IHDE & COLL. RECHTSANWÄLTE FACHANWÄLTE HANNOVER FERDINANDSTR. 3 30175 HANNOVR Tel. 0511/ 33 65 09 0 Verwarnt – verklagt – verurteilt - verschaukelt Typische Rechtsfallen in der Zahnarztpraxis Referent: Rechtsanwalt und Notar Frank Ihde Stand: 29.08.2016 Aufklärungsfall Basisinformation Zum Lernen und Merken Eigene Notizen Erhebliche Aufklärungsrisiken bei Anästhesien! OLG Hamm fordert alternative Aufklärung bei Leitungsanästhesien, sofern auch intraligamentäre Anästhesien möglich sind Für die Zahnarztpraxis von ganz erheblicher Bedeutung ist eine Entscheidung des OLG Hamm vom 19. April 2016 (26 U 199/15). Der behandelte Patient hat eine L (Leitungsanästhesie) erhalten, obschon im konkreten Fall auch eine intraligamentäre Anästhesie möglich war. Im Prozess hatte der Zahnarzt argumentiert, dass die intraligamentäre Anästhesie keine echte Behandlungsalternative darstelle, weil insbesondere bei Angstpatienten viele Einstiche nicht möglich seien. Infolge der Leitungsanästhesie litt der Patient im konkreten Fall über Gefühllosigkeit in der Zunge und Parästhesien. Das OLG Hamm hat sich über die Einwendungen des Zahnarztes hinweggesetzt, und erkannt, dass eine alternative Aufklärung über die Möglichkeit der intraligamentären Anästhesie geschuldet worden war. Es wurden zunächst keinerlei Anhaltspunkte dafür festgestellt, dass die L nicht lege artis durchgeführt wurde. Die durch sie verursachte Nervenverletzung wurde von dem Gericht als – seltene – Komplikation bewertet, und damit eine Risikoaufklärung bejaht, ferner eine Aufklärung über eine echte Behandlungsalternative (intraligamentäre Anästhesie). Eine solche Aufklärung greift grundsätzlich ein, wenn bei mehreren medizinisch gleichermaßen indizierten und üblichen Behandlungsmethoden unterschiedliche Risiken und 2 Erfolgsaussichten bestehen. Ob diese Entscheidung so richtig ist, oder ob die Anästhesie selber nicht als Behandlungsmethode bezeichnet werden kann, kann angesichts dieser rechtskräftigen Entscheidung zunächst einmal dahinstehen. Viel wichtiger ist, dass in der Praxis wohl kaum eine solche Aufklärung durchgeführt wird. Das bedeutet aber auch, dass sich unzählige Zahnärzte bei ihrer täglichen Arbeit einem hohen Risiko aussetzen. Denn das OLG hat in der zitierten Entscheidung einen Betrag von 4.000,00 Euro als Schmerzensgeld wegen unterbliebener Aufklärung über Anästhesiealternativen ausgeurteilt. Es kann den Zahnärzten, die diese Form der Anästhesie anwenden, nur empfohlen werden, sich durch korrekte Aufklärung und durch entsprechende Aufklärungsbögen vor einer entsprechenden Schadenersatz- und Schmerzensgeldpflicht zu schützen. 3 Lunkerfall Basisinformation In einem Haftungsprozess vor dem Landgericht Osnabrück wird ein Fall untersucht, bei dem es u.a. um einen herausnehmbaren ZE mit einem Transversalbügel ging. Dieser bestand aus einer Legierung wie folgt: - Gold-Silberlegierung „aurumed Eco38“ - Kobalt-Chrom-Gusslegierung „wironit“ - Lot. Nach Eingliederung dieses Zahnersatzes zeigten sich bei der Patientin blaue und braune Verfärbungen an der Zunge und an den Zähnen. Ein Gutachten ergab, dass der bei der Patientin verwendete Materialmix zu deutlichen, nicht hinnehmbaren Korrosionserscheinungen geführt habe. Außerdem sind vom Sachverständigen so genannte Lunker festgestellt worden. Es hätten sich starke Inhomogenitäten im Metallgefüge gebildet, die für eine höhere Bruchgefahr sorgen und außerdem wahrscheinlich für die bläulichen Verfärbungen verantwortlich sind. Zum Lernen und Merken Eigene Notizen Zwar ist der Arztvertrag grundsätzlich Dienstvertrag (§ 611 ff BGB). Nach der Rechtsprechung des BGH ist aber abweichend hiervon bei reinen zahntechnischen Fertigungsmängeln das Werkvertragliche Haftungsrecht (§ 631 BGB) anzuwenden. Nach § 634 a verjähren im Ergebnis Mängelansprüche in zwei Jahren. Das gilt nur dann nicht, wenn der Zahnarzt Mängel arglistig verschwiegen hat. Ohne dass der Patient dem Zahnarzt eine Frist für die Beseitigung von Mängeln gesetzt hat und außerdem nicht mehr in der Behandlung des Zahnarztes erschienen ist, hat dieser nach zweieinhalb Jahren Klage auf Schadenersatz – und Schmerzensgeld erhoben. Das Landgericht hat den Zahnarzt dazu verurteilt. Es ist der Ansicht, es sei ein Dienstvertrag zustande gekommen. 4 Desinfektionsfall I Basisinformation Zum Lernen und Merken Der Zahnarzt extrahiert in einer Sitzung drei Weisheitszähne. In Folge einer danach auftretenden akuten Infektion muss sich der Patient sogar ins Krankenhaus begeben. Üblicherweise muss der Patient dem Zahnarzt einen Behandlungsfehler nachweisen. Die Beweislast liegt also bei dem Patienten. Ganz anders sieht die Situation jedoch aus, wenn der Patient Hygienestandards hinterfragt. Die Aufbereitung von Medizinprodukten nach einem geeigneten validierten Verfahren zählt zu diesen Standards. Juristisch gehört die Instrumentenaufbereitung zum Bereich des „vollbeherrschbaren Risikos“. In einem solchen Fall kommt es zur Beweislastumkehr zugunsten des Patienten. Dabei ist zu beachten, dass der Sterilisationsprozess lediglich das Ende der Aufbereitungskette abbildet. Alle vorausgehenden Teilschritte sind wesensnotwendige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Sterilisation mit anschließender Instrumentenfreigabe. Alle Schritte müssen belegt werden können. Diese Belege hat die Zahnarztpraxis in regelmäßigen Abständen durch entsprechende Prüfindikatoren zu kontrollieren. Letztlich muss die Dokumentation bei einer Chargenfreigabe jeden Teilschritt der Aufbereitung und den entsprechenden Erfolg lückenlos abbilden. Dabei ist zu beachte, dass die Dokumentation nicht nur Angaben zum Sterilisationsprozess sondern auch darüber enthalten muss, dass die Instrumente vorher ordnungsgemäß gereinigt und desinfiziert, kontrolliert und steril gut verpackt wurden. Ist das nicht dokumentiert, darf ein Gericht davon ausgehen, dass es auch nicht erfolgt ist. Im nachfolgenden Rechtstreit schildert der Zahnarzt genau, wie er den Desinfektionsvorgang hinsichtlich seiner Hände durchgeführt hat. Zur Desinfektion, Reinigung und Sterilisation seines Instrumentariums führt er nichts aus. Der Patientenanwalt trägt vor, das Instrumentarium, das anlässlich der Operation verwendet wurde, sei nicht in validierten Verfahren ordnungsgemäß aufbereitet, desinfiziert und gereinigt worden. Eine Sterilisation in einem validierten Verfahren habe ebenfalls nicht stattgefunden. Wie ist die Rechtslage? Eigene Notizen Dabei ist der Weg zu einer validierten Aufbereitung gar nicht so schwierig. Der Zahnarzt muss lediglich die gesetzlichen Vorgaben aus der MPBetreibV mit den Anweisungen aus der Anlage 1 der aktuellen RKI- 5 Richtlinie verbinden und ausführen. Sind diese Verknüpfungen erstellt, dann eröffnet sich dem Zahnarzt eine „Komfortzone“ in dieser Zone hat der Gesetzgeber zu Gunsten des Praxisbetreibers die Vermutungswirkung etabliert. Kann der Zahnarzt den Nachweis erbringen, dass alle Instrumente den Prozess durchlaufen haben, also nach einem geeigneten validierten Verfahren aufbereitet wurden, wird vermutet, dass er alles richtig und korrekt gemacht hat. Empfehlenswert ist, dass sich der Zahnarzt über die Beraterbörse der Bundesrepublik Deutschland gelisteten Berater oder Beratungsgesellschaften informiert. 6 Desinfektionsfall II Basisinformation Zum Lernen und Merken Zahnarzt Dr. Steril bekommt einen Bußgeldbescheid und soll 4.000,00 € für zwei Taten bezahlen. In dem Bescheid wird als „Tat 1“ Folgendes formuliert: Vergleiche dazu Einzelheiten im Bescheid auf der nächsten Seite. Eigene Notizen Sie führen die Reinigung und Desinfektion Ihrer Medizinproduktion, die Sie an Menschen anwenden, seit mehr als zwei Jahren mit einem nicht validierten Verfahren durch. Das Reinigungsund Desinfektionsgerät wird seit 2013 in Ihrer Praxis betrieben. Eine Erstvalidierung des Verfahrens erfolgte jedoch erst am 07.01.2016. Als „Tat 2“ wird Folgendes formuliert: Sie führen die Sterilisation Ihrer Medizinprodukte, die Sie an Menschen anwenden, seit mehr als zwei Jahren mit einem nicht validierten Sterilisationsverfahren durch. Das Sterilisationsgerät wird seit 2009 in Ihrer Praxis betrieben. Eine Erstvalidierung des Verfahrens erfolgt jedoch erst am 07.01.2016. 7 8 Röntgenbilder und Kronenrand Basisinformation Zum Lernen und Merken Regelmäßig streiten Zahnarzt und Patient vor dem zuständigen Gericht um die Frage, ob der Randschluss der vom Zahnarzt eingesetzten Kronen in Ordnung war. Es kommt regelmäßig zur Auswertung vorhandener Röntgenaufnahmen durch Sachverständige. Lässt sich im Nachhinein die klinische Situation im Zeitpunkt der Eingliederung nicht mehr feststellen, kommt es häufig auf die Auswertung von Röntgenaufnahmen an. Zur generellen Darstellbarkeit von Passungsmängeln durch Röntgenaufnahmen kann auf die einschlägige wissenschaftliche Literatur verwiesen werden (Enkling, N. Rathje, J. und Jöhren, P. Abgleich zwischen Röntgenbefund, klinischem Befund und Patientenbeschwerden. Zahnärztliche Mitteilungen 1996, Nr. 23, 01.12.2006 (3190 – 3196) ). Hier ist besondere Vorsicht geboten, da die Aussagekraft von Röntgenaufnahmen für den Randschluss von Kronen begrenzt ist. Eigene Notizen Danach gilt, dass es sowohl falschnegative als auch falschpositive Befunde gibt. Falschnegativ heißt, dass ein real vorhandener Defekt im Röntgenbild nicht dargestellt wird. Falschpositiv bedeutet, dass ein vermeintlicher Defekt in der Realität nicht vorhanden ist. Bei der Suche nach Randschlussfehlern wird eine Quote von 50 – 60 % Falschpositiver Röntgenbefunde angegeben. Zur objektiven Beurteilung ist stets ein ergänzender klinischer Befund erforderlich. 9 Schmerzpatientenfall Basisinformation Zum Lernen und Merken Am Montagmorgen erscheint Patient Dr. X in ihrer Praxis um 8:30 Uhr. Die allgemeine Sprechstunde beginnt hier. Er erklärt, er habe über das Wochenende starke Zahnschmerzen gehabt. Sie selber sind aber noch nicht in der Praxis und wollen erst so gegen 9:30 Uhr erscheinen. Bei Notdienstpatienten ist wenigstens eine Untersuchung anzubieten. Das Praxispersonal kann nicht entscheiden, ob die Behandlung des Patienten weiteren Aufschub duldet. Ihre Helferinnen erklären dem Patienten, er benötige für die Behandlung einen Termin. Eigene Notizen Allerdings muss – damit eine Berufsverfehlung von der Kammer bejaht werden könnte – auch ein Verschulden des Zahnarztes vorliegen. Welche Einlassungsmöglichkeiten gibt es? Daraufhin beschwert sich der Patient bei der Zahnärztekammer, die sie zur Stellungnahme auffordert. Wie wollen sie antworten? 10 Herausgabe der Dokumentation an Patienten Basisinformation Zum Lernen und Merken Bei ihnen wurde die nicht sehr gern gesehene Patientin Frauke Frech behandelt, die sich danach in die Behandlung eines anderen Zahnarztes begibt. Die Patientin erklärt sich mit ihrem bisherigen Behandlungsverlauf nicht einverstanden. Daraufhin verlangt sie die Herausgabe der Patientendokumentation. Sie erscheint sogar in der Praxis und verlangt unverzügliche Übergabe. Da das Personal die Unterlagen nicht kopieren und herausgeben wollen, bevor der Zahnarzt dazu etwas gesagt hat, vertrösten sie die Patientin auf den nächsten Tag. Die Berufsordnung schreibt vor, dass der Zahnarzt verpflichtet ist, Patientenunterlagen in Kopie an den Patienten herauszugeben. Eigene Notizen Aber: Nach der einschlägigen Rechtslage trifft den Patienten eine Vorleistungspflicht hinsichtlich der Kopierkosten. Nach einer juristischen Auffassung soll der Zahnarzt sogar nicht verpflichtet sein, Kopien anzufertigen. Die Patientin geht zum Anwalt, der an die Zahnärztekammer schreibt, der Zahnarzt habe seine Pflicht zur Herausgabe seiner Patientenunterlagen verletzt und beantragt die Einleitung eines Berufsrechtlichen Verfahrens. 11 Körperverletzung durch Röntgen Basisinformation Zum Lernen und Merken In einem Zulassungsentzugsverfahren wurde von Seiten der KZV festgestellt, dass eine Zahnärztin bei mehreren Patienten mehrmals geröntgt hat (bis zu 4mal) ohne dass sich aus der Dokumentation die Sinnhaftigkeit der Röntgenaufnahme ergeben hat. Die KZV zeigt die Zahnärztin bei der Staatsanwaltschaft an, weil so der Tatbestand der Körperverletzung durch unsinniges Röntgen erfüllt sei. Der Bundesgerichtshof hat sich bisher – soweit ersichtlich – nur dazu geäußert, dass ein exzessives Röntgen den Tatbestand der Körperverletzung erfüllt. Vereinzeltes Röntgen führt nicht mit Sicherheit zu einer Schädigung körperlicher Strukturen. Das Ermittlungsverfahren wurde von der Staatsanwaltschaft daher eingestellt. Eigene Notizen Wird die Staatsanwaltschaft vor dem zuständigen Strafgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens beantragen? 12 Befundung nicht dokumentiert Basisinformation Zum Lernen und Merken Zahnarzt X erklärt dem Patienten, mehrere Zähne seien bei ihm extraktionsreif und empfiehlt Sofortimplantate. Der Patient willigt ein. Später kommen dem Patienten Bedenken und er fragt den Nachbehandler, ob die Zähne überhaupt extraktionswürdig gewesen seien. Die Behandlungsunterlagen und Röntgenbilder werden übergeben. Aufgrund der Röntgenbilder kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, ob die Zähne extraktionswürdig waren. Ganz besonders wichtig für den Zahnarzt ist nicht nur die tatsächliche Befundung, sondern auch deren Dokumentation. Ist medizinisch zweifelsfrei geboten, bestimmte Befunde zu erheben, bevor eine Behandlung durchgeführt wird und wird eine solche Befundung nicht dokumentiert, kann es zur Beweislastumkehr kommen. Der Zahnarzt hätte hier also die Extraktionswürdigkeit der Zähne dokumentieren müssen, z. B. den Lockerungsgrad bzw. die parodontale Insuffizienz der extrahierten Zähne. In der Patientenkartei steht dazu nur, dass die Zähne extrahiert werden mussten. Der Patientenanwalt sagt, hier fehle eine ausreichende Befundung der Extraktionswürdigkeit. Deshalb erfolge eine Umkehr der Beweislast. Eigene Notizen Eine vergleichbare Problematik ergibt sich, wenn der Zahnarzt Zähne im Frontzahnbereich überkront und der Patient später behauptet, die Zähne wären nicht überkronungsbedürftig gewesen. Was wird das Gericht dazu sagen? Abwandlung: Die – angeblich – extraktionswürdigen Zähne werden mangels Einwilligung des Patienten nicht extrahiert. Es werden aber Implantate gesetzt. Der Patienten lässt im nachfolgenden Rechtsstreit vortragen, an den nicht extrahierten Zähnen hätte - vor Inserierung der Implantate – eine PAR-Behandlung durchgeführt werden müssen. 13 Noch einmal: Befunderhebung Basisinformation Zum Lernen und Merken In einem Rechtsstreit zwischen einem Rechtsanwalt und Zahnarzt geht es um die Frage, ob der Zahnarzt zu Unrecht Füllungen gelegt und PAR-Behandlungen durchgeführt hat. Der Patient behauptet, niemals Karies gehabt zu haben. Auch sein Zahnfleisch wäre in Ordnung gewesen. Auch hier geht es wieder um die Frage, ob und wenn ja in welchem Umfang befundet und daraufhin dokumentiert werden muss. Eigene Notizen Der Gutachter schreibt in seinem Gutachten im Ergebnis, dass die Röntgenbilder keine sichere Beurteilung zulassen, ob die Zähne kariös waren oder nicht. Einen Anhaltspunkt dafür, dass eine PAR-Behandlung ohne Indikation durchgeführt wurde, habe er auch nicht gesehen. 14 Beginn der Behandlung vor Genehmigung des HKP Basisinformation Zum Lernen und Merken Zahnarzt X plant in einem HKP die Eingliederung von Kronen. Der HKP wird zur zuständigen Krankenkasse geschickt. Vor Genehmigung erscheint der Patient und macht Druck, er müsse jetzt behandelt werden. Da der Zahnarzt fest davon ausgeht, dass der HKP genehmigt wird, beginnt er mit der Behandlung. Gemäß § 1 der Anlage 17 (Vereinbarung über das Antrags- bzw. Genehmigungsverfahren sowie das Gutachterverfahren bei der Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen) und hier gemäß Absatz 4 soll mit der prothetischen Behandlung durch den Vertragszahnarzt erst nach Festsetzung des Festzuschusses durch die Krankenkassen begonnen werden. Später argumentiert die Krankenkasse damit, dass eine Behandlung vor Beginn der Genehmigung in jedem Fall verboten sei. Wie ist die Rechtslage? Eigene Notizen Nach Auffassung von Susanne Tiemann, das Recht in der Zahnarztpraxis als Zahnarzt 16, hat ein Behandlungsbeginn vor Rückgabe des Heil- und Kostenplans jedoch keinen Einfluss auf den Honoraranspruch des Zahnarztes. Beachte allerdings Urteil Sozialgericht Stade vom 05.05.2015 – S 1 KR 52/14 – danach hat die Bewilligung des Festzuschusses vor der Behandlung zu erfolgen (so auch BSG SozR 4-2500 § 13 Nr. 21 Rn. 13 ff) wird der Heil- und Kostenplan verspätet eingereicht besteht kein Anspruch auf Bewilligung des Festzuschusses). 15 Dolmetscher bei der Behandlung eines Asylanten? Basisinformation Zum Lernen und Merken Jeder Patient muss vor der Behandlung ordnungsgemäß aufgeklärt werden. Gibt es Sprachprobleme, muss dieser der Zahnarzt irgendwie überwinden. Der Zahnarzt muss ermitteln, ob der Patient die Aufklärung versteht. Ist das nicht der Fall, kann er nicht mit der Behandlung beginnen. Notfalls muss er einen Dolmetscher hinzuziehen, idealerweise begleitende Verwandte oder Kinder. Aber Vorsicht: Wird hier vorschnell davon ausgegangen, dass der Patient die Aufklärung verstanden hat, riskiert er seine eigene Haftung. Denn nach der einschlägigen Rechtsprechung muss der Patient den Sinn und Zweck der Aufklärung voll inhaltlich verstanden haben. Eigene Notizen 16 Minderjähriger Patient in Begleitung seines Onkels Basisinformation Zum Lernen und Merken Der 15jährige Patient wird von seinem Onkel in die Sprechstunde begleitet. Bei dem Patienten muss ein Zahn extrahiert werden. Die Aufklärung erfolgt aber nur gegenüber dem Onkel. Später wollen die Eltern des Kindes die Rechnung des Zahnarztes nicht zahlen, weil sie in die Behandlung nicht eingewilligt haben. Bei Begleitung Erwachsener Verwandter kommt auch ein Vertrag mit diesen selber in Betracht. Sonst müssen die Eltern in die Behandlung einwilligen. Eigene Notizen 17 Honorar bei Nichterscheinen des Patienten Basisinformation Zum Lernen und Merken Mit dem Patienten A wird ein umfangreicher Termin in ITN vereinbart. Es sollen mehrere Zähne extrahiert und einige Zähne für Kronen und Brücken beschliffen werden. Der Patient kommt zum zweiten Mal unentschuldigt nicht zu diesem Termin. Andere Patienten sind nicht einbestellt worden, nachdem der Behandlungstermin mit dem Patienten individuell vereinbart worden ist. Die Rechtslage ist hier sehr umstritten. Teilweise wird auf Annahmeverzug, teilweise auf Schadenersatz abgestellt. Werden Termine nur vergeben, um den Praxisalltag zu gewährleisten, hat die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen wenig Aussicht auf Erfolg. Eigene Notizen Der Patient zieht es vor, diesen Termin bei einem anderen Zahnarzt vornehmen zu lassen. Kann der Zahnarzt Aufwendungsersatz verlangen? 18 Hohe Kürzung auf dem kurzen Dienstweg Basisinformation Zum Lernen und Merken Eigene Notizen Dr. Prüff bekommt, nachdem er die Behandlungsunterlagen eingereicht hat, von der Prüfungsstelle ein Schreiben, mit der Mitteilung, dass das Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung unterbrochen wird, weil die Angelegenheit an die KZV zwecks sachlichrechnerischer Berichtigung abgegeben wird. Man habe festgestellt, dass in einer Fülle von Fällen eine nicht erklärliche Anzahl von Anästhesien abgerechnet worden ist. Womit muss Dr. Prüff nun rechnen? Was ist eine sachlich-rechnerische Berichtigung und wer nimmt sie vor? Unter welchen Voraussetzungen könnte sein Honoraranspruch völlig neu im Rahmen einer Schätzung festgesetzt werden? Ist es ratsam, sofort bestimmte „Problemabrechnungen“ anzusprechen (vorauseilender Gehorsam)? 19 Disziplinarverfahren Basisinformation Zum Lernen und Merken Zahnärztin Sofie L. Füllung rechnet generell bei jedem zu überkronenden Zahn zwei Aufbaufüllungen ab. Die KZV leitet ein Disziplinarverfahren ein. Sie beantragt beim Disziplinarausschuss, dass die Zulassung der Vertragszahnärztin zwei Jahre ruhen soll. Zur Lage der Aufbaufüllungen, z. B. bei Cp und/oder P ist nichts Näheres dokumentiert. Der Gutachter schreibt, er könne natürlich die Kronen nicht abnehmen und kontrollieren, ob sich tatsächlich zwei Aufbaufüllungen in situ befinden. Er legt näher dar, dass bei einigen Zähnen die Existenz von mehreren Aufbaufüllungen sehr unwahrscheinlich sei. Abschließend klären könne er dies aber nicht. Im Rahmen eines Disziplinarverfahrens kann tatsächlich der Disziplinarausschuss als schärfste Sanktion das Ruhen der Zulassung für zwei Jahre aussprechen. Damit ist die Existenz des Zahnarztes elementar bedroht. Die Zahnärztin hatte vorher schon ein Disziplinarverfahren, das mit einer Geldbuße in Höhe von 10.000 € abschloss. Welche Konsequenzen drohen der Vertragszahnärztin? Abwandlung: Was würde gelten, wenn die Zahnärztin in einer BAG mit einer Partnerin behandelt, die selber in die streitgegenständliche Füllungstherapie nicht eingebunden war. Eigene Notizen Eine disziplinarrechtliche Maßnahme kommt schon in Betracht, wenn der Zahnarzt seine spezifischen vertragszahnärztlichen Pflichten fahrlässig verletzt. Auch die Verletzung der Dokumentationspflicht und/oder der Organisationspflicht kann eine disziplinarrechtliche Maßnahme rechtfertigen. Ausreichend ist grundsätzlich auch eine schuldhafte Verletzung der Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung. Abwandlung: Ein Disziplinarverfahren gegen zwei Zahnärztinnen kommt grundsätzlich nicht in Betracht. So formuliert z. B. die Hamburger Disziplinarordnung, dass Anträge auf Durchführung eines Disziplinarverfahrens gegenüber einer BAG bzw. mehreren Zahnärzten zu trennen, und getrennte Verfahren durchzuführen sind. Das liegt daran, dass es jeweils um einen konkreten, auf die konkrete Person bezogenen Schuldvorwurf geht. Bei der Partnerin kommt bestenfalls eine Verletzung der Organisationspflicht in Betracht. 20 Strafrecht / Wenn der Staatsanwalt kommt Basisinformation Zum Lernen und Merken Eigene Notizen Die in ein Disziplinarverfahren verwickelte Zahnärztin Sofie L. Füllung bekommt überraschend Besuch vom Staatsanwalt. Dieser legt einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss vor. Die Staatsanwaltschaft beschlagnahmt bestimmte Praxisunterlagen. Was ist der Zahnärztin zu raten? Unter welchen Voraussetzungen kann die Staatsanwaltschaft in der Praxis Unterlagen beschlagnahmen? Welche Voraussetzungen haben die Tatbestände der Körperverletzung und des Abrechnungsbetruges? 21 Forderungseinzug des Zahnarztes Basisinformation Zum Lernen und Merken Eigene Notizen Zahnärztin Inka Sso hat keine guten Erfahrungen mit zahnärztlichen Abrechnungsgesellschaften gemacht. Sie möchte jetzt wieder selber die Forderungen einziehen. Damit beauftragt sie das Anwaltsbüro X. Sie fragt den Rechtsanwalt, wie so ein Inkassoverfahren läuft. 22 Juniorpartner in der BAG und Steuerrecht Basisinformation Zum Lernen und Merken Sie nehmen einen Juniorpartner in Ihre Praxis auf. In dem Gemeinschaftspraxisvertrag formulieren Sie unter anderem, dass der Partner 30 % seiner selbst erwirtschafteten und tatsächlich vereinnahmten Honorare als Gewinn erhält. Zur Frage, ob der Juniorpartner auch am Verlust der Praxis beteiligt ist, wird nichts formuliert. Des Weiteren wird vereinbart, dass der Juniorpartner keine Abfindung anlässlich seines Ausscheides erhält. Nach der bisherigen Rechtslage und Rechtsprechung des BSG in der Entscheidung vom 23. Juni 2010 (B 6 KA 7/09 R) gelten folgende Abgrenzungskriterien zwischen dem „Angestellten“ und freischaffenden Zahnarzt in einer Gemeinschaftspraxis: 1. Die Übernahme des wirtschaftlichen Risikos durch jeden Gesellschafter (i. d. R. als Beteiligung am Gewinn und Verlust der Praxis) muss vorliegen. 2. Die Beteiligung an dem vom Vertragszahnarzt erarbeiteten Praxiswert muss mindestens in Form einer Abfindung bei Ausscheiden (entweder als Geld oder als Möglichkeit der Mitnahme der Patienten) muss gegeben sein. 3. Die individuelle Unabhängigkeit jedes Gesellschafters muss bejaht werden. Bei der Geschäftsführung wird vereinbart, dass der Seniorpartner wegen der geschäftlichen Unerfahrenheit des Juniorpartners bis weiteres die Geschäfte selber führt. Besteht die Gefahr der Sozialversicherungspflicht? Kann es sein, dass das Finanzamt die Einnahmen des Juniorpartners nicht als freiberuflich deklariert? Eigene Notizen Folgerichtig hatte auch das LSG Baden-Württemberg in dem Urteil vom 12.12.2014 (L 4 R 1333/13) erklärt, dass bei nicht gleichberechtigten zahnärztlichen Partnern rentenversicherungsrechtlich ein Anstellungsverhältnis vorliegen kann. Diese Entscheidung war besonders undurchsichtig Jetzt hat der BFH in zwei Entscheidungen noch einmal Kriterien genannt. Beide Verfahren betreffen eine augenärztliche 3er-BAG. Der BFH meint, dass der Juniorpartner nicht am Gewinn der Gesellschaft beteiligt sei, weil er nur einen Prozentsatz der von ihm erwirtschafteten Honorare erhalten hat, der im Fall des Verlustes der Gesellschaft nur bis auf 0 gesenkt werden konnte. Der Juniorpartner war nach Auffassung des BFH nicht an den stillen Reserven und auch nicht an 23 den Wirtschaftsgütern der Gesellschaft beteiligt. Die anfallenden Praxisinvestitionen wurden allein von den Altgesellschaftern getragen. Letztendlich geht es um die Frage, der Mitunternehmerstellung des Juniorpartners und zwar im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Der BFH hat Folgendes ausgesprochen: Erhält ein (Schein-)Gesellschafter eine von der Gewinnsituation abhängige, nur nach dem eigenen Umsatz bemessene Vergütung und ist er zudem von einer Teilhabe an den stillen Reserven der Gesellschaft ausgeschlossen, kann wegen des danach nur eingeschränkt bestehenden Mitunternehmerrisikos eine Mitunternehmerstellung nur bejahrt werden, wenn eine besonders ausgeprägte Mitunternehmerinitiative vorliegt. Hieran fehlt es jedoch, wenn zwar eine gemeinsame Geschäftsführerbefugnis besteht, von dieser aber tatsächlich wesentliche Bereiche ausgenommen sind (BFH Urteil vom 03.11.2015, VIII R 63/13). Das Finanzamt schaut im Übrigen nicht nur in den Vertrag, sondern guckt, wie z. B. tatsächlich der Gewinn zugewiesen wurde. Wird im Vertrag eine Gewinnbeteiligung am Praxisgewinn vereinbart, in Wirklichkeit aber X-Prozent der eigenen Honorarumsätze zugrunde gelegt, ist das schädlich. 24 Praxisgemeinschaft und Umsatzsteuer Basisinformation Zum Merken und Lernen Sie führen mit zwei Partnern eine Gemeinschaftspraxis. Ein Kollege möchte in Ihrem Praxisverbund aufgenommen werden. Da er bereits schlechte Erfahrungen mit einer BAG gemacht hat (einer der Partner wurde insolvent, der Juniorpartner musste für diesen mitbezahlen) möchte er nur eine Praxisgemeinschaft eingehen. „Wenn die Gemeinschaftspraxis gegenüber einem Arzt Leistungen erbringt, indem sie ihm Praxisräume, Inventar und Geräte sowie Personal überlässt, erbringt die BAG umsatzsteuerbare Leistungen gegenüber diesem Arzt. Eine Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr.14 S.2 UStG scheidet aus, weil der Arzt, mit dem die Gemeinschaftspraxis den Vertrag abschließt, nicht Mitglied der Gemeinschaftspraxis ist.“ In dem Gesellschaftsvertrag wird unter anderem ausgeführt, dass der neue Partner die gesamte Infrastruktur der Praxis nutzen darf. Als Gegenleistung zahlt er eine Pauschale, die sich anhand seiner Honorarumsätze errechnet. Den entsprechenden Betrag bezahlt er an die Gemeinschaftspraxis. Was wird das Finanzamt dazu sagen? Eigene Notizen (BFH vom 21.06.1990 – V R 94/8) Beachte dazu aktuelle Urteile, z. B. Finanzgericht Münster vom 19.05.2015 (15 K 496/11 U). Zentraler Gedanke dieser Entscheidung: Es muss gerade die Gesellschaft sein, die Leistungen erbringt. Urteil des Finanzgerichts München vom 24.05.2007 (14 K 891/04) Zentraler Gedanke: Im Ergebnis müssen eigentlich alle Arbeitsverhältnisse, Leasingverträge, Mietverträge usw. auf die Praxisgemeinschaft übertragen werden. Für eine sichere Gestaltung sind also folgende Punkte zu beachten: 25 wenigstens Untervermietung der Räume an die Praxisgemeinschaft Personal bei PG-Anstellen Praxisinventar sollte von der Praxisgemeinschaft erworben worden sein Es geht bei der Betrachtung und Umsatzsteuer ausschließlich um Leistungen, die unmittelbar heilkundlerischen Zwecken dienen. Dazu gehören zum Beispiel nicht Steuerberatungskosten und Kosten der Abrechnungshelferin. 26 Wirtschaftlichkeitsprüfungsfall Basisinformation Zum Merken und Lernen Die Wirtschaftlichkeitsprüfung in Niedersachsen wird seit dem grundlegenden Urteil des LSG Celle vom 29.01.2014 nach anderen Spielregeln als früher durchgeführt. Hilfreich ist es hier nur, sich rechtzeitig mit den „Spielregeln“ vertraut zu machen. Eigene Notizen Das LSG hat erkannt, dass nach der Prüfvereinbarung in Niedersachen grundsätzlich ein Spartenfallwertvergleich durchzuführen ist. Es werden also die Spartenfallwerte des Vertragszahnarztes mit denen seiner Vergleichsgruppe durchgeführt. Folgende wichtigen Aspekte lassen sich hier herausstellen: 1. Beurteilungsspielraum bei der Auswahl der Verfahrensart In der letzten Prüfvereinbarung hat man die Prüfung nach Spartenfallwerten mehr oder weniger als die einzige Prüfungsart normiert (obwohl in der Praxis auch gelegentlich beispielhafte Einzelfallprüfungen mit statistischer Hochrechnung stattfinden; vgl. nächsten Fall). Hier wäre vom Zahnarzt zu rügen, dass nach der Rechtsprechung des BSG den Prüfungsgremien ein Beurteilungsspielraum bei der Auswahl der Prüfmethoden eingeräumt wird. Darf angesichts dieser Rechtsprechung eine Prüfvereinbarung mehr oder weniger nur eine Verfahrensart normieren? Liegt insoweit eine unzulässige Einengung des Beurteilungsspielraums vor? Diese Frage ist noch nicht abschließend in Niedersachsen geklärt. 27 2. Bereinigung der Statistik nach sachlichrechnerischer Berichtigung? In vielen Fällen wird entweder von der Prüfungsstelle selber oder der KZV eine sachlich-rechnerische Berichtigung vor der Wirtschaftlichkeitsprüfung durchgeführt. An der Statistik wird aber nichts verändert. Vor dem Sozialgericht Hannover schweben Verfahren, ob das so erlaubt ist. 3. Grenzziehung zum offensichtlichen Missverhältnis Die Prüfungsstelle sowie der Beschwerdeausschuss gehen ohne nähere Überprüfung davon aus, dass die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei 50 % anzusiedeln ist. Demgegenüber wäre zu untersuchen, ob diese Grenze bei Spartenfallwerten mit Rücksicht auf die Therapiefreiheit nicht deutlich höher anzusiedeln wäre. Grundlegende Rechtsprechung fehlt noch. 4. Praxisbesonderheiten Bislang werden Praxisbesonderheiten zum Beispiel bei atypischer Altersverteilung der Patienten akzeptiert. Auch bei (oral-)chirurgischer Tätigkeit kommen Praxisbesonderheiten in Betracht. Die Prüfungsstelle gewährt hier oftmals die Differenz der – chirurgischen – Fallwerte zwischen Zahnärzten und Chirurgen als Praxisbesonderheit. Schwere Fälle / geringe Fallzahl: Hier kommt eine Praxisbesonderheit nur in Betracht, wenn die schweren Fälle wirtschaftlich waren, und tabellarisch dargestellt werden. Neupatienten: Neupatienten werden gelegentlich von der Prüfungsstelle als Praxisbesonderheit akzeptiert. Bislang galt in der Kanzlei Ihde & Coll. dazu ein Wert von ca. 20 %. In einem Bescheid der Prüfungsstelle aus August 2016 steht aber: Des Weiteren machen die Zahnärzte geltend, dass im Quartal 46 Neupatienten in die Praxis kamen. 46 Neupatienten erkennt die Prüfungsstelle als 28 Praxisbesonderheit an. Wobei anzumerken ist, dass die Anzahl der Neupatienten im Verhältnis zur Behandlungsfallzahl nicht übermäßig erhöht ist. 5. Systematische Fehler in den Bescheiden der Prüfungsstelle Die Prüfungsstelle überspringt in der Regel die von der Rechtsprechung verlangte Darstellung des sogenannten unwirtschaftlichen Mehraufwandes. Es wird nämlich eine Ermessensentscheidung verlangt, ob, und wenn ja in welcher Höhe der – zuvor dargestellte – unwirtschaftliche Mehraufwand gekürzt wird. 6. Wer errechnet eigentlich die Spartenfallwerte, und wieso ist der „Gesamtfallwert“ nicht die Summe von Spartenfallwerten? 7. Falsche Besetzung des Beschwerdeausschusses Es ist auch darauf zu achten, ob der Beschwerdeausschuss anders als vorgeschrieben nur in der Besetzung 2 : 2 + Vorsitzender entscheidet. 8. Lohnt sich ein Widerspruch? Lohnt sich anwaltliche Begleitung? Wie ist ein Termin vor dem Beschwerdeausschuss vorzubereiten? Was hilft, was schadet? 29 Wirtschaftlichkeitsprüfung II Basisinformation Zum Merken und Lernen In Ihrer Praxis wird eine Wirtschaftlichkeitsprüfung durchgeführt. Die Prüfstelle ordnet eine repräsentative Einzelfallprüfung mit statistischer Hochrechnung an. Bei der beispielhaften Einzelfallprüfung mit statistischer Hochrechnung gibt es wichtige Prüfungspunkte: Auf was müssen Sie im Einzelnen achten? Eigene Notizen Es müssen mindestens 20 % der abgerechneten Fälle, wenigsten 100 Fälle im Quartal herangezogen werden. Bei einer Kürzung muss ein Sicherheitsabschlag von 25 % vorgenommen werden. Jedenfalls in Hessen wird vor der Wirtschaftlichkeitsprüfung die Zustellung eines Prüfungsberichtes verlangt. Die Prüfgremien müssen vor einer Hochrechnung feststellen und im Bescheid darlegen, dass die Unwirtschaftlichkeiten nicht nur in der Stichprobe, sondern auch in der restlichen Abrechnung existieren (dauerhafte Verhaltensweise). In die Hochrechnung dürfen keine Kürzungen einbezogen werden, die das Ergebnis einer sachlichrechnerischen Berichtigung sind. 30 Trauma Antikorruptionsgesetz Basisinformation Zum Merken und Lernen Viele Dentallabore wählen eine Gesellschaftsform, die es zulässt, dass Zahnärzte mehr oder weniger am Gewinn des Labors beteiligt werden. Die Beteiligung hängt natürlich auch davon ab, ob sie selber ihre Arbeiten im Labor fertigen lassen. Es gibt Vertragsgestaltungen, bei denen der Zahnarzt stiller Gesellschafter ist. Andere Verträge sehen vor, dass ein namentlich genannter Kommanditist berechtigt ist, treuhänderisch für Zahnärzte weitere Kommanditanteile auszugeben und sie auf eigene Rechnung, aber im Interesse dieser Treugeber zu verwalten und entsprechende Gewinne auszuschütten. Grundsätzlich gilt: Alles, was im Moment schon verboten ist, ist es auch weiterhin. Alles was jetzt erlaubt ist, wird auch weiter bleiben. Solche Labore fragen nun an, ob sie nach den Bestimmungen des neuen Antikorruptionsgesetzes Schwierigkeiten bekommen könnten. Eigene Notizen 1. Folgende Grundprinzipien sollten eingehalten werden: Trennungsprinzip: Zuwendungen dürfen nicht im Zusammenhang mit Beschaffungsentscheidungen stehen Transparenzprinzip: Jede Zuwendung und Vergütung muss offen gelegt werden Äquivalenzprinzip: Leistung und Gegenleistung müssen in einem angemessenen Verhältnis stehen Dokumentationsprinzip: Alle Leistungen müssen schriftlich festgehalten werden 2. § 128 Abs. 2 Satz 3 SGB V Unzulässige Zuwendungen im Sinne des Satzes 1 sind auch die unentgeltliche oder verbilligte Überlassung von Geräten und Materialien und Durchführung von Schulungsmaßnahmen, die Gestellung von Räumlichkeiten oder Personal oder die Beteiligung an den Kosten hierfür sowie Einkünfte aus Beteiligungen an Unternehmen von Leistungserbringern, die Vertragsärzte durch ihr Versorgungs- oder Zuweisungsverhalten selbst maßgeblich beeinflussen. Wichtig ist, dass die Einkünfte maßgeblich beeinflusst werden müssen. Bei § 299 a StGB (Text siehe nächste Seiten) der nicht nur für den vertragszahnärztlichen, sondern auch für den privatzahnärztlichen Bereich gilt, kommt es darauf an, 31 ob jemand in „unlauterer Weise bevorzugt“ wird. Für die Beteiligung an Dentallaboren gilt: Was den Anwendungsbereich von § 299 a StGB betrifft, ist eine Vorteilsnahme bzw. Gewährung auch daran zu sehen, dass ein Zahnarzt einen wirtschaftlichen Vorteil dafür erlangt, dass er bei dem Bezug von Medizinprodukten, die zur unmittelbaren Anwendung durch ihn bestimmt sind, einen anderen in unlauterer Weise bevorzugt. Diese Vorschrift ist durchaus auch bezüglich von Zahnersatz durch den Zahnarzt anwendbar. Es ist also Vorsicht geboten, wenn durch das Auftragsverhalten des Zahnarztes das wirtschaftliche Ergebnis der DentallaborGmbH maßgeblich beeinflusst wird. Beauftragt etwa ein Zahnarzt aus kommerziellen Gründen bevorzugt ein bestimmtes Dentallabor, kann dies eine unlautere Bevorzugung des entsprechenden Labors darstellen und damit künftig ein Straftatbestand erfüllen. Das gilt ohne Weiteres für zuweisungsbezogene Gewinnbeteiligungen. Der aus einer finanziellen Beteiligung an einer Dentallabor-GmbH resultierende Gewinn oder Verlust kann sich aber auch allein am Gesellschaftsanteil des beteiligten Zahnarztes ausrichten und nicht etwa am Umfang der von ihm eingereichten Laboraufträge. Ob das allerdings zu einem anderen Ergebnis führt, ist umstritten. Denn der am Gesellschaftsanteil orientierte Gewinn wird auch höher, wenn sich durch das Zuweisungsverhalten des Zahnarztes ein höherer Auftragsbestand ergibt. In der einschlägigen Literatur wird zum Beispiel dazu Folgendes ausgeführt: Ist der Arzt nur mittelbar, insbesondere über allgemeine Gewinnausschüttungen am Erfolg eines Unternehmens beteiligt, kommt es für die Zulässigkeit der Beteiligung darauf an, ob 32 er bei objektiver Betrachtung durch seine Patientenzuführung einen spürbaren Einfluss auf den Ertrag aus seiner Beteiligung nehmen kann. In diesem Spannungsfeld ist aber noch vieles unklar, so dass erst die weitere Entwicklung in der Rechtsprechung abgewartet werden muss, bevor hinreichend konkrete Grenzen für die Beteiligung an Unternehmen feststeht. So Damas und Scur, die neuen Tatbestände § 299 a und 299 b StGB, PFB (Praxis Freiberufler – Beratung) Seite 327. Folgende Punkte werden zum Gesamtkomplex in der Literatur genannt: „unlautere Bevorzugung“ im Sinne des § 299 b StGB: Eine Bevorzugung ist unlauter, wenn sie geeignet ist, Mitbewerber durch die Umgehung der Regelungen des Wettbewerbs und durch Ausschaltung der Konkurrenz zu schädigen (Fischer, StGB, 62. Auflage, § 299, Rd-Ziffer 16 Vorteil im Sinne des § 299 b bedeutet jede Zuwendung, auf die der Täter keinen Rechtsanspruch hat und die seine wirtschaftliche, rechtliche oder persönliche Lage objektiv verbessert. Es werden sowohl materielle als auch immaterielle Zuwendungen erfasst. Ohne Bedeutung ist, ob es sich um einen Vorteil für den Täter oder einen Dritten handelt. Beispiele: Einladung zu Kongressen, die Übernahme der Kosten von Fortbildungsveranstaltungen oder die Einräumung von Vermögens- oder Gewinnbeteiligung. Eine Geringwertigkeits- oder Bagatellgrenze gibt 33 es nicht. Nur sozialadäquate Zuwendungen, denen die objektive Eignung fehlt, konkrete heilberufliche Entscheidungen zu beeinflussen, fallen nicht unter die Vorteilsdefinition (z. B. geringfügige und allgemein übliche Werbegeschenke oder kleinere Geschenke von Patienten). Nicht sozial adäquat sind Vorteile, deren Annahme den Eindruck erwecken, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird, und die damit bereits berufsrechtlich unzulässig sind. Als Orientierung, wo die Grenze sozialadäquater Zuwendungen der Höhe nach zu ziehen ist, kann ggf. die steuerliche Festlegung des Geschenks von geringem Wert bei 35,00 Euro herangezogen werden. „Als Gegenleistung für eine Pflichtverletzung“ Das bloße Annehmen eines Vorteils ist zur Tatbestandsverwirklichung nicht ausreichend. Der Täter muss den Vorteil vielmehr fordern, sich versprechen lassen oder annehmen als Gegenleistung für eine zumindest intendierte unlautere Bevorzugung im Wettbewerb. Der Unrechtsvereinbarung kommt damit eine erhebliche Funktion innerhalb der Abgrenzung von strafbarem zu nicht strafbarem Verhalten zu. Es geht um die Frage, ob die Zuwendung gerade für die Vornahme der Pflichtverletzung erfolgt ist oder aus anderen Gründen. Beispiel: Mietkostenzuschuss vom Apotheker an den Arzt, damit dieser im Geschoss über ihm einzieht bzw. mit seiner Praxis verbleibt, wenn die Zahlung nicht für eine Patientenzuweisung, sondern ausschließlich für das Verbleiben an dem bestimmten Ort erfolgt. Skonti und Rabatte: Die Kosten für die zahntechnischen Leistungen sind Aufwendungen des Zahnarztes gemäß § 670 BGB. Der Zahnarzt hat 34 Anspruch auf Ersatz der tatsächlich entstandenen angemessenen Auslagen. Nach § 10 Absatz 2 GOZ muss die Rechnung in Bezug auf zahntechnische Materialen die Art, den Umfang und die Ausführung der einzelnen Leistungen und deren Preise enthalten. In Bezug auf die direkt zurechenbaren Materialien und deren Preise müssen insbesondere die Bezeichnung, das Gewicht und der Tagespreis der verwendeten Legierung angegeben werden. Das bedeutet, dass Rabatte unter diesen Voraussetzungen beim Einkauf von Goldlegierungen nicht an Patienten weitergereicht werden müssen. Bei Rechnungslegung gilt der Preis vom Verarbeitungstag. Skonto- und Barzahlungsnachlass: Das Skonto ist eine Vereinbarung zwischen einem Unternehmen und seinem Kunden, die es dem Kunden erlaubt, einen definierten Prozentsatz vom Rechnungsbetrag abzuziehen, wenn er innerhalb einer bestimmten Frist bezahlt. Der Einbehalt eines vereinbarten Skontos von maximal 3 % - z. B. bei vorzeitiger Zahlung einer Monatsrechnung vom Fremdlabor – ist zulässig. Unzulässig: Für die Überweisung von Patienten durch einen Vertragszahnarzt durch einen MKGChirurgen wird eine Geldprämie vereinbart oder: Zwischen dem Vertragszahnarzt und dem Oralchirurgen wird abgesprochen, dass der Vertragszahnarzt für den Fall der Überweisung von Patienten an den Oralchirurgen das Ferienhaus des Oralchirurgen kostenlos nutzen darf. Unzulässig: Ein niedergelassener Zahnarzt erhält für den Bezug von 10 Implantaten zum Preis von jeweils 600,00 Euro zwei weitere Implantate kostenlos als „Draufgabe“, was auf 12 Implantate gerechnet einen 35 Preisnachlass von jeweils 100,00 Euro entspricht. Unzulässig: Für den Bezug von 50 Implantaten zum Preis von jeweils 600,00 Euro wird dem Zahnarzt vom Hersteller die Möglichkeit eingeräumt, einen Intraoral-Scanner zum regulären Preis von 25.000,00 Euro mit 20 % Rabatt zu beziehen. Im Rahmen der Abrechnung veranschlagt der Zahnarzt die Implantate jeweils mit dem regulären Einkaufspreis von 600,00 Euro. Zulässig hingegen: Der 20 % Rabatt auf den Intraoral-Scanner wird losgelöst vom Implantatbezug und im Rahmen einer „Sonderangebotswoche“ für alle Kunden zur Markteinführung des Gerätes gewährt. Unzulässig: Weitergabe von Zahnersatz zu BEL-IIPreisen, obwohl vom ausländischen Dentallabor ein günstigerer Preis berechnet wurde. Ggf. unzulässig: Sehr lange Zahlungsziele, die der Zahntechniker einräumt. Hier kommt es auf den wirtschaftlichen Vorteil an. 36 37 Kündigung im „Kleinbetrieb“ Basisinformation Zum Merken und Lernen Dr. R. Ausflug arbeitet seit 27 Jahren mit seiner Haupthelferin, und seiner Ehefrau als Auszubildende zusammen. Daneben gibt es eine weitere Helferin, die ursprünglich einen Mini-Job in der Zahnarztpraxis ausgeübt hat. Weil sie davon nicht leben konnte, bat sie ihren Chef, eine Vollzeitstelle zu bekommen, was dann auch geschah. Leider ging das Patientenaufkommen in der Folgezeit zurück. Weil diese Helferin nicht bereit war, wieder einen Mini-Job auszuüben, wurde ihr gekündigt, und per Stellenanzeige eine neue Helferin auf Mini-Job-Basis gesucht. Grundsätzlich findet das Kündigungsschutzgesetz in sogenannten Kleinbetrieben (bis zu 10 Mitarbeitern) keine Anwendung. Die gekündigte Helferin klagt vor dem Arbeitsgericht. Dort trägt sie vor, die Kündigung sei in Wirklichkeit auf einen Streit zwischen ihr und der Ehefrau des Zahnarztes zurückzuführen. Dort habe es heftigste Auseinandersetzungen gegeben. Das BAG hat diese Maßstäbe in einer Grundsatzentscheidung (Urteil vom 21.02.2001) aufgegriffen. Sittenwidrig und daher verboten sei eine Kündigung in besonders krassen Fällen. Das kann der Fall sein, wenn die Kündigung auf einem verwerflichen Motiv des Kündigenden beruht oder wenn sie aus anderen Gründen dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht . . . Was wird das Arbeitsgericht sagen? Eigene Notizen Wenig bekannt ist aber, dass das Bundesverfassungsgericht einen verfassungsrechtlich gebotenen Mindestschutz des Arbeitsplatzes vor Verlust durch private Dispositionen kreiert hat. Aufgrund dieser Rechtsprechung werden Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen geschützt. 38