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N E W S L E T T E R N F P 59
Ausgabe
Ok tober 2008
Nutzen und Risiken der Freisetzung gentechnisch veränder ter Pflanzen
EDITORIAL
KOE X IS T ENZ: ÖKONOMISCHE AUS WIRKUNGEN
Koexistenz
Grosse Ungewissheit, aber auch Befürwortung
Die gentechnische Veränderung von
Pflanzen bietet Möglichkeiten, die weit
über jene der herkömmlichen Züchtung
hinausgehen. Darum werden bereits in
vielen Ländern gentechnisch veränderte
Pflanzen (GVP) kommerziell genutzt.
Weltweit beträgt die Anbaufläche um
die 114 Millionen Hektaren. Tendenz
steigend.
Gleichzeitig sind GVP aber auch umstritten – insbesondere in der Schweiz.
So haben die Stimmberechtigten im
Jahr 2005 ein Moratorium für den kommerziellen Anbau von Gentech-Pflanzen
beschlossen, das noch bis 2010 gilt.
Bis dahin soll die Forschung noch
mehr Wissen über den Nutzen und
die Risiken von GVP erarbeiten. Denn,
auch wenn der heutige Wissensstand
beträchtlich ist: Noch sind viele Fragen
ungeklärt. Insbesondere für die Schweiz
mit ihrer sehr kleinräumig strukturierten
Landwirtschaft ist noch nicht klar, ob
und wie ein Nebeneinander von Landwirtschaftsformen mit und ohne gentechnisch veränderte Pflanzen möglich
ist. Wie müsste man diese so genannte
Koexistenz reglementieren, und welche
Auswirkungen hätte sie auf die landwirtschaftlichen Strukturen der Schweiz?
Diesen (und vielen weiteren Fragen)
geht das Nationale Forschungsprogramm
«Nutzen und Risiken der Freisetzung
gentechnisch veränderter Pflanzen»
NFP 59 nach. Es versucht möglichst
viele der Fragen zu beantworten, welche
die Schweizer Bevölkerung, Wirtschaft
und Politik im Zusammenhang mit dieser
neuen Technologie interessieren.
Ist es aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll, in der Schweiz ein Nebeneinander
von Landwirtschaftsformen mit und ohne gentechnisch veränderte Pflanzen
anzustreben? Welche Folgen hätte diese so genannte Koexistenz für die
Bauern? Eine Befragung präsentiert ein erstes Stimmungsbild.
Die Hauptfrage, die das Projekt stellt,
angebaut werden, und erfassen mittels
lautet: unter welchen Rahmenbedin-
Literaturrecherche das Kosten-Nutzen-
gungen lohnt sich der Anbau von GV-
Potenzial von GV-Pflanzen. Insbesondere
Pflanzen in der Schweiz? Um dies zu
wird ermittelt, was die Kosten und der
beantworten, entwickelt die Forschungs-
Arbeitszeitbedarf möglicher Koexistenz-
gruppe von Stefan Mann am Agroscope
massnahmen sind. Letztlich resultiert
Reckenholz-Zürich ein Computermodell,
daraus eine Wirtschaftlichkeitsanalyse
das unterschiedliche landwirtschaftliche
für verschiedene GV-Kulturen für
Betriebstypen in verschiedenen Szena-
die Schweiz. Die Modellierung soll so
rien simuliert. Mit diesem Modell sollen
detailliert wie möglich werden, das heisst
Voraussagen möglich sein, wie sich die
bis auf die Ebene des einzelnen Land-
Schweizer Landwirte gegenüber der neuen
wirtschaftsbetriebs.
Technologie verhalten werden. Wobei das
Modell – als vereinfachte Abbildung der
Meinung der Bauern ist gefragt
Wirklichkeit – stetig erweitert wird und
Derzeit befragen die Forschenden in
sich so immer mehr den realen Bedin-
einem Untersuchungsgebiet im Kanton
gungen annähert.
Zürich sechzig Landwirte. Sie wollen
so die räumliche Struktur der im Jahr
Das Projekt wird Aussagen über
ökonomische und räumliche Aspekte der
2008 angebauten Kulturen erfassen und
Koexistenz von gentechnisch veränderten
gleichzeitig ermitteln, was die aktuelle
und konventionellen Nutzpflanzen erlau-
Meinung der Landwirte bezüglich des
Prof. Dr. Dirk Dobbelaere
ben. Und daraus wiederum wollen die
Anbaus gentechnisch veränderter Pflan-
Präsident der Leitungsgruppe des NFP 59
Forschenden Handlungsempfehlungen
zen ist. Wer lehnt GVO grundsätzlich
für die Gesetzgebung bereitstellen.
ab, wer schwankt, wer steht der neuen
Sie analysieren auch die Erfahrungen aus
Technologie aufgeschlossen gegenüber?
Ländern, in denen bereits GV-Pflanzen
Aus der Kombination dieser räumlichen
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KOE X IS T ENZ: ÖKONOMISCHE AUS WIRKUNGEN • FORTSE T ZUNG VON SEIT E 1
Ist es aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll, in der Schweiz
Wie entwickeln sich die Preise sowohl
Was in den meisten Fällen geschätzt werde,
ein Nebeneinander von Landwirtschaftsformen mit und
der Rohstoffe als auch der Landwirt-
so die Forscher, sei, dass die Befragung
ohne gentechnisch veränderte Pflanzen anzustreben?
schaftsprodukte? Spart man wirklich
überhaupt stattfinde, weil sie Einblicke in
Dünge- und Spritzmittel ein?
eine mögliche Zukunft gebe. Wobei sich
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Informationen mit den Präferenzangaben
jüngere Personen stärker dafür interes-
der Bauern lässt sich eine künftige, in
Derzeit eher noch skeptisch
sierten als ältere. Stefan Mann vermutet,
der Realität denkbare Situation für die
Die Daten der Befragung sind bis dato
dass dies damit zusammenhänge, dass
Koexistenz in der Schweizer Landwirt-
noch nicht ausgewertet. Persönliche
sich die Älteren nicht mehr persönlich
schaft abbilden.
Eindrücke der Forschungsgruppe vermit-
betroffen fühlen.
teln aber eine eher skeptische Haltung
Schwierige Meinungsbildung
der befragten Bauern zum Einsatz der
heutige Präferenzen in der Zukunft
Die brennende Frage hinter den Inter-
Gentechnik in der Landwirtschaft. Nach
ändern können, wenn die gesetzlichen
views lautet, ob die Schweizer Bauern
heutigem Standpunkt wollen sie eher
Rahmenbedingungen und somit die
den Einsatz der Gentechnik in der Land-
darauf verzichten. Die Schweiz solle auch
Einstiegs- und Ausstiegshürden bis ins
wirtschaft positiv bewerten oder nicht.
in Zukunft eine gentechfreie Zone blei-
Detail bekannt seien. Erste Ergebnisse
Ein Problem ist dabei jedoch, dass sich
ben, ist eine häufig geäusserte Meinung.
werden voraussichtlich im Winter 2008
die Befragten zu einer Thematik äussern
Die Bauern befürchten, von der Saatgut-
präsentiert. ◆
sollen, die sie nur schwer einschätzen
industrie abhängig zu werden, sie zwei-
können, geschweige denn aus eigener
feln, ob sie wirklich zusätzliche Erträge
Erfahrung kennen. Es ist für sie schwierig,
erwirtschaften können, und sie haben
sich in eine Koexistenz-Situation hinein-
Bedenken, dass langfristig die Schädlinge
zudenken. Und sie können noch nicht
resistent werden.
abschätzen, was ihnen die Gentechnik
tatsächlich bringen könnte. Zu viele
Meinungsspektrum anzutreffen: Von einer
Fragen sind noch offen: Was werden die
starken Ablehnung bis zur klaren Befür-
gesetzlichen Rahmenbedingungen sein?
wortung sind alle Meinungen vertreten.
Deutlich zeige sich auch, dass sich
Projektleiter: Dr. Stefan Mann
Agroscope Reckenholz-Tänikon ART,
Tänikon, 8356 Ettenhausen
Telefon: 052 368 31 31
E-Mail: [email protected]
Jedoch ist daneben ein sehr breites
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Blauer Mais simuliert Verhalten von Gentech-Mais
Konventionelles Saatgut kann mit Körnern von gentechnisch veränderten
Kulturpflanzen verunreinigt sein. Diese Verunreinigungen tauchen bei der
Ernte wieder auf. In welchem Ausmass wollen Forscher in Feldexperimenten
herausfinden – ohne gentechnisch veränderte Pflanzen einzusetzen.
Distanz, Wind und Pflege entscheidend
Durchgeführt werden zwei Typen von
Versuchen. Zum einen säen die Forschenden eine blaue «Verunreinigungspflanze» von Hand in eine kleine Parzelle
weisser Pflanzen und beobachten in der
Folge die männlichen und weiblichen
Blüten. Vor der Ernte werden dann die
blauen Körner auf den weissen Kolben
gezählt, wobei jedes blaue Korn einer
Auskreuzung entspricht, da die blaue
Farbe gegenüber der weissen dominant
vererbt wird. Für jede der weissen Kontrollpflanzen werden auch Distanz und
Werden transgene Kulturpflanzen im
Wie nahe dürfen konventionelle und gentechnisch
Windrichtung zur Verunreinigungs-
Freiland neben herkömmlichen Kultur-
veränderte Kulturpflanzen beieinander stehen? Ein
pflanze ermittelt, woraus sich die Flug-
pflanzen angebaut oder über dieselben
Computermodell soll Auskunft geben.
dynamik des Pollens bestimmen lässt.
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Wege verarbeitet und verteilt, kann sich
Weiter ist für solche Verunreinigungen
das Saatgut vermischen. Besonders in der
Mais ist eine weltweit verbreitete und
auch der Zeitpunkt der Blüte entschei-
kleinräumigen Schweizer Landwirtschaft
gleichermassen wichtige wie umstrittene
dend. Bei ursprünglichen Maissorten
kann dies ein Problem darstellen. Ein
GV-Pflanze. Mais hat aber auch zwei im
blühen weibliche und männliche Blüten
Projekt des Instituts für Pflanzenwissen-
Experiment sehr dienliche Eigenschaften.
nicht zeitgleich, was für Wildpflanzen
schaften an der ETH Zürich, des For-
Erstens: er ist so genannt einhäusig
Sinn macht, denn so steigt die Wahr-
schungsinstituts für biologischen Land-
getrenntgeschlechtlich. Das heisst, jede
scheinlichkeit, dass «fremde» Pollen zur
bau (FiBL) in Frick und der Schweizer
Pflanze hat sowohl männliche Blüten
Befruchtung kommen. Die genetische
Hochschule für Landwirtschaft (SHL)
(Fahne, an der Spitze) als auch weibliche
Diversität bleibt gewahrt. Doch in der leis-
in Zollikofen will mit Feldexperimenten
(Seide, etwa auf halber Höhe), die sich
tungsorientierten Landwirtschaft ist das
eine Basis schaffen, mit der Grenzwerte
während der Vegetationszeit gut über-
unerwünscht, man will Sorten möglichst
für die Saatgutverunreinigung festgelegt
wachen lassen. Zweitens besitzt Mais
rein halten. Darum blühen bei modernen
werden können. Solche Grenzwerte
verschieden farbige Körner (blau, gelb
Hybridsorten die Blüten zeitgleich. «Aller-
wären für die Koexistenz von konventi-
und weiss), die auf dem Kolben leicht zu
dings kann diese Synchronizität der Blüten
onellen und transgenen Pflanzen unab-
erkennen sind.
aus dem Lot geraten», sagt Dominique
dingbar. Zwar laufen ähnliche Arbeiten
Dietiker aus der Arbeitsgruppe Stamp.
auch in der EU. Jedoch fehlen noch
die Forschenden für ihr Projekt auf gen-
«Wenn die Kulturen nicht sorgfältig
Resultate, und sie liessen sich ohnehin
technisch veränderte Pflanzen verzichten.
gepflegt werden, insbesondere wenn das
nur bedingt auf die Schweiz übertragen.
Sie mischen einfach blaue Körner der
Feld kurz vor der Blüte von Trockenheit
Sorte Adonis ins Saatgut von konventio-
befallen wird, dann steigt das Risiko für
Mais als Modellpflanze
nellem Mais und beobachten deren Ver-
Fremdbestäubungen, also auch Bestäu-
Peter Stamp und sein Team verwenden
halten von der Saat bis zur Ernte.
bungen durch gentechnisch veränderte
für die Experimente Maispflanzen. Denn
Dank dieser Farbunterschiede können
Maispflanzen aus der Nachbarschaft.»
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N E W S L E T T E R N F P 59
Ausgabe
Ok tober 2008
KOE X IS T ENZ: RECHT LICHE GRUNDL AGEN
Genügen die Schweizer Gesetze zur Sicherung der Koexistenz?
Damit traditionelle und transgene Nutzpflanzen nebeneinander existieren
können, ist ein klarer rechtlicher Rahmen nötig. Im NFP 59 will ein Projekt
Lösungen für die gesetzlichen Rahmenbedingungen der Koexistenz erarbeiten –
und damit Rechtssicherheit schaffen.
Somit liege es also auch in der Verantwortung der Landwirte, ihre Kulturen
durch gute Pflege vor unerwünschten
Bestäubungen zu schützen.
Analyse-Software für Landwirte
In einem zweiten Versuchstyp wird dem
Saatgut verschiedener Landwirte, das
in der Regel von einer gelben Sorte ist,
ein Prozent blaue Körner beigemischt.
Die Landwirte bewirtschaften dann ihre
Felder wie gewohnt. Nach der Ernte
bestimmen die Forscher die Endverunreinigung im Erntegut, indem sie blaue und
gelbe Körner zählen. Bei diesem Versuch
Wenn traditionelle und gentechnologisch
Selbst wenn der Anbau von GVP und konventionellen
spielt die Position der Pflanzen auf dem
unterstützte Formen landwirtschaftlicher
Kulturpflanzen aus biologischer und agronomischer
Feld keine Rolle, da allein der Gesamt-
Produktion nebeneinander existieren
Sicht möglich wäre, ist noch nicht klar, ob auch die
effekt der Verunreinigung interessiert.
können, spricht man von Koexistenz. Ob
Anhand dieser Versuche beschreiben
Bauern und Konsumenten diese akzeptie-
die Forschenden, wie sich Saatgutverun-
ren würden, ist die eine Frage, die andere,
reinigungen verbreiten, und überprüfen
ob für deren Regulierung die Schweizer
für die Umsetzung rechtlicher Bestim-
auch, wie genau ihre zuvor entwickelten
Verfassung und das Gentechnologie-
mungen zur Koexistenz in der Schweiz
Computermodelle funktionieren. Ziel ist,
Gesetz eine ausreichende Grundlage
zu formulieren.
dereinst eine Software an die Landwirte
bilden. Deshalb will das juristische For-
abzugeben, wo diese die Merkmale der
schungsprojekt von Rainer J. Schweizer,
Rechtssicherheit für jedes Bedürfnis
angebauten Sorte eingeben und das
Universität St. Gallen, Christoph Errass,
Gemäss Artikel 7 des schweizerischen
Risiko der Ernteverunreinigung selbst
Rechtsanwalt in Bern, und Stefan Kohler,
Gentechnikgesetzes muss mit gentech-
berechnen können. Ebenso kann die-
Rechtsanwalt in Zürich, die rechtlichen,
nisch veränderten Organismen so umge-
ses Rechenmodell zur Berechnung von
politischen und ökonomischen Aspekte
gangen werden, dass die Produktion von
transgenen Produktverunreinigungen
der neuen Schweizer Gesetzgebung zu
Erzeugnissen ohne GVO nicht beeinträch-
und zur Festlegung von Grenzwerten
gentechnisch veränderten Organismen
tigt wird. Ausserdem muss die Wahlfreiheit
eingesetzt werden. ◆
klären.
der Konsumentinnen und Konsumenten
zwischen Erzeugnissen mit und solchen
Projektleiter: Prof. Dr. Peter Stamp
Institut für Pflanzenwissenschaften, ETH Zürich,
Universitätsstrasse 2, 8092 Zürich
Telefon: 044 632 38 78
E-Mail: [email protected]
Offen sind zum Beispiel Fragen
gesetzlichen Rahmenbedingungen ausreichen, um
die Koexistenz zu regeln.
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bezüglich der Verunreinigung traditi-
ohne GVO gewährleistet bleiben.
oneller Landwirtschaftsprodukte oder
der Kennzeichnung von Lebensmitteln.
chungen davon aus», so Professor Rainer
Berücksichtigt werden bei dieser Arbeit
J. Schweizer, «dass beide Produktionsfor-
auch die internationale Rechtsordnung
men grundsätzlich rechtlich und faktisch
und vergleichbare Erfahrungen im euro-
möglich sein müssen.» Aber es müsse
päischen Ausland. Ziel ist, Empfehlungen
«Wir gehen bei unseren Untersu-
beispielsweise verhindert werden, dass
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Produzenten, die auf den Einsatz von
wichtigen europäischen Ländern», erläu-
Ohne schon konkrete Massnahmen zu
GVO verzichten, nicht wegen unerlaubter
tert Christoph Errass die bisher durchge-
nennen, kann laut dem Forscherteam
Freisetzung von GVO rechtlich belangt
führten Arbeitsschritte. «Derzeit prüfen
doch gesagt werden, dass wohl Ergänzun-
werden, wenn sich GV-Nutzpflanzen
wir rechtliche Lösungsvarianten auf ihre
gen im Gentechnikgesetz notwendig wer-
auf ihrem Land auswildern. Auch müsse
Verfassungsmässigkeit und Völkerrechts-
den, und dass einige geltende Regelungen
gewährleistet sein, dass sie ihre Produkte
verträglichkeit.»
optimiert werden müssen. Zum Beispiel
weiterhin absetzen können. Umgekehrt
Im interdisziplinären Teil des Projekts
die unterschiedlichen Schwellenwerte zur
sollen aber auch Produzenten eine zuge-
arbeiten die Juristen mit Biologen zusam-
Deklaration des GVO-Gehalts, der aktuell
lassene und bewilligte GV-Kultur neben
men. «Wir erschliessen uns möglichst
bei 0,9 Prozent, für Bio-Produkte aber bei
einem Bioproduzenten anbauen können,
umfassend die bestehenden wissenschaft-
bloss 0,1 Prozent liegt. ◆
ohne Gefahr zu laufen, rechtlich belangt
lichen Kenntnisse über Auskreuzungen,
oder in ihrer Tätigkeit bedroht zu werden.
wilden Aufwuchs oder sonstige biologi-
«Die bisherigen rechtlichen Vorgaben für
sche oder wirtschaftliche Vermischungs-
die Koexistenz unterschiedlicher Produk-
risiken», so Co-Projektleiter Stephan
tionsarten sind nicht nur in der Schweiz,
Kohler. «Solche Kenntnisse braucht es
sondern auch in der EU ungenügend»,
für die Analyse der Sachverhalte und die
betont Rainer J. Schweizer. Gemäss seiner
Entwicklung von Lösungsmodellen. Diese
Einschätzung sei ein ganzes Bündel
wiederum müssen wir an Hand von land-
gesetzlicher Massnahmen nötig, um im
wirtschaftlich und biologisch sinnvollen
Rahmen des Bundesverfassungsrechts
Anbaumodellen überprüfen, welche die
und des Völkerrechts (WTO-Recht und
schweizerischen Verhältnisse beachten,
Cartagena-Protokoll) Rechtssicherheit
beispielsweise beim Getreideanbau in
für alle unterschiedlichen Bedürfnisse zu
Gebirgstälern oder dem Obstanbau im
erreichen. Diese Massnahmen reichen
Wallis und im Thurgau.»
Projektleiter: Prof. Dr. Rainer J. Schweizer
Rechtswissenschaftliche Abteilung,
Universität St. Gallen,
Tigerbergstrasse 21, 9000 St. Gallen
Telefon: 071 224 21 60
E-Mail: [email protected]
von einer Regulation der landwirtschaftlichen Produktion bis hin zur Anpassung
Internationaler Rechtsvergleich verblüfft
des Haftungsrechts.
«Die Arbeiten verlaufen wie geplant»,
meint Professor Schweizer. «Allerdings
Juristischer und interdisziplinärer
Lösungsansatz
überraschen die Resultate des Rechtsver-
Das Projekt verfolgt zwei Forschungs-
in der Schweiz bisher nicht diskutierte,
ansätze: einen traditionell juristischen
hochinteressante Ansätze zur Regulierung
und einen interdisziplinären. In einer
gestossen. Wir haben aber auch viel über
ersten Phase wurden die Kennzeichen
die Risiken der Koexistenz gelernt. Sind
der Koexistenz und mögliche Konflikt-
also auf Probleme gestossen, die wegen
punkte analysiert. Danach erfolgte eine
des Moratoriums in der Schweiz noch
detaillierte Untersuchung des bestehen-
nicht aufgetaucht sind. Solche rechtliche
den Bundesrechts. «Wir betrieben einen
oder wirtschaftliche neue Perspektiven
umfangreichen Rechtsvergleich von
werden wir im Projekt selbstverständlich
Kanada über China bis hin zu allen
beachten.»
gleichs. Wir sind in einzelnen Staaten auf
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IMPRESSUM
Herausgeber: Schweizerischer Nationalfonds zur
Förderung der wissenschaftlichen Forschung,
Abteilung IV, Orientierte Forschung,
Nationale Forschungsprogramme
Wildhainweg 3, Postfach 8232, 3001 Bern
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KOE X IS T ENZ: S T RUK T URELLE AUS WIRKUNGEN
Gentechnologie und nachhaltige Landwirtschaft – geht das?
In einem theoretischen Vergleich verschiedener landwirtschaftlicher
Produktionssysteme suchen Experten Antworten auf die Frage, inwieweit
transgene Pflanzen für eine nachhaltige Schweizer Landwirtschaft von
Nutzen sein können und welche Risiken sie bergen.
Wie würde sich die Zulassung von gentech-
Verschiedene Zukunftsszenarien: Um die Auswirkungen des Anbaus von GVP zu
ermitteln, werden verschiedene Parameter miteinander kombiniert.
nisch veränderten Pflanzen in der Schweiz
auf die landwirtschaftlichen Produktionssysteme auswirken? Noch ist wenig dazu
Biologischer Anbau
bekannt. Unklar ist zum Beispiel, welche
IP-Anbau
längerfristigen Veränderungen dies für
den Fruchtfolgewechsel hätte, oder was die
wirtschaftlichen Folgen wären.
Ackerbau
Der Nutzen wie auch die Risiken von
Obstbau
Ackerbau
Obstbau
GV-Nutzpflanzen werden heute meist
noch isoliert für einzelne Sorten abgeklärt.
«Ein landwirtschaftliches Produktionssys-
mit GVP
tem ist jedoch mehr als die Summe seiner
ohne GVP
mit GVP
ohne GVP
mit GVP
ohne GVP
mit GVP
ohne GVP
einzelnen Teile, und alle Komponenten
eines Anbausystems – einschliesslich der
vermutlich für den Anbau zur Verfügung
von GV-Pflanzen auf die Fruchtfolge, den
gewählten Sorten – müssen aufeinander
stehen werden und welche Eigenschaften
Maschinenbedarf, die Arbeitsbelastung
abgestimmt sein», betont Bernhard Spei-
diese haben. Dann haben wir modellhafte
und die Rentabilität für die Bauern. Alles
ser aus dem Forscherteam. «Zu beachten
Szenarien mit und ohne GV-Pflanzen
in allem wird so ein Gesamtbild entstehen,
ist auch, dass landwirtschaftliche Anbau-
entwickelt. Einerseits für eine intensive
das die Nachhaltigkeit, den Nutzen und die
systeme regional angepasst sind, und
Fruchtfolge von Getreide und Hackfrüch-
Risiken von GV-Pflanzen in verschiede-
dass deshalb Ergebnisse aus einer Region
ten, anderseits für eine Obstanlage mit
nen landwirtschaftlichen Anbausystemen
nicht eins zu eins auf die gesamte Schweiz
Äpfeln und Birnen. Und beides jeweils
beschreibt. Das gesamte Verfahren wird
übertragbar sind.»
einmal nach den Richtlinien des Bioland-
begleitet von einer Website, auf der alle
baus, und einmal nach den Normen der
Berichte aufgeführt sind. Angemeldete
Technologiefolgenabschätzung
integrierten Produktion (IP).»
Benutzer können hier die Zwischen- und
Ziel des Projekts ist deshalb, eine breit
Schlussresultate öffentlich kommentie-
abgestützte Technologiefolgenabschätzung
dass in diesen Szenarien auch die Kombi-
ren. Diese Internetplattform soll sichtbar
bereitzustellen. Dazu werden Szenarien
nation von GV und Bio auftaucht. Bernhard
machen, wo sich die Sachverständigen
für integrierte und biologische Anbausys-
Speiser erklärt dies so: «Die Richtlinien des
einig sind, wo nicht, und wo noch Wissens-
teme mit und ohne GV-Nutzpflanzen ent-
Biolandbaus schliessen GV kategorisch aus,
lücken bestehen. Bernhard Speiser betont
wickelt und miteinander verglichen. Die
und die Schweizer Konsumenten würden
aber, dass die Diskussionen sich auf Fra-
dazu erforderlichen Grundlagen werden
wohl kaum Bioprodukte aus GV-Pflanzen
gen im Zusammenhang mit diesem Pro-
von vier spezialisierten Expertenteams –
akzeptieren. Jedoch könnte aus rein agro-
jekt beschränken, denn «eine allgemeine
«GV-Nutzpflanzen», «Schweizer Anbau-
nomischer Sicht eine schädlingsresistente
Diskussion pro und kontra Gentechnik
systeme», «Risikobeurteilung und Agrar-
GV-Pflanze tatsächlich dem Biolandbau
sprengt unseren Rahmen.» ◆
ökologie», «Ökonomie» – in separaten
Vorteile bringen. Eine herbizidtolerante
Workshops erarbeitet. «In einem ersten
GV-Pflanze hingegen wäre nutzlos, denn
Schritt», erklärt Bernhard Speiser, «haben
der Biolandbau verwendet keine Herbizide.»
wir eine Übersicht erstellt, welche GV-
In die Szenarien fliessen auch praxisnahe
Nutzpflanzen in den nächsten zehn Jahren
Aspekte ein, zum Beispiel der Einfluss
Auf den ersten Blick mag erstaunen,
Nutzen und Risiken der Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen
Nationales Forschungsprogramm NFP 59
Projektleiter: Dr. Lucius Tamm
Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL),
Ackerstrasse, 5070 Frick
Telefon: 062 865 72 38
E-Mail: [email protected]
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