Multipuls-NMR in der Organischen Chemie Manipulation des FIDs Es gibt eine Reihe von experimentellen und mathematischen Methoden zur Bearbeitung des FIDs, mit denen man das Aussehen der Spektren verbessern kann, ohne dass dadurch der Aussagewert und die Exaktheit der Messparameter (chemische Verschiebung, Kopplungskonstante, Integrale) leiden müssen. Diese Verfahren fasst man unter dem Begriff Spektrenmanipulation zusammen. Einige davon seien im Folgenden beschrieben. Schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt in der Entwicklung der NMR-Spektroskopie hat man ihre geringe Empfindlichkeit beklagt und nach Methoden gesucht, diese zu verbessern. Offensichtliche Möglichkeiten, wie Erhöhung der Substratkonzentration, Vergrößerung der Probenröhrchen oder gar Isotopenanreicherung (bei 13C) stoßen schnell an ihre Grenzen und sind heute längst ausgereizt. Akkumulation Spätestens mit der Entwicklung der PFT-Technik, bei der eine Einzelmessung in kurzer Zeit (0.1 bis 4 sec) aufgenommen werden kann, wurde das Verfahren der Spektrenakkumulation für die Routine attraktiv. Hierbei wird ein Spektrum mehrNMR-5 – Manipulation des FIDs 1 Multipuls-NMR in der Organischen Chemie mals aufgenommen und im Rechner immer wieder auf den gleichen Speicherplätzen abgelegt (akkumuliert). Geschieht dies n mal, wird die Intensität der Signale S um den Faktor n vergrößert, die Intensität des Rauschens N (von Noise), als einem zufälligen Ereignis, aber nur um den Faktor √n. Damit ergibt sich für den Gewinn an Signal-Rausch-Verhältnis bei n Akkumulationen: S/N = n / √n = √n Um also ein verdoppeltes Signal (bei gleichem Rauschen) bzw. eine Halbierung des Rauschens bei gleicher Signalhöhe zu erhalten, muss man n = 4 haben, also viermal messen und akkumulieren. Dies ist gar kein Problem, weil jede einzelne Messung nur sehr kurz ist. Ist es aber mit dem Halbieren des Rauschens nicht getan, kann die Akkumulation wegen der Wurzelabhängigkeit leicht zu sehr langen Messzeiten führen. Reicht z.B. Faktor 10 (100 x messen; 1-10 min) immer noch nicht, erfordert ein erneuter Faktor 10 (10 x 10 = 100; 1002: 10.000 x messen) schon Messzeiten von einigen Stunden. Bei erneutem Faktor 10 ist man dann schon bei untragbaren Messzeiten von mehreren Tagen. NMR-5 – Manipulation des FIDs 2 Multipuls-NMR in der Organischen Chemie Beispiel: 13C-Signale einer Phenylgruppe, aufgenommen mit 4, 16 und 64 Durchläufen (NS = 4, 16 bzw. 64), was jeweils zu einer Halbierung des Rauschens führen sollte und auch so erkennbar ist. NMR-5 – Manipulation des FIDs 3 Multipuls-NMR in der Organischen Chemie Exponentielle Multiplikation (EM) Vergleichen wir den Informationsinhalt eines FID vorn (am Anfang) und hinten (am Ende), stellen wir fest, dass am Anfang die Signalinformation gegenüber der Rauschinformation bei weitem überwiegt. Das Verhältnis verringert sich aber mit fortschreitender Aufnahmezeit, weil die zu messenden Kerne der transversalen Relaxation unterliegen, während das Rauschen gleich bleibt. Schneidet man vom FID als das hintere Teil ab, wird man zu einem besseren S/N-Verhältnis kommen. Ein einfaches Abschneiden (Apodisierung) ist aber nicht günstig, weil zum Zeitpunkt des Schnitts wahrscheinlich das eigentliche Signal noch nicht auf Null gesunken ist, wir der exponentiell abklingenden Cosinusfunktion also eine Kastenfunktion aufmultiplizieren. Dies kann nach FT zu stark verdrehten Grundlinien und einer schlechteren Erkennbarkeit des eigentlichen Signals führen. Wir erreichen jedoch einen ähnlichen Effekt, wenn wir den FID nicht abschneiden, sondern ihn mit einer exponentiellen Abklingfunktion multiplizieren. M y´ = M ⋅ cos(2π∆νt ) ⋅ e 0 y´ NMR-5 – Manipulation des FIDs − t T2* Æ M y´ = M ⋅ cos(2π∆ν t ) ⋅ e 0 y´ − t T2* ⋅ e− x 4 Multipuls-NMR in der Organischen Chemie Zwei FIDs, oben ohne EM, unten mit EM; nur der vordere Teil gezeigt a e0 a a e-6 NMR-5 – Manipulation des FIDs a 5 Multipuls-NMR in der Organischen Chemie Damit reduzieren wir – wie gewünscht – die Gewichtung des Rauschens, ohne dass das Signal seine Lorentzform verliert. Auch die Amplitude am Anfangspunkt des FIDs bleibt gleich. Es ist also – neben dem besseren S/N – lediglich eine Verbreiterung des Signals zu erwarten, weil wir mit der exponentiellen Multiplikation die Fläche des FIDs verringert, also das NMR-Signal bei gleichbleibender Fläche erniedrigt, ergo verbreitert, haben. Dies sei an den 13C-Signalen einer Phenylgruppe mit e0 (links) und e-9 (rechts) gezeigt: a NMR-5 – Manipulation des FIDs a 6 Multipuls-NMR in der Organischen Chemie Resolution Enhancement Man kann die exponentielle Multiplikation auch umkehren, d.h. man kann den FID mit einer positiven (ansteigenden) e-Funktion multiplizieren. Dies wird dann dazu führen, dass sich das Rauschen deutlich verstärkt, dass aber die Linienbreiten sich verringern, was eine höhere Auflösung der Signale bedeutet. Dies kann bei komplexen Multipletts und bei Signalüberlappungen sehr willkommen sein. Man handelt sich dabei allerdings wieder das Problem der aufmultiplizierten Kastenfunktion (Apodisierung) und der damit stark beeinträchtigten Grundlinie ein. Den gleichen Effekt erzielt man auch mit der Lorentz-Gauß-Transformation, bei der man die Einhüllende des FIDs (exponentiell abklingende Cosinusfunktion) in eine Gaußfunktion umwandelt. Die Fourier-Transformierte einer Gaußfunktion ist genau diese Gaußfunktion, d.h. die resultierenden NMR-Signale sind keine Lorentz- , sondern Gaußlinien, und letztere sind i.a. deutlich schmaler. Die Lorentz-Gauß-Transformation ist heute in der NMR-Spektroskopie eine häufig verwendete, beliebte Methode zur Auflösungsverbesserung. Sie sei an zwei Beispielen demonstriert: NMR-5 – Manipulation des FIDs 7 Multipuls-NMR in der Organischen Chemie Stark gespreiztes 13C-Signal (z) von 1-Trifluormethyladamantan: CF3 ohne NMR-5 – Manipulation des FIDs mit L-G-Transformation 8 Multipuls-NMR in der Organischen Chemie 1 H-NMR-Spektrum von Rohrzucker (Saccharose = β-D-Fructofuranosyl-α-D-glucopyranosid) Man erkennt eine sehr hohe Auflösung der Signale, aber auch beträchtliche Apodisierungseffekte. NMR-5 – Manipulation des FIDs 9 Multipuls-NMR in der Organischen Chemie Zero Filling Wir hatten vorher gesehen, dass die Wahl des spektralen Fensters sowie die Zahl der Datenpunkte entscheidend ist für die digitale Auflösung. Ist man bei ersterem an eine untere Grenze gestoßen, kann man nur noch die Punktzahl erhöhen, was aber notwendigerweise mit einer proportional verlängerten Messzeit einhergeht. Doppelte Zahl der Datenpunkte führt zu doppelter Messzeit! Sehr häufig ist es aber so, dass die Quermagnetisierung schon bei einer „normalen“ Datenpunktzahl am Ende praktisch zu Null zerfallen ist. Vergrößert man die Zahl der Messpunkte, fügt man – neben der Erhöhung der digitalen Auflösung – nur noch mit hohem Zeitaufwand Rauschinformation hinzu. Viel einfacher ist es dann, am Ende der Akkumulation eine bestimmte Anzahl Datenpunkte ohne Informationsinhalt (Nullen) anzuhängen („zero filling“). Man erspart sich die verlängerte Messzeit und fügt zudem kein weiteres Rauschen hinzu. Dieses Verfahren ist außerordentlich effektiv, wenn es nicht übertrieben wird. Man sollte höchstens die gleiche Zahl Nullen anhängen; eher weniger. Anderenfalls riskiert man ähnliche Grundlinieneffekte wie bei der Apodisierung. NMR-5 – Manipulation des FIDs 10 Multipuls-NMR in der Organischen Chemie Linear Prediction In neuerer Zeit wurde eine Methode in die Routine eingeführt, die die Apodisierung-Problematik, das Abschneiden eines noch nicht bis zur totalen transversalen Relaxation abgeklungenen FIDs, angeht. Aus dem vorhandenen FID werden die einzelenen exponentiell abklingenden Cosinusfunktionen durch Anpassung ermittelt, entspechend extrapoliert und dann über den FID-Abbruch hinaus auf freie Datenplätze gespeichert. Damit werden – unter Erhaltung der im FID vorhandenen Information – nach der FT „saubere“ Lorentzlinien für die NMR-Signale erhalten. NMR-5 – Manipulation des FIDs 11