MITTELSACHSEN & ERZGEBIRGE Donnerstag, 13. Oktober 2011 Freie Presse 15 DAS THEMA: 1. SÄCHSISCHER TAG DER SCHULSPEISUNG Wie lecker is’ das denn? Der überwiegende Teil der Schulen in der Region wird täglich von der Menü GbR Niederwiesa mit Mittagessen beliefert. Zur Premiere des sächsischen Tages der Schulspeisung testete die „Freie Presse“ in Flöha, Niederwiesa, Oederan und Eppendorf, was den Kindern serviert wird. VON VERENA TOTH FLÖHA — In nahezu allen Schulen in Sachsen haben die Mädchen und Jungen mittags ein warmes Essen auf dem Tisch. Dennoch gibt es beim Thema Schulverpflegung noch Reserven bei der Ausgewogenheit des Speisenangebotes, besagt eine jüngst veröffentlichte Studie. Deshalb hat CDU-Sozialministerin Christine Clauß die Schirmherrschaft für den sächsischen Tag der Schulspeisung übernommen, der gestern zum ersten Mal im Freistaat stattfand. Laut Erhebung gibt es in den Schulen noch zu häufig Fleischgerichte, zu wenig Fisch, zu wenig Obst und Gemüse. „Hier müssen wir den Hebel ansetzen. Denn das Essverhalten unserer Kinder und Jugendlichen wird durch das Verpflegungsangebot in den Schulen mit geprägt“, so Clauß. Natürlich können Großküchen, die auch hierzulande täglich Mahlzeiten für mehrere tausend Männer, Frauen und Kinder zubereiten, nicht immer den Geschmack jedes Einzelnen treffen. Und natürlich kann ein Essen aus dem Thermokübel oder der Assiette optisch längst nicht so hergerichtet werden, wie man es aus der Restaurantküche gewöhnt ist. Dennoch kann sich das Mittagessensangebot in den Einrichtungen der Flöhaer Region sehen und schmecken lassen. Auch wenn so mancher körperbewusster Teenie sicher schon mit den Augen rollt, wenn Muttis mahnendes Wort durch den Raum schallt: „Iss, damit du groß und stark wirst!“, ist dieser Satz alles andere als falsch. Denn vor allem Kinder und Jugendliche sind auf eine ausgewogene, gesunde und vor allem regelmäßige Ernährung angewiesen. Außerdem lernt, spielt und tobt es sich mit einer warmen Mittagsmahlzeit im Bauch viel besser. Und auch, dass das Essen in Gesellschaft wesentlich besser schmecken und auch Spaß machen kann, lernen die Knirpse schon im Kindergarten. Allzu oft befolgen allerdings die Erwachsenen selbst ihren eigenen guten Rat nicht mehr: Statt sich ein paar Minuten Zeit für die Mittagspause in der Kollegenrunde zu nehmen, wird ein schneller Snack zwischen zwei Computerklicks eingeschoben oder sogar ganz auf eine warme Mahlzeit verzichtet. Zugegeben: Auch in der „Freie Presse“Redaktion ist diese schlechte Angewohnheit allzu oft gang und gäbe. Doch gestern haben sich alle Flöhaer Mitarbeiter besonders Mühe gegeben und wollten den Mädchen und Jungen ein Vorbild sein. Deshalb verbrachte jeder seine Pause in einem Schulspeisesaal und ließ sich das Mittagessen gemeinsam mit den Schülern schmecken. Getreu dem Tagesmotto fragten sie sich dann: „Wie lecker is’ das denn?“ Svenja May Wiechert und Raphael Schmidt in der Mittelschule Flöha-Plaue haben jeweils ihre eigene Meinung über das Schulessen. Hop und Top der beliebtesten Schulküchengerichte Bei diesen Gerichten holen die Mädchen und Jungen gern nochmal nach: Unangefochten auf Platz 1: Nudeln in allen Variationen und mit allen Soßen. Doch auch süß-saure Kartoffelstückchen, Fischstäbchen/Fischfilet, Eierkuchen, Klitscher, Quarkkeulchen, Schnitzel und Spargel mit Kartoffeln und Sauce Hollandaise, überbackener Blumenkohl sowie Pizza stehen auf der Hitliste ganz oben. Schulen in Niederwiesa FOTO: FABIAN MATTERN Zum ersten Mal: Tag der Schulverpflegung in Sachsen Keine Zeitungsente: Das Thema gesunde Ernährung ist in den Köpfen angekommen. Wunschessen: Pommes kommen nicht in die Tüte. (gf) Unter dem Motto „Wie lecker is’ das denn?“ fand gestern sachsenweit der erste Tag der Schulverpflegung statt. Ziel war es, Schülerinnen und Schülern eine gesundheitsfördernde Ernährung schmackhaft zu machen und zu zeigen, dass gesundes Essen in der Schule Spaß machen kann. Die Schirmherrschaft hat Sachsens Sozialministerin Christine Clauß über- nommen. Der sächsische Tag der Schulverpflegung wird von der Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung Sachsen veranstaltet. In 99 Prozent aller sächsischen allgemeinbildenden Schulen haben Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, mittags warm zu essen. Jedoch gibt es bei der Ausgewogenheit des Speisenangebotes noch Verbesserungspotenzial. Heiner-Müller-Schule Eppendorf Gemeinschaftsschule Oederan Pufendorf-Gymnasium Flöha Grundschule Erdmannsdorf Essen: Paprika-Bohnen-Eintopf (Anbieter: Menü GbR Niederwiesa) Bewertung: Wenige Schüler entscheiden sich dafür. Schade: Alles ist mundgerecht geschnippelt. Paprika bringt Geschmack. Die Brühe ist sämig angenehm. Das Fleisch könnte magerer sein. Dazu: Jogurt als Nachspeise. 180 Grundschüler essen mit, einige Mittelschüler. Noch ist es im Speiseraum wegen ungünstiger Dämmung zu laut, die Wände kahl. Die Schulleitungen haben bereits Maßnahmen zur Änderung eingeleitet. Angenehm: Jugendliche führen Aufsicht, es sieht ordentlich aus. Der Umgangston ist freundlich. (er) Essen: Makkaroni-Hackfleisch-Gratin (Anbieter: Fleischerei Müller) Bewertung: Die Speisen werden in der Fleischerei in Eppendorf zubereitet und in der Schule frisch ausgegeben. Das Gratin ist solide zubereitet, hätte aber einen kleinen Tick mehr Würze vertragen. Außerdem steht mit Fischstäbchen und Kartoffelpüree ein weiteres Wahlessen auf dem Plan. Außerdem können Backfisch-Burger oder Knoblauch-Baguette bestellt werden. Die kleine Küche präsentiert sich in einem Top-Zustand, das Platzangebot im Speisesaal ist bedingt durch den Grundriss leider sehr klein. (kbe) Essen: Spirelli mit Käse und Tomatensoße (Anbieter: Elli Spirelli) Bewertung: Preisfrage: Was kann Elli Spirelli am besten? Logisch, Spirelli. Doch bevor die Portion auf dem Teller landet, outet sich der Testesser am Wasserautomaten. Zwei Lämpchen blinken einladend rot, doch der blaue Plastebecher füllt sich erst mit Schüler-Nachhilfe. Nudel-Verweigerer gibt es de facto nicht, deshalb entscheiden sich die meisten Gemeinschaftsschüler für Menü Nr. 1. Aber niemand muss lange warten. Die Teigwaren sind bissfest, die Soße okay. Für das Erreichen der Höchstnote fehlt das Dessert. (ka) Essen: Hähnchensteak mit Reis und Parikagemüse in Kräuterceme (Anbieter: Elli Spirelli) Bewertung: Elli Spirelli kann auch anderes als Nudeln. Dafür spricht, dass 300 Gymnasiasten, das ist knapp die Hälfte der Schüler, an der Schulspeisung teilnimmt. Der Reis gestern jedenfalls war schön bissfest. Gemüse samt Kräutercreme schmeckten, nur das Fleisch war zu weich. Die Essenausgabe ging fix, ein freundliches Wort gab es gratis dazu. Und wer sich partout nicht täglich auf ein Essen festlegen will, muss nicht hungern: Er kann sich am Schalter was kaufen. (gf) Essen: Hühnerfrikassee mit Reis (Anbieter: Menü GbR Niederwiesa) Bewertung: Der Reis ist so lecker, dass man den auch ganz gut ohne das Frikassee essen kann. Wer gar keine Lust auf das Angebotene hat, kann immer auf einen gemischten Salat ausweichen. Einen Nachtisch gibt’s auch noch. 140 Grundschulkinder holen sich täglich ihren Teller bei der netten Bärbel Talmann an der Ausgabe ab, die gern auch einen Nachschlag gibt. Dringend verbesserungswürdig sind die Metallfüße an den Tischen und Stühlen im Speisesaal, die bei jeder Bewegung einen höllischen Lärm verursachen. (vt) Gesamtnote: 2 plus Gesamtnote: 2 Gesamtnote: 2 Gesamtnote: 2 Gesamtnote: 1 minus Und wenn diese Gerichte auf dem Speiseplan stehen, ist die Schlange an der Essensausgabe eher kurz: Gräupchensuppe, scharfe Soßen, Erbsen- oder Linseneintopf, marinierter Hering, Leber, Pellkartoffeln mit Quark. Und auch das gibt es: Ein Junge aus der 6b des Flöhaer Gymnasiums mag keine Makkaroni mit Tomatensoße. Aber damit steht er wohl ziemlich allein auf weiter Flur. Ungesunde kulinarische Straßenfeger fehlen auf dem Speisenplan Im Niederwiesaer Gewerbegebiet kochen die Mitarbeiter der Menü GbR täglich für rund 2000 Gäste – Zahlreiche Kindergärten und Schulen werden beliefert VON VERENA TOTH NIEDERWIESA — Seit Anfang 1999 sor- Die drei Gesellschafter der Niederwiesaer Menü GbR, Hans-Jürgen Talmann, Thomas Malecha und Ullrich Seidel (von rechts), stehen tagtäglich selbst in FOTO: VERENA TOTH der Großküche am Herd. gen die Mitarbeiter der Menü GbR in Niederwiesa für schmackhafte Mittagessen. In der Großküche werden in der Woche täglich rund 2000 Essensportionen gekocht. Etwa die Hälfte davon wird an Schulen und Kindergärten in der Region verteilt. Die drei Gesellschafter der Menü GbR Hans-Jürgen Talmann, Thomas Malecha und Ullrich Seidel stehen sogar täglich selbst am Herd. Insgesamt wirbeln 14 Mitarbeiter um die dampfenden Kochtöpfe, packen Portionen in Assietten und Wärmebehältern ab und geben schließlich das Essen an die hungrigen Gäste aus. Sieben Fahrer sorgen auf ihren elf Touren täglich dafür, dass spätestens 12.30 Uhr das letzte Essen bei dem Kunden auf dem Tisch steht. „Die Kindergärten und Grundschulen bekommen ihr Mittag schon gegen elf, dann werden Unternehmen, Banken, Behörden und Werkstätten beliefert“, erläutert Geschäftsführer Hans-Jürgen Talmann. Auch in der Kantine im Gewerbegebiet Niederwiesa stillen zudem bis zu 400 Gäste ihren Mittagshunger. „Wir haben natürlich viele Esser aus den umliegenden Betrieben. Aber auch Senioren kommen gern zum Mittag hierher, manche sogar extra aus Chemnitz“, berichtet Talmann weiter. Damit tatsächlich alle hungrigen Mägen rechtzeitig gefüllt werden können, binden sich die ersten Menü-Köche ihre Schürze ab 3 Uhr um. „Ich selbst beginne meinen Arbeitstag 5 Uhr. Mehrmals in der Woche bekommen wir die Zutaten frisch geliefert“, sagt der 61-Jährige. Abwechslungsreich, gesund aber vor allem auch kindgemäß werden die wöchentlichen Essenspläne gestaltet. „Wir stehen mit den Schulen und Kindergärten immer in Kontakt, nehmen gern Vorschläge und Wünsche der Kinder auf“, sagt Talmann. Aber auch den erwachsenen Mitessern erfüllen die Menü-Mitarbeiter gern Essenswünsche: „Einmal im Monat wollen die Leute Flecke auf dem Plan haben.“ Trotzdem fehlen kulinarische Straßenfeger wie etwa Pommes gänzlich auf dem Speiseplan des Niederwiesaer Unternehmens. „Fastfood gibt es bei uns grundsätzlich nicht“, betont er. Zum einen liege es daran, dass Pommes nur richtig gut sind, wenn sie unmittelbar nach der Zubereitung gegessen werden. Nach dem Transport in Assiette oder Kübel und bis zur Essensausgabe seien die frittierten Kartoffelstreifen nur noch pappig. „Die gesunde Ernährung spielt hier natürlich die wichtigste Rolle. Wir legen Wert auf vollwertige Kost, kochen mit frischen Zutaten und vermeiden Fettgerichte“. Wie wichtig diese Maßgabe tatsächlich ist, macht der Geschäftsführer ebenfalls noch deutlich: „Wir haben leider schon festgestellt, dass unser Mittagessen für manche Kinder die einzige ordentliche Mahlzeit am Tag ist. Viele Kinder kennen das Gemüse auf ihrem Teller gar nicht. Das ist ein ernsthaftes Problem.“