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Medizin Studieren 2/2014
Beruf
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Anja Meyering ist Weiterbildungsassistentin für Urologie
im zweiten Jahr am Unfallkrankenhaus in Berlin.
Urologie
Nicht nur für Männer
Als überschaubares und vielseitiges Fach ist die Urologie längst keine Männerdomaine mehr.
ne Eltern unterstützen uns viel“, erzählt sie. Dass ihr Sohn in der
ukb-eigenen Kita einen Platz bekommen hat, erleichtere auch
einiges. Einfach ist es dennoch nicht, den Krankenhausalltag mit
der Mutterrolle zu vereinbaren. „Da ich meinen Sohn um Viertel
nach sechs hier in der Kita abgebe, versuche ich, keine Überstunden zu machen, um ihn möglichst schnell wieder abzuholen“, erklärt die junge Mutter. „Da wir in der Urologie sehr gut organisiert sind, klappt es auch meistens.“
Eigentlich wollte Meyering Internistin werden. Das änderte
sich jedoch im praktischen Jahr, als sie ein Tertial im Wahlfach
Urologie absolviert hat. „Während dieser Zeit wurde mein Interesse für das Fach geweckt“, erinnert sie sich. „Dass ich mich damals überhaupt für ein Tertial in der Urologie entschieden habe,
ist auch ein bisschen der Tatsache geschuldet, dass mein Vater
niedergelassener Urologe ist.“ Die Entscheidung für dasselbe
Fach habe sie bis heute nicht bereut. „Urologie ist ein kleines
und überschaubares Fach, in dem man schnell einen ganz guten
Überblick hat“, erklärt die junge Ärztin. Man habe einerseits die
Möglichkeiten eines operativen Faches, lerne aber durch die Nierenerkrankungen auch internistische Herangehensweisen.
Sich häufig mit männlichen Genitalien zu beschäftigen,
könnte vielen unangenehm erscheinen. Meyering hat damit
aber keine Probleme. „Während des Studiums absolviert man ja
einige Famulaturen und ein Pflegepraktikum, bei denen man
sich Schritt für Schritt mit Behandlungsabläufen vertraut
macht. Als Arzt darf man keine Berührungsängste haben“,
meint sie. Doch die kommen auch bei Patienten vor: Allein die
Aussicht auf eine urologische Behandlung sorgt bei vielen Männern für betretene Mienen. Treffen sie dann auch noch auf eine
junge Frau, wächst die Unsicherheit mancher Patienten zusätzlich. Probleme hätten vor allem junge Männer um die zwanzig,
weil sie noch unsicher sind und ihnen unangenehm ist, vor einer
Frau Probleme im Intimbereich zuzugeben. „Aber wenn man als
Beruf
D
ienst in der Rettungsstelle heißt es heute für Anja
Meyering. Jeden Tag nach der Visite teilen die jungen
Assistenzärzte auf der Urologiestation des Unfallkrankenhauses Berlin (ukb) die Dienste in der Rettungsstelle, der Station oder im OP unter sich auf. Meyering
zuckt mit den Schultern: Im Gegensatz zu vielen Nachwuchsmedizinern, die sich um Operationen reißen, zählt für sie vor allem
die Abwechslung. „Für mich wäre es nichts, ausschließlich im OP
zu stehen oder auf der Station zu sein. In allen Bereichen hat
man andere Aufgaben, und das ist gerade das Spannende“, sagt
die zierliche Ärztin und eilt in die Notaufnahme.
Die erst vor wenigen Monaten neu eröffnete Rettungsstelle
des ukb ist mal wieder gut gefüllt. Meyering lässt den Blick kurz
über die Patienten schweifen und steuert dann zielsicher einen
älteren Mann an. „Oft erkennt man seine Urologie-Patienten
schon auf den ersten Blick“, sagt sie und schmunzelt. Der
80-jährige Patient hat seinen transurethralen Dauerkatheter
verschoben und damit die Harnröhre verletzt, die nun blutet.
„Das Blut verklumpt und verstopft den Katheter“, erklärt die Ärztin und legt dem Mann einen dickeren Katheter, um diese Gefahr zu reduzieren. Bevor der Patient nach Hause entlassen wird,
soll er noch kurz zur Beobachtung in der Notaufnahme bleiben.
Seit knapp zwei Jahren absolviert Meyering ihre Weiterbildung am ukb, wenn auch mit einer Unterbrechung. Denn nach
nur einem Jahr Ausbildung wurde sie schwanger. „Wie es in einem operativen Fach häufig ist, bin ich leider ziemlich schnell ins
Beschäftigungsverbot gekommen und musste dann insgesamt
1,5 Jahre pausieren“, berichtet sie. Seit Juni 2013 ist die Assistenzärztin wieder dabei und muss Beruf und Familie unter einen Hut
bringen. Von 7 bis 16 Uhr dauern ihre Schichten unter der Woche.
Monatlich kommen noch fünf bis sechs Nacht- und Wochenenddienste hinzu. „Es ist sehr hilfreich, dass mein Ehemann kein Mediziner ist und nicht in einem Schichtsystem arbeitet. Auch mei-
Medizin Studieren 2/2014
Text: Eugenie Ankowitsch
Fotos: Georg J. Lopata
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Etwa ein Drittel der Patienten in der Urologie sind Frauen: Aufklärung
einer Patientin vor einer Blasen-OP.
Ärztin empathisch ist und sich professionell verhält, dann ist das
in der Regel kein Problem“, versichert Meyering.
Der nächste Patient in der Notaufnahme sei ein junger Mann,
sagt Meyering. Der Patient, der um die Ecke biegt, ist allerdings
keineswegs jung, sondern in den mittleren Jahren. „Für Urologie
ist es ein junger Mann“, winkt sie ab. Er kam bereits am vorigen
Tag mit einem Eiterabszess am Hoden, der inzidiert wurde. Heute ist Befundkontrolle.
Und dann eilt die junge Ärztin schon wieder aus der Rettungsstelle auf die Station für Innere Medizin. Dort muss sie eine Patientin vor einer Blasen-OP aufklären. „Etwa ein Drittel der
Patienten sind Frauen“, schätzt Meyering und korrigiert damit
das häufig verzerrte Bild der Urologen in der Öffentlichkeit. Urologie ist viel mehr als die allgemein bekannte „Männerheilkunde“. Vom kleinen Kind über junge Frauen bis hin zum alten
Mann behandelt man ein sehr breites Patientenspektrum. Urologen kennen sich bestens mit Beschwerden aus, die typischer-
weise bei Frauen vorkommen: Beckenboden- oder Gebärmuttersenkungen, Harnabflussstörungen und auch Geschlechtskrankheiten, wie Chlamydien, fallen ebenso darunter wie Krebserkrankungen, Inkontinenz oder Reizblase.
Am Bett der 84-jährigen Hildegard Hoffmann angekommen,
erklärt die Assistenzärztin, was die Patientin bei der OP erwartet.
Sie kam wegen blutigen Urins (Makrohämaturie) in die Rettungsstelle. Beim Ultraschall wurde eine Raumforderung in der
Blase festgestellt. Die Diagnose Blasenkrebs steht im Raum. Unter Vollnarkose soll eine Gewebeprobe entnommen werden.
Meyering weist die ältere Dame ausführlich auf die Risiken des
Eingriffs hin, zum Beispiel auf das Infektions- und Verletzungsrisiko. Zudem kündigt sie ein weiteres Gespräch mit einem Anästhesisten an. Und schon geht es zurück in die Notaufnahme.
Das Besondere am Unfallkrankenhaus Berlin: Es verfügt über
ein großes Zentrum für Rückenmarkverletzte, in dem auch Urologen arbeiten. Denn ist das Rückenmark geschädigt, werden
auch die Nerven, die die Blase steuern, in Mitleidenschaft gezogen. Durch den gezielten Einsatz spezifischer Medikamente, Präzisionseingriffe durch die Harnröhre und Botulinumtoxininjektionen in den Blasen- und Sphinktermuskel oder das Einsetzen
von „Blasenschrittmachern”, also Eingriffen an der Nervensteuerung von Blase und Schließmuskel, kann die Lebensqualität der
Patienten erheblich gesteigert werden. Außerdem werden Assistenzärzte am ukb in der medikamentösen Tumortherapie solider
Tumorerkrankungen ausgebildet. Zumindest in Berlin gehört sie
zum festen Bestandteil der Weiterbildung zum Urologen.
Während Meyering durch die Flure des ukb eilt, stehen einige
ihrer Kollegen am OP-Tisch. Obwohl sie sich heute um die Patienten in der Notaufnahme kümmert, weiß die angehende Fachärztin, welche Patienten ihre Kollegen operieren. Ein Patient hat eine
angeborene dekompensierte Nierenbeckenstenose. Dabei kann
der Urin nicht abfließen und staut sich in der Niere. Dies kann zu
Infektionen und starken Schmerzen führen. Die Ärzte müssen nun
eine innere Harnleiterschiene legen. Diese wird unter Röntgenkontrolle über die Blase eingefädelt, erklärt Meyering. Ein zweiter
Patient, der an diesem Tag operiert wurde, hatte so große Nierensteine, dass man sie nicht mehr durch Harnröhre und Harnleiter
entfernen konnte. Es wurde eine perkutane Nephrolithotomie
durchgeführt. Die Entfernung von Tumoren wie Blasen- und Nierentumoren stehe ebenfalls sehr häufig auf dem OP-Programm.
Bereits am Anfang der Weiterbildung nehmen Assistenzärzte
kleinere, vor allem ambulante Eingriffe, wie beispielsweise eine
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Wie wird man Urologe/-in?
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Um Facharzt/-ärztin für Urologie zu werden, muss man entsprechend der (Muster-)Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer eine
Weiterbildung von 60 Monaten absolvieren. Davon können meist bis zu zwölf Monate in der stationären Patientenversorgung im Gebiet
Chirurgie und sechs Monate in einem anderen Gebiet angerechnet werden. Außerdem können bis zu zwölf Monate im ambulanten Bereich
abgeleistet werden. Es gilt die Weiterbildungsordnung Ihrer Landesärztekammer.
Während und nach der Facharztweiterbildung können Urologen sich spezialisieren und Zusatzbezeichnungen in der Andrologie, medikamentöser Tumortherapie, fachgebundener Röntgendiagnostik und der Proktologie erwerben.
nenden zirrhotischen Umbau aus. Für eine so junge Frau sei es
sehr ungewöhnlich und bedarf weiterer Abklärung. Ein anderer
Patient hat eine polyzystische Nierenerkrankung und blutet in
viele Zysten massiv hinein, was zu einer Infektion mit hohem
Fieber führte. Die Gefahr einer Sepsis ist sehr hoch.
Plötzlich klingelt das Telefon: die Rettungsstelle. Ein junger
Mann Anfang zwanzig kam eben in die Notaufnahme mit starken Schmerzen nach Geschlechtsverkehr. Die Verdachtsdiagnose: Hodentorsion. Bestätigt sie sich, ist schnelles Handeln angesagt. Es handelt sich hierbei um eine akut auftretende Verdrehung der sehr beweglichen Samenstranggebilde und des Hodens, so dass eine ausreichende Durchblutung nicht mehr gewährleistet ist. „Das ist ein echter urologischer Notfall“, erklärt
die Oberärztin. Denn bereits nach vier bis sechs Stunden kommt
es zu einer Nekrose und damit zum Organverlust. Bestätigt sich
die Diagnose, muss der junge Mann also möglichst schnell in
den OP. Reflexartig springt Meyering vom Stuhl auf. Doch ihre
Schicht ist nun vorbei, und ein anderer Kollege macht sich auf
den Weg in die Rettungsstelle. Die junge Ärztin hat Feierabend.
„Jetzt gehe ich schnell meinen Sohn abholen“, sagt sie voller
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Vorfreude und eilt in die Umkleide.
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Die komplette Bilderstrecke finden Sie unter:
www.aezteblatt.de/galerie/85
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Zirkumzision (Beschneidung) vor. Später dürfen sie auch Blasentumoren resezieren oder Harnleitersteine unter fachärztlicher
Aufsicht endoskopisch entfernen.
Zurück in der Rettungsstelle, schaut Meyering nach ihrem ersten Patienten des heutigen Tages, dem älteren Herren mit dem
verrutschten Katheter. Der Urin des Mannes ist zwar immer noch
blutig, die junge Ärztin winkt aber ab: „Wir Urologen können unterscheiden, was dramatisch blutig ist und was nicht.“ Und woran
erkennt man das? „Wenn der Urin aussieht wie Kirschsaft, dann ist
das ernst, wenn eher wie ein Roséwein, dann ist es nicht schlimm.
So erklären wir das auch den Patienten, damit sie das auch selbst
besser einschätzen können“, erklärt sie. Denn die meisten erschrecken sich sehr, wenn sie Blut im Urin entdecken. Sie sagt dem Patienten, dass er nicht im Krankenhaus bleiben muss.
Bevor Meyering in den verdienten Feierabend gehen kann,
steht noch die Übergabe-Besprechung an. Nach und nach trudelt das Urologen-Team im kleinen Besprechungsraum ein. Die
Besprechung kann beginnen. Einigen Patienten geht es besser,
sie können schon in den nächsten Tagen entlassen werden. Andere Patienten sind schwerer erkrankt. Einer jungen Frau geht es
zwar aus urologischer Sicht besser, allerdings wollen die Ärzte
ihre Leberwerte bestimmen lassen. Denn die Leber der 23-Jährigen ist, berichtet Oberärztin und stellvertretende Klinikdirektorin Jana Pretzer, stark vergrößert und sieht nach einem begin-
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Die Weiterbildungsassistenten der Urologie werden am Unfallkrankenhaus in Berlin auch in der medikamentösen Tumortherapie solider Tumorerkrankungen ausgebildet.
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