2. Funktionen 2.1 Der Funktionsbegriff 2.1-1 Funktionen zweier Variabler In der Mathematik werden die Begriffe „Funktion“ (lat.: Verrichtung), „Abbildung (Zuordnung)“, „Operator“ und „Transformation“ im selben Sinn („synonym“) verwendet (vgl. etwa: H. Meschkowski, Mathematisches Begriffswörterbuch, BI Mannheim 1966). Wir bezeichnen damit eine Vorschrift, die jedem Element d des Definitionsbereichs D (auch: Definitionsmenge, Urbildmenge; Menge der Argumentwerte) ein Element b einer Bildmenge B (auch: Wertebereich) zuordnet, also die Elemente d mit den Elementen b „verknüpft“. Die Menge B kann dieselbe Menge sein wie D oder eine andere. Meistens sind in der Naturwissenschaft die Mengen D und B die Menge der reellen Zahlen R. Aber wir haben auch Verknüpfungen mit/zu komplexen oder „hyperkomplexen Zahlen (Vektoren, Matrizen,...). In Zeichen: (a) f: D → B (b) f(D) = B (c) f(d∈D) = b∈B (d) „Explizite Darstellung“: b = f(d); oder: b = b(x) mit d, b ∈ R y = f(x) oder: y = y(x) mit x, y ∈ R F(d, b) = 0 oder: b - f(d) = 0 mit d, b ∈ R F(x, y) = 0 oder: y - f(x) = 0 mit x, y ∈ R meist: d→x; b→y => (e) „Implizite Darstellung“: meist: d→x; b→y => o Das Wort „Operator“ stammt aus dem Lateinischen und bezeichnet eine durch ein Symbol gekennzeichnete mathematische Rechen- oder Zuordnungsvorschrift. Diesen Begriff verwenden wir besonders gerne überall dort, wo wir bei einer Zuordnung darauf hinweisen wollen, dass wir mit den Elementen der Definitionsmenge etwas tun müssen, um zu einem Ergebnis zu gelangen. o Der Bergiff „Transformation“ (lat.: Umformung) wird besonders dort verwendet, wo auf den Übergang von einer Darstellungsart auf eine andere hingewiesen wird. Etwa: Ein kartesisches Koordinatensystem wird in ein zylindrisches überführt. Oder, wenn wir statt dem „Geschwindigkeitsraum“ lieber den „Impulsraum“ benützen wollen: Auch hier „transformieren“ wir. Jede „Transformation“ ist also eine Abbildung, Zuordnung, Funktion, ein „Operator“. 2.1-2 Funktionen mehrerer Veränderlicher © J.Tomiska 2010: Mathematikskizzen Teil 2 1 Eine „Funktion f von n Veränderlichen“ ist eine Vorschrift, die jedem geordneten n-Tupel (x1,x2, ..., xn) reeller Zahlen aus einer nicht-leeren Definitionsmenge D ⊆ Rn (auch: „Definitionsbereich“ oder "Definitionsintervall") genau eine reelle Zahl z der nicht-leeren Bildmenge B ⊆ R zuordnet: f: (x1,x2, ..., xn) → y := f(x1,x2, ..., xn); ((x1,x2, ..., xn) ∈D; y ∈B). 2 freie Variable: (x1, x2) → y = f(x1, x2) ((x1,x2) ∈D; y ∈B) 3 freie Variable: (x1, x2, x3) → y = f(x1, x2, x3) ((x1,x2, x3) ∈D; y ∈B) (1) Jene freien Variablen, die wir festhalten („fixieren“), heißen „Parameter“ oder „Konstante“. Die Darstellung einer Funktion zwischen (n+1) Variablen xi (i = 1,2,..., n+1) kann ebenfalls auf zwei grundlegend verschiedene Arten geschehen: (i) Explizite Darstellung: xn+1 := f(x1,x2,...,xn); (ii) Implizite Darstellung: f(x1,x2,...,xn+1) := 0. Beispiele: __________________________________________________ Lineare Funktion y = k.x + d: Gasgesetz: p.V = n.R.T k, d: Konstante; x „freie“ Variable => p = p(V, n, T); V = V(p, n, T); T = T(p, V, n); ___________________________________________________________ © J.Tomiska 2010: Mathematikskizzen Teil 2 2 2.2 Definitionen Name Definitionsbereich Bildbereich Folge N oder Z R Reelle Funktion R R Komplexe Funktion R oder C C (N Menge der natürlichen Zahlen; Z Menge der ganzen Zahlen; R Menge der reellen Zahlen; C Menge der komplexen Zahlen.) o Graph: Geometrisches Bild einer Funktion. o Kurve: Eine ebene Kurve ist die Punktmenge {(x,f(x)); d∈Intervall der reellen Zahlengeraden}. Analoge Erweiterung in n-dimensionalen Raum ergibt die n-dimensionalen Raumkurven. Jedem x∈D wird genau ein y∈B zugeordnet. o Eindeutige Funktion: o Umkehrbar eindeutig: Wenn aus f(x) = f(a) stets folgt: x = a. o Gerade Funktion: f(-x) = f(x). o Ungerade Funktion: f(-x) = -f(x). o Grenzwert: Ein Grenzwert („Limes“) einer Funktion y = f(x) ist definiert als jener Wert yd0, den die Funktion für x → d0 ergibt. Wir schreiben dies formal so: ydo := lim f(x); x→d0 Insbesondere gilt: y∞ := lim f(x). x→±∞ o Stetigkeit: Eine Funktion f(d) = b ist stetig im Punkte a, falls gilt: f(a) = lim f(d); d→a o Beschränktheit. Eine Funktion f ist beschränkt, wenn es mindestens eine Schranke Su oder So gibt, für die gilt: Su ≤ f(d) ≤ So. f heißt nach oben beschränkt, wenn für alle d∈D gilt: f(d) ≤ So, nach unten beschränkt, wenn für alle d∈D gilt: Su ≤ f(d). © J.Tomiska 2010: Mathematikskizzen Teil 2 3 o Monotonie. Eine Funktion heißt monoton steigend (fallend), wenn für alle d1,d2∈D gilt: aus d1 < d2 → f(d1) <(>) f(d2). o Asymptote. Eine Kurve heißt Grenzkurve, wenn sie sich einer anderen Kurve im- mer weiter annähert, ohne dass eine kleinste Entfernung beider angegeben werden kann. Ist die Grenzkurve eine Gerade heißt sie Asymptote. o Lokaler Extremwert. Minimaler bzw. maximaler Wert einer Funktion innerhalb eines Intervalls der Definitionsmenge D. o Globaler Extremwert. Minimaler bzw. maximaler Wert einer Funktion innerhalb der gesamten Definitionsmenge D. © J.Tomiska 2010: Mathematikskizzen Teil 2 4 2.3 Umkehrfunktion (Inverse Funktion): Für f(x) = y <=> x = f-1(y); Der Graph ist dabei derselbe wie bei der ursprünglichen Funktion f(x), nur dass hier die yAchse die Rolle der unabhängigen Koordinatenachse übernimmt und die x-Achse zur Bildachse wird. Leider werden daher oft die Variablen vertauscht (x → y; y → x) => y = f-1(x), weil man gerne den Definitionsbereich auf der Abszissenachse hat. In diesem Falle erhalten wir den Graphen der Umkehrfunktion f-1(x) indem wir den Graphen der ursprünglichen Funktion f(x) an der 45°-Geraden (Winkelsymmetrale der beiden Koordinatenachsen) spiegeln. Beispiele: _________________________ a) y = f(x) = 2x - 4 => x = f-1(y) = 2 + y/2; Bei Vertauschung der Variablen (x → y; y → x): y = f-1(x) = 2 + x/2. b) y = f(x) = x/(1+x) => x = f-1(y) = y/(1-y); Bei Vertauschung der Variablen (x → y; y → x): y = f-1(x) = x/(1-x). c) y = f(x) = xn => x = f-1(y) = y1/n; Bei Vertauschung der Variablen (x → y; y → x): y = f-1(x) = x1/n. _____________________________________________ © J.Tomiska 2010: Mathematikskizzen Teil 2 5 2.4 Verkettung von Funktionen o Auch: auch „mittelbare“ oder „zusammengesetzte“ Funktionen. o Die durch Verkettung der beiden reellen Funktionen f und g, u = f(x) und y = g(u) entstandene Funktion („mittelbare Funktion“) h = g ° f ist die Menge {(x, y)}, für die es ein u derart gibt, dass gilt: y = h(x) = (g ° f)(x) = g(f(x)). D.h.: Die Bildpunkte u = f(x) werden als Argumente der Funktion g aufgefasst. Speziell: (f-1 ° f)(x) = (f ° f-1)(x) = x o Beispiele: _________________________ Korrekt: a) g: y = g(u) = u²; f: u = f(x) = 1 - cos4x => y = h(x) = (g ° f)(x) = g(f(x)) = (1 - cos4x)² g: y = g(u) = u1/2; b) f: u = f(x) = ln x => y = h(x) = (g ° f)(x) = g(f(x)) = (lnx)1/2 c) g: y = g(u) = ln u; f: u = f(x) = x1/2 => y = h(x) = (g ° f)(x) = g(f(x)) = ln (x1/2) Def.Bereich: R Def.Bereiche: g: [0, ∞); f: (0, ∞) Def.Bereich: [1, ∞) Def.Bereiche: g: (0, ∞); f: [0, ∞) Def.Bereich: (0, ∞) Üblich: d) g(x) = x1/2; f(x) = ln x => y1 = h(x) = (g ° f)(x) = g(f(x)) = (lnx)1/2 => y2 = h(x) = (f ° g)(x) = f(g(x)) = ln(x)1/2 e) g(x) = ln x; f(x) = sin x => y1 = h(x) = (g ° f)(x) = g(f(x)) = ln (sin x) Def.Bereiche: g: (0, ∞); f: R Def.Bereich: Nicht zusammenhägende, offene Intervalle (2kπ, (2k+1)π) => y2 = h(x) = (f ° g)(x) = f(g(x)) = sin (ln x) Def.Bereich: (0, ∞) __________________________________ © J.Tomiska 2010: Mathematikskizzen Teil 2 6 2.5 Folgen Eine (Zahlen-) Folge ist eine Funktion deren Definitionsbereich die Menge der natürlichen Zahlen N (oder eine Teilmenge davon) ist: y =f(x) mit x = k Є N; y = ak ; => ak = f(k). Den natürlichen Zahlen k werden durch die Vorschrift f(k) die Funktionswerte ak zugeordnet, die „Glieder“ der Folge heißen: ak ist das k-te Folgenglied. Die Folge selbst und als Ganzes bezeichnet man mit {ak} oder (ak). Die „Graphen“ der Folgen sind eine Kette von diskreten Punkten. o Alternierende Folgen: Streng abwechselnd positive und negative Glieder, o Arithmetische Folgen: Die Differenz aufeinander folgender Glieder ist konstant, o Geometrische Folgen: Der Quotient aufeinander folgender Glieder ist konstant. Beispiele: ______________________________________________________________ ak = (-1)k: 1, -1, 1, -1, 1, ... ak = k: 1, 2, 3, 4, 5, ... -k ak = 2 : 1, 1/2, 1/4, 1/8, ... => alternierende Folge ak+1 - ak = 1 => arithmetische Folge ak+1 / ak = 1/2 => geometrische Folge __________________________________________________________________________ o Grenzwert einer Folge. Der Grenzwert einer Folge {ak} ergibt sich aus der Definition des Grenzwert („Limes“) einer Funktion y = f(x) entsprechend als a∞ := lim f(k) = lim ak. k→∞ Beispiel: k→∞ ______________________________________________________________ ak = f(k) = (1 + 1/k)k ist die Folge {ak}, deren Grenzwert die Zahl e ist: a∞ := lim f(k) k→∞ = lim ak = lim (1 + 1/k)k = e. k→∞ k→∞ ________________________________________________________________________ Der Grenzwert ist die wichtigste Eigenschaft der Folgen, weil er Auskunft über deren Beschränktheit und über ihr asymptotisches Verhalten gibt: o Konvergente Folgen {ak}: Ihre Grenzwerte sind endlich. o Divergente Folgen {ak}: Ihre Grenzwerte gehen gegen unendlich. © J.Tomiska 2010: Mathematikskizzen Teil 2 7 2.6 Reelle rationale Funktionen 2.6-1 Ganzrationale Funktionen (Polynome) n f(x) = a0 + a1. x + a2. x² +...+ an. xn := Σ (ak. xk) := ak. xk (k Є N) k=0 Sind alle Koeffizienten ak und die Variable x reelle Zahlen, so spricht man von reellen Polynomen. Die höchste auftretende Potenz (n) bestimmt den Grad des Polynoms (Polynom nten Grades). Der Summand mit der k-ten Potenz heißt „Term k-ter Ordnung“. Es heißen die Polynome vom Grade n = 0: Konstanten; n = 1: lineare P. (lineare Funktionen); n = 2: quadratische P.; n = 3: kubische P. n = j: P. j-ten Grades. Beispiel: ______________________________________________________________ f(x) = 1 + x - x² + x³ - 4x4 (x Є R) ist ein reelles Polynom 4. Grades. der quadratische Term ist (-x²), sein Koeffizient a2 = -1. Der Funktionswert bei x = 1 ist: f(x=1) = -2. _________________________________________________________________________ o Koeffizientenvergleich Jedes Polynom ist durch seine Koeffizienten eindeutig bestimmt. Zwei Polynome f(x) und p(x) sind genau dann gleich, wenn ihre Grade und alle ihre Koeffizienten übereinstimmen. Daraus leitet sich die Technik des Koeffizientenvergleichs ab: eine Gleichung zwischen zwei Polynomen n-ten Grades entspricht genau einer Gleichung für die Koeffizienten jeder Ordnung k, insgesamt also sind das n+1 Gleichungen zwischen reellen Zahlen. o Jedes Polynom n-ten Grades kann „faktorisiert“ werden, d.h., es kann als Pro- dukt von Termen (x - xk; k = 0, 1, 2, ..., n) angeschrieben werden: n f(x) = Σ k=1 (ak. xk):= ak. xk = (x - x1).(x - x2). ... .(x - xn). Für die Linearfaktoren (x - xk) gilt: Sämtliche xk sind Nullstellen oder „Wurzeln“ des Polynoms. Jede „Wurzel“ die j-fach (j>1) vorkommt heißt j-fach entartete Nullstelle des Polynoms. Die Wurzeln können selbstverständlich sowohl reell (reelle Nullstellen) als auch komplex sein. Allerdings können komplexe Wurzeln reeller Polynome ausschließlich nur als konjugiert-komplexe Paare auftreten. © J.Tomiska 2010: Mathematikskizzen Teil 2 8 Beispiel: ______________________________________________________________ _________________________________________________________________________ o Nullstellen: Der Fundamentalsatz der Algebra besagt auch, dass jedes reelle Poly- nom n-ten Grades genau n reelle oder komplexe Nullstellen hat, wobei k-fach entartete Nullstellen k mal gezählt werden müssen. Nicht-reelle Nullstellen treten ausschließlich in konjugiert-komplexen Paaren auf. Also gilt: o Ein Polynom n-ten Grades besitzt höchstens n reelle Nullstellen. o Ein Polynom ungeraden Grades besitzt mindestens eine reelle Nullstelle (dies folgt zwingend daraus, dass komplexe Nullstellen nur paarweise auftreten). Die Bestimmung der Nullstellen linearer und quadratischer Polynome wurde bereits weiter oben behandelt. Kubische Polynome haben 1, 2 oder 3 reelle Nullstellen, die aus den Formeln von Cardano (mühsam) analytisch bestimmt werden können. Die Nullstellen der Polynome 4. Grad sind noch analytisch bestimmbar, während sie bei Polynomen höheren Grades nur mehr numerisch berechnet werden können. In der Praxis verwendet man meist schon ab n=3 numerische Methoden. o Potenzen von Binomen; Der binomische Lehrsatz. Ein Binom B ist ein Polynom, das aus bloß 2 Summanden besteht: B = (a ± b). © J.Tomiska 2010: Mathematikskizzen Teil 2 9 Die n-te Potenz eines solchen Binoms, Bn = (a ± b)n, können wir auf zwei unterschiedliche Weisen ermitteln: (i) Durch sukzessives Ausmultiplizieren: Bn = (a ± b). (a ± b). ..., oder (ii) mit Hilfe des Binomischen Lehrsatzes: B n = ( a ± b) n = n ⎛n⎞ k =0 ⎝ ⎠ ∑ ⎜⎜ k ⎟⎟ ⋅ a n−k ⋅ ( ±b) k . Der eigenwillige Klammerausdruck heißt "Binominalkoeffizient" und berechnet sich folgendermaßen: ⎛n⎞ ⎛n ⎞ n! ⎜⎜ ⎟⎟ = ⎜⎜ ⎟⎟ = . ⎝ k ⎠ ⎝ n − k ⎠ (n − k )!.k! Das Ausrufungszeichen hinter einer Zahl m bedeutet "Faktorielle", also das Produkt aller Zahlen von 1 bis m: m! := 1. 2. ... . m. Beispiel ________________________________________________________________ ___________________________________________________________________ 2.6-2 Gebrochenrationale Funktionen f(x) = (a0 + a1. x + a2. x² +...+ an. xn) / (b0 + b1. x + b2. x² +...+ am. xm) n < m: echt gebrochen, (n,m Є N) n > m: unecht gebrochen. Jede unecht gebrochene rationale Funktion kann durch Polynomdivision in ein Polynom und in eine echt gebrochene rationale Funktion zerlegt werden. Hier können Definitionslücken entstehen: Bei Nullwerden des Nenners gibt es eine unendliche Sprunghöhe der Funktion - diese werden „Polstellen“ genannt. © J.Tomiska 2010: Mathematikskizzen Teil 2 10 2.6-3 Potenzfunktionen f(x) = b. xn (n Є Z; b Є R) n > 0: Polynome („Normalparabeln“) n < 0: (verallgemeinerte) Hyperbeln. o (Verallgemeinerte) Hyperbeln Gehören zu den echt gebrochenen rationalen Funktionen und weisen daher Polstellen auf. n = -(2k+1) mit (k Є N): ungerade Hyperbeln, Pole mit Vorzeichenwechsel; n = -2k mit (k Є N): gerade Hyperbeln, Pole ohne Vorzeichenwechsel. (i) n = -1: f(x) = 1/x. Die ungerade Funktion y(x)=1/x hat wegen des Verbots der Division durch Null im Ursprung eine Definitionslücke. Die Polstelle weist einen Vorzeichenwechsel auf. Die Koordinatenachsen sind die Asymptoten dieser Hyperbel. (ii) n = -2: f(x) = 1/x². Auch die gerade Funktion y(x)=1/x² hat wegen des Verbots der Division durch Null im Ursprung eine Definitionslücke. Diese Polstelle weist jedoch keinen Vorzeichenwechsel auf. Die Koordinatenachsen sind die Asymptoten der Hyperbel. © J.Tomiska 2010: Mathematikskizzen Teil 2 11 2.7 Reelle nicht-rationale Funktionen 2.7-1 Wurzelfunktionen (inverse Potenzfunktionen) k __ f(x) = b. xn/k = b. √ xn (k Є N; n Є Z; b Є R) 2.7-2 Exponentialfunktionen y = f(x) = ex (Euler’sche Zahl: e = lim [1+1/n]n) (i) Die e-Funktion: (ii) Allgemeine Exponentialfunktion: y = f(x) = b. ax o n→∞ streng monoton wachsend, lim ax = ∞; a > 1: x→ +∞ o 0 < a < 1: streng monoton fallend, o Asymptoten, keine Nullstellen o Mit a = eln a x lim ax = 0; x→ -∞ lim a = 0; lim ax = ∞; x→ +∞ x→ -∞ kann jede Exponentialfunktion auf die e-Funktion zurückgeführt werden: y = ax = ex.ln a o „Abklingkurven“ (um y-Achse gespiegelt): y = b. a-|x| © J.Tomiska 2010: Mathematikskizzen Teil 2 12 (iii) y = ex/x: langsamerer Anstieg als ex; y = ex/x4: noch langsamerer Anstieg; x n y = e /x : (iv) mit n → ∞: Nähert sich einer Geraden. Zerfallskurven: Exponentialfunktionen mit negativen Exponenten y(t) = y0.e-α.t (t Zeit; α >0: Zerfallskonstante (Zeitkonstante)) o Halbwertszeit τH: Zeitdauer für y(τ) = y0/2; τH = ln (2/α) o Lebensdauer τL: Zeitdauer für y(τL) = y0/e; τL = 1/α = τH/(ln 2) Beispiele: _______________________________________ (a) 14 C hat die Halbwertszeit τH = 5760 Jahre. Daraus folgt für die Zerfallskonstante α = ln 2 / 5760 = 1.203 /104 Jahre und für die Lebensdauer τH = 8310 Jahre. Das Zerfallsgesetz ist N(t) = N0 e-0.0001203 t (t in Jahren). (b) N2O5 zerfällt bei 300 K durch unimolekulare Dissoziation mit einer Zerfallskonstanten α = 8.05×10−5 s−1. Daher ist die Halbwertszeit τH = 8611 s. _______________________________________________ (v) Sättigungskurven: Abklingkurven werden von einer Konstanten abgezogen: y(x) = b.(1-e-λx) © J.Tomiska 2010: Mathematikskizzen Teil 2 13 (vi) Die Gauß-Funktion (Glockenfunktion) f(x) = exp[-(x-x0)²/σ²] definiert die Gauß-Funktion oder Gauß’sche Glockenkurve. Die reellen Konstanten σ und x0 beeinflussen Breite und Position der Kurve, deren Form aber völlig invariant ist. Durch Variation des Parameters σ steuert man die Breite der Glocke, Variation von x0 legt das Zentrum der Glockenfunktion fest. Die Gauß-Funktion ist von enormer Bedeutung in der Statistik (Gauß-Verteilung oder Normalverteilung), beschreibt aber z.B. auch die Gestalt von Laserpulsen. In Abb. ist x0 = 0 und σ = 1: 2.7-3 Logarithmische Funktionen (inverse Exponentialfunktionen) y = f(x) = loga x o Graph: an der 45°-Geraden gespiegelter Graph der Exponentialkurve y = ax o a > 1: streng monoton wachsend © J.Tomiska 2010: Mathematikskizzen Teil 2 14 o 0 < a < 1: streng monoton fallend o Asymptote: y-Achse o Nullstelle: x=1 o a > 1: streng monoton wachsend o 0 < a < 1: streng monoton fallend o Asymptote: y-Achse o Nullstelle: x=1 o Logarithmische graphische Darstellung Die Darstellung von Daten im logarithmischen Maßstab ist ein wichtiger Behelf zum Aufspüren von funktionalen Zusammenhängen: Sie vereinfacht Exponential- und Potenzgesetze. (i) Nur die abhängige Variable y wird im logarithmischen Maßstab dargestellt. In der Grafik der Datenpunkte wird lg y (manchmal lg y) gegen x aufgetragen. Liegen die Punkte auf einer Geraden, so liegt eine exponentielle Beziehung vor: Erhalten wir lg y = x.a (a =lg 3), so folgt daraus durch Exponentiation: y = 10x.lg3 = 3x. Logarithmische graphische Darstellung der Funktion y = 3x. © J.Tomiska 2010: Mathematikskizzen Teil 2 15 (ii) Doppelt-logarithmische graphische Darstellung: Beide Variablen (x, y) werden im logarithmischen Maßstab dargestellt. In der Grafik der Datenpunkte wird lg y (bzw. ln y) gegen lg x (bzw. ln x) aufgetragen. Fallen die Punkte auf eine Gerade, so liegt ein Potenzgesetz vor: Sei ln y = a.ln x + b = ln xa + ln eb, so folgt durch Exponentiation: y = eb xa = C0. xa. Der Anstieg a der Geraden ist somit gleich der Potenz von x, und der Ordinatenabschnitt b ist der Logarithmus der Anfangsgröße C0. 2.7-4 Trigonometrische Funktionen (Kreis-, Winkelfunktionen). Die Winkelfunktionen Sinus (sin), Cosinus (cos), Tangens (tan) und Cotangens (cot) sind wichtige Größen der nalytischen Geometrie. Im rechtwinkeligen Dreieck gilt (für Winkel ϕ zwischen 0 und 90°): o Cosinus cos ϕ = „Ankathete durch Hypothenuse“ o Sinus sin ϕ = „Gegenkathete durch Hypothenuse“ o Tangens tan ϕ = „Gegenkathete durch Ankathete“ o Cotangens cot ϕ= „Ankathete durch Gegenkathete“ Die Eigenschaften des Cotangens ergeben sich aus seiner Definition als als Kehrwert des Tangens. o Definitionen am Einheitskreis (Radius r = 1) o Bogenmaß: Der Winkel ϕ wird in der SI-Einheit „Radiant“ angegeben, d.i. die Strecke entlang des Kreisumfanges des Einheitskreises zwischen den Schenkeln des Winkels. ϕ(Radiant) = ϕ° . π/180; D.h: 360° = 2π; ϕ° = ϕ(Radiant) . 180/π 180° = π; 90° = π/2; 45° = π/4; 60° = π/3; 30° = π/6 © J.Tomiska 2010: Mathematikskizzen Teil 2 16 blau: tan x; grün strichliert: cot x © J.Tomiska 2010: Mathematikskizzen Teil 2 17 © J.Tomiska 2010: Mathematikskizzen Teil 2 18 Beispiel______________________________________________________ __________________ ___________ © J.Tomiska 2010: Mathematikskizzen Teil 2 19 2.7-5 Zyklometrische Funktionen (i) Arcussinus © J.Tomiska 2010: Mathematikskizzen Teil 2 20 (ii) Arcuscosinus (Arccos, cos-1) © J.Tomiska 2010: Mathematikskizzen Teil 2 21 (iii) Arcustangens (Arctan, tan-1) © J.Tomiska 2010: Mathematikskizzen Teil 2 22 2.7-6. Hyperbelfunktionen Sinus hyperbolicus, sinh, Cosinus hyperbolicus, cosh, Tangens hyperbolicus, tanh, (seltener verwendet Cotangens hyperbolicus, coth) sind einfache Kombinationen aus Exponentialfunktionen mit erheblicher praktischer Bedeutung. Alle Hyperbelfunktionen sind auf R definiert und stetig. Es gilt immer: cosh² x - sin² x = 1. Der Name Hyperbelfunktion weist auf ihre Analogie zu den Kreisfunktionen (Winkelfunktionen) hin: Alle Punkte (x, y) = (cosh x, sinh x) liegen auf der Einheitshyperbel x² - y² = 1, so wie alle Punkte (x, y) = (sin x, cos x) auf dem Einheitskreis x² + y² = 1 liegen. Der Graph von cosh x heißt auch Kettenkurve: Dieser Kurve folgt eine an ihren Endpunkten befestigte idealisierte (beliebig flexible, völlig homogene) Kette (ein Seil) unter ihrem eigenen Gewicht. Die in der technischen Anwendung wichtige Länge der Kurve (des Seils) wird durch sinh bestimmt. © J.Tomiska 2010: Mathematikskizzen Teil 2 23 cosh und sinh wachsen (abgesehen vom Vorzeichen) exponentiell in beiden Limits. tanh x ist eine „sanfte Stufenfunktion“ (Schaltfunktion) zwischen −1 und +1. An den Graphen der Hyperbelfunktionen erkennt man wichtige Symmetrieeigenschaften: cosh ist symmetrisch bezüglich der Spiegelung an der y-Achse, sinh und tanh sind symmetrisch bezüglich der Inversion (Spiegelung durch den Ursprung). Das entsprechende arithmetische Verhalten der Funktionen ist: cosh(-x) = cosh x; sinh(-x) = -sinh(x); tanh(-x) = -tanh x. © J.Tomiska 2010: Mathematikskizzen Teil 2 24 2.8 Approximation von Funktionen I Unter „Approximation“ („Annäherung“) einer Funktion verstehen wir die Ersetzung dieser Funktion durch eine andere, einfacher zu handhabenden Funktion. Selbstverständlich sollen die Bildwerte dieser „Ersatzfunktion“ möglichst wenig von denen der ursprünglichen Funktion abweichen. Warum wollen wir solche Approximationen? Ganz einfach deshalb, weil viele Zusammenhänge (eben: Funktionen) zwischen Naturgrößen so gestaltet sind, dass wir sie rechnerisch nicht behandeln können. Wir sind dann gezwungen, sie durch einfachere Funktionen zu ersetzen. Als Beispiel ziehen wir das bekannte Pendelgesetz heran: Bei einem aus seiner lotrechten Gleichgewichtslage um einen Winkel α ausgelenkten Pendel der Masse m ist die rücktreibende Kraft bekanntlich die Normalkomponente FN(α) seines Gewichts, also FN(α) = -m. g. sin α. Diese Gleichung ist unbrauchbar für den Bau von Pendeluhren. Die einzigen Schwingungen, die wir streng analytisch behandeln können sind jene des so genannten „harmonischen Oszillators“. Unter letzterem verstehen wir ein Schwingungssystem, das dem „Hooke’schen Gesetz“ gehorcht, bei dem die rücktreibende Kraft nach einer Auslenkung aus der Gleichgewichtslage streng proportional zur Auslenkung ist, also F(α) = -m. g. α. Für ein analytisch berechenbares Pendelgesetz müssen wir demnach die Funktion (sin α) durch den Winkel α ersetzen. Ein Blick in die Wertetabelle der Sinus-Funktion zeigt uns, dass dies in für präzise Uhren genügender Genauigkeit möglich ist, wenn die Auslenkungen aus der Ruhelage weniger als 4° betragen. In diesem geringen Schwingungsbereich können wir das Pendel als harmonischen Oszillator betrachten. Da wir die Funktion y(α) = sin α durch die Funktion y(α) = α ersetzt haben, also den Sinus-Zusammenhang durch einen linearen, sprechen wir davon, das Problem „linearisiert“ zu haben. Approximationen sind eines der wichtigsten Hilfsmittel in unserer Naturwissenschaften. Wir können ja nicht viel anderes tun, als Konstante, lineare und (mit Vorbehalt auch noch) quadratische Zusammenhänge analytisch berechnen. In der „klassischen“ oder mechanistischen Physik glaubten wir - von Platon initiiert - an „ideale“ Naturgesetze. Diese wur- © J.Tomiska 2010: Mathematikskizzen Teil 2 25 den denn auch durch die einfachsten mathematischen Funktionen beschrieben (vgl: „ideales“ Gas, „idealer“ Festkörper, ...). Jede Annäherung an das real beobachtbare Naturverhalten wurde demnach als „Störung“ des idealen Verhaltens angesehen - infolgedessen haben wir überall in der Naturwissenschaft „Störungstheorie“: Die Kraft zwischen zwei elektrischen Ladungen ist konstant - so das Coulomb’sche Gesetz. Es gibt aber auch Antennen, wie wir seit Maxwell wissen. Also musste die „ideale“ Coulomb-Kraft durch die Dipolkraft „gestört“ werden: Der konstante Zusammenhang wurde durch einen linearen ersetzt. Dann fanden wir auch noch die „Hyperfeinstruktur“ des von Atomen ausgesandten Lichts. Also brauchten wir einen zweiten „Störterm“ - nun nach dem linearen kommt der quadratische Zusammenhang. Also haben wir den „Quadrupoleffekt“. Heute haben wir einen Paradigmenwandel hinter uns: Nachdem die Natur bei jedem Vorgang arbeiten muss, geben die einstmals „idealen“ Verhaltensweisen der Natur nunmehr nur noch deren „primitivsten“ Beschreibungen wieder. Und anstelle der „Störterme“ werden jetzt immer realitätsnähere Beschreibungen herangezogen (Auch wenn in den allermeisten Physikbüchern nach wie vor von „Störungen“ geschrieben wird. Warum das so ist, das ist eine „andere Geschichte“ ...). Wir haben schon bemerkt: Als einfachste Naturbeschreibung benützen wir konstantes Verhalten. Dann kommt der lineare, und wenn dieser auch noch nicht genügt, der quadratische, ... Ja, wir ersetzen unsere - letztlich ja doch - unbekannten Zusammenhänge zwischen den Naturgrößen durch Polynome, ausgehend vom primitivstem, der Konstanten. Lineare Zusammenhänge (y(x) = a0 + a1. x) sind noch gut behandelbar, also können wir sie unbenommen überall dort einsetzen, wo wir es als opportun betrachten. Dann wird es schwieriger und kann nur noch in der konkreten Sachlage entschieden werden. Doch: dürfen wir überhaupt eine Funktion durch ein Polynom ersetzen? Ja! Der Weierstrass’ sche Approximationssatz erlaubt es uns! Dieser besagt, dass beliebige Funktionen f(x) mit Hilfe eines Polynoms genügend hohen Grades in x mit beliebig hoher Genauigkeit approximiert werden können, und auch, dass die Ableitung dieses Approximationspolynoms gleichzeitig die Approximation der Ableitung der ursprünglichen Funktion ist. Voraussetzung ist bloß, dass die zu approximierenden Funktionen im gesamten (betrachteten) Definitionsreich stetig sind. Jetzt stellt sich nur noch die Frage, wie wir zu passenden Approximationspolynomen kommen. Die Antwort hat uns ein Herr Taylor gegeben: Er hat uns einen Algorithmus geschenkt, der es uns erlaubt, in jedem Falle das „richtige“ Polynom der gewünschten Ordnung zu finden: Die „Taylorreihe“, die wir im übernächsten Kapitel näher kennen lernen werden. © J.Tomiska 2010: Mathematikskizzen Teil 2 26