Fundamentalsatz der Algebra und Produktdarstellung

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Fundamentalsatz der Algebra und Produktdarstellung
(Faktorisierung) von Polynomen
Fundamentalsatz der Algebra
Satz 1: Jedes Polynom P (x) = an xn + · · · + a0 vom Grad n ≥ 1 mit komplexen Koeffizienten
a0 , . . . , an hat wenigstens eine komplexe Nullstelle.
C. F. Gauß fand verschiedene Beweise dieses Satzes. Er konnte komplexe Zahlen auch in verschiedenen Gebieten der Mathematik erfolgreich anwenden und verhalf ihnen durch seine Beiträge
zur Anerkennung. Bei der Untersuchung von Polynomen und von Quotienten von Polynomen
(den rationalen Funktionen), insbesondere auch bei der Lösung von Ungleichungen zwischen
rationalen Funktionen, der Integration rationaler Funktionen und der Berechnung von Eigenwerten ist es nützlich, Nullstellen von Polynomen wirklich zu finden. Der obige Existenzsatz und
die aus ihm folgenden Sätze 3 und 5 beschreiben dabei das erreichbare Ziel. Hat man dann die
Nullstellen (oder Faktorisierungen) im konkreten Fall gefunden, ist die Existenz der Nullstellen
für das betrachtete Polynom offensichtlich. Man kommt also bei vielen praktischen Rechnungen
formal auch ohne den Fundamentalsatz aus.
Definition: Ein Polynom P (x) = an xn + · · · + a0 mit komplexen Koeffizienten a0 , . . . , an , wobei
an 6= 0 ist, hat den Grad n (Bezeichnung: Grad(P ) = n).
Damit haben Konstanten P (x) = a0 6= 0 den Grad 0. Als Grad des Nullpolynoms kann man
bei Bedarf −1 (oder etwas anderes Negatives, eventuell −∞) nehmen.
Division mit Rest
Satz 2: Sind Polynome P, Q mit Q 6= 0 gegeben, so existieren eindeutig bestimmte Polynome
R und S mit
P (x) = S(x) · Q(x) + R(x), Grad(R) < Grad(Q).
(1)
Beweis: Die Existenz wird durch vollständige Induktion nach dem Grad von P bewiesen. Ist
Grad(P ) < Grad(Q), so genügt es, S = 0 und R = P zu nehmen. Ist Grad(P ) = n ≥ Grad(Q) =
m und haben P und Q die höchsten von Null verschiedenen Koeffizienten an bzw. bm , so setzt man
P1 (x) = P (x) − bamn · xn−m · Q(x). Dann ist Grad(P1 ) < Grad(P ) und die Induktionsvoraussetzung
kann auf P1 angewandt werden: P1 (x) = S1 (x) · Q(x) + R(x), wobei Grad(R) < Grad(Q). Dann
folgt P (x) = P1 (x) + bamn · xn−m · Q(x) = (S1 (x) + bamn · xn−m )Q(x) + R(x).
Eindeutigkeit: Für zwei verschiedene Darstellungen P = S1 ·Q+R1 = S2 ·Q+R2 würde R1 −R2 =
(S2 −S1 ) · Q 6= 0 folgen, was im Widerspruch zu Grad(R1 −R2 ) < Grad(Q) ≤ Grad((S2 −S1 ) · Q)
stünde.
Die Methode im Existenzbeweis dient auch zur konkreten Berechnung von S und R. Sie lässt
sich zum bekannten Divisionsalgorithmus ausbauen.
Bemerkung: P und Q können komplexe Koeffizienten haben. Dann haben S und R auch
komplexe Koeeffizenten. Ist aber bekannt, dass die Koeffizienten von P und Q in einem Körper
K (z. B. in R oder Q) liegen, so zeigt der obige Beweis, dass auch die Koeffizienten von S und
R in diesem Körper liegen.
1
Komplexe Faktorisierungen
n
Satz 3 (von der komplexen Produktdarstellung): Jedes Polynom
QnP (x) = an x + · · · + a0
vom Grad n ≥ 1 mit komplexen Koeffizienten kann als Produkt an j=1 (x − zj ) geschrieben
werden, wobei die Faktoren bis auf die Reihenfolge eindeutig bestimmt sind. Fasst man gleiche
Faktoren zusammen, so erhält man eine Darstellung
P (x) = c
q
Y
j=1
(x − zj )kj
= c (x − z1 )k1 · . . . · (x − zq )kq
(2)
mit paaweise verschiedenen komplexen Zahlen zj und c = an .
Beweisidee: Dividiert man P (x) durch Q(x) = (x − z), wobei z eine feste Nullstelle von P ist, so
erhält man P (x) = S(x) · (x − z) + R, wobei R wegen Grad(R) < Grad(Q) = 1 eine Konstante
ist. Durch Einsetzen von z für x folgt R = 0, die Division geht also auf. Unter Verwendung
des Fundamentalsatzes der Algebra folgt die Existenz der komplexen Produktdarstellung durch
vollständige Induktion nach dem Grad von P .
Man sieht, dass die Zahlen zj in einer solchen Darstellung genau die komplexen Nullstellen
des Polynoms P sind. Sie sind also bis auf ihre Reihenfolge eindeutig bestimmt.
Hätte man zwei solche Darstellungen D1 und D2 und enthielte D1 einen bestimmten Faktor
(x − zj ) öfter als D2 , so könnte man alle Faktoren (x − zj ) aus D2 zu (x − zj )l zusammenfassen
und diese ausklammern. Dies ergäbe P (x) = D1 (x) = (x − zj )l · S1 (x) = D2 (x) = (x − zj )l · S2 (x),
wobei S1 noch wenigstens eine Faktor (x − zj ) enthielte, während S2 (zj ) 6= 0 wäre. Dieser Widerspruch zur Eindeutigkeit in Satz 2 beweist dass für jede Nullstelle zj die Anzahl kj des Auftretens
des Faktors (x − zj ) in (2) eindeutig bestimmt ist. Natürlich ist auch c als Koeffizient von xn
eindeutig bestimmt.
Hat P die Darstellung (2), so nennt man zj Nullstelle der Vielfachheit kj des Polynoms P .
Aus der komplexen Produktdarstellung folgt, dass ein Polynom P (x) = an xn + · · · + a0 mit
mehr als n Nullstellen nur dass Nullpolynom (mit an = · · · = a0 = 0) sein kann. Insbesondere
hat nur das Nullpolynom unendlich viele Nullstellen. Wendet man dies auf die Differenz zweier
Polynome an, so erhält man folgenden Identitätssatz.
Satz 4 (Identitätssatz für Polynome): Stimmen die Funktionswerte zweier Polynome an
unendlich vielen Stellen übereinstimmen, so sind die Polynome gleich, d. h. die von Null verschiedenen Koeffizienten stimmen überein und die Funktionswerte stimmen folglich an jeder
Stelle z ∈ C überein.
Insbesondere folgt die Eindeutigkeit der komplexen Produktdarstellung (2) bereits, wenn Gleichung (2) nur für reelle Zahlen x gefordert wird.
Komplexe n-te Wuzeln (Überwiegend Wiederholung)
Als Beispiel betrachten wir das Kreisteilungspolynom xn − 1. Es hat die n verschiedenen
Nullstellen εj = cos(2jπ/n) + i sin(2jπ/n), 0 ≤ j < n. Dass diese Zahlen Nullstellen sind, folgt
sofort durch Anwendung einer Formel von Moivre. Also ist
xn − 1 = (x − 1)(xn−1 + xn−2 + . . . + x + 1) = (x − 1)
2
n−1
Y
j=1
(x − εj ).
Die Zahlen εj = cos(2jπ/n) + i sin(2jπ/n) heißen n-te Einheitswurzeln.
Die folgende allgemeinere Aussage ist ebenfalls leicht zu überprüfen: Ist z = r(cos ϕ + i sin ϕ),
(r > 0) eine fest gewählte, von Null verschiedene komplexe Zahl in trigonometrischer Gestalt
und ist n ∈ N, so hat die Gleichung xn = z genau die n komplexen Lösungen wj =
√
n
r(cos(ϕ/n
+ 2jπ/n) + i sin(ϕ/n + 2jπ/n))
√
n
= εj r (cos(ϕ/n) + i sin(ϕ/n)) (0 ≤ j < n). Diese n Zahlen heißen n-te Wurzeln aus z. Unter
der n-ten Wurzel aus r ist dabei die positive reelle Wurzel zu verstehen.
Quadratische und biquadratische Gleichungen (Überwiegend
Wiederholung)
2
Die quadratische
p Gleichung x + px + q = 0 hat auch bei komplexen Koeffizienten die Lösungen
x1,2 = −p/2 ± p2 /4 − q, was sofort durch eine Probe nachgeprüft werden kann. Die Wurzel in
der Lösungsformel ist dabei eine der beiden (im Falle p2 /4 − q = 0 zusammenfallenden) komplexen 2-ten Wurzeln aus p2 /4 − q.
Durch Anwendungen dieser Lösungsformel kann für eine biquadratische Gleichungen der Gestalt x4 +px2 +q = 0 zunächst x2 gefunden werden. Daraus wird x als komplexe Wurzel bestimmt.
Reelle Faktorisierungen
Polynome mit reellen Koeffizienten sind spezielle Polynome mit komplexen Koeffizienten, sie
haben also insbesondere die in Satz 3 beschriebenen Produktdarstellungen (2). Allerdings folgt
für ein Polynom P (x) mit reellen Koeffizienten aus P (z) = 0, dass auch P (z̄) = 0 ist. Deshalb
treten nichtreelle Nullstellen immer als Paare komplex konjugierter Nullstellen α ± i β auf. Da
(x − α − i β) · (x − α + i β) = x2 + p x + q ist, wobei p = −2α und q = α2 + β 2 reell sind,
geht dann die Division von P (x) durch das reelle Polynom x2 + p x + q auf. Durch wiederholtes
Ausklammern reeller Faktoren der Gestalt x − xj oder x2 + p x + q und Zusammenfassung gleicher Faktoren kann man nun die reelle Produktdarstellung erhalten. Der Beweis ist analog zum
Beweis von Satz 3.
Satz 5 (von der reellen Produktdarstellung): Jedes Polynom P (x) = an xn + · · · + a0 vom
Grad n ≥ 1 mit reellen Koffizienten besitzt eine Darstellung
P (x) = c
l
Y
j=1
kj
(x − xj ) ·
r
Y
(x2 + ps x + qs )ms
(3)
s=1
= c (x − x1 )k1 · . . . · (x − xl )kl (x2 + p1 x + q1 )m1 · . . . · (x2 + pr x + qr )mr .
Dabei sind x1 , . . . , xl die paarweise verschiedenen reellen Nullstellen von P (x), x2 + p1 x +
q1 , . . . , x2 + pr x + qr sind paarweise verschiedene reelle quadratische Teiler von P (x), die selbst
keine reellen Nullstellen haben und c = an . Eine Sorte von Faktoren kann auch fehlen. Die Faktoren in dieser Darstellung sind bis auf die Reihenfolge eindeutig bestimmt.
3
Nützliche Methoden
Bei der Bestimmung der Produktdarstellung (oder der Nullstellen) können vielleicht folgende
Bemerkungen helfen:
1. Hat man eine Nullstelle z bzw. einen quadratischen Faktor x2 + p x + q gefunden, so sollte
man (x−z) bzw. den bekannten quadratischen Faktor (unter Verwendung der Division mit
Rest – der Rest wird Null) ausklammern. Man sollte auch andere gefundene Faktoren ausklammern, aber auf keinen Fall schon gefundene Faktoren des interessierenden Polynoms
ausmultiplizieren.
2. Für quadratische Polynome x2 +p x+q, biquadratische Polynome x4 +p x2 +q und Kreisteilungspolynome xn −1 = (x−1)(xn−1 +xn−2 + . . . +x+1) sind Formeln für die (komplexen)
Nullstellen bekannt.
3. Hat ein Polynom an xn + an−1 xn−1 + . . . + a1 x + a0 ganzzahlige Koeffizient und ist eine
p
Nullstelle als Quotient teilerfremder ganzer Zahlen p, q gegeben, so ist p Teiler von a0
q
und q ist Teiler von an . Eventuell vorhandene rationale Nullstellen kann man also durch
systematisches Probieren finden. Sind die Koeffizienten rationale Zahlen, so erhält man
durch Multiplikation mit einer geeigneten Zahl ein Polynom mit ganzzahligen Koeffizienten, welches dieselben Nullstellen hat.
4. Notfalls lassen sich reelle Nullstellen durch Näherungsverfahren wie das Newton-Verfahren
approximieren.
5. Tritt ein Teiler x − xj bzw. x2 + ps x + qs in Gleichung (2) oder (3) mit Vielfachheit
kj > 1 bzw. ms > 1 auf, so tritt er auch im größten gemeinsamen Teiler von P (x) und der
Ableitung P ′ (x) (mit Vielfachheit kj − 1 bzw. ms − 1) auf. Man kann also den Grad von
P verkleinern, indem man zunächst den größten gemeinsamen Teiler von P (x) und P ′ (x)
berechnet und diesen dann ausklammert. Der größte gemeinsame Teiler zweier Polynome
kann mit dem nun folgenden Euklidischen Algorithmus berechnet werden.
Euklidischer Algorithmus
Der Euklidische Algorithmus besteht in wiederholter Anwendung der Division mit Rest. Er dient
zur konkreten Berechnung des größten gemeinsamen Teilers von zwei Polynomen und liefert
zugleich einen Existenzbeweis für diesen größten gemeinsamen Teiler. Er ist analog zum Euklidischen Algorithmus zur Berechnung des größten gemeinsamen Teilers zweier natürlicher Zahlen.
Sind Polynome P , Q mit Q 6= 0 gegeben, so bezeichnet man R1 = P , R2 = Q und bestimmt
rekursiv (solange Rj+1 6= 0 ist) die Reste Rj+2 der Division von Rj durch Rj+1 :
Rj (x) = Rj+1 (x) · Sj (x) + Rj+2 (x),
Grad(Rj+2 ) < Grad(Rj+1 ).
(4)
Da jeder Teiler von Rj und Rj+1 auch Teiler von Rj+2 ist, ist jeder gemeinsame Teiler von R1
und R2 auch Teiler des letzten von Null verschiedenen Restes Rk .
Da die Division von Rk−1 durch Rk aufgeht, sieht man nacheinander, dass Rk Teiler von Rk−1 ,
Rk−2 , . . . , R2 = Q, R1 = P ist. Somit ist der letzte von Null verschiedene Rest Rk der größte
gemeinsame Teiler von P und Q.
Durch Verfolgung des Algorithmus in umgekehrter Reihenfolge (beginnend mit der vorletzten
Gleichung Rk−2 = Rk−1 ·Sk−2 +Rk ), kann man beweisen, dass Polynome S, T mit Rk = SP +T Q
existieren.
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