Der Außenwert des Euro - Deutsche Bank Research

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Economics
Euroland-Themen
24. Oktober 2001
WU-Monitor
Nr. 93
Währungen im Wettbewerb: Der Außenwert des Euro
• Ein schwacher Außenwert ist nicht notwendigerweise schlecht, ein starker Außenwert nicht notwendigerweise gut.
• Die Außenwert-Erwartungen an der Wiege des Euro haben sich nur teilweise
erfüllt. Manches spricht dafür, dass uns der Euro vor einer wesentlich dramatischeren Schwäche der D-Mark bewahrt hat. Die Bewegungen des Außenwerts
seit der Geburt des Euro waren im historischen Vergleich nichts Außergewöhnliches. Auch der Dollar und der Yen haben in der Vergangenheit in ähnlichen Zeiträumen vergleichbare Wertverluste erfahren.
• Die Einführung des Euro war politisch motiviert, zugleich aber auch ökonomisch
gut begründet.
• Der D-Mark-Bargeldumtausch in Osteuropa ist kein Belastungsfaktor für den Euro.
• Kapitalbewegungen waren und sind zentrale Triebkräfte des Eurokurses. Die Schwäche des Euro ist maßgeblich bedingt durch hohe Nettokapitalexporte aus dem
Eurogebiet. Dahinter stand die fundamentale Stärke der US-Wirtschaft, während
in Euroland das Wachstum des BIP und der Produktivität deutlich schwächer ausfielen. Nach dem 11.9. ist die „safe haven“-Rolle des Dollar ausschlaggebend.
• Wechselkurse neigen immer wieder zu Übertreibungen; bei der Euro-Schwäche der letzten beiden Jahre könnte es sich um eine temporäre „Untertreibung“
gehandelt haben. Bisher hat die Euroschwäche (Dollarstärke) makroökonomisch
aber kein nachhaltiges Problem bereitet.
Editor:
Ulrich Schröder
+49 69 910-31704
[email protected]
• Die Schwankungen des Eurokurses sind einerseits zwar „natürlich“, andererseits sollten sie aber wegen ihrer Inflationswirkungen eine wichtige Rolle für die
„zweite Säule“ der Geldpolitik der EZB spielen.
Axel Siedenberg, +49 69 910-31700 ([email protected])
Der Verlauf des Eurokurses seit seiner Einführung
Publikationsassistenz:
Pia Johnson
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USD/EUR
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Axel Siedenberg
Norbert Walter
1.20
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Economics
EWU-Monitor
Währungen im Wettbewerb: Der
Außenwert des Euro*
Vor dem Einstieg in die Einzelheiten der anhaltenden Diskussion über
den Euro und seine Schwäche gegenüber anderen Währungen soll ein
Blick in das Jahr 2014 die heutige Situation ein wenig relativieren. 2014
wird Europa auf 15 Jahre Euro zurückblicken, und natürlich beinhaltet
ein solcher Rückblick heute eine Reihe von Spekulationen.
Rückblick auf den Euro aus dem Jahr
2014
Zuallererst wird man sich fragen, wie es zuvor in Europa überhaupt
möglich gewesen war, mit so vielen verschiedenen Währungen effizient zu operieren (so wie man sich heute in Texas nicht vorstellen kann,
eine andere Währung zu benutzen als in New York oder Kalifornien).
Zweitens wird sich der Euro zu einer respektierten Weltwährung entwickelt haben, zu einer echten Alternative zum Dollar; er wird selbstverständlich für Handel und Finanzdienstleistungen genutzt werden
ebenso wie als Reservewährung.
Drittens wird die politische Integration Europas weiter fortgeschritten
sein. Denn auf lange Sicht muss eine gemeinsame Währung auf einem gemeinsamen politischen Fundament basieren.
Viertens werden bis dahin nicht nur Großbritannien, Schweden und
Dänemark, sondern auch die meisten Länder Mittel- und Osteuropas
zu Euroland gehören, und eventuell sogar Norwegen und die Schweiz.
Und fünftens wird der Euro – genau wie der Dollar, die D-Mark und der
Yen in der Vergangenheit – in diesen 15 Jahren Phasen der Stärke, der
Schwäche und der Volatilität durchlebt haben.
Dies führt zum eigentlichen Thema, dem Außenwert des Euro, das auf
der Basis von 10 Thesen analysiert werden soll.
1. Ein schwacher Außenwert ist nicht notwendigerweise schlecht, ein starker Außenwert nicht notwendigerweise gut. Einige Grundprinzipien.
Der Außenwert einer Währung ist eine Relation, ein relativer Wert. Es
gibt ihn nicht absolut, er ergibt nur einen Sinn im Verhältnis zu anderen
Währungen. Er transformiert den Wert von Gütern, Vermögenswerten
und Dienstleistungen von einer Währung in eine (oder mehrere) andere. Daher rührt seine Bedeutung; er hat damit direkt großen Einfluss
auf die Bewertung von Gütern, Vermögensgegenständen und Dienstleistungen – die wiederum für die Wettbewerbsfähigkeit und die Allokation der Produktionsfaktoren maßgeblich ist.
Der Wechselkurs ist ein wichtiger
Wert ...
Es gibt in der Regel Gewinner und Verlierer. Wenn sich der Euro abwertet, profitiert die heimische Konjunktur von der erhöhten Wettbewerbsfähigkeit, gleichzeitig wird Inflation importiert. Andere Nationen, deren
Wechselkurse sich entsprechend aufwerten, importieren Stabilität, verlieren aber gleichzeitig an Wettbewerbsfähigkeit. Und für solche Länder, die sich an andere Währungen durch einen fixen Wechselkurs einseitig gebunden haben, können Auf- oder Abwertungen der Ankerwährung schwerwiegende konjunkturelle und/oder Preiseffekte haben.
... mit großem Einfluss auf die
nationalen Volkswirtschaften
*
Erweiterte Fassung eines Vortrags bei der Konferenz der Kangaroo Group „Europe:
A Home Market in the Global Market“, Brüssel, 18. September 2001
Economics
3
EWU-Monitor
Die Stärke oder Schwäche einer Währung ist insofern weder grundsätzlich gut noch grundsätzlich schlecht. In beiden Fällen können die
Wettbewerbssituation, die Signalfunktion der Preise und die Allokation
der Produktionsfaktoren verfälscht werden. Und insoweit die Schwäche des Euro in den letzten Jahren identisch war mit einer Stärke des
USD, so hatte man zwar zeitweise den Eindruck, dass dies in den USA
begrüßt, in Euroland aber als Problem gesehen wurde.
Geld ist gleich Kredit ist gleich Vertrauen ist gleich Reputation. Neues
Geld muss sich erst Kredit verschaffen, Vertrauen gewinnen, Reputation erwerben. Daher gab es anfänglich in Europa die klare Präferenz für
einen starken Euro, und daher rührt auch das lang anhaltende Lamento
über seine Schwächetendenz in den ersten 2 ¾ Jahren seiner Existenz
(Schaubild). Heute jedoch muss man sich fragen: Wo stünde die europäische Konjunktur, wenn sie nicht nur von der Schwäche der Weltwirtschaft,
sondern auch von einem schwachen Dollar getroffen würde – mit zusätzlichem Druck auf die Exporte und einem verstärkten Importsog?
Schließlich besteht – in der sehr langen Frist – stets ein enger Zusammenhang zwischen der Entwicklung des Außenwertes und der Stabilität des Binnenwertes, also der Inflation. Das ist das, was alle Zentralbanken der Welt – und insbesondere die EZB – nur allzu gern betonen.
Allerdings gibt es hier zwei Haken in der Argumentation. Zum einen
der Umstand, dass eine sehr langfristige Betrachtung kaum hilfreich
ist. Schon das berühmte Keynes-Zitat („In the long run we are all dead“)
weist ja zu Recht darauf hin, dass es wirtschaftspolitisch auf die kurzund mittefristigen Entwicklungen ankommt; und hier kann der Wechselkurstrend zuweilen spürbar vom Trend der Inflationsdifferenz abweichen – mit Konsequenzen für den Preisanstieg wie für den Konjunkturzyklus und mit falschen Signalen für Produktion und Handel.
Zum anderen sind die Inflationsdifferenzen zwischen den großen Industrieländern inzwischen zumeist so klein geworden, dass sie im Bereich des statistischen Unschärfebereichs liegen und eigentlich für sich
genommen gar keine größeren Wechselkursbewegungen mehr erfordern (Schaubild).
Schlußfolgerung: Die Zentralbanken können sich nicht darauf beschränken, nur den Binnenwert zu stabilisieren. Auch der Außenwert der eigenen Währung sollte beachtet werden. Erstens können Bewegungen
des Außenwerts der Währung großen Einfluss auf den Binnenwert
haben. Zweitens führt ein extrem hoher oder niedriger Außenwert zu
Verzerrungen bei der Allokation. Drittens können solche Kursschwankungen ernsthafte Auswirkungen auf die Wirtschaft des betreffenden
Landes sowie anderer Länder haben. Viertens schließlich können die
Glaubwürdigkeit und Reputation der Zentralbank leiden und die Wirksamkeit der Geldpolitik beeinträchtigt werden.
2. Die Außenwert-Erwartungen an der Wiege des Euro
haben sich nur teilweise erfüllt.
Drei Überlegungen zum Außenwert wurden an der Wiege des Euro
angestellt. Die erste war eine der fundamentalen Begründungen für
die Einführung des Euro; die vormaligen Schwankungen der DEM gegenüber dem USD hatten jeweils zu starken Spannungen bzw. Bewegungen im Verhältnis der DEM zu den anderen europäischen Währungen geführt, ohne dass es hierfür fundamentale Gründe gegeben hätte. Derartige funktionslose Änderungen des Außenwertes galt es zu
beseitigen – durch Schaffung einer einheitlichen Währung.
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Economics
USD/EUR
1.20
1.10
1.00
0.90
0.80
99
00
01
Inflationsdifferenz
USA-Deutschland
%
Durchschnittliche jährliche
Inflationsdifferenz
3.0
2.5
2.0
1.5
1.0
0.5
0.0
1971-1980
1981-1990
1991-2000
Drei Überlegungen zum Euro-Außenwert
EWU-Monitor
Zweitens wurde erwartet, diese neue Konkurrenzwährung zum USD
würde „from strength to strength“ (F. Bergsten) laufen, da die Welt
nach einer Alternativwährung lechze.
Drittens wurde vielfach die Hoffnung geäußert, die Wechselkursrelationen zwischen Europa und den USA würden durch die Euroeinführung stabilisiert werden: geringere Volatilität als großes Versprechen.
Während das erste Ziel ex definitione erfüllt wurde und die zweite
Erwartung offensichtlich widerlegt wurde, fällt das Urteil bezüglich der
Volatilität weniger eindeutig aus. Die normalen Volatilitätsmaße zeigen, dass es – im Vergleich zu den 80er Jahren - in den 90er Jahren zu
einer Beruhigung der Bewegungen zwischen DEM bzw. EUR und USD
gekommen ist. Mit Beginn der EWU hat die Volatilität jedoch wieder
etwas zugenommen (Schaubild).
Anscheinend hatte der Wechselkursverbund im Europäischen Währungssystem schon deutlich stabilisierend gewirkt, nach dem Motto:
Wer einen Stein in eine Kaffeetasse wirft, ruft große Bewegungen der
Flüssigkeit hervor; ein Steinwurf in eine Badewanne oder gar in einen
großen See hat weit geringere Konsequenzen. Und die Bildung des
Euroraumes war ja nur die letzte logische Konseqenz aus den Erfolgen
des vormaligen Wechselkursverbundes, der aus vielfältigen Gründen
nicht als dauerhaftes, stabiles Währungsgebilde fortleben konnte.
Volatilität des DEM/USDWechselkurses
0.30
Volatilität basierend auf
den vorangegangenen
2 1/2 Jahren, gleitender
Monatsdurchschnitt
0.25
0.20
0.15
0.10
0.05
0.00
82
85
88
91
94
97
00
Die (temporäre?) Zunahme der Volatilität im Eurozeitalter zeigt, dass
die Bildung von großen Währungsräumen allein kein Garant für geringe Schwankungen zwischen den beteiligten Währungen ist. Wahrscheinlicher ist sogar, dass sich die gegenteilige These bewahrheitet.
Die riesigen Kapitalmengen, die zwischen Dollarraum und Euroraum
hin- und herbewegt werden können, werden uns immer wieder große
Schwankungen zwischen diesen beiden großen Weltwährungen bringen – so wie auch in der Vergangenheit schon zwischen Dollar und DMark sowie zwischen Dollar und Yen.
Wechselkursschwankungen bleiben
erhalten
Gleichwohl bleibt die Frage erlaubt, wie sich unter den wirtschaftlichen
Bedingungen der letzten Jahre der DEM/USD-Kurs entwickelt hätte,
wenn der Euro nicht eingeführt worden wäre. Gerade die deutschen
Kritiker der Euroschwäche sollten sehr gut analysieren, bevor sie die
Euroschwäche zum Problem des Euro erklären. So manches spricht
dafür, dass uns der Euro vor einer wesentlich dramatischeren Schwäche der DEM bewahrt hat. In den letzten Jahren stand Deutschland
bei einem Vergleich der Wachstumsraten in Europa stets am unteren
Ende der Skala. Wenn es die relativen Wachstumskräfte sind, die den
Wechselkurs bestimmen, dann gab es in den letzten Jahren nicht viele Gründe für eine starke D-Mark.
Wie hätte sich der DEM/USD-Kurs
entwickelt?
3. Die Bewegungen des Außenwerts seit der Geburt
des Euro waren im historischen Vergleich nichts
Außergewöhnliches.
Bekanntlich gibt es nicht „den Außenwert des Euro“, sondern vielfältige Betrachtungsweisen von Niveau und Entwicklung im Zeitablauf. Im
Vordergrund des öffentlichen Interesses steht zumeist der bilaterale
Dollar/Euro-Kurs. Hier ist die Schwäche des Euro identisch mit der Stärke des Dollar. Auf eine lang anhaltende Schwächephase des Dollar folgte
schon seit Mitte der 90er Jahre ein klarer Trend des Dollar zur Stärke –
kurz unterbrochen in den Monaten vor der Euroeinführung infolge der
Finanzkrisen in Asien und Russland, die einen großen Hedge-Fund an
der Wall Street in große Schwierigkeiten stürzten. Doch die Graphik zeigt
deutlich, dass die Schwäche des europäischen Counterparts Mitte der
80er Jahre deutlich ausgeprägter war als in den letzten 15 Monaten.
Economics
Langfristige Schwankungen
USD/EUR
USD/EUR*
1.50
1.40
1.30
1.20
1.10
1.00
0.90
Langfristiger Durchschnitt 0.80
0.70
bereinigt um
Inflationsdifferenz
0.60
0.50
80 83 86 89 92 95
* Vor Jan. ’99 DEM-Basis
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01
5
EWU-Monitor
Wer über Ursachen und ökonomische Konsequenzen des Euro-Außenwerts spricht, sollte sinnvollerweise nicht nur die Relation gegenüber
dem Dollar betrachten, sondern die Wertveränderungen gegenüber
sämtlichen wichtigen Handelspartnern (gewogener Außenwert). Hier
hat der Euro seit seiner Einführung ca. 15% an Wert verloren (Schaubild).
Effektiver EUR-Wechselkurs
95
Das Bild ändert sich wenig, wenn stattdessen der reale gewogene
Außenwert (berechnet anhand der Inflationsunterschiede) gewählt wird.
Real hat sich der Euro eine Zeit lang noch etwas stärker abgewertet,
verursacht durch die im Vergleich zu vielen Partnerländern geringeren
Inflationsraten in Euroland.
Resümee: Die Bewegungen des Außenwertes des Euro seit seiner
Geburt waren zwar kräftig, aber es gab in den Zeiten der D-Mark ähnlich starke Bewegungen. Auch haben in der Vergangenheit Dollar und
Yen vergleichbare Wertverluste in ähnlichen Zeiträumen erfahren und
teilweise erheblich stärker geschwankt (Schaubild). Man sollte also
sehr vorsichtig sein, wenn man zur Begründung der jüngsten Euroschwäche spezifische Merkmale der “neuen Währung” heranzieht.
Vieles spricht hingegen dafür, dass weit überwiegend ganz normale
Triebkräfte am Werke waren bzw. sind, die immer wieder wirksam
werden können – beim Euro wie beim Dollar oder Yen.
Gleichwohl gehen die nächsten beiden Thesen zunächst einmal auf sehr
euro-spezifische Erklärungsansätze für die Euroschwäche ein, nämlich
auf die Einschätzung, der Euro sei eine ökonomisch nicht fundierte
Fehlkonstruktion und müsse daher zur Schwäche tendieren (“Fehlkonstruktionsthese”) und auf die “Bargeldumtauschthese”, die besagt, der
bevorstehende Umtausch in Eurobargeld übe schon seit geraumer Zeit
einen nachhaltigen Druck auf den Eurowechselkurs aus.
100
Real
(Konsumentenpreise)
Nominal
90
85
Jan 1999 =100,
log. Skalierung
99
00
80
01
Fluktuation der real effektiven
Wechselkurse
log. Skalierung
220
200
JPY
180
160
140
120
USD
4. Die Einführung des Euro war politisch motiviert,
zugleich aber auch ökonomisch gut begründet.
Die Fehlkonstruktionsthese der Euro-Gegner besagt, die Einführung des
Euro sei rein politisch motiviert gewesen, jedoch ökonomisch eine Fehlkonstruktion und stehe daher auf tönernen Füßen. Eine solche Währung müsse zur Schwäche tendieren, weil sie nicht den Anforderungen
eines optimalen Währungsraumes genüge, weil sie ökonomisch negativ wirke und daher für heimische wie internationale Anleger letztlich
nicht attraktiv sein könne.
In der Tat war und ist der Euro politisch begründet. Dies ist aber auch
positiv. Denn ohne politische Stützung kann keine Währung erfolgreich
sein. Darüber hinaus gilt aber auch: Wer gegen ein weiteres Zusammenwachsen Europas ist, muss auch skeptisch gegenüber der einheitlichen Währung sein. Allerdings war die Entscheidung, eine gemeinsame Währung einzuführen, nicht nur politisch motiviert. Von ebenso großer Bedeutung waren überzeugende wirtschaftliche Argumente.
100
DEM
80
83
86
80
89
92
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EWU-Länder - langfristige
Inflationskonvergenz
40
Preisanstieg gg. Vj. In %
30
• Die wirtschaftliche Integration der europäischen Staaten war immer stärker geworden, weitere Integrationsfortschritte wurden aber
durch Währungsgrenzen bzw. Währungsrisiken behindert.
25
20
• Mehr und mehr konnte bereits Jahre vor der Einführung des Euro
von ökonomischem Gleichlauf gesprochen werden (Wachstum, Produktivität, Inflation, Zinsen, Budgetsalden), der eine gemeinsame
Geldpolitik möglich machte und erforderte.
• Die Inflationsdifferenzen wurden immer geringer (Schaubild), Wechselkursbewegungen waren weitgehend funktionslos geworden. Im
Gegenteil: sie hatten immer häufiger kontraproduktive Wirkungen.
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15
10
5
0
-5
80
83
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• Doch das vermutlich wichtigste Argument ist die zunehmende Einigkeit unter den Wirtschaftspolitikern in Europa, dass Inflation und
Abwertungen keine Mittel sein können, um allfällige ökonomische
Probleme nachhaltig zu lösen. Der gemeinsame Verzicht auf den
Einsatz der Notenpresse und der Wechselkurse zur wirtschaftspolitischen Problemlösung war die Kernvoraussetzung für den Erfolg
der Währungsunion. Mit der Europäischen Währungsunion wurde
das Prinzip der Stabilität dauerhaft fortgeschrieben.
Dies alles sind keine „politischen“ Argumente, sondern sehr gute ökonomische Fundamente für den Euro.
Im übrigen sollte der „Erfolg“ oder „Misserfolg“ des Euro nicht am
Außenwert gemessen werden, so wie in den 80er Jahren die nachhaltige DEM-Schwäche kein Nachweis einer misslungenen deutschen
Währung war – und einige Jahre später die ausgesprochene DEMStärke kein Nachweis einer erfolgreichen Währung (Schaubild). Erstens
kommt es ja stets auch auf die Counterparts an, im wesentlichen also
den USD. Und zweitens wirken doch allzu viele unterschiedliche Kräfte
auf den Außenwert ein, als dass seine Entwicklung in einem kürzeren
Zeitraum als der oder auch nur ein wichtiger Erfolgsmaßstab einer
Währung bzw. ihrer Konstruktionsweise herangezogen werden kann.
Richtig aber ist, dass der Erfolg des Euro bislang im wesentlichen nur
an niedrigen Inflationsraten in Europa (trotz Ölpreisschock, BSE und
MKS) gemessen werden kann und (noch) nicht an generell verstärkter
wirtschaftliche Dynamik im Euroraum. Doch hat dies wirklich mit der
„neuen Währung“ zu tun?
DEM/USD - langfristig
3.50
3.25
3.00
2.75
2.50
2.25
2.00
1.75
1.50
1.25
80
83
5. Der D-Mark-Bargeldumtausch in Osteuropa ist kein
Belastungsfaktor für den Euro.
Mit der näherrückenden Einführung des Euro als Bargeld kommen
immer wieder Befürchtungen hoch, in Osteuropa, der Türkei und auf
dem Balkan gehaltene Bestände an D-Mark-Bargeld seien ein Belastungsfaktor für den Wechselkurs des Euro. Die Besitzer exterritorialer D-Mark-Bestände tauschen dieser Hypothese nach ihr Bargeld in
US-Dollar um, anstatt ihre D-Mark auf ein Bankkonto einzuzahlen und
auf die automatische Konversion in den Euro zu warten oder aber sie
ab Januar in Eurobanknoten oder Münzen umzutauschen.
Ursache für ein solches Verhalten könnte zum einen Skepsis gegenüber dem Euro als bisher lediglich “virtueller” Währung sowie mangelnde Transparenz des Umtauschprozesses sein. Zum anderen könnten illegale Bestände von D-Mark-Bargeld der Grund sein, den Umweg über den Dollar zu nehmen und den direkten Weg in den Euro zu
scheuen.
Die im Ausland gehaltenen D-Mark-Bargeldbestände sind alles andere
als eine “quantité négligeable”. Etwa 75 bis 100 Mrd. DEM dürften
außerhalb der deutschen Landesgrenzen im Umlauf sein, ein Betrag,
der bei einem zeitlich massierten Umtausch in Dollar theoretisch wechselkursrelevant sein könnte. In der Tat sind die Bargeldbestände bereits seit einiger Zeit rückläufig (Schaubild). Außerdem zeigt sich ein
Rückgang der D-Mark-Bargeldbestände in Relation zum deutschen Sozialprodukt, d.h. die Bargeldbestände schrumpfen relativ, die Umlaufsgeschwindigkeit des D-Mark-Bargeldes steigt – eine Entwicklung, die
zur parallelen Euroschwäche passt und auf den ersten Blick wie ein
guter Erklärungsbeitrag aussieht (Schaubild).
Alle Befürworter eines starken Euro müssten sich eigentlich über eine
solche Erklärung der Euroschwäche freuen: Danach handelte es sich
um einen klar definierten, temporär negativen Einfluss, der nach Einführung des Euro-Bargeldes schnell in einen ausgesprochen positiven
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89
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98
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DEM-Bargeldumlauf &
USD/EUR
130
1.50
Bargeldumlauf
(links)
128
1.40
126
124
1.30
122
1.20
120
1.10
118
116
USD/EUR
(rechts)
114
1.00
0.90
112
Mrd. EUR
110
0.80
95
18.0
17.5
96
97
98
99
00
01
Umlaufgeschwindigkeit
DEM-Bargeld* & USD/EUR
Umlaufgeschwindigkeit
(links)
17.0
1.50
1.40
1.30
16.5
1.20
16.0
1.10
15.5
1.00
15.0
14.5
USD/EUR
(rechts)
0.90
14.0
0.80
95 96 97 98 99 00 01
*Umlaufgeschwindigkeit: BIP/DEM-Bargeld
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EWU-Monitor
Einfluss umschlagen müsste, da demnächst der so begründete Druck
auf den Euro wegfiele und umgekehrt die Umtauschvorgänge aus dem
Übergangs-Dollarbargeld in Euro-Bargeld zumindest temporär zusätzliche Euronachfrage bedeuten würde.
Allerdings ist Vorsicht angebracht. Erstens dürfte der weitaus größte
Teil der Bestände an D-Mark-Bargeld im Ausland legal erworben sein.
So sind die auf 15 bis 25 Mrd. DEM veranschlagten Bargeldguthaben
in der Türkei vor allem ein Ergebnis der Heimattransfers türkischer Beschäftigter in Deutschland. Auch Einnahmen aus dem Tourismus und
dem Grenzhandel – etwa in den an Deutschland angrenzenden Regionen in Tschechien und Polen – fallen in die Kategorie legal erworbener
D-Mark-Bargeldbestände. Legales Bargeld – ob exterritorial oder territorial – braucht nicht in Dollar „geparkt“ zu werden, sondern kann Anfang 2002 direkt in Euro getauscht werden oder auch ohne Probleme
als Sichteinlagen bei Banken gutgeschrieben werden.
Zweitens lässt sich der Anstieg der Umlaufsgeschwindigkeit des Bargeldes zeitlich nicht ohne weiteres mit der Schwäche des Euro bzw.
Stärke des Dollar in Verbindung bringen. Sie ist bis 1997 noch gesunken, während der Dollar schon zur Stärke tendierte. Vor allem zeigt der
Euro bereits seit einem Jahr keinen klaren Trend mehr – die Umtauschthese hätte aber eigentlich zu einem starken Abwärtstrend führen
müssen, da ein nennenswerter Rückgang des im Umlauf befindlichen
Bargelds erst im laufenden Jahr einsetzte.
Drittens schließlich ist der bisher registrierte Rückgang im Bargeldumlauf, der auf Umtauschvorgänge im Ausland zurückgeführt werden kann,
vom Quantum her gering im Vergleich zum Angebot an Euro auf den
Devisenmärkten, das aus den laufenden Handelstransaktionen sowie
den umfangreichen Portfolio- und Direktinvestitionen zwischen Euroland und den USA herrührt.
Alles in allem: Die Umtauschthese klingt auf den ersten Blick plausibel,
sie hält aber einer näheren Überprüfung nicht stand. Viele Faktoren
haben in den letzten Jahren einen scheinbar guten statistischen Fit zur
Entwicklung des Außenwertes des Euro gehabt: Die Zunahme der Oberflächentemperatur der Erde z. B. oder die gestiegenen Geburtenzahlen
der USA (Schaubild). Doch Vorsicht ist angebracht, daraus jeweils ursächliche Zusammenhänge abzuleiten!
6. Kapitalbewegungen waren und sind zentrale Triebkräfte des Eurokurses – aber das ist keine Erklärung.
Nicht die Fundamentalkräfte, sondern vielmehr die Kapitalbewegungen
sind es, die den Kurs einer Währung treiben. Diese immer häufiger betonte These ist wahr und unsinnig zugleich. Sie ist wahr insofern, als die
Kapitalbewegungen in der Welt gegenüber den Handels- und Dienstleistungstransaktionen ein immer größeres Gewicht bekommen haben und
als die Leistungsbilanzsalden immer weniger zur Erklärung von Wechselkursen beitragen. Sie ist gleichwohl unsinnig, denn Kapital fließt dorthin,
wo gute Erträge erwirtschaftet werden können, bessere Erträge als anderswo. An dieser Stelle kommen dann die Fundamentalfaktoren ins Spiel.
Die unterschiedlichen Ertragsversprechen oder Ertragserwartungen in zwei
Währungsräumen spiegeln das stärkere Wachstum, die höhere Produktivität, die größere Ertragskraft der Unternehmen, die höhere Realverzinsung des Kapitals in der jeweils bevorzugten Region u.a.m. wider.
Entsprechend zeigen die folgenden Graphiken für die letzten Jahre einen bemerkenswert guten Fit zwischen dem USD/EUR-Wechselkurs
und den Kapitalflüssen aus Euroland heraus und in die USA. Hier wird
sehr gut deutlich, was den Wechselkurs getrieben hat – trotz des hohen
Leistungsbilanzdefizits der USA. Aber es ist keine wirkliche Erklärung.
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Economics
US-Geburtenrate & USD/EUR
1.50
4.2
Mio.
1.40
1.30
1.20
4.1
USD/EUR
(links)
4.0
1.10
3.9
1.00
Geburten
(rechts)
0.90
3.8
0.80
3.7
0.70
3.6
0.60
82 84 86 88 90 92 94 96 98
US-Kapitalflüsse* nach
Euroland/UK & USD/EUR
1.50
1.40
Mrd. USD
USD/EUR
(links)
UK
80
70
60
1.30
50
1.20
40
1.10
30
20
1.00
10
0.90
0
-10
EWU
0.80
-20
90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01
*+ = Nettokapitalflüsse nach USA
Nettokapitalzuflüsse* nach
Euroland & USD/EUR
70
1.20
Mrd. EUR
1.15
1.10
USD/EUR
(links)
50
30
1.05
10
1.00
-10
0.95
-30
0.90
0.85
Nettokapitalzufluss (rechts)
0.80
98
99
00
01
*+ = Nettokapitalzufluss nach Euroland
-50
-70
EWU-Monitor
Die USA verzeichneten im bilateralen Verhältnis der Kapitalströme über
Jahre hinweg Nettozuflüsse aus Euroland und Großbritannien (als Drehscheibe auch von Kapital aus Kontinentaleuropa) (Schaubild S. 8). Diese Daten des US Treasury umfassen Anleihen, Aktien und Direktinvestitionen. Seit Mitte der 90er Jahre hat der Nettozufluss in die USA
enorm zugenommen. Von 1995 bis einschließlich 2000 sind per Saldo
jährlich über USD 200 Mrd. in die USA geflossen. Kein Wunder also,
dass der USD in dieser Periode gegenüber dem Euro deutlich an Wert
gewonnen hat.
Die methodisch anders ermittelten Zahlen der EZB bestätigen dieses
Bild (Schaubild S. 8). Euroland verzeichnet bei den Kapitalströmen von
Anleihen, Aktien und Direktinvestitionen gegenüber dem Rest der Welt
seit 1998 in der Regel einen Nettoabfluss. Der weitaus größte Teil dieser Kapitalabflüsse geht in die USA und stärkt den Dollar bzw. schwächt
den Euro.
Disaggregiert man die Daten der EZB in Anleihen sowie Aktien und
Direktinvestitionen, dann wird ersichtlich, welche Kapitalströme für die
Wechselkursbildung von besonderer Relevanz waren (Schaubild). Während Euroland zumeist Nettozuflüsse bei den Anleihen verzeichnen
konnte, waren die Abflüsse bei Aktien und Direktinvestitionen umso
negativer, d.h. bei den Strömen, die direkt die mittel- und langfristigen
Ertragserwartungen widerspiegeln. Anders ausgedrückt: In den letzten Jahren waren in Euroland die Ertragsaussichten im Vergleich zu
den USA relativ schlecht. Diese Interpretation macht aber auch deutlich, dass es nicht die Kapitalströme selbst sind, die letztlich den Verlauf des Wechselkurses erklären. Vielmehr sind es die zugrunde liegenden Fundamentalfaktoren, die die Anleger veranlassen, ihr Kapital
international zu bewegen.
7. Die fundamentale Stärke der US-Wirtschaft ist von
überragender Bedeutung – und umgekehrt die
Schwäche Eurolands.
Milton Friedman hat die berühmte Aussage gemacht: „Die time lags
der Geldpolitik sind lang und variabel“, d. h. man weiß zum Zeitpunkt
einer geldpolitischen Maßnahme nicht, wann die Wirkung eintreten
wird. In Abwandlung der Aussage könnte man sagen: „Die fundamentalen Einflüsse auf den Außenwert des Euro sind vielfältig und im Zeitablauf variabel“. Wegen dieser Erkenntnis lieben erfahrene Ökonomen
die ex post-Analyse von Wechselkursen und scheuen konkrete Wechselkursprognosen. Nur allzu leicht gefährdet man durch Fehlprognosen seine Reputation.
Jede größere Finanzinstitution der Welt hat sich in der Vergangenheit
immer wieder an Wechselkursmodellen versucht – mit mehr oder minder gutem Erfolg. Zeitweilig gab es gute Erklärungsergebnisse mit
Modellen, die den verschiedenen Einflußfaktoren im Zeitablauf unterschiedliches Gewicht gaben. Leider half dies wenig für die Prognose, da
die Theorie fehlte, wann die Veränderung der Gewichte einsetzen sollte.
Jüngstes Ergebnis der vielfältigen Versuche ist ein Modell des IWF
zum USD/EUR-Wechselkurs (Schaubild). Es hat einmal mehr bestätigt, dass es in der modernen Welt, in der Kapital frei fließen kann, im
wesentlichen die fundamentalen Wachstumsdifferenzen sind, die den
Wechselkurs über die relevanten Zeiträume hin maßgeblich beeinflussen. Und dabei sind es natürlich nicht die aktuellen Wachstumsdifferenzen, sondern die für die Zukunft erwarteten Differenzen.
Economics
Nettokapitalflüsse nach
Euroland & USD/EUR
1.20
Netto-Anleihekäufe
(rechts)
1.15
60
Mrd. EUR
40
20
1.10
0
1.05
-20
-40
1.00
-60
0.95 Netto-Aktienkäufe
und ausländische
0.90 Direktinvestitionen
(rechts)
0.85
98
99
00
USD/EUR
(links)
-80
-100
-120
-140
01
*+ = Nettokapitalzufluss nach Euroland
Das IWF USD/EUR
Wechselkurs-Model
Euroland
Koeffizient
Leistungsbilanz & Kapitalströme
Leistungsbilanz
-
Kapitalbilanz
Netto-Anleihenflüsse
Netto-Aktienflüsse
Ausländ. Direktinvestitionen
+
++
+
Traditionell zugrundeliegende Faktoren
Langfristiges Zinsdifferential
++
Kurzfristiges Zinsdifferential
+
Wachstumsdifferenzen
+
Alternative zugrundeliegende Faktoren
Relative Aktienentwicklung
Relative Wachstumserwartungen
++
Anmerkungen: ++, +, und - bedeuten, dass der
Koeffizient das richtige Vorzeichen hat und
signifikant ist, das richtige Vorzeichen hat und
insignifikant ist, und das falsche Vorzeichen hat
und insignifikant ist. Die Gleichungen
regressieren die logarithmische Veränderung
des bilateralen Wechselkurses auf eine
Konstante und die erklärendenden Variablen
mittels Quartalsdaten ab 1988.
Quelle: IMF, International
Capital Markets, Juli 2001, S. 72
9
EWU-Monitor
Doch leider gilt auch hier: Der Einfluss ist zwar unstrittig, aber er ist im
Zeitablauf variabel. So bedeutete der ständig erwartete Wachstumsvorsprung der USA in den Jahren 1999 und 2000 einen fortwährenden
Druck auf den Euro (Schaubild). Doch als die Wachstumserwartungen
sich drehten, bedeutete dies zunächst einmal nicht mehr, als dass der
Abwärtstrend des Euro zu Ende war und in eine Seitwärtsfluktuation
mündete. Möglicherweise hatten sich die mittelfristigen Wachstumserwartungen nicht entscheidend zugunsten von Euroland verändert.
Sehr eindrucksvoll auch der Blick auf die Parallelität zwischen Produktivitätsdifferenz (als Hinweis auf Attraktivität für Kapitalzuflüsse) und USD/
EUR-Kurs (Schaubild). Von 1987 bis 1995 hatte Euroland (mit der zyklischen Ausnahme des Jahres 1992) einen Vorsprung bei den Produktivitätszuwächsen – und der Dollarkurs zeigte einen klaren Trend zur Schwäche. Seit 1996 hat sich die Produktivitätsdifferenz umgekehrt, was die
zu erwartende Umkehr des Wechselkurstrends nach sich zog. Argumente wie „Unsicherheit über die neue Euro-Währung“ waren und sind
zur Erklärung der Euroschwäche nicht notwendig; der amerikanische
Wachstums- und Produktivitätsvorsprung genügte, hinreichende Anziehungskraft für Kapital in die USA zu entfalten.
Jahrzehntelang – bis in die späten 90er Jahre hinein – gab es im übrigen auch einen hervorragenden Gleichlauf zwischen den Bewegungen
der Realzinsdifferenz (gemessen für 10jährige Staatsanleihen) und den
Bewegungen des Wechselkurses (Schaubild). Angesichts der normalerweise engen Beziehung zwischen Wachstumsdynamik, Produktivitätsentwicklung und Realzinsniveau kaum verwunderlich. Bemerkenswert allerdings das Lösen des Wechselkurses von der Realzinsdifferenz in jüngster Zeit. Dies mag zum einen daran liegen, dass die Rückkaufprogramme der US-Regierung für ihre 10-jährigen Staatsanleihen
die Zinsspreads nachhaltig verzerrt haben. Zum anderen hat die neue
Aktienkultur anscheinend dazu geführt, dass die Anlagen in Staatsanleihen in ihrer Bedeutung für die internationalen Kapitalströme von den
Aktienanlagen und Direktinvestitionen überholt worden sind.
Anders gewendet ist es ebenso sinnvoll zu behaupten, es waren die
fundamentale Wachstumsschwäche und der in Euroland in den letzten
Jahren im Vergleich zu den USA schwächere Produktivitätsanstieg , die
den Euro gedämpft haben. Dass es hierfür hausgemachte Ursachen
gab, ist in den letzten Monaten und Jahren nur allzu oft und breit diskutiert worden. Allerdings darf auch die Gefahr nicht übersehen werden,
die in einer derartigen Argumentation liegt. Man stelle sich vor, die USA
hätten in den letzten Jahren unter einer selbstverschuldeten Wachstumsschwäche gelitten, z.B. wegen negativer Fiskalpolitik und unglaubwürdiger Geldpolitik. Wenn dann der Euro – bei unveränderter Politik in
Europa – zur Stärke tendiert hätte: Hätte dies die Europäer zur selbstgefälligen Zufriedenheit veranlassen dürfen?
Das Fazit bleibt: Wahrscheinlich hat die relative fundamentale Stärke
der US-Wirtschaft in der zweiten Hälfte der 90er Jahre und bis in das
aktuelle Jahrzehnt hinein den USD so stark gemacht und lange Zeit
stark gehalten. Die Euroeinführung dürfte eher für Schwankungen um
den Trend verantwortlich gewesen sein als für den Trend selbst.
8. Von Erwartungen getriebene Finanzmärkte neigen
immer wieder zur Übertreibungen.
Die Bewegungen des EUR/USD-Wechselkurses lassen sich, wie gezeigt, also recht überzeugend auf die Erwartungen hinsichtlich der Konjunkturdynamik in den beiden Ländern zurückführen. Allerdings ist das
Wechselkursniveau erheblich schwieriger zu erklären. Immer weniger
kann die Aussage bestritten werden, dass Wechselkurse – wie andere
10
Economics
1.20
Wachstumsdifferenzen
& USD/EUR
0.8
EWU BIP-US BIP
%-Punkte
(Consensus Forecasts)
(rechts)
1.15
1.10
0.6
0.4
0.2
1.05
0.0
1.00
-0.2
USD/EUR -0.4
(links)
-0.6
0.95
0.90
-0.8
0.85
-1.0
-1.2
0.80
99
1.40
00
01
Produktivitätswachstum
& USD/EUR
Produktivitätsunterschied
USA-Euroland
(rechts)
1.30
1.20
4
Bp.
3
2
1.10
1
1.00
0
USD/EUR
(links)
0.90
-1
-2
0.80
86
88
90
92
94
96
98
00
Reale Zinsdifferenz & USD/EUR
4
2
1.50
Reale Zinsdifferenz*
10-jähriger
Anleihen (links)
1.40
1.30
0
1.20
-2
1.10
-4
1.00
0.90
USD/EUR
(rechts)
-6
0.80
-8
0.70
Bp.
0.60
-10
80
87
94
* Deutschland-USA,
bereinigt um Inflationsdifferenz
01
EWU-Monitor
Finanzmärkte – immer wieder eine Tendenz zur zeitweiligen Übertreibung haben. Bandwagon-Effekte, Herden-Verhalten und Heuristiken
(„Daumenregeln“) seien hier nur als Stichworte aus dem Bereich der
Behavioural Finance genannt.
DEM/USD & JPY/USD
3.50
300
280
Im Nachhinein läßt sich vielfach recht gut erkennen, wann es solche
Übertreibungen gab, z. B. für JPY/USD und DEM/USD im Jahr 1985
oder auch für JPY/USD im Jahr 1995 (Schaubild). Leider gibt es keine
allgemein akzeptierte Theorie, die uns im jeweiligen Zeitpunkt oder ex
ante sagt, ob eine solche Übertreibung vorliegt (dann käme es ja auch
gar nicht dazu!). Inzwischen aber ist kaum noch strittig, dass derartige
Übertreibungsphasen eine signifikante Rolle spielen können. Die Remedur aber ist durchaus umstritten.
3.00
260
240
220
Handelte es sich beim EUR-Wechselkurs der letzten Quartale um eine
Übertreibung? Hält diese Übertreibungsphase weiter an? Viel hängt
offensichtlich davon ab, ob die jüngste Wachstumskorrektur in den USA
einen dauerhaft niedrigeren Wachstumspfad eingeleitet hat und wie
lange Europa braucht, um sich von dem aktuellen Wachstumseinbruch
zu erholen. Das sind gleichzeitig auch Fragen an die Qualität und Überzeugungskraft der jeweiligen Geld- und Finanzpolitik. Die jüngsten deutlichen Bewegungen des USD/EUR-Wechselkurses, auch nach den terroristischen Anschlägen in Amerika (Schaubild) zeigen zumindest eine
verstärkte Unsicherheit auf Seiten der Marktteilnehmer.
1.00
Offen ist, wann und unter welchen Bedingungen es zu einem echten
Stimmungsumschwung bei den Marktteilnehmern kommt. Nur dann
werden alte Heuristiken und bekanntes Herdenverhalten aufgegeben.
Nur dann dürfte sich der Euro gegenüber dem Dollar nachhaltig erholen. Doch eine Kombination eines überraschenden Wachstumsschubs
in den USA und weiterer Wachstumsenttäuschungen und wirtschaftspolitischer Querelen in Europa kann die Marktteilnehmer schnell wieder an bislang bekannte Zustände („der Euro ist fundamental gefährdet“) erinnern und sie in alte Verhaltensweisen (Reduzierung von Euroanlagen zugunsten von Dollaranlagen) verfallen lassen.
2.50
200
180
DEM/USD
(links)
2.00
1.50
160
140
120
JPY/USD
(rechts)
80
83
86
89
100
80
92
95
98 01
86'(85
0.95
0.90
0.85
0.80
M
J
J
A
S
O
2001
Fasst man die vielfältigen Erklärungsansätze zusammen, so kommt
man zu dem Ergebnis, dass die Entwicklung des Euro nur schwer an
einzelnen Argumenten festzumachen ist. Gerechtfertigt ist der Eindruck,
dass es für die Entwicklung des Außenwertes abhängig vom Zeitpunkt
bzw. von der Situation jeweils unterschiedliche und unterschiedlich gute
Erklärungsansätze gibt. Es ist von vielem etwas, und die Faktoren sind
zudem flexibel im Zeitablauf. Dieser Umstand wird nicht zuletzt durch
die zahlreichen Marktbeobachter unterstützt, die ständig auf der Suche nach Erklärungen für unerwartete Entwicklungen des Euro sind
und dabei bisweilen (im Nachhinein) sehr erfinderisch sein können.
Auch wenn sich eine neu entdeckte Erklärung im Markt etabliert, so
ist damit noch nicht sichergestellt, dass diese Erklärung tatsächlich
ursächlich für den Verlauf des Euro ist; das Arbeiten mit „Scheinkorrelationen“ ist nur allzu beliebt.
Festzuhalten bleiben aber die drei folgenden Punkte:
• Langfristig ist der Außenwert des Euro von den Fundamentalfaktoren nicht zu trennen.
Fundamentalfaktoren sind wichtig ...
• Kapitalströme folgen den Fundamentalfaktoren und treiben den
Euro, erklären können sie den Wechselkurs aber nicht.
• Wie die meisten Märkte funktionieren auch die Devisenmärkte nicht
perfekt. Sie neigen zu Übertreibungen und können den Außenwert
von Währungen für signifikante Zeiträume verzerren.
Economics
... aber Devisenmärkte sind nicht
perfekt
11
EWU-Monitor
9. Bisher hat die Euroschwäche (Dollarstärke) makroökonomisch keine nachhaltigen Probleme bereitet.
Und jetzt?
„Währungen im Wettbewerb“ heißt konsequent durchdacht auch stets:
Wirtschaftspolitik im Wettbewerb. Doch bezieht man das realistische
Risiko von Übertreibungen – wie auch immer gemessen – mit ein, dann
kommen berechtigte Zweifel, ob man nicht auch zu erfolgreich sein
kann im Wettbewerb der Währungen – dann nämlich, wenn die Erfolge
der Wirtschaftspolitik qua übertriebener Wechselkursreaktion wieder
(teilweise) zunichte gemacht werden.
Die ausgeprägte Dollarstärke/Euroschwäche der letzten Jahre war lange Zeit jedoch offensichtlich für keines der beteiligten Länder ein nachhaltiges makroökonomisches Problem.
Euroschwäche kein nachhaltiges
Problem ...
• In den USA spiegelte der starke Wechselkurs die übergroße Dynamik der US-Volkswirtschaft wider, dämpfte gleichzeitig die inflationären Risiken und erlaubte eine geräuschlose Finanzierung des riesigen Leistungsbilanzdefizits von mehr als einer Milliarde Dollar pro
Tag, das gar nicht in das Problembewusstsein der Marktteilnehmer
drang.
... weder für die USA
• In Europa spiegelte der schwache Euro die relativ schwache Binnendynamik wider und sorgte über die Exportstimuli und Anreize
zur Importsubstitution dafür, dass das Gesamtwachstum gesteigert
wurde. Zwar wurden in 2000/2001, zuletzt in Kombination mit dem
stark verteuerten Öl, die inflatorischen Effekte des billigen Euro zeitweilig gravierend spürbar. Aber da ein Übergreifen auf die Lohnzuwächse (bislang) vermieden werden konnte, blieb der Wechselkurs
des Euro alles in allem für Euroland und für die EZB gerade noch
erträglich.
... noch für Europa
Ist diese Einschätzung im Wandel begriffen? In Euroland sicher nicht.
Im Gegenteil: Nachdem der USD/EUR-Kurs jetzt seit über einem Jahr
um ein Niveau von 90 Cents geschwankt hat, sind die anfänglichen
inflatorischen Effekte weitgehend „verdaut“. Es überwiegen inzwischen
die anhaltenden expansiven Effekte auf den Export sowie die Importsubstitutionseffekte. Europa muss angesichts der weltwirtschaftlichen
Gesamtlage und der anhaltend gedämpften Binnennachfrage derzeit
ein Interesse daran haben, eine zu kräftige Euroaufwertung zu vermeiden, auch wenn sie aus langfristiger Perspektive vielleicht eher als Normalisierung anzusehen wäre.
Anders ist dagegen die Lage in den USA. Der übergroße Erfolg des
Dollars im Währungswettbewerb, der jetzt schon seit Jahren anhält,
hat die US-Industrie unter entsprechend großen Anpassungsdruck gebracht. Eine Verschlechterung der preislichen Wettbewerbssituation um
rund 40% innerhalb von 6 Jahren (April 1995: USD/EUR 1,42 gg. Juni
2001: USD/EUR 0,85) war nicht durch schnelle, entsprechend große
Lohnstückkostendifferenzen zu kompensieren. Gegenwärtig ist die USIndustrie jetzt in der tiefsten Rezession seit 20 Jahren. Dies weckt das
natürliche Interesse an einer Erleichterung der Situation durch eine gewisse „Normalisierung“ der Wechselkursverhältnisse – wie es in der
jüngsten Vergangenheit bei mehreren Gelegenheiten gefordert wurde,
und dies nicht nur von Seiten der US-Industrie.
12
Economics
Langfristige Schwankungen
USD/EUR
USD/EUR*
1.50
1.40
1.30
1.20
1.10
1.00
0.90
Langfristiger Durchschnitt 0.80
0.70
bereinigt um
Inflationsdifferenz
0.60
0.50
80 83 86 89 92 95
* Vor Jan. ’99 DEM-Basis
98
01
EWU-Monitor
Aus europäischer Sicht kann man nur hoffen, dass eine potentielle –
teilweise erwünschte – Korrektur nicht in eine erneute Übertreibungsphase ausartet, diesmal in die andere Richtung. Wettbewerb der Währungen um eine ausgeprägte Währungsschwäche – das kann auf Dauer in niemandes Interesse sein.
10. Schwankungen des Eurokurses sind einerseits
zwar “natürlich”, andererseits sollten sie aber wegen
ihrer Inflationswirkungen eine wichtige Rolle für die
“zweite Säule” der europäischen Geldpolitik spielen.
Soweit Wettbewerb der Währungen in der Tat zu einem Wettbewerb
der Wirtschaftspolitik führen würde, wäre er extrem positiv zu bewerten. Allerdings scheint dies nicht immer der Fall zu sein. Eher ist es
anders herum: Der Außenwert von Währungen ist das natürliche Spiegelbild von (relativen) Fundamentalfaktoren und von Erwartungen, er
kann auch als Instrument der Politik eingesetzt werden (z.B. zur Stabilisierung des Binnenwertes), aber er ist kaum ein sinnvolles “letztes”
Ziel der Wirtschaftspolitik.
Wettbewerb der Wirtschaftspolitik
In dieser Hinsicht ist der Begriff “Währungen im Wettbewerb” irreführend, insbesondere wenn er im Zusammenhang mit dem Außenwert
benutzt wird. Wie bereits eingangs bemerkt, geht es nicht um einen
möglichst starken oder möglichst schwachen Außenwert. Selbst das
Ziel des “richtigen” Außenwertes ist außerordentlich problematisch.
So hat uns doch die Wissenschaft bislang nicht mit einer klaren Definition des “richtigen” oder Gleichgewichtsaußenwertes versorgt, der
währungspolitisch Orientierung geben könnte. Man stelle sich vor, die
EZB hätte mit Macht versucht, den Euro im Bereich von USD/EUR
1,20 zu stabilisieren, ein Niveau, das von vielen zur Zeit der Einführung
der neuen Währung als “richtig” bezeichnet wurde.
... und der Währungen
Was als Aufgabe bleibt ist, starke Schwankungen des Außenwertes,
d.h. Wechselkursschocks zu vermeiden. An dieser Stelle ist es vielleicht sinnvoll, sich noch einmal zu verdeutlichen, dass die funktionslosen negativen Effekte von Wechselkursschwankungen und -schocks
geradezu Geburtshelfer der Europäischen Zentralbank waren – einer
Zentralbank, die jetzt ein großer Anhänger des freien Wechselkursfloatens ist.
Die eigentliche Aufgabe: Vermeidung
starker Schwankungen
Oftmals wird Wechselkursstärke als ein Gütezeichen, ein Qualitätsmerkmal für die Wirtschaftspolitik gesehen – wir Deutschen haben die
Stärke der DEM oft und gerne so interpretiert. Doch leider kann dies
ein trügerisches Zeichen sein. Nur allzu oft gab es die Situation eines
lange Zeit starken, ja überstarken Wechselkurses, der dann plötzlich
gravierend umkehrte, ohne dass sich die Wirtschaftspolitik entscheidend geändert hätte. Dies war zum Beispiel während der Asienkrise
von 1997-98 in mehreren großen Ländern der Fall. Eine ebensolche
Situation war zudem in der Mitte der 80er Jahre in den USA und Mitte
der 90er in Deutschland zu verzeichnen. Entsprechend ist stets Vorsicht bei der Interpretation angebracht.
Marktsignale können trügen
Doch Anlass zur Überprüfung der Wirtschaftspolitik sind kräftige Wechselkursbewegungen allemal. Einer extrem schwachen Währung kann
eine qualitativ verbesserte Wirtschaftspolitik entgegenwirken. Und
selbst bei einer extrem starken Währung kann eine solide Wirtschaftspolitik die negativen Wettbewerbseffekte zumindest teilweise kompensieren. Die sehr triviale Aussage, dass gute Wirtschaftspolitik auch für den
Wechselkurs gut sei, ist eben auch eine sehr gehaltvolle Aussage.
Economics
13
EWU-Monitor
So gesehen liegt dann doch ein Funke Wahrheit in der Behauptung, die
Schwäche des Euro beruhe auf einem Konstruktionsfehler. Denn da
die Wirtschaftspolitik Eurolands in einer Vielzahl von Händen liegt – nationalen wie europäischen – ist ihre Gesamtqualität für die Akteure auf
den Finanzmärkten weit schwerer zu durchschauen und zu interpretieren als die Qualität der Wirtschaftspolitik anderer Währungsräume bzw.
-länder. Entsprechend schwer fällt es der Geld- wie der Finanzpolitik
Eurolands, einer allfälligen Währungsschwäche überzeugend entgegenzuwirken bzw. eine potentiell überzogene Währungsstärke durch entschlossene und konsequente Wirtschaftspolitik zu kompensieren. So
gesehen hat es der Euro heute – im derzeitigen institutionellen Rahmen – tatsächlich schwerer als andere Währungen.
Qualität der Wirtschaftspolitik Eurolands ist schwer zu bewerten
Wird der Euro auf ewig schwach bleiben? Nein. Vielmehr lautet meine
Prognose, dass der Euro – rückblickend aus dem Jahr 2014 – als ganz
normale Währung in den ersten 15 Jahren seiner Existenz genauso
viele Stärke- und Schwächephasen erlebt haben dürfte wie die D-Mark
in den 15 Jahren vor 1999. Ebenso wie der Dollar wird auch der Euro
eine ganz normale Währung werden – mit Zeiten der Schwäche und
mit Zeiten der Stärke.
Euro wird Stärke- und Schwächephasen erleben
Das heißt aber auch: Die Schwankungen der großen Währungen zueinander werden weiterhin die wirtschaftspolitische Diskussion begleiten.
Wie soll die Wirtschafts-, soll die Geldpolitik darauf reagieren? Die aktuelle Orthodoxie ist hier eindeutig. Sie kennt nur sogenannte “corner
solutions”: Entweder völlige Fixierung des Wechselkurses oder freies
floating; alles dazwischen sei von Übel. Da nun offensichtlich eine Festschreibung der Wechselkursrelationen der großen Weltwährungen und
damit de facto die Einführung eines Weltgeldes noch ferne Zukunftsmusik ist (falls es jemals sinnvoll sein sollte, das Instrument der Wechselkurspolitik abzuschaffen), würde dies für die großen Währungen Dollar
und Euro offensichtlich bedeuten, den Außenwert völlig den Marktkräften zu überlassen. Ist das realistisch? Kaum!
Auf der Suche nach einem Wechselkurssystem für die Weltwährungen
Was ist denn die Realität? Weder war für die Bundesbank (bis 1998)
jemals der Außenwert eine quantité négligeable, noch hat die EZB die
bemerkenswerte Schwäche des Euro klaglos hingenommen. Vielmehr
hatte der Wechselkurs wegen seiner Konsequenzen für Preisstabilität,
Konjunktur und Reputation der Zentralbank sowohl in dem (de facto)
pragmatischen Konzept der Bundesbank seinen wichtigen Platz als auch
heute in der sogenannten “zweiten Säule” der Europäischen Zentralbank.
Beim Erreichen von Aufmerksamkeits- oder Schmerzgrenzen wurde und
wird der Außenwert zu Recht zu einem den Kurs der Geldpolitik mitbeeinflussenden Faktor. Das ist zwar keine wechselkursorientierte Geldpolitik,
aber doch eine vom Wechselkurs mitbeeinflusste Geldpolitik
Rolle des Wechselkurses für die
Geldpolitik
Wechselkursbänder - realistisch ?
1.50
USD/EUR
Dies lässt sich vielleicht am besten mit Hilfe des nebenstehenden Schaubildes veranschaulichen. In der Realität, d.h. im Problembewusstsein
von Notenbankern und Öffentlichkeit, existieren sog. Wechselkursbänder, bei deren Überschreitung negative Effekte der Außenwertentwicklung fühlbar werden, so dass der Wechselkurs wirtschaftspolitische
Aufmerksamkeit erhält. Das war Mitte der 80er Jahre der Fall, das war
Anfang der 90er Jahre so, auch wieder 1995, und ganz offensichtlich
auch im Laufe des letzten Jahres.
Dies ist kein Plädoyer für offizielle Wechselkursbänder. Die Erfahrung
hat ja gelehrt, dass der Wechselkurs nur ein Faktor unter vielen sein
kann, die den Kurs der Geldpolitik beeinflussen (sollten). Und die Idee
einer klar determinierten Schmerzgrenze ist offensichtlich sehr problematisch, hängt die Bedeutung der jeweiligen Schmerzen doch stark
14
Economics
1.40
1.30
+15%
1.20
1.10
1.00
0.90
-15%
0.80
Langfr. Durchschnitt
bereinigt um
Inflationsdifferenz
0.70
0.60
0.50
80
83
86
89
92
95
98
01
EWU-Monitor
vom Gesamtzustand des Patienten ab. Aus der Sicht der US-Industrie
z.B. war der starke Dollar im letzten Jahr kein Problem. In diesem Jahr
der weltwirtschaftlichen Schwäche ist er es sehr wohl.
Es wäre also aktuell eine Illusion und völlig unrealistisch, aus der Idee
von vernünftigen Wechselkursbändern eine offizielle, regelgebundene
Wechselkurspolitik zu machen (wie es der Vorgänger des heutigen
deutschen Finanzministers versucht hatte): Erstens sollte die Art der
Reaktion von der jeweiligen übrigen außen- und binnenwirtschaftlichen
Situation abhängen; eine Festschreibung von Regeln, gar von Automatismen wäre also kaum möglich. Zweitens ist zuzugestehen, dass über
Mittellinie und Breite derartiger Wechselkursbänder eine sehr große Unsicherheit besteht. Drittens schließlich wäre eine Orientierung an Wechselkursbändern ja nur in Übereinstimmung mit den USA möglich.
Allerdings wäre es sehr sinnvoll,
• es als wichtiges Signal für die Wirtschaftspolitik anzusehen, wenn
der Rand dieser Schwankungsbänder erreicht oder überschritten
wird;
Zentralbanken sollten den Wechselkurs im Auge behalten
• zu diesem Zeitpunkt dann bilaterale und multilaterale Diskussionen über die Wechselkurslage zu initiieren; und
• den extrem starken oder schwachen Wechselkurs bei der geldpolitischen Entscheidungsfindung zu berücksichtigen, um übertrieben
starke inflationäre, deflationäre oder allokative Effekte zu vermeiden.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Wettbewerb von Währungen,
Wechselkursschwankungen, Diskussionen über zu starke oder zu
schwache Wechselkurse, dies alles wird uns ohne Zweifel erhalten
bleiben. Wettbewerb von Währungen heißt in letzter Konsequenz dann
ja doch Wettbewerb der Qualität von Wirtschaftspolitik – allerdings gesehen mit den Augen internationaler Investoren und Finanzmarktakteure, mit all ihren richtigen und falschen Einschätzungen, ihren Übertreibungen oder auch den zeitverzögerten Reaktionen. Der Außenwert
übt, so gesehen, eine wichtige Signalfunktion für die Wirtschaftspolitik aus – aber es ist eben nur ein Signal unter vielen. Als solches sollte
der Außenwert des Euro zum einen als deutliches Warnsignal für die
Entscheidungsträger in der Wirtschaftspolitik (“es könnte etwas schief
laufen”) und zum anderen von der EZB als wichtiges Element der “zweiten Säule” ernst genommen werden.
Wettbewerb der Währungen heißt
auch Wettbewerb der Qualität von
Wirtschaftspolitik
Axel Siedenberg, +49 69 910-31700 ([email protected])
Economics
15
EWU-Monitor
EWU-Monitor
ISSN 1430-7383
(in englischer Sprache: "EMU Watch")
Zuletzt sind in dieser Reihe erschienen:
Nr.
Thema
Erschienen am
93
Währungen im Wettbewerb: Der Außenwert des Euro
92
Die Zwei-Säulen-Strategie der EZB: Eine erste Beurteilung
91
DEM-Bargeldumlauf in Osteuropa: Belastung für den Eurowechselkurs?
90
Volkswirtschaftliche Risiken beim Finale der Euro-Einführung 2001/02
89
Der Euro-Endspurt: Das Bargeld kommt 2002
88
Die Osterweiterung von EU und EWU:
Auswirkungen auf den Euro?
87
EWU und der Euro - die ersten 18 Monate
86
Regulierung und Bankenaufsicht zwischen Nationalstaat und
globalem Finanzmarkt
29. Juni 2000
85
Griechenland - zwölftes Mitglied der EWU
26. Mai 2000
84
Budgetausgleich in Euroland?
14. April 2000
83
Inflation targeting: was kann die EZB daraus lernen?
27. April 2000
82
Osteuropa und die EWU: Wirtschaftsbeziehungen und
Beitrittsperspektiven
81
Die EZB und die Lohnrunde 2000
80
Zuviel Währungsreserven in der EWU?
79
Der Rentenmarkt in der Europäischen Währungsunion
29. Oktober 1999
78
Refinanzierungsfähige Sicherheiten des Eurosystems Zulassungskriterien und -verfahren
5. Oktober 1999
77
EWU stärkt Integration der Immobilienmärkte
Deutsche Hypothekenbanken expandieren in Europa
76
Die Geldpolitik der EZB: Anspruch und Wirklichkeit
9. Juli 1999
75
Die Schweiz - Insel im Euroland
8. Juli 1999
74
EZB-Zinsperspektiven
7. Juli 1999
24. Oktober 2001
11. September 2001
10. August 2001
18. Juli 2001
2. Juli 2001
16. November 2000
12. Juli 2000
10. Februar 2000
26. Januar 2000
30. Dezember 1999
14. Juli 1999
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Druck: HST Offsetdruck GmbH, Dieburg.
Print: ISSN 1430-7383 / Internet: ISSN 1435-0742
16
Economics
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