4 · 6. November 2011 · Sonntags-Zeitung Dekanat Mainz ehrt Ehrenamtliche Das Klima kennt keine Staatsgrenzen MAINZ. Das Dekanat Mainz hat die Wolfgang-Capito-Medaille an Menschen verliehen, die sich in besonderer Weise für die Kirche eingesetzt haben. »Ehrenamtliche Engagements sind wesentliche Merkmale unserer evangelischen Kirche«, sagte Präses Birgit Pfeiffer. Allein im Dekanat Mainz seien über 2000 Ehrenamtliche tätig. »Dieser Dienst geschieht meist ohne große Öffentlichkeit im Stillen, aber immer mit großer Zuverlässigkeit und großem Engagement«, sagte Pfeiffer weiter. Das Dekanat ehrte in diesem Jahr Menschen, die das ihnen anvertraute Gut in Gemeinden sorgsam verwalten. Zu den Preisträgern zählten Hans Beyer aus der Gemeinde Mainz-Marienborn, Ileana Mohr aus der Philippusgemeinde in Mainz-Bretzenheim, Dieter Kurz aus der Paulusgemeinde in der Neustadt und Inke Ried-Neumann, die sich um die St. Johanniskirche in der Innenstadt verdient gemacht hat. Geehrt wurde zudem Hans-Heiner Schornick. Er war als Mitarbeiter in der Regionalverwaltung der Kirche in Rheinhessen für das Dekanat Mainz zuständig und beriet diese über Jahre in Haushaltsfragen. Wolfgang Capito (1478-1541) war eine Persönlichkeit der Reformation. In seinem Gedenken wird die Capito-Medaille seit 1995 vergeben. esz/jd Der Beauftragte für Europa weiß, dass es vielen Menschen schwer fällt, sich mit Europa und der Krise auseinanderzusetzen FRANKFURT a.M. Friedhelm Pieper ist Beauftragter der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) für Entwicklung und Partnerschaft Europa. Über die Beziehungen zu den Kirchen in Tschechien, Polen und Italien und die Auswirkung der Eurokrise befragte ihn Nastasja Becker. ? ANZEIGE Schmalfilm & Video auf DVD Super8, Normal8, Doppel8 Alle Formate VHS, Hi8, MiniDV www.filme-sichern.de Tel. 08458 / 38 14 75 Herr Pieper, was macht der Europabeauftragte der EKHN? FRIEDHELM PIEPER: Die EKHN ist in Europa sehr aktiv. Sie engagiert sich in der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) und sie ist in der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) vertreten. Meine Arbeit besteht darin, zu beobachten, welche Themen in den Kirchenbünden anliegen und zu fragen, wie die EKHN diese fördern und unterstützen kann. ? Foto: eöa / Juliane Diel Birgit Pfeiffer (Mitte) ehrte Ileana Mohr, Dieter Kurz, Inke RiedNeumann und Hans-Heiner Schornick (von rechts). HESSEN UND NASSAU Was wird in den Kirchenbünden diskutiert? In den vergangenen Jahren haben wir europäische Konferenzen zusammen mit der GEKE zum Beispiel zum Thema »Kirchengemeinschaft« in Arnoldshain veranstaltet. Dabei fragen wir uns, wie wir als evangelische Kirchen in Europa untereinander die Gemeinschaft fördern können. Es gibt immer noch etliche Differenzen, die zu erarbeiten sind. ? Foto: esz / Nastasja Becker Seite Welche Differenzen sind das? Es gibt noch keine hundertprozentige Übereinstimmung in der Frage der Frauenordination. Wir haben auch nach wie vor noch keine gesamteuropäische Einigung über das Verständnis von Ordination und Amt. Die skandinavischen und die anglikanischen Kirchen vertreten nach wie vor die Apostolische Sukzession. Mit unseren polnischen und Tschechien, Polen und Italien: Nicht nur auf der Karte kennt Friedhelm Pieper die Lage der Partnerkirchen der EKHN genau. Mit Fördermaßnahmen unterstützt die EKHN die Minderheitskirchen. tschechischen Partnern müssen wir natürlich auch über Energiefragen reden, weil dort die Kernenergie nach wie vor sehr beliebt ist und sie die Abkehr Deutschlands davon nicht nachvollziehen können. Die EKHN hat Partnerkirchen in Polen, Tschechien und Italien. Welche Aufgaben haben Sie dort? ? In den Partnerregionen bin ich in verschiedenen Bereichen aktiv, etwa mit Begegnungsreisen. In Prag leite ich einen Runden Tisch von deutschen Landeskirchen und kirchlichen Hilfswerken, die im Bereich der Böhmischen Brüderkirche Fördermaßnahmen ergreifen. So bei Kirchenrenovierungen, in der Ausbildung und bei der Weiterentwicklung der Kirchenverwaltung und beim Fundraising. In Polen gibt es eine Direktpartnerschaft des Dekanats Wiesbaden mit Breslau und die Projektgruppe »Zeichen der Hoffnung«, dort berate ich oder helfe mit finanziellen Mitteln. In Italien hat die EKHN Beziehungen zur Waldenserkirche. Es geht auch um die Wahrnehmung der Minderheitskirchen und ihrer Geschichte in Europa. Partnerkirchen in Tschechien, Polen und Italien Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) unterhält in Europa direkte Partnerschaften zu Kirchen in Tschechien, Polen und Italien. In Tschechien bestehen Beziehungen zu der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder. In Polen zum Polnischen Ökumenischen Rat, der EvangelischAugsburgischen Kirche und der Evangelisch-Reformierten Kir- che. In Italien ist die Waldenserkirche Partnerin. Ferner ist die EKHN Mitglied in der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) und über die Evangelische Kirche in Deutschland vertreten in der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK). Deren Vizepräsidentin ist Cordelia Kopsch, die Stellvertreterin von Kirchenpräsident Volker Jung. Friedhelm Pieper stammt aus der nordelbischen Kirche. 1998 kam der Pfarrer nach Hessen, um als Generalsekretär beim Internationalen Rat der Christen und Juden (ICCJ) zu arbeiten. Danach wurde er Gemeindepfarrer in Nieder-Mörlen. Im Sommer 2009 wechselte er ins Zentrum Ökumene als Beauftragter für Entwicklung und Partnerschaft Europa. nb ? Wie hilft die EKHN konkret den Partnerkirchen? Wir fördern unter anderem Projekte vor Ort. In Italien gibt es etwa die problematische Situation mit afrikanischen Flüchtlingen, die über die Insel Lampedusa nach Europa einreisen wollen. Die Waldenserkirche ist sehr wach in der Frage des Umgangs des Berlusconi-Staats mit diesen Flüchtlingen. Sie fördert die Integration von Flüchtlingen in die Gemeinden. Die EKHN hat solche Integrationsprojekte mehrfach gefördert. Zudem hat sie die Waldenser finanziell in ihrem aufsuchenden Seelsorge-Projekt für Flüchtlingsfamilien unterstützt. Als Landeskirche müssen wir natürlich den Ausschnitt suchen, wo wir konkret behilflich sein können. ? Was leistet die EKHN auf gesamteuropäischer Ebene? Die Europäische Union hat sich mit Artikel 17 des Lissabon-Vertrags verpflichtet, das Gespräch mit Kirchen und Religionsgemeinschaften in Europa zu suchen. Wie die Kirchen das nutzen und optimieren können, wird sich zeigen. Im September begegneten zum ersten Mal leitende Personen aus der EKHN und der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck hessischen Europaabgeordneten in Brüssel. Vor allem zwei Themen waren bei dem Treffen wichtig. Es gibt erneut den Versuch, den Sonntag als arbeitsfreien Tag im Europäischen Arbeitsrecht zu verankern. Auch von den hessischen Europaabgeordnetem wird diese Initiative vorangetrieben. Das zweite Thema war die Eurokrise. ? Wie äußert sich die Eurokrise in Ihrer Arbeit? Für viele Menschen ist das, was in Brüssel geschieht, abstrakt. Wir reisen gerne durch Europa, genießen, dass die Grenzen offen sind, und dass wir durch den Euro nicht ständig die Währung wechseln müssen. Aber Europa als politischer Gestaltungsraum, das ist für viele von uns weit weg von der Lebenswirklichkeit. Das spiegelt sich auch in den Beziehungen zu unseren Partnerkirchen wider. ? Wie gehen die Partnerkirchen mit der Eurokrise um? Die Polen und Tschechen diskutieren mit Blick auf ihre Währung, ob sie dem Euro beitreten. Insgesamt spüren die Partnerländer, dass die Fördergelder weniger werden. Auch die EKHN kann sie nicht mehr im gleichen Umfang geben. In Italien ist durch das Steuersystem eine völlig neue finanzielle Situation für unsere Partnerkirche entstanden. Bei der Grundbesteuerung kann der Bürger ankreuzen, welche Organisation profitieren soll. Die Union der Waldenser und Methodisten hat einen so guten Ruf, dass sie zehnmal soviel Kreuze für die Steuerzuwendungen bekommt als sie selber steuerpflichtige Mitglieder hat. Sie hat jetzt eine Finanzsituation, die sie in ihrer ganzen Geschichte noch nie gekannt hat. ? Funktioniert Europa noch oder haben die Skeptiker Recht? Wenn es jetzt nicht gelingt, gemeinsam die Krise zu überwinden, ist die Versuchung sehr groß, dass es Rückfälle in alte nationale Perspektiven gibt. Für manche scheint es jetzt nahezuliegen, populistisch gegen Europa zu wettern; es als schwierig und schwerfällig zu bezeichnen. Aber es ist eine Illusion zu glauben, wir könnten die Probleme national lösen. Das Klima zum Beispiel kennt keine Staatsgrenzen. Vieles können wir nur europäisch und gemeinsam schultern. ? Wofür treten die Kirchen in dieser Situation ein? Die Fragen der Energiepolitik und der Finanzregulierung sind für die Kirchen ein wichtiges Thema. Was passiert da ethisch auf den Finanzmärkten eigentlich? Welche Möglichkeiten der Gestaltung oder Regulierung haben wir? Die Kirchen erachten die alte Forderung nach einer Transaktionssteuer nach wie vor als dringend notwendig.