Der „gute Kaiser Franz“ und sein Mann fürs Grobe.

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Der „gute Kaiser
Franz“ und sein Mann
fürs Grobe.
Franz war als Kaiser sehr populär und verstand es, sich
neben dem wegen seiner reaktionären Politik
kritisierten Metternich als wohlmeinender Bürgerkaiser
zu präsentieren, als Garant und Symbol des
habsburgischen Kaisertums.
Klemens Wenzel Lothar von Metternich (1773–1859) führte die
Monarchie in den folgenden Jahren mit großer Vorsicht durch
den Strudel der Ereignisse. Er war der „Kutscher Europas“ und
das aktive Mastermind neben dem zaudernden Kaiser Franz.
Die Wende trat ein, als Napoleon, geschwächt durch das
katastrophale Ende seines Russlandfeldzuges, in der
Völkerschlacht von Leipzig besiegt werden konnte. Dank
Metternich konnte sich Österreich als Initiator des Wiener
Kongresses 1814/15, bei dem die Neuordnung Europas
ausgehandelt wurde, wieder als Großmacht profilieren. Kaiser
Franz fiel die Rolle des Gastgebers zu. Dies bedeutete einen
enormen finanziellen Aufwand für einen Staat, der nach den
jahrelangen Kriegen ausgeblutet war.
Der Glanz der Feste und die Selbstinszenierung der Fürsten
wurden von der Rückkehr Napoleons von Elba nach Paris
überschattet. Nach seiner neuerlichen Niederlage in der
Schlacht von Waterloo am 18. Juni 1815 wurde der einstige
Herrscher Europas ins Exil nach St. Helena verbannt.
Österreich ging territorial konsolidiert aus den Verhandlungen
hervor. Die Verluste konnten wettgemacht werden und
Österreich dadurch seinen Großmachtstatus wiedererlangen.
Der Außenposten der Niederlande und das polnische
Westgalizien gingen zwar für immer verloren. Dafür konnten
nun Salzburg, Venetien und Dalmatien dauerhaft in die
Monarchie eingegliedert und die Lombardei wieder gewonnen
werden. Durch die Wiedereinsetzung der habsburgischen
Nebenlinien als Herrscher in Modena und der Toskana wurde
der Einfluss Österreichs in Italien zusätzlich verstärkt.
1815 wurde die „Heilige Allianz“ zwischen den führenden
konservativ-reaktionären Monarchien Europas geschlossen. Es
war dies ein Bündnis zwischen dem österreichischem Kaiser,
dem Zaren von Russland und dem König von Preußen, dessen
Ziel es war, revolutionäre Entwicklungen gemeinsam zu
unterdrücken und das monarchische Prinzip zu stärken.
Die österreichische Innenpolitik dieser Epoche war von
reaktionären Maßnahmen und der Beschränkung der
bürgerlichen Freiheiten geprägt, die heute unter Schlagwörtern
wie Metternich’scher Polizeistaat, Überwachungssystem und
Zensurwesen bekannt sind.
Gleichzeitig kam es aber auch zu einer ökonomischen
Konsolidierung. Österreich trat in die erste Phase der
Industrialisierung ein. Der technische Fortschritt fand seinen
Höhepunkt in der Gründung des Wiener „k. k. Polytechnischen
Instituts“ 1815, der Vorgängerinstitution der heutigen
Technischen Universität Wien.
Die Spätphase der Regentschaft von Kaiser Franz war eine
eigenartige Mischung aus dumpfer Reaktion und kultureller
Blüte. Trotz politischen Stillstands konnte das Bürgertum seine
Rolle als führende soziale Schicht weiter ausbauen. Das
„Österreichische Biedermeier“ gilt als Ausdruck dieses
Zwiespalts: Gemütlichkeit und bürgerlicher Wohlstand standen
im Schatten massiver Missstände, wie der sozialen Probleme
angesichts der wachsenden Masse des Industrieproletariats
und verarmter Kleinbauern. Auch die Idee des Nationalismus,
geboren aus der Französischen Revolution, fiel im
Vielvölkerstaat auf fruchtbaren Boden. Probleme, die die
Entwicklung der Monarchie bis zu deren Ende 1918 bestimmen
sollten, begannen sich abzuzeichnen, konnten aber vorerst
durch die erdrückende Staatsmacht, personifiziert durch den
seit 1821 zum allmächtigen Haus- Hof und Staatskanzler
ernannten Fürst Metternich, im Zaum gehalten werden.
Als Kaiser Franz 1835 mit 67 Jahren nach 43 Regierungsjahren
starb, hinterließ er seinem schwachen Sohn Ferdinand ein
gefestigtes Erbe. Er war sich aber bewusst, dass die
vermeintliche Ruhe trügerisch war – sein politisches Testament
gipfelte in den folgenden Ratschlägen für seinen Sohn:
„Verrücke nichts an den Grundlagen des Staatsgebäudes,
regiere und verändere nichts; stelle Dich fest und
unerschütterlich auf die Grundsätze, mittels derer steter
Beachtung Ich die Monarchie nicht nur durch die Stürme harter
Zeiten geführt … Ehre die wohlerworbenen Rechte; …
Übertrage auf den Fürsten Metternich, Meinen treuesten Diener
und Freund, das Vertrauen, welches Ich ihm während einer so
langen Reihe von Jahren gewidmet habe. Fasse über öffentliche
Angelegenheiten wie über Personen keine Entschlüsse, ohne ihn
darüber gehört zu haben.“
Autor
Martin Mutschlechner
Literatur
Hamann, Brigitte (Hg.): Die Habsburger. Ein biographisches
Lexikon, Wien 1988
Leidinger, Hannes / Moritz, Verena / Schippler, Bernd: Schwarzbuch
der Habsburger. Die unrühmliche Geschichte eines
Herrscherhauses, Innsbruck/Wien 2010 (2. Auflage,
ungekürzte Taschenbuchausgabe)
McGuigan, Dorothy Gies: Familie Habsburg 1273–1918. Glanz und
Elend eines Herrscherhauses, Wien/München 2011 (12. Auflage)
Pieper, Dietmar / Saltzwedel, Johannes (Hg.): Die Welt der
Habsburger. Glanz und Tragik eines europäischen
Herrscherhauses, München 2010
Rumpler, Helmut: Eine Chance für Mitteleuropa. Bürgerliche
Emanzipation und Staatsverfall in der Habsburgermonarchie (=
Österreichische Geschichte 1804–1914, hg. von Herwig Wolfram),
Wien 2005
Vocelka, Karl: Die Familien Habsburg und Habsburg-Lothringen.
Politik – Kultur – Mentalität, Wien 2010
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