werden.
2.3 Charakteristische Schimmelpilze
23
Abb. 2.7 Habitus der Sporangienträger von Penicillium expansum. Links ist eine schematische
Zeichnung eines Konidienträgers zu sehen. Das Foto oben rechts zeigt ein lichtmikroskopisches,
das unten rechts ein rasterelektronenmikroskopisches Bild eines reifen Konidienträgers. Der
Maßstab beträgt 10 µm
Penicillium expansum
Als Leitart der Penicillien soll hier Penicillium expansum vorgestellt werden. Es handelt sich um eine der am häufigsten isolierten Penicillium-Arten
mit einer nahezu weltweiten Verbreitung auf verschiedensten verrottenden
Substraten sowie aus Erdproben.
24
2 Biologie
Vorkommen Penicillium expansum kommt sehr häufig vor, besonders auf
Früchten und Beeren. In Obstplantagen oder auch in Weinkulturen kann dieser Schimmelpilz zu großen Ernteausfällen führen, da er leicht durch Insekten übertragbar ist. Der Pilz ist für die „Grünfäule“ verantwortlich, die z. B.
in Weinbergen deutlich von der Grau- oder Edelfäule unterschieden werden
kann, die durch Botrytis cinerea verursacht wird (Kap. 5.2.6).
Morphologie Bei einer Temperatur von ca. 24 °C bildet Penicillium
expansum auf Festmedien innerhalb von 7–14 Tagen Kolonien mit einem
Durchmesser von 4–5 cm. Die Kolonien sind aufgrund der intensiven Konidienbildung hellgrün, können aber auch eine gelb-braune Färbung annehmen. Die Konidienträger weisen eine typische, in Rami, Metulae und Phialiden gegliederte Struktur auf (Abb. 2.7). Sexuelle Fortpflanzungsstrukturen
wurden bei diesem Schimmelpilz bisher nicht beobachtet.
Physiologie Die optimale Temperatur zur Konidienkeimung beträgt
23–30 °C. Das Temperaturminimum des vegetativen Wachstums liegt bei
–3 °C. Aufgrund seines Vorkommens auf Früchten ist es nicht überraschend,
dass der Pilz Pektine abbauen kann, die Bestandteil der pflanzlichen Zellwand sind. Außerdem kann der Pilz verschiedene Mykotoxine produzieren.
Das bekannteste ist das Patulin, welches z. B. in Obst, das von Penicillium
expansum besiedelt wurde, gefunden wird (Kap. 6.3, Infobox 6.1).
Allgemeine Angaben Penicillium expansum ist ein häufiger Schädling der
Apfelernte. Deshalb gilt in der EU ein Grenzwert für das Mykotoxin Patulin
von 25 µg/kg für Apfelmus und 50 µg/kg für Obstsäfte.
2.3.4
Fusarium
Die Vertreter der Gattung Fusarium werden systematisch den Ascomyceten zugerechnet. Teleomorphe dieser Arten werden auch unter der Gattung
Gibberella geführt. Die Fusarien kommen häufig auf Pflanzen als Parasiten
vor, die entsprechenden Erkrankungen werden auch als Fusariosen bezeichnet. Alle Fusarium-Arten sind durch ein schnelles Wachstum charakterisiert, dabei können die Myzelien eine blass oder kräftig braunrote Färbung
annehmen. Das Luftmyzel ist stark ausgebildet. Gemeinsam ist allen Fusarien, dass sie Konidiosporen ausbilden, die eine charakteristische spindel-
2.3 Charakteristische Schimmelpilze
25
Abb. 2.8 Habitus der Sporangienträger von Fusarium graminearum. Oben links ist eine schematische Zeichnung, oben rechts ein rasterelektronenmikroskopisches Bild der Sporen innerhalb des
vegetativen Myzels zu sehen. Unten sind einzelne Sporen schematisch (links) bzw. im mikroskopischen Bild (rechts) dargestellt. Der Maßstab beträgt 20 µm
förmige oder sichelförmige Morphologie zeigen (Abb. 2.8). Fusarien sind
Kosmopoliten und können in der Regel leicht als Bodenpilz aus Proben isoliert werden. Fusarium oxysporum ist insofern bemerkenswert, als dass dieser Pilz gegen Hanf (Cannabis sativa) und Coca (Erythroxylon coca) als
Biowaffe eingesetzt werden sollte. Er wurde unter dem Namen Agent green
bekannt. Insgesamt sind 142 Spezies beschrieben worden, von denen hier
als Leitart Fusarium graminearum beschrieben werden soll.
26
2 Biologie
Fusarium graminearum
Fusarium graminearum ist die anamorphe Form des sich sexuell vermehrenden Pilzes Gibberella zeae. Letzterer bildet schwarze bis dunkelblaue
Perithezien (Fruchtkörper), die einen Durchmesser von 140–250 µm haben.
Der Art Fusarium graminearum werden oft verschiedenste Fusarium-Arten
zugeordnet, da die Bestimmung aufgrund der ähnlichen Morphologie nicht
immer zweifelsfrei verläuft.
Vorkommen Fusarium graminearum wird ubiquitär auf allen Kontinenten
gefunden, und zwar sehr häufig als Pathogen von Getreiden. Allerdings ist
die Besiedlung anderer Pflanzen auch beschrieben worden. Die bekannteste
Pflanzenkrankheit, die durch Fusarium graminearum hervorgerufen wird,
ist die Ährenfusariose (Taubährigkeit oder head blight) des Weizens, die
durch den Befall der Ähren an der dunklen Verfärbung erkennbar ist.
Morphologie Die Kolonien wachsen recht schnell und erreichen innerhalb
von vier Tagen bei 25 °C einen Durchmesser von 9 cm. In der Regel ist das
Myzel bräunlich und bildet viele Lufthyphen aus.
Im Vergleich zu anderen Hyphenpilzen ist die Sporulation eher gering ausgebildet, kann allerdings durch UV-Bestrahlung erhöht werden. Die Konidienträger können verzweigt sein, an ihnen bilden sich leicht gekrümmte,
mehrzellige Konidien aus. Sie haben in der Regel 5–6 Septen und sind
41–60 µm lang, mit einer Dicke von 4–6 µm. In den Konidien befindet sich
in der Regel nur ein Kern.
Physiologie Die optimale Wachstumstemperatur von Fusarium graminearum beträgt 25 °C, der tolerierte pH-Bereich liegt zwischen 5 und 8.
Neben verschiedenen Zuckern werden auch Polyphenole als Kohlenstoffquelle genutzt. Außerdem ist von angewandter Seite her interessant, dass
bei Anzucht auf kostengünstigen Kohlenstoffquellen wie Glycerin, Lactaten oder Stärke die Bildung proteolytischer Enzyme beobachtet werden
kann. Fusarium graminearum bildet ähnlich anderen pflanzenpathogenen
Schimmelpilzen verschiedene Mykotoxine, wie z. B. Deoxynivalenol, das
als Reizstoff des Magen-Darm-Traktes wirkt (Kap. 6.1.3).
Allgemeine Angaben Als Pflanzenpathogen verursacht Fusarium graminearum im Landwirtschaftsbereich Schäden von bis zu mehreren Milliarden Euro, dabei können Ernteausfälle bis zu 70% auftreten. Außerdem
2.3 Charakteristische Schimmelpilze
27
hat dieser Pilz eine Bedeutung als Produzent des Nahrungseiweißes Quorn
erhalten (Kap. 5.2.5). Das Genom von Fusarium graminearum wurde vor
kurzem sequenziert (Kap. 4.2.1), da dieser Pilz eine große Bedeutung in der
Grundlagen- und angewandten Forschung besitzt.
2.3.5
Alternaria
Die Gattung Alternaria wird systematisch den Ascomyceten zugeordnet. Es
wurden ca. 300 Arten beschrieben, von denen die meisten als Pflanzenpathogene wirtsspezifisch parasitieren. Deshalb sind viele Isolate auf Samen
zu finden. Einige Arten sind jedoch saprophytisch, kommen ubiquitär vor
und können aus Erdproben isoliert werden. Gemeinsames Kennzeichen
aller Arten ist die Tatsache, dass die Myzelien eine bräunliche bis grünliche Färbung zeigen und dass sie an den wenig verzweigten Konidiophoren mehrteilige, aneinandergereihte Konidiosporen tragen (Abb. 2.9). Viele
Alternaria-Arten kommen auf Lebensmitteln (Obst, Gemüse, Nüssen) vor
und bilden dort Mykotoxine wie z. B. Alternariol (Kap. 6.1.3). Eine der häufigsten Arten ist Alternaria alternata, welche als Leitart vorgestellt werden
soll.
Alternaria alternata
Die Art ist sehr häufig anzutreffen und kann weltweit gefunden werden. Die
Konidiophoren und Konidiosporen zeigen eine goldbraune Färbung, die
Sporen sind wie für diese Gattung typisch mehrteilig (Abb. 2.9). Die Konidiosporen zerfallen bei der Reifung und tragen somit zur schnellen Verbreitung bei.
Vorkommen Alternaria alternata ist extrem verbreitet und kann als kosmopolitische Art auf unterschiedlichen Substraten vorkommen. Hierzu
gehören neben Erde und Pflanzenteilen auch Nahrungsreste und Textilien.
Das Vorkommen auf Pflanzen deutet weniger auf eine Pathogenität dieses
Pilzes hin, sondern eher auf die Tatsache, dass der Pilz geschwächte oder
abgestorbene Pflanzenteile befällt.
Morphologie Auf Festmedien zeigt der Pilz nach eintägigem Wachstum
einen Durchmesser von ca. 1 cm. Bereits nach 24 Stunden kann die Sporula-
28
2 Biologie
Abb. 2.9 Habitus der Sporangienträger von Alternaria spec. Oben links ist eine schematische
Zeichnung der Sporangienträger zu sehen, oben rechts eine rasterelektronenmikroskopische Aufnahme der Sporen. Unten sind lichtmikroskopische Fotos einer Sporenkette (links) bzw. einer
einzelnen Spore (rechts) dargestellt. Der Maßstab beträgt 20 µm
tion beobachtet werden, welche vom Rotspektrum des Lichtes abhängig ist.
Generell werden im Dunkeln mehr Konidiosporen als im Licht produziert.
Sie werden von Konidienträgern in Ketten gebildet und sind mehrkammerig, dickwandig und bis zu 50 µm lang (Abb. 2.9). Das Myzel wie auch die
Konidien zeigen eine bräunliche bis grau-grüne Färbung, die abhängig vom
Medium ist und durch Melanine verursacht wird.
Physiologie Alternaria alternata weist ein optimales Wachstum zwischen
25 und 28 °C auf. Als Minima und Maxima gelten folgende Werte: 2,5 °C
2.3 Charakteristische Schimmelpilze
29
bzw. 32 °C. Oberhalb von 32 °C ist in der Regel kein Wachstum möglich.
Das Optimum der Sporulation ist bei einer Temperatur zwischen 25 und
27 °C zu beobachten, der pH-Wert sollte bei ca. 4–5,4 liegen. Im Gegensatz dazu wächst das Myzel innerhalb eines weiten Toleranzbereiches von
pH 2,7–8,0. Geeignete Kohlenstoffquellen sind neben Glucose auch Maltose, Saccharose und Raffinose. Allerdings wächst der Pilz auch auf anderen komplexen Kohlenstoffquellen, wie z. B. Stärke. Alternaria alternata
produziert wie viele andere Schimmelpilze Mykotoxine, die für Mensch
und Tier toxisch sind (Kap. 6.3).
Allgemeine Angaben Alternaria alternata besitzt als Verwerter von Cellulose auch eine biotechnologische Bedeutung. Selbst Phenol-Lignin-Verbindungen werden von diesem Pilz abgebaut. Auch wurde berichtet, dass
in Submerskulturen ökonomisch relevante Mengen von β-Galactosidase
gebildet werden (Tab. 3.4). Schließlich ist Alternaria alternata toxisch für
Warmblüter, wenn Getreide, das mit diesem Pilz infiziert ist, verfüttert wird.
Die vom Pilz gebildeten Mykotoxine führen beim Menschen zur Leukozytopenie (Mangel an weißen Blutkörperchen, Kap. 6.3).
Literatur zu Kapitel 2
Domsch KH, Gams W, Anderson TH (2007) Compendium of soil fungi. 2nd Edition IHW,
Eching
Esser K (2000) Kryptogamen – Cyanobakterien, Algen, Pilze, Flechten. Springer, Berlin,
Heidelberg
Hibbett DS et al. (2007) A higher-level phylogenetic classification of the Fungi. Mycol Res
111: 509–547
Kirk PM, Cannon PF, David JC, Stalpers JA (eds) (2001) Ainsworth & Bisby’s Dictionary
of the Fungi. CABI, Wallingford
McLaughlin DJ, McLaughlin EG, Lemke PA (eds) (2001) The Mycota. Vol. VII, Parts A
and B, Systematics and Evolution. Springer, Berlin, Heidelberg
Moore D (1998) Fungal morphogenesis. Cambridge Univ Press, Cambridge
5.2 Lebensmitteltechnologie
117
der Fusionsproteine wird generell bevorzugt in Schimmelpilzen genutzt,
dabei werden die zwei fusionierten Proteine durch eine sogenannte Erkennungsstelle für eine Protease voneinander getrennt. Eine post-translationale
Spaltung des Fusionsproteins liefert dann das fertige heterologe Protein.
5.2
Lebensmitteltechnologie
Pilze haben aus verschiedenen Gründen eine große Bedeutung für die
Lebensmittelindustrie. Zum einen kennt jeder Pilze wie Champignons oder
Pfifferlinge, die auf dem Markt oder im Lebensmittelgeschäft angeboten
werden. Zum anderen wird auch bei der Herstellung von Lebensmitteln
wie etwa Brot, Bier und Wein direkt auf Pilze zurückgegriffen, in diesem
Fall auf die Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae. Ferner spielen in der
Lebensmittelindustrie auch Enzyme (Kap. 3.2), Aromastoffe oder Lebensmittelfarbstoffe aus Schimmelpilzen eine bedeutende Rolle (Kap. 3.2). Ein
Beispiel ist der mit dem Schimmelpilz Monascus purpureus fermentierte
rote Reis (Ang-kak, Tabelle 5.4), der in Asien zum Anfärben verschiedener
Lebensmittel wie beispielsweise Sake (Tabelle 5.4) genutzt wird. Roter Reis
hat eine gewisse Berühmtheit erlangt, da in ihm cholesterinsenkende Substanzen entdeckt wurden und er deshalb in einigen Ländern als Nahrungsergänzungsmittel zugelassen ist (Infobox 5.3). Ein weiterer Aspekt, von dem
dieses Kapitel handeln soll, sind die essbaren Schimmelpilze.
Der Haupteinsatzort von Schimmelpilzen in der Lebensmittelindustrie ist die Fermentation (Tabelle 5.4). Dabei werden biologische Materialien mit Schimmelpilzen beimpft und unter bestimmten, meist traditionell
etablierten Bedingungen, inkubiert. Während dieser Inkubation sekretieren die Pilze Enzyme, die das Ausgangsmaterial ab- oder umbauen. Häufig
spielen auch zusätzlich Hefen und Bakterien eine Rolle. Ein sehr bekanntes Beispiel für ein fermentiertes Lebensmittel ist die Sojasauce, die deshalb auch noch ausführlicher beschrieben werden soll (Kap. 5.2.1), aber
auch Tempeh ist weit verbreitet (Kap. 5.2.2). Die bekanntesten in Europa
mit Schimmelpilzen hergestellten Lebensmittel sind der Schimmelpilzkäse
(Kap. 5.2.3) und bestimmte Fleischwaren wie Salami (Kap. 5.2.4). Obwohl
die Fermentation grundsätzlich eine relativ lange Zeit in Anspruch nimmt
und zunächst höhere Kosten verursacht, gibt es viele Vorteile. So werden
durch die Sekretion von Enzymen komplexe Moleküle in niedermolekulare Verbindungen gespalten, wodurch die Bekömmlichkeit erhöht wird,
dies ist besonders bei Sojaprodukten wichtig (Kap. 5.2.1). Durch die Fermentation werden außerdem Lebensmittel konserviert, häufig entsteht ein
118
5 Anwendungen
Tabelle 5.4 Mit Hilfe von Schimmelpilzen fermentierte Lebensmittel. Die Tabelle listet die
bekanntesten fermentierten Lebensmittel auf, bei deren Herstellung Schimmelpilze beteiligt sind.
Für viele Prozesse werden zusätzlich hier nicht aufgeführte Bakterien und Hefen benötigt
Bezeichnung
Substrat
Beschaffenheit
und Verwendung
Schimmelpilz
Ang-kak
(Roter Reis)
Reis
Pulver,
Lebensmittelfarbstoff,
Würzmittel, Nahrungs­
ergänzungsmittel
Monascus purpureus,
Monascus ruber,
Monascus pilosius
Blauschimmelkäse
Milch
halbfest, proteinreiche
Nahrung
Penicillium roqueforti
Hamanatto
Sojabohnen,
Weizenmehl
weiche Bohnen,
Geschmacksverbesserer
Aspergillus oryzae
Miso / Sojapaste
Sojabohnen,
Reis / Gerste
Paste, eiweißreiches
Grundnahrungsmittel,
Würzmittel
Aspergillus oryzae,
Aspergillus sojae
Ontjom
ErdnussPresskuchen
fester Kuchen,
geröstet oder frittiert
als Fleischersatz
Neurospora
intermedia,
Neurospora sitophila
Peuyeum
Maniok
halbfeste Masse,
Zwischenmahlzeit
Amylomyces rouxii
Sake (Reiswein)
Reis
flüssig, Getränk
Aspergillus oryzae
Salami
Wurst
fest,
proteinreiche Nahrung
Penicillium spec.,
besonders Penicillium
nalgiovense,
Penicillium
chrysogenum
Sojasauce
Sojabohnen,
Weizenschrot
(bei japanischer
Sojasauce), Salz
salzige, dunkle
Flüssigkeit, Würzmittel
Aspergillus oryzae,
Aspergillus sojae
Sufu
Tofu
(Sojabohnenkäse)
salzige Würfel,
Hauptgericht
Actinomucor elegans
Tempeh
hauptsächlich
Soja­bohnen, auch
Getreide, Erdnussund KokosnussPresskuchen
halbfester Kuchen,
geröstet oder frittiert
oder als Fleischersatz
in Suppen
Rhizopus oligosporus,
Rhizopus chinensis,
Rhizopus oryzae,
Mucor indicus
Weißschimmelkäse
Milch
halbfest,
proteinreiche Nahrung
Penicillium
camemberti
5.2 Lebensmitteltechnologie
119
besserer Geruch und Geschmack oder auch eine andere Farbe oder Materialbeschaffenheit. Zusätzlich erfolgen der Abbau unerwünschter Bestandteile, z. B. von zu Flatulenz (Blähungen) führenden Oligosacchariden und
die Anreicherung mit erwünschten Bestandteilen wie Vitaminen. Die meisten Fermentationsprozesse können nicht steril durchgeführt werden, daher
kommt in fermentierten Lebensmitteln häufig eine Vielzahl von Bakterien,
Hefen und Schimmelpilzen vor, die aus dem Substrat, den Starterkulturen
oder aus Kontaminationen während der Verarbeitung stammen können und
die alle zur Fermentation beitragen.
Schimmelpilze können aber auch direkt als Proteinquelle dienen und
dann ein Fleischersatz sein. Ein Beispiel ist Quorn™ aus dem Pilz Fusarium venenatum (Kap. 5.2.5). Mitunter werden in der Natur vorkommende
Schimmelprozesse in der Lebensmittelproduktion genutzt, z. B. bei dem
Befall von Weintrauben mit Botrytis cinerea. Hierbei entstehen unter idealen Bedingungen edelfaule Trauben, die als Ausgangsstoff für AusleseWeine dienen (Kap. 5.2.6).
5.2.1
Sojasauce
Die Sojabohne gehört zu den Hülsenfrüchten und ist die Grundlage einer
Reihe von Nahrungsmitteln wie Sojamilch, Tofu und Sojasauce. Letztere ist
das in Europa bekannteste fermentierte Sojaprodukt. Sie wird seit Jahrtausenden unter verschiedenen Bezeichnungen (Japan: Shoyu, China: Chiang
Yiu, Indonesien: Ketjap, Philippinen: Taosi, Korea: Ganjang) in asiatischen
Ländern produziert (Abb. 5.9). In Japan beispielsweise werden pro Jahr
rund 10 Liter Sojasauce pro Kopf hergestellt und verbraucht. Sojabohnen
dienen aber auch bei einer großen Menge weiterer fermentierter Lebensmittel als Substrat (Tabelle 5.4, Kap. 5.2.2).
Die Herstellung von Sojasauce erfolgt entweder ausschließlich aus
Sojabohnen (chinesische Sojasauce) oder aus einer Sojabohnen-Weizen-Mischung (japanische Sojasauce). Durch die Fermentation wird zum
einen die sonst schwer verdauliche Sojabohne aufgeschlossen, zum anderen werden auch einige unerwünschte Bestandteile abgebaut. Hierzu gehören die in der Sojabohne vorkommenden Trypsin-Inhibitoren10 und die Phy-
Trypsin ist ein im Dünndarm aktives Verdauungsenzym, das Proteine spaltet.
10
120
5 Anwendungen
Abb. 5.9 a–d Mit Schimmelpilzen fermentierte Lebensmittel. a Sake, gemahlene Sojabohnensauce und Sojasauce werden hauptsächlich in Asien, vermehrt aber auch in Europa konsumiert.
b Schimmelkäse wie Bavaria Blu (hinten links), Gorgonzola (vorne) und Camembert (rechts)
sind Standardartikel in deutschen Supermärkten. An dem typischen Schimmelbewuchs auf der
Oberfläche (c) erkennt man die Edelsalami (d)
tinsäure, die im menschlichen Darm essenzielle Metallionen binden kann,
aber durch pilzliche Phytasen abgebaut wird. In der Abb. 5.10 ist ein Flussdiagramm dargestellt, welches die Produktion japanischer Sojasauce veranschaulichen soll. Der Herstellungsprozess beginnt mit einer Mischung
aus gekochten Sojabohnen und geröstetem Weizenschrot, die mit Sporen
5.2 Lebensmitteltechnologie
121
Sojabohnen
Weizen
Einweichen
Rösten
Druckkochen
Schroten
Koji-Starterkulturen
Aspergillus oryzae
Aspergillus sojae
Koji
2-3 Tage ca. 25 °C
Wasser
Kochsalz
Tamari
(einfache Sojasauce)
Salzlake
(22-25 % Kochsalz)
Moromi-Brei
Fermentation
(Schimmelpilze, Bakterien,
Hefen; mehrere Monate)
Pressen
„Rohe“ Sojasauce
Pasteurisieren
Fertige Sojasauce
Abb. 5.10 Flussdiagramm zur Veranschaulichung der Herstellung von Sojasauce. Stellen, an denen Schimmelpilze zugegeben werden, sind grün hervorgehoben
122
5 Anwendungen
von Aspergillus oryzae oder Aspergillus sojae beimpft wird. Das so entstandene Koji11 (Kap. 5.1.1) wird zwei bis drei Tage bei 25 °C inkubiert, wobei
pilzliche Enzyme wie etwa Cellulasen, Proteasen und Amylasen die verschiedenen pflanzlichen Polymere abbauen. Die hierbei entstehende Flüssigkeit wird als einfache Sojasauce (Tamari) verwendet. Bei der hochwertigeren Sojasauce wird eine zweite Fermentation angeschlossen. Dem Koji
wird dann Wasser und 16–18% Kochsalz zur Verhinderung von Fäulnisprozessen zugefügt, es entsteht das sogenannte Moromi. Die Reifung der
Sojasauce erfolgt nun in großen Fermentationstanks über mehrere Monate.
Während dieser Zeit entwickeln sich verschiedene Hefen (z. B. Zygosaccharomyces rouxii) und Bakterien (Pediococcus spec.), die ebenfalls verschiedene Enzyme produzieren, welche u. a. zur Absenkung des pH-Wertes
und zur Herstellung von Glutamat führen. Am Ende der Reifezeit sind die
anfangs zugesetzten Schimmelpilze abgestorben, aber die von ihnen sekretierten Enzyme sind noch aktiv.
Dieser traditionelle japanische Herstellungsprozess für Sojasauce dauert
mehrere Monate bis Jahre. Mittlerweile kann Sojasauce aber auch industriell innerhalb weniger Tage hergestellt werden. Hierfür werden Sojabohnen und Weizen direkt mit den für die Koji-Phase erforderlichen Enzymen gemischt und die Moromi-Phase durch mehrere Bioreaktoren ersetzt
(Kap. 5.1). Natürlich besteht ein großer geschmacklicher Unterschied zwischen industriell produzierter und traditionell hergestellter Sauce, weswegen erstere häufig noch mit weiteren Zutaten angereichert wird.
5.2.2
Tempeh
Tempeh ist ein weiteres Beispiel für ein fermentiertes asiatisches Lebensmittel, das aus Sojabohnen hergestellt werden kann, in diesem Fall mit Hilfe
des Schimmelpilzes Rhizopus oligosporus (Tabelle 5.4). Es wurde zunächst
auf Java (Indonesien) traditionell als Fleischersatz zubereitet, ist aber mittlerweile auch in den Niederlanden und anderen europäischen Ländern, in
Australien und den USA vor allem bei Vegetariern sehr beliebt und wird
auch in industriellem Maßstab produziert. Bei Tempeh handelt es sich um
Als Koji wird jegliche Form von mit Schimmelpilzen und anderen Mikroorganismen bewachsenes Substrat bezeichnet. Daher ist Koji häufig ein Zwischenprodukt bei der Herstellung fermentierter Lebensmittel.
11
5.2 Lebensmitteltechnologie
123
einen schnittfesten Kuchen mit einem erdigen Pilz-Aroma, der eine billige,
nahrhafte und gut verdauliche Pflanzenproteinquelle darstellt. Aufgrund
seiner hohen Wasseraktivität (Kap. 3.1) ist Tempeh nicht lange haltbar, es
kann aber getrocknet oder eingefroren werden. Zum Verzehr wird Tempeh
meist gekocht oder frittiert (Tempeh kripik) und in Scheiben als Zusatz zu
den Mahlzeiten oder auch als Hauptgericht verwendet.
Der Herstellungsprozess für Tempeh basierend auf Sojabohnen (Tempeh kedelee) ist in Abb. 5.11 dargestellt. Traditionell werden die Sojabohnen zunächst gekocht, dann die Hülle entfernt – auf Java geschieht das
durch Stampfen mit den Füßen, ähnlich wie früher in Europa bei der Weinherstellung – und dann in Wasser eingeweicht. Bei der industriellen Tempeh-Herstellung in den Niederlanden oder den USA werden die Sojabohnen zunächst trocken geschält und dann eingeweicht. Während der 12 bis
24-stündigen Einweichzeit sinkt der pH-Wert durch bakterielle Milchsäuregärung unter 5,4. Dies verhindert zum einen den Befall mit verderbenden Mikroorganismen und schafft außerdem optimale Wachstumsbedingungen für den Schimmelpilz Rhizopus oligosporus. Durch das Entfernen des
Einweichwassers wird außerdem ein in der Sojabohne enthaltener wasserlöslicher Inhibitor des Schimmelpilzes entfernt. Das anschließende Kochen
tötet die Bakterien ab, schließt die in der Bohne enthaltenen Nährstoffe auf
und zerstört den Sojabohnen-eigenen Trypsin-Inhibitor (Kap. 5.2.1). Erst
jetzt werden die abgetropften und abgekühlten Bohnen mit Rhizopus oligosporus-Myzel aus älteren Tempeh-Kulturen oder aus auf Hibiskus-Blättern kultivierten Starterkulturen beimpft, verpackt und ein bis zwei Tage bei
25–35 °C inkubiert, sodass noch keine neuen Sporen gebildet werden. Traditionell werden hierfür zuvor durchlöcherte Blätter (auf Java häufig Bananen-Blätter) genutzt, bei der industriellen Produktion wird allerdings perforierte Polyethylen-Folie verwendet. Obwohl Rhizopus oligosporus der
klassische Tempeh-Pilz ist, kommen auch andere Rhizopus- und MucorArten vor. Die Schimmelpilze bauen Proteine und Fette ab, sorgen so für
einen Anstieg in der Menge freier Amino- und Fettsäuren und führen auf
diese Weise zu einer besseren Bekömmlichkeit. Zudem findet eine Anreicherung mit einigen Vitaminen der B-Gruppe statt, allerdings verbraucht
Rhizopus oligosporus selbst Thiamin (Vitamin B1), welches deshalb in fertigem Tempeh nur in geringen Mengen vorhanden ist. Cobalamin (Vitamin B12) entsteht in besonderem Maße nur dann, wenn auch Bakterien der
Gattung Klebsiella an der Fermentation beteiligt sind. Wie bei der Salamiherstellung (Kap. 5.2.4) wird ein Teil der Milchsäure aus den bakteriellen
Gärungsprozessen vom Pilz als Nahrungsquelle verwertet und außerdem
124
5 Anwendungen
Traditioneller
indonesischer Prozess
Mechanisierter Prozess
Sojabohnen
Einweichen in heißem Wasser
Trocken entspelzen
Nass entspelzen
Einweichen
(Milchsäuregärung findet statt)
Einweichen
(Milchsäuregärung findet statt)
Feuchte Bohnen, angesäuert durch Milchsäuregärung
Ausspülen und Entfernen des Einweichwassers
Kochen (30-60 Minuten)
Abtropfen, Ausbreiten zum Abkühlen und Verdampfen des Restwassers
Beimpfen mit Sporen
Rhizopus spec.
Mixen
Einwickeln in leicht perforierte Plastikfolie oder Blätter
1-2 Tage bei 25-35 °C
Frisches Tempeh
Dämpfen
Frittieren
Tempeh-Eintopf
Tempeh-Chips (Tempeh kripik)
Abb. 5.11 Flussdiagramm zur Veranschaulichung der Herstellung von Tempeh aus Sojabohnen.
Stellen, an denen Schimmelpilze zugegeben werden, sind grün hervorgehoben
5.2 Lebensmitteltechnologie
125
Ammoniak produziert, wodurch der pH-Wert steigt. Dies tötet schließlich
den Pilz, sodass nur der zu Beginn sehr niedrige pH-Wert eine längere Fermentation überhaupt ermöglicht. Insgesamt führt die Fermentation der Sojabohnen zu einem kompakten „Kuchen“, in dem die aufgeweichten Bohnen
durch weißes Pilzmyzel zusammengehalten werden. Nicht nur Geschmack,
Verdaubarkeit und Ernährungswert der Sojabohne werden verbessert, sondern fertiges Tempeh hat durch die faserige Struktur des Myzels außerdem
die Textur von Fleisch.
Neben Sojabohnen können für Tempeh auch weitere Substrate wie beispielsweise andere Leguminosen-Samen, Getreidekörner sowie Erdnussund Kokosnuss-Presskuchen verwendet werden. Aus Kokosnuss-Presskuchen entsteht Tempeh bongkrek, das allerdings sehr leicht durch das
Bakterium Burkholderia cocovenenans kontaminiert wird, welches verschiedene Toxine produziert. Da der Verzehr von Tempeh bongkrek immer
wieder zu Todesfällen geführt hat, wurde die Produktion 1988 von der indonesischen Regierung verboten.
Ein dem Tempeh in der Herstellung sehr ähnliches Lebensmittel ist Ontjom (Tabelle 5.4). Er wird aus Erdnuss-Presskuchen mit Hilfe des Schimmelpilzes Neurospora hergestellt und besitzt aufgrund der Eigenfarbe des
Pilzes eine rosa Färbung.
5.2.3
Schimmelkäse
Schimmelkäse ist eines der wenigen durch Schimmelpilze fermentierten
Lebensmittel, die in Westeuropa einen großen Stellenwert besitzen. Die Herstellung erfolgt zunächst wie bei anderen Käsesorten auch, indem der Milch
als Starterkulturen Milchsäurebakterien und Lab12 zugegeben werden. Durch
das Lab, welches entweder aus Kälbermägen gewonnen oder biotechnologisch mit Hilfe von Schimmelpilzen hergestellt wird (Kap. 5.1.6), gerinnt
das Milchprotein Casein und fällt aus. Die restliche Flüssigkeit (Molke)
wird abgepresst und die entstandene Gallerte geschnitten. Hierdurch entsteht der Käsebruch, der dann in Formen abgefüllt wird und reift. Bei der
Bei Lab handelt es sich um ein Enzymgemisch aus Chymosin und Pepsin, das aus Kälbermägen isoliert werden kann und schon im Altertum bekannt war. Chymosin kann heute biotechnologisch mit Hilfe von Schimmelpilzen hergestellt werden (Kap. 5.1.6). Für die Produktion von BioLebensmitteln ist es in Europa allerdings nicht zugelassen.
12
126
5 Anwendungen
Herstellung von Schimmelkäse wird zusätzlich mit Sporen oder Kulturen
essbarer Schimmelpilze beimpft. Dabei unterscheidet man Weißschimmelund Blauschimmelkäse (Abb. 5.9). Eine Mischform aus Weiß- und Blauschimmelkäse ist der in Deutschland hergestellte Bavaria Blu (Bergader).
Die zur Schimmelkäse-Produktion eingesetzten Schimmelpilzarten sind
grundsätzlich dazu in der Lage, Mykotoxine (Kap. 6.3) zu produzieren.
Allerdings müssen Schimmelpilzstämme, die als Starterkulturen für das
gezielte Beimpfen von Lebensmitteln verwendet werden, verschiedene Kriterien erfüllen:
• Die Stämme dürfen keine Mykotoxine produzieren und müssen apathogen sein;
• sie müssen in der Lage sein, sich gegen andere Schimmelpilze durchzusetzen, um so ein ungewolltes „Verschimmeln“ zu verhindern;
• sie müssen proteolytische (Proteine spaltende) und lipolytische (Fette
spaltende) Aktivitäten aufweisen. Ein weiterer Sicherheitsaspekt ist, dass
die Bedingungen bei der Käseherstellung für die Bildung von Mykotoxinen nicht förderlich sind.
Für Weißschimmelkäse wie Camembert und Brie wird der Schimmelpilz
Penicillium camemberti verwendet. Entweder wird der Pilz direkt mit den
Starterkulturen zur Milch gegeben oder nach dem Pressen des Käsebruchs
als Sporensuspension auf die Oberfläche gesprüht. Der Schimmel bildet sich
nach drei bis vier Tagen auf der Oberfläche des Käses, der zunächst für ein
bis zwei Wochen bei 10–15 °C reift, dann verpackt und kühl gelagert wird.
Der Verzehr erfolgt sechs bis sieben Wochen nach der Produktion. Während
der Reifung bewirken proteolytische bzw. lipolytische Enzyme eine Veränderung vornehmlich der Textur, aber auch des Aromas. Insgesamt bekommt
der Käse eine andere Konsistenz und wird von außen nach innen weicher.
Der Pilzbewuchs auf der Oberfläche schützt außerdem vor einer Infektion
durch andere Pilze.
Für die Herstellung von Blauschimmelkäse wird Penicillium roqueforti
verwendet. Typische Beispiele sind Gorgonzola aus Italien, der aus Kuhmilch entsteht, und Roquefort aus Frankreich, für den ausschließlich Schafsmilch verwendet wird. Penicillium roqueforti wird entweder mit den Starterkulturen zur Milch gegeben oder auf den Käsebruch geimpft. Da der Pilz
zum Wachstum 4,25% Sauerstoff benötigt, wird der Käse vor der Reifung
pikiert, sodass Löcher entstehen. Zwischen den Bruchstücken und entlang
der Nadellöcher wächst der Pilz im Käse. Auch beim Blauschimmelkäse
tragen proteolytische und lipolytische Enzyme zur Reifung bei; mehr als bei
5.2 Lebensmitteltechnologie
127
den Weißschimmelkäsen ändert sich der Geschmack und Geruch. Dies wird
hauptsächlich durch freigesetzte Methylketone aus dem Abbau von Milchfett erreicht.
5.2.4
Edelschimmel auf Fleischwaren
Traditionell werden in verschiedenen europäischen Ländern rohe Fleischwaren durch eine Kombination aus bakterieller Milchsäuregärung und
Schimmelpilzfermentation haltbar gemacht. Beispiele sind die italienische
oder ungarische Salami (Abb. 5.9) und schimmelgereifter Schinken wie der
Südtiroler Bauernspeck (Italien) oder das Bündner Fleisch (Schweiz). Allen
gemeinsam ist eine mehrwöchige bis mehrmonatige Reifezeit, während der
Schimmelpilze auf der Oberfläche der Würste oder der Fleischstücke wachsen und das Fleisch haltbarer machen.
Bei der Herstellung von Salami wird z. B. Fleisch von Schwein, Rind
oder Esel mehr oder weniger grob gehackt, mit Nitritpökelsalz und Gewürzen versetzt und in eine Hülle aus Darm oder Kunstdarm gepresst. Die Rohwürste werden dann bei bestimmten Temperaturen und einer bestimmten Luftfeuchtigkeit, die je nach Sorte unterschiedlich sein kann, für eine
gewisse Zeit gelagert. Einige Salamisorten werden außerdem geräuchert.
Um den Naturschimmelbelag zu erzeugen, wurde das Fleisch früher einfach in den Herstellerbetrieben oder auch in Höhlen mit konstanter Temperatur aufgehängt. Die jeweils vorhandene Schimmelpilzflora siedelte sich
auf der Oberfläche an und erzeugte den typischen weißlich-grauen Belag
auf der Salami. Heutzutage werden die Fleischwaren meist gezielt mit einer
Sporensuspension besprüht, die aus ausgewählten Schimmelpilzen besteht.
Beim Südtiroler Bauernspeck aus der Gegend um Bozen, Meran und Brixen
wird gepökeltes Schweinefleisch über offenem Herdfeuer geräuchert und
dann in Felskellern bei ca. 20 °C gelagert. Auch dort ist eine spezifische
Pilzflora vorhanden, die innerhalb von 4–5 Monaten auf dem Fleisch ein
dichtes Myzel bildet. Beim Bauernspeck wie auch bei einigen Salamisorten wird dieser Pilzbelag am Ende der Reifezeit abgebürstet, sodass auf dem
fertigen Produkt kein Schimmelpilz zu sehen ist.
Schimmelpilzstämme für die Fermentation von Fleischwaren müssen wie bei der Käseherstellung verschiedene Sicherheitskriterien erfüllen
(Kap. 5.2.3). Hinzu kommt noch, dass sie ein weißes, gelbliches oder elfenbeinfarbenes Myzel besitzen sollten, um das typische Aussehen der Salamihülle aufzuweisen. Eine Ausnahme bildet hier die toskanische Dauer-
128
5 Anwendungen
wurst Finocchiona, die mit einer grünlichen Schimmelschicht überzogen
ist. Am häufigsten findet man auf der Oberfläche der Fleischwaren Penicillium-Arten wie P. expansum, P. janthinellum, P. chrysogenum, P. commune, P. camemberti, P. candidum, P. simplicissimum und P. miczynskii.
Besonders auf Pökelwaren kommen nach langer Reifung und Abnahme der
Wasseraktivität (Kap. 3.1) aber auch Aspergillus-Arten vor, wie A. candidus, A. flavus, A. fumigatus, A. caespitosus, A. niger, A. sulphureus und
A. wentii.
Was bewirken nun eigentlich die Schimmelpilze? Das Myzel wächst
hauptsächlich auf der Oberfläche und verhindert so zunächst einmal ein
Austrocknen, schützt aber auch vor Sauerstoff- und Lichteinflüssen und
verhindert das Ranzigwerden. Außerdem geben die Schimmelpilze auch
Enzyme und Stoffwechselprodukte in das Fleisch ab. Hierdurch ergibt sich
ein Ansteigen des pH-Wertes, der durch die Anwesenheit von fermentierenden Bakterien im Fleisch gesunken ist. Die von den Bakterien produzierten Säuren (Milchsäure und Essigsäure) können in Form ihrer Salze Lactat bzw. Acetat von den Schimmelpilzen mit Hilfe des Glyoxylat-Zyklus
als Kohlenstoffquelle verwertet werden (Kap 3.2.3). Durch den Abbau von
Proteinen werden außerdem Stickstoffgruppen frei, die von den Schimmelpilzen in Ammonium umgewandelt werden, wodurch der pH-Wert weiter
steigt. Der Abbau von Proteinen und Fetten führt weiterhin zur Bildung verschiedener Aromastoffe, die für das jeweilige Fleischprodukt aufgrund der
Zusammensetzung der Schimmelpilze relativ spezifisch sind.
5.2.5
Quorn™
Zu Beginn dieses Kapitels wurde bereits erwähnt, dass Pilze auch alternativ
zu Fleisch als Proteinquelle in Betracht gezogen werden können. Die Suche
nach einem Pilz, der dafür geeignet ist, begann bereits in den frühen 1960er
Jahren. Damals erwartete man aufgrund des großen Bevölkerungszuwachses eine Fleischknappheit, der man mit der Entwicklung eines Mykoproteins abhelfen wollte, denn: Pilze wachsen schnell und haben einen hohen
Proteingehalt, dabei aber im Gegensatz zu Fleisch nur wenig Fett.
Nach der Überprüfung von über 3000 Bodenproben aus aller Welt wurde
schließlich der Schimmelpilz Fusarium venenatum (früher Fusarium graminearum) in Marlow (Großbritannien) isoliert. Der Pilz war bereits als
Schädling bekannt; er verursacht die Wurzelfäule beim Weizen. Es gelang
5.2 Lebensmitteltechnologie
129
Abb. 5.12 Ausschnitt aus der Speisekarte eines britischen Restaurantbetriebes am Flughafen von
Edinburgh. Quorn™ -Produkte werden in vielfältiger Form als Fleischersatz angeboten, hier als
Würstchen
den Forschern, Fusarium venenatum in großem Maßstab zu kultivieren und
zu ernten. 1985 wurde das Produkt in Großbritannien vom MAFF (Ministry
of Agriculture, Fishery and Foods) freigegeben, die Firma Marlow Foods
gegründet und das Mykoprotein aus Fusarium venenatum unter dem Namen
Quorn™ auf den Markt gebracht.
Quorn™ wird produziert, indem Fusarium venenatum auf Glucosesirup
mit einer Stickstoffquelle angezogen wird. Der Glucosesirup kann dabei aus
allen verfügbaren Stärkeprodukten gewonnen werden, wodurch die Anzucht
kosteneffizient ist. Die Abtrennung des Pilzes vom Medium ist durch die
Ausbildung von Hyphenstrukturen (Kap. 2.1) recht einfach; je nach Länge
der Anzucht variiert die Länge der Hyphen und nach dem Abpressen hat
Quorn™ unterschiedliche Texturen, die für verschiedene Fleischimitate
benutzt werden. Quorn™ enthält etwa 50% Protein im Trockengewicht,
aber nur etwa 13% Fett, das zudem noch anders zusammengesetzt ist als tierische Fette – Quorn™ ist cholesterinfrei. Ein weiterer Vorteil ist sein hoher
Ballaststoffgehalt von etwa 25% und der nur sehr geringe Nukleinsäuregehalt – zu viele Nukleinsäuren in Nahrungsmitteln können Gicht hervorrufen.
Die Produktpalette von Marlow Foods reicht von Würstchen über Schnitzel
und Aufschnitt bis zu Burgern und Fertiggerichten (Abb. 5.12). Quorn™
ist mittlerweile in verschiedenen europäischen Ländern und auch den USA
erhältlich. Nach Angaben von Marlow Foods werden allein in Großbritannien täglich 500.000 Quorn™ -Mahlzeiten verzehrt.
130
5.2.6
5 Anwendungen
Edelfäule
Als Edelfäule wird der erwünschte Befall reifer Beeren bestimmter Traubensorten mit dem Schimmelpilz Botrytis cinerea bezeichnet (Abb. 5.13).
Diese erwünschte Besiedelung tritt im Herbst auf, wenn es morgens feucht
und kühl und tagsüber recht warm ist. Bei Befall im Sommer dagegen
kommt es zur Grauschimmel- oder auch zur Stielfäule, die die Trauben zerstört und erhebliche Ernteeinbußen hervorrufen kann. Botrytis cinerea findet man auch häufig als Lebensmittelkontamination auf verschiedenen Substraten, z. B. auf Erdbeeren (Kap. 6.2.1).
Der Schimmelpilz Botrytis cinerea löst im Falle der Edelfäule zunächst
die Beerenhaut enzymatisch auf, wodurch bei warmem Herbstwetter aus den
Beeren Feuchtigkeit austritt und verdunstet. Der Pilz nutzt Beeren-Inhaltsstoffe für sein eigenes Wachstum, baut aber vermehrt Säuren und weniger
Zucker ab. Hierdurch steigt der Zuckergehalt der Weinbeeren und erreicht
hohe Oechsle-Grade13. Botrytis gibt außerdem Stoffwechselprodukte an die
Beere ab, die zum typischen Aroma edelsüßer Weine führen. Erwünscht ist
Botrytis-Befall allerdings nur bei bestimmten Weißweintrauben, bei trockenem Weißwein und bei Rotweintrauben ist er nicht qualitätsfördernd.
Edelfaule Weinbeeren werden in Deutschland traditionell von Hand
geerntet. Sie müssen für Beerenauslesen mindestens 125° Oechsle haben,
für Trockenbeerenauslesen etwa 150° Oechsle. Die weitere Herstellung der
Beeren- und Trockenbeeren-Ausleseweine erfolgt dann wie bei anderen Weinen auch. Charakteristisch für die fertigen Weine sind die gelbliche Farbe,
die starke Süße, das Botrytis-Aroma und die extrem lange Haltbarkeit.
5.3
Biologische Schädlingsbekämpfung
In den vorausgegangenen Kapiteln wurde die Anwendung von Schimmelpilzen in der Bio- und Lebensmitteltechnologie dargestellt. Neben diesen
Aspekten können Schimmelpilze aber auch effektiv in der biologischen
Schädlingsbekämpfung eingesetzt werden. Unter biologischer Schädlingsbekämpfung, auch biologische Kontrolle (engl. Biocontrol) genannt, ver Der Oechlse-Grad ist eine Maßeinheit für das Mostgewicht von Trauben. Er gibt die Menge
aller gelösten Teilchen, hauptsächlich Zucker, in der Traube an. Das Mostgewicht ist ein wichtiger
Indikator für den richtigen Erntezeitpunkt und wird außerdem als Grundlage für die Einteilung der
Weine in verschiedene Qualitätsklassen genutzt.
13
5.3 Biologische Schädlingsbekämpfung
131
Abb. 5.13 Mit Botrytis cinerea befallene edelfaule Trauben. Der Schimmelpilzbefall lässt die ein-
zelnen Beeren austrocknen, wodurch sich ihr Zuckergehalt steigert. Die trockenen Beeren werden
in Deutschland traditionell von Hand geerntet und zu edelsüßen Weinen verarbeitet (Foto mit
freundlicher Genehmigung von Herrn Theo Abel, Weingut Abel, Oestrich-Winkel, Rheingau)
steht man die Verwendung von Organismen wie beispielsweise Pilzen, Bakterien, Viren oder Protozoen, um Schädlinge in ihrer Anzahl zu begrenzen.
Als Schädlinge werden dabei generell Organismen definiert, welche in großem Maße auftreten und sowohl Flora als auch Fauna sowie den Menschen,
seine Wohn-, Arbeits- und Lagerstätten befallen. Ziel aller Maßnahmen der
biologischen Schädlingsbekämpfung ist nicht primär die Vernichtung der
Schädlinge, sondern die Einschränkung ihrer Vermehrung durch natürlich
vorkommende oder von auswärts eingeführte Gegenspieler, sogenannte
132
5 Anwendungen
Nützlinge (Fressfeinde, Antagonisten), um den durch sie angerichteten
Schaden unter eine wirtschaftlich bedenkliche Schwelle abzusenken. Zu
Beginn der Entwicklung der biologischen Schädlingsbekämpfung wurden
zunächst nur Bakterien als Nützlinge eingesetzt, die eine effiziente Infektion von Schädlingen verursachen können. So hat bereits seit den 1960er
Jahren Bacillus thuringensis in Deutschland eine Zulassung als Pflanzenschutzmittel zur Bekämpfung der Raupen von Schadschmetterlingen. Ein
sehr hohes Potenzial für einen effektiven Einsatz in der biologischen Schädlingsbekämpfung konnte aber auch für Pilze festgestellt werden, da diese
zum Teil ein breites Wirtsspektrum gegen Schädlinge aufweisen. Im Folgenden sollen die generellen Vorteile der biologischen Schädlingsbekämpfung herausgestellt und einige Beispiele für den Einsatz von Schimmelpilzen beschrieben werden.
5.3.1
Vorteile gegenüber konventionellen Verfahren
Allgemein der Öffentlichkeit bekannt sind die konventionellen Verfahren
zur Schädlingsbekämpfung wie der Einsatz physikalisch-biotechnischer
oder chemischer Methoden. Während die physikalischen Verfahren mit
dem häufigen Einsatz von Lock- und Klebfallen oder auch Feuer zumeist
keinen nachhaltigen und ausreichenden Erfolg erzielen, zeigt der Einsatz
chemischer Gifte, der sogenannten Pestizide, zwar einen hohen Wirkungsgrad, allerdings auch erhebliche Nachteile. So werden häufig Resistenzbildungen gegen ein Pestizid und eine darauffolgende starke Vermehrung der
resistenten Organismen beobachtet. Zudem wirken Pestizide zumeist nicht
nur gegen Schädlinge, sondern auch gegen ihre natürlichen Fressfeinde,
wodurch das natürliche Gleichgewicht und damit bestehende Ökosystem
empfindlich gestört wird. In den letzten Jahren konnten, bedingt durch die
maßlosen Anwendungen, die Langlebigkeit und/oder schlechte biologische
Abbaubarkeit synthetische Pflanzenschutzmittel, häufig sogar mit krebserzeugender und erbgutschädigender Wirkung, in immer stärker werdendem
Ausmaß im Grundwasser und in der Nahrungskette nachgewiesen werden.
Daher bietet die biologische Schädlingsbekämpfung eine neue Alternative,
indem sie sich zunutze macht, dass jeder Organismus eine Vielzahl von
mikrobiellen Gegenspielern, wie Pilze, Bakterien, Viren oder Protozoen,
hat, die ihn unterschiedlich stark schwächen oder sogar abtöten können. Da
die zur biologischen Schädlingsbekämpfung eingesetzten Mikroorganismen
wie z. B. die Schimmelpilze oder Bakterien zumeist weltweit in den Böden
5.3 Biologische Schädlingsbekämpfung
133
Tabelle 5.5 Übersicht über wichtige Pilze, die zur Bekämpfung tierischer Schädlinge in Gartenbau und Landwirtschaft erprobt werden
Pilz
Schädling
kommerziell
erhältlich
Aschersonia aleyrodes
Weiße Fliegen, Schildläuse
nein
Beauveria bassiana
Blattläuse, Fliegen, Rüsselkäfer,
Schaben, Schmierläuse,
Spinnmilben, Thripse, Trauermücken,
Wanzen, Weiße Fliegen, Zikaden
→ insgesamt > 700 Wirtstiere
jab
Entomophthora muscaea
Fliegen
nein
Erynia neoaphidis
Blattläuse
nein
Hirsutella thompsonii
Schmetterlingsraupen,
Varroamilbe
nein
Metarhizium anisopliaea
Blattläuse, Fliegen, Rüsselkäfer, Schaben,
Thripse, Varroamilbe, Weiße Fliegen
→ insgesamt > 200 Wirtstiere
jab
Paecilomyces fumosoroeus
Fliegen, Käfer, Raupen,
Schmierläuse, Weiße Fliegen
ja
Paecilomyces lilacinus
Wurzelnematoden
nein
Verticillium lecanii
Blattläuse, Schildläuse, Thripse,
Wanzen, Weiße Fliegen
ja
Verticillium chlamydosporium
Wurzelnematoden
nein
Penicillium frequentans,
Aspergillus versicolor,
Stachybotrys chartarum,
Trichocladium asperum
Wurzelnematoden
nein
Trichoderma ovalisporum
Hyphenpilz Crinipellis spec.
nein
a Die Art ist obligat insektenpathogen, d. h. es sind keine Schimmelpilze im engeren Sinn,
da sie nicht saprophytisch wachsen. Hier der Vollständigkeit halber aufgeführt.
b
Diese Produkte besitzen eine Zulassung in Deutschland.
zu finden sind, gelangen keine fremden Inhaltsstoffe oder deren Abbauprodukte in das Ökosystem. Zudem besitzen sie ihrerseits natürliche Gegenspieler, die ihre Reste beseitigen. Im Gegensatz zu synthetischen Stoffen
haben die Nützlinge die Fähigkeit, sich durch Vermehrung an die jeweilige
Dichte der Schädlinge anzupassen sowie durch Bildung von Dauerstadien,
wie z. B. Sporen der Pilze, Schädlinge über viele Jahre hinweg zu unterdrü-
134
5 Anwendungen
cken. Da zumeist komplexe Infektionswege vorliegen, die nicht nur an einen
Zelltyp gebunden sind, kommt es zudem selten zu einer Resistenzbildung
bei den Schädlingen. Des Weiteren zeigen Nützlinge eine relativ hohe Spezifität. So befällt der insektenpathogene Schimmelpilz Beauveria bassiana
zwar Insekten und Milben mehrerer Ordnungen, kann aber keine Wirbeltiere schädigen (Tabelle 5.5). Paecilomyces lilacinus und Verticillium chlamydosporium hingegen zeigen ihre Spezifität nur gegen wurzel- und pflanzenparasitische Nematoden (Tabelle 5.5) und einige Viren infizieren sogar
nur wenige Schmetterlingsarten aus nur einer Gattung. Allerdings müssen
neben allen beschriebenen Vorteilen auch mögliche Nachteile erwähnt werden. Ein Einsatz der biologischen Schädlingsbekämpfung ist immer zeitaufwendiger und häufig abhängig von äußeren Faktoren wie der Luftfeuchtigkeit, der Zusammensetzung der Erde und der Temperatur. Beispielsweise
können Schimmelpilze generell zwar eine schnelle und effiziente Infektion der Schädlinge verursachen, benötigen dazu aber optimale Temperaturen von 20 bis 30 °C und eine hohe relative Luftfeuchtigkeit (Kap. 3.1).
So brauchen die Pilze Verticillium lecanii und Aschersonia aleyrodes nach
der Ausbringung Luftfeuchtigkeiten von > 80%, Paecilomyces fumosoroeus
sogar 100%, um sich effizient zu vermehren und spezifische Schädlinge zu
befallen (Tabelle 5.5). Insgesamt ist beim Einsatz biologischer Maßnahmen
die sogenannte Sorgfaltspflicht zu wahren, denn es muss gewährleistet sein,
dass durch das Ausbringen von Nützlingen die Funktion des Ökosystems
nicht verändert wird. Dazu sollte beispielsweise regelmäßig geprüft werden, dass aus Nützlingen nicht durch unkontrollierte massenhafte Vermehrung wieder Schädlinge werden. Im Folgenden soll an einigen Beispielen
der erfolgreiche Einsatz von Schimmelpilzen als Nützlinge in der biologischen Schädlingsbekämpfung gezeigt werden.
5.3.2
Anwendungsbeispiele
Ein hohes Potenzial für einen effektiven Einsatz in der biologischen Schädlingsbekämpfung konnte für eine Vielzahl von Pilzen festgestellt werden.
Schimmelpilze wie Beauveria bassiana oder Verticillium lecanii wirken
gegen eine große Anzahl von Schadorganismen wie Weiße Fliegen, Blattläuse, Wanzen, Schildläuse, Thripse, Trauermücken, Rüsselkäfer, Schaben
und Schadfliegen. Insgesamt konnten bei der Suche nach erfolgversprechenden pilzlichen Antagonisten von tierischen Schädlingen viele Arten
5.3 Biologische Schädlingsbekämpfung
135
Abb. 5.14 Eine durch einen insektenpathogenen Schimmelpilz getötete Fliege. Es zeigen sich
die für Schimmelpilze typischen weißen Sporen auf der Oberfläche des Insekts sowie in der
Umgebung
identifiziert werden, die weltweit mit dem Ziel erprobt werden, sie für die
Schädlingsbekämpfung zu nutzen. Eine Auswahl ist in Tabelle 5.5 aufgelistet. Bereits als kommerzielle Produkte in den USA, Europa und zum Teil
auch in Deutschland erhältlich, sind die Schimmelpilze Beauveria bassiana und Verticillium lecanii sowie der ausschließlich insektenpathogene
Pilz Metarhizium anisopliae. Diese Pilze befallen verschiedenste Insekten
(Tabelle 5.5), indem sich ihre Sporen an die Kutikula, d. h. die außen liegende Haut, empfindlicher Insekten anheften, dort auskeimen und die Kutikula penetrieren. Im Innern des Insekts vermehren sich die Pilze stark, blockieren Darm und Gefäßsystem, produzieren Toxine und entziehen dem
Insekt die Nährstoffe. Die befallenen Insekten können keine Nahrung mehr
aufnehmen, werden lethargisch und sterben zumeist noch am Substrat hängend (Abb. 5.14). Bei optimaler Temperatur und Feuchtigkeit wachsen die
Pilze wieder nach außen und vermehren sich auf der Insektenoberfläche
durch die Bildung von Myzel und einer Vielzahl von Sporen. Dieses führt
136
5 Anwendungen
beispielsweise zu dem charakteristischen weißen oder grünen Belag auf
durch Beauveria bassiana („Weiße Muscardine“) (Abb. 5.14) oder Metarhizium anisopliae („Grüne Muscardine“) befallenen Insekten. Die gebildeten
Sporen werden wieder über Wind und Wasser verbreitet und können neue
Insekten befallen. Während Vertreter der Gattung Verticillium in Deutschland nicht zugelassen sind, gehören Beauveria bassiana und Metarhizium
anisopliae zu den Stoffen und Zubereitungen, die nach §6a Abs.4 Satz1
Nr.3 Buchstabe b des deutschen Pflanzenschutzgesetzes zur Anwendung im
eigenen Betrieb hergestellt und im Forst gegen Rüsselkäfer und Borkenkäfer eingesetzt werden dürfen. Eine Zulassung beider Pilze für andere Indikationen liegt in Deutschland zurzeit aber nicht vor.
Ein weiteres interessantes Beispiel stellt der Schimmelpilz Trichoderma
ovalisporum dar, für den ebenfalls ein hohes Potenzial zum Einsatz in der
biologischen Schädlingsbekämpfung vorausgesagt wird. Dieser Pilz zeigt
die Besonderheit, dass er stark wachstumshemmend auf den pflanzenpathogenen Pilz Crinipellis spec. wirkt. Crinipellis spec. ist der Auslöser der
sogenannten Hexenbesen-Krankheit bei Pflanzen wie beispielsweise dem
Kakaobaum und damit verantwortlich für Ernteverluste von bis zu 90% bei
der Kakaoproduktion in Südamerika. Daher ist es das Ziel laufender Forschungsprojekte, zu überprüfen, ob ein kontrollierter Einsatz von Trichoderma ovalisporum möglich ist, um die Vermehrung des pflanzenpathogenen Pilzes Crinipellis spec. einzuschränken.
Die Anwendung der biologischen Schädlingsbekämpfung unter Verwendung von Schimmelpilzen wird zurzeit aber auch unter dem Aspekt untersucht, eine Belastung von Lebensmitteln wie Getreide mit Mykotoxinen
zu minimieren (Kap. 6.3). In diesem Fall werden toxinfreie Pilzkulturen
bewusst zugegeben, die die spätere Einnistung eines toxinbildenden Konkurrenten verhindern und somit die Toxin-Menge um 60 bis 70% senken
sollen. Mehr leisten auch chemische Fungizide nicht. Wissenschaftler der
Universität Bonn und des „International Institute of Tropical Agriculture
in Ibadan“ (IITA), Nigeria, wollen beispielsweise den Aflatoxin-bildenden
Schimmelpilz Aspergillus flavus (Kap. 6.3.1) durch „Impfen“ der Felder mit
einer Aspergillus-Variante bekämpfen, die kein Toxin produzieren kann.
Unterstützt werden sie dabei von Forschern aus dem US-Bundesstaat Arizona, die mit dieser Methode die Toxin-Belastung von Baumwolle bereits
um 98% reduzieren konnten.
Zusammenfassend zeigen die beschriebenen Beispiele, dass Schimmelpilze nicht nur in der Bio- und Lebensmitteltechnologie eine große Bedeu-
5.4 Gesetzliche Bestimmungen
137
tung haben, sondern auch in der biologischen Schädlingsbekämpfung als
Nützlinge des Menschen eingesetzt werden können.
Genauere Informationen können auch den Internetseiten
http://www.landwirtschaft-bw.info/servlet/PB/menu/1042846_l1/index.
html, http://www.nysaes.cornell.edu/ent/biocontrol/ und http://www.oekolandbau.de/erzeuger/pflanzenbau/pflanzenschutz/ entnommen werden.
5.4
Gesetzliche Bestimmungen
Wie dieses Buch zeigt, sind Schimmelpilze Organismen, die sowohl von
großem Nutzen als auch sehr schädlich sein können. Daher gibt es für verschiedene Bereiche Regeln und Gesetze für den Umgang mit Schimmelpilzen, Richtwerte für die Sporenbelastung in der Luft und die Mykotoxinbelastung in Lebensmitteln (Kap. 6.3) oder auch Listen von Schimmelpilzen,
die zur Produktion von Enzymen verwendet werden dürfen (Tabelle 5.6).
Generell werden Schimmelpilze verschiedenen Risikogruppen (1 bis 4)
zugeordnet, wobei die Stufe 1 solche Organismen enthält, die generell keine
Gefahr für Mensch und Umwelt darstellen. Viele Schimmelpilze sind dieser
Stufe 1 zugeordnet, gelten also als ungefährlich. Allerdings stehen einige
davon im Verdacht, bei extrem immungeschwächten Menschen oder auch
bei Nutztieren u. U. Mykosen auslösen zu können (Tabelle 5.7, Kap. 6.1.1).
Manche Schimmelpilz-Arten sind für den Menschen aber auch gefährlicher
und werden in die Risikogruppen 2 oder 3 eingestuft (Tabelle 5.7). Diese
Pilze können in einem großen Temperaturbereich wachsen, dessen Maximum weit oberhalb der menschlichen Körpertemperatur liegt. Besonders zu
erwähnen ist hier der Schimmelpilz Aspergillus fumigatus, der als thermophil bezeichnet wird und bei Temperaturen von bis zu 52 °C überleben kann
(Kap. 2.3.3 und 6.1). Im Gegensatz dazu sind die sehr nah verwandten thermotoleranten Arten Aspergillus niger und Aspergillus terreus der Stufe 1
zuzuordnen. Trotzdem können beide Arten bei 37 °C wachsen (Kap. 6.1.1)
und sind bei Haus- und Nutztieren sowie bei stark immungeschwächten
Menschen als Krankheitserreger nachgewiesen worden (Tabelle 5.7).
In Kapitel 4 wurden die Möglichkeiten zur gentechnischen Veränderung
von Schimmelpilzen besprochen. Solche Veränderungen unterliegen, wie
bei allen Organismen, dem Gentechnikgesetz (GenTG, Tabelle 5.6). Dieses
regelt sowohl den Umgang mit als auch die Entsorgung von gentechnisch
veränderten Organismen (GVOs). Dabei sind für die Organismen aller Risi-
138
5 Anwendungen
Tabelle 5.6 Links für verschiedene Informationen zu Arbeiten mit Schimmelpilzen. Selbstverständlich wird mit dieser Tabelle kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben
Bereich
Links
Arbeiten mit Schimmelpilzen
Biostoffverordnung:
Einstufung biologischer
Arbeitsstoffe: Pilze
www.gifte.de/Recht/biostoffverordnung.htm
Technische Regeln für
Biologische Arbeitsstoffe
(TRBA 460)
www.baua.de/nn_15226/de/Themen-von-A-Z/
Biologische-Arbeitsstoffe/TRBA/pdf/TRBA-460
Eingruppierung
biologischer
Agenzien: Pilze
(Berufsgenossenschaft der
chemischen Industrie)
http://www.bgchemie.de/webcom/show_article.php/
_c-416/_nr-2/i.html
Gentechnische Arbeiten
mit Schimmelpilzen /
Gentechnikgesetz
bundesrecht.juris.de/gentg/index.html
Arbeitsstättenverordnung
allgemein
bundesrecht.juris.de/bundesrecht/
arbst_ttv_2004/gesamt.pdf
Arbeitsschutzgesetz
http://www.gesetze-im-internet.de/arbschg/
Lebensmittelindustrie
zur Produktion von
Enzymen verwendbare
Schimmelpilze
www.amfep.org/list.html (Europa)
www.enzymetechnicalassoc.org/enzymes.html (USA)
Grenzwerte
für Mykotoxingehalt
in Lebensmitteln
www.lgl.bayern.de/lebensmittel/rueckstaende/
mykotoxine_hoechstmengenregelung.htm#rechtsvorschriften
bundesrecht.juris.de/mhmv/BJNR124800999.html
http://209.85.135.104/
search?q=cache:xuRAzO_4t6UJ:www.art.admin.ch/
themen/00930/00946/index.html%3Flang%3Dde%26downl
oad%3DM3wBPgDB/8ull6Du36WenojQ1NTT
jaXZnqWfVpzLhmfhnapmmc7Zi6rZnqCkIN4fnx8bKbXr
Z6lhuDZz8mMps2gpKfo+amtsblatt+Europ%C3%A4ische+
Union+Nr+1881&hl=de&ct=clnk&cd=1
Schimmelbefall bei
Lebensmitteln
www.vis.bayern.de/ernaehrung/verbraucherschutz/
unerwuenschte_stoffe/schimmelbefall.htm
Richt- und Warnwerte
für Mikroorganismen
in Lebensmitteln
www.lm-mibi.uni-bonn.de/DGHM.html
5.4 Gesetzliche Bestimmungen
139
Tabelle 5.6 (Fortsetzung) Links für verschiedene Informationen zu Arbeiten mit Schimmelpilzen. Selbstverständlich wird mit dieser Tabelle kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben
Bereich
Links
Schimmelbefall in Gebäuden
Ratgeber des
Umweltbundesamtes
www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/2227.pdf
„Schimmelpilz-Leitfaden“
(des Umweltbundesamtes)
www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/2199.pdf
Tabelle 5.7 Ausgewählte Beispiele von Schimmelpilzen mit der Einstufung in Risikogruppen.
Modifiziert nach „Technische Regeln für Biologische Arbeitsstoffe“ (TRBA) 460: Einstufung
von Pilzen in Risikogruppen (Tabelle 5.6)
Schimmelpilz
Sicherheitsstufe
Menscha
Tierb
Aspergillus fumigatus
S2
++
+
Aspergillus niger
S1
+
+
Aspergillus terreus
S1
+
+
Fusarium oxysporum
S1
+
–
Mucor circinelloides
S1
+
+
Penicillium marneffei
S2
++
–
Rhizopus oryzae
S1
+
–
: in Einzelfällen als Krankheitserreger bei stark immungeschwächten Menschen nachge+
wiesen oder vermutet, ++: häufig bei immungeschwächten Menschen nachgewiesen
b
pathogen gegen Haus- und Nutztiere
a
kogruppen verschiedene Sicherheitsstufen festgelegt, die besondere Sicherheitsmaßnahmen anordnen. Dabei geht es zum einen darum, den Menschen
vor dem evtl. von vornherein gefährlichen Organismus zu schützen, zum
anderen aber auch darum, die Freisetzung eines GVOs zu verhindern.
Das Kapitel 2 beschreibt die Lebensweise von Schimmelpilzen und
macht deutlich, dass diese eine große Zahl von Sporen produzieren. Diese
Sporen können beim Menschen Allergien auslösen, besonders dann, wenn
sie in sehr großen Konzentrationen vorkommen, wie z. B. bei Schimmelbefall von Gebäuden (Kap. 6.4), oder auch bei sensibilisierten Menschen,
beispielsweise mit chronischen Atemwegserkrankungen. Schimmel in
Gebäuden muss daher so schnell wie möglich beseitigt werden. Für solche
Fälle gibt es verschiedene Ansprechpartner, von denen einige ebenfalls in
140
5 Anwendungen
Tabelle 5.6 aufgeführt sind. Häufig haben auch Landkreise eigene Arbeitsgruppen zu Schimmelpilzbefall eingerichtet. Im Gegensatz zu den durch
Sporen verursachten Allergien stehen die Mykotoxikosen (Kap. 6.3), die
durch den Verzehr verschimmelter Lebensmittel entstehen. Hierbei werden
die vom Pilz ausgeschiedenen Gifte, die Mykotoxine, aufgenommen, und
diese verursachen verschiedene Symptome wie z. B. Übelkeit, Erbrechen
oder auch starke Vergiftungserscheinungen (Kap. 6.3). Da Schimmelpilze
überall vorkommen können, ist für verschiedene Lebensmittel deren erlaubter Höchstgehalt an Mykotoxinen gesetzlich festgelegt (Tabelle 5.6). Neben
dem direkten Befall fertiger Lebensmittel ist ein wichtiger Punkt auch der
mögliche Befall von Pflanzen, besonders Getreide, oder auch von Saatgut
durch phytopathogene Pilze (Kap. 6.2).
Neben den negativen Aspekten der Schimmelpilze können diese auch sehr
nützlich sein, wie dieses Buch zeigt. So ist z. B. der Einsatz von Schimmelpilzen in der Lebensmittelindustrie sehr weit verbreitet (Kap. 5.2). Häufig
werden mit Hilfe von Schimmelpilzen Enzyme produziert, die dann bei der
Lebensmittelproduktion oder in anderen Industriezweigen eingesetzt werden (Kap. 3.2 und 5.1.6). Auch hier greifen bestimmte Regeln, denn nicht
alle Schimmelpilze dürfen für die Lebensmittelproduktion eingesetzt werden (Tabelle 5.6). Insbesondere wird darauf geachtet, dass nur solche Schimmelpilzstämme verwendet werden, die keine Mykotoxine produzieren.
Literatur zu Kapitel 5
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Anke T (1997) Fungal Biotechnology. Chapman & Hall, Weinheim
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food additives and processing aids. Adv Biochem Engin/Biotechnol 111: 97–147
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Cephalosporin-based β-Lactams. Adv Biochem Engin/Biotechnol 88: 179–215
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Krieg A, Franz JM (1989) Lehrbuch der biologischen Schädlingsbekämpfung, Paul Parey,
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Meyer V (2008) Genetic engineering of filamentous fungi. Progress, obstacles and future
trends. Biotechnol Adv 26: 177–185
5.4 Gesetzliche Bestimmungen
141
Mücke W, Lemmen C (2004) Schimmelpilze. Vorkommen, Gesundheitsgefahren, Schutzmaßnahmen. 3. Aufl. Ecomed, Landsberg am Lech
Renneberg R (2007) Biotechnologie für Einsteiger. Elsevier, München
Samson RA, Hoekstra ES, Frisvad JC (eds) (2004) Introduction to food- and airborne
fungi. 7th ed. Centraalbureau voor Schimmelcultures, Utrecht
Wainwright M (1995) Biotechnologie mit Pilzen – Eine Einführung. Springer, Berlin, Heidelberg, New York
Herunterladen