Forschung Konkurrenzkampf in der afrikanischen Savanne

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Forschung
Konkurrenzkampf in der
afrikanischen Savanne
Eine neue Studie zeigt, wie sich die Vegetation
der Savannen Afrikas in den kommenden
Jahrzehnten verändern könnte.
Abb. 1
Wo heute Gräser das Landschaftsbild dominieren,
könnte im Jahr 2100 ein
lichter Trockenwald stehen,
denn durch höhere CO2-Konzentrationen sind Savannenbäume gegenüber Gräsern im
Vorteil. Foto: Steven Higgins.
von Julia Krohmer, Simon Scheiter & Steven Higgins
Weite Landschaften, ziehende Großtierherden und vereinzelt stehende Affenbrotbäume – solche
Bilder verbinden die meisten Menschen mit dem Begriff Savanne. Der Klimawandel könnte dies
allerdings drastisch verändern. Steven Higgins und Simon Scheiter zeigten in einer kürzlich in
„Nature“ veröffentlichten Studie, dass weite Teile der afrikanischen Savanne bis zum Jahr 2100
zu Wäldern werden könnten. Die Ergebnisse ihrer Modellierungen deuten darauf hin, dass der
steigende Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre, der auf manche Pflanzengruppen wie Dünger
wirkt, in Afrika zu einer dichteren Bewaldung führt, falls ein bestimmter CO2-Schwellenwert
überschritten wird.
Seit einigen Jahren muss sich die Weltbevölkerung den
zunehmend stärker spürbaren Folgen des anthropogenen Klimawandels stellen. Auf die gesamte Erde gemittelt beträgt
die bisherige Erwärmung seit Beginn des 20. Jahrhunderts
knapp 0,8 °C (IPCC 2007) – ein Wert, der als Temperaturunterschied kaum spürbar ist, der je nach Ökosystem und
Weltregion aber bereits eine gewaltige Veränderung
bedeutet, denn es handelt sich um einen Durchschnittswert
und regionale Veränderungen können stark noch oben oder
unten abweichen.
Kippelige Verhältnisse
Ein solcher Temperaturanstieg kann das ganze Erd- und Klimasystem aus der Balance bringen. Die Wissenschaft ist
noch weit davon entfernt, die komplizierten Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre und den anderen Komponenten
des Erdsystems wie z. B. der Biosphäre zu verstehen. Man
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Forschung
weiß aber, dass bestimmte Veränderungen kaum rückgängig zu machen sind. Wenn ein bestimmter Schwellenwert
einer Einflussgröße überschritten wird (Temperatur, Niederschlagsmenge oder was auch immer die ausschlaggebenden
Faktoren sind), können sich Teilsysteme so stark verändern,
dass auch das gesamte Erdsystem beeinflusst wird. Dadurch
kann es passieren, dass einzelne Komponenten selbst dann
nicht in den ursprünglichen Zustand zurückkehren, wenn die
Ausgangsbedingungen wieder hergestellt werden. Regionen und Ökosysteme, bei denen der globale Wandel solche
schwer reversiblen Veränderungen verursachen könnte, werden als „tipping points“, Kipppunkte, bezeichnet (Lenton et
al. 2008, Lenton 2011).
Machtkampf in der Savanne
Eines dieser Systeme ist die Savanne (siehe Kasten).
Hier ringen schon seit Millionen von Jahren Gräser und
SENCKENBERG – natur • forschung • museum 142 (9/10) 2012
SENCKENBERG – natur • forschung • museum 142 (9/10) 2012
Fo rsch u n g
299
0.2
Wahrscheinl
0.0
0
500
1000
1500
2000
2500
3000
t
c
b
sonstige Zustände
bistabil 1850
bistabil 2100
bistabil 1850 und 2100
C3 (immergrün)
2010
2080
2090
2070
2060
2050
2040
2030
2020
2010
2000
1990
1980
1970
1960
1950
1940
1930
1920
1910
1900
1890
1880
1870
1860
0
Wüste
22.8%
C3
0.8
0.6
0
Jahrzehnt
500
1000
1500
2000
Änderung Baumphotosynthese
C3
C3 (laubabwerfend) C3
Änderung Baumbiomasse
C4
C4
140
400
700
0.4
sonstiger Zustand
C4
Wahrscheinlichkeit für C4-Dominanz
sonstiger Zustand
Atmosphärische CO2Konzentration (ppm)
0.0
20
15
Zustand 2100
5
Grasland
15.8%
Waldland
and
9.7%
%
Zustand 1850
10
Savanne
13.7%
Übergänge in C3-dominierte Zustände
(‰ der Landoberfläche)
Trockenkenwald
ld
24.4%
4%
1.0
d
immergr.
Wald
13.6%
0.2
a
0.0
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
1.25
2.5
5
10
>10
2500
mittlerer Jahresniederschlag
300
Ökosystem Savanne
Als Savanne (über spanisch „sabana“, aus einer karibischen Sprache entlehnt) wird im Allgemeinen ein tropischer
oder subtropischer Vegetationstyp bezeichnet, der aus einer geschlossenen Krautschicht und einer eher offenen
Gehölzschicht besteht. Savanne beziehungsweise savana/sabana bedeutet so viel wie „weite Ebene“. Die Abgrenzung
zu Steppen, Grasländern und Trockenwäldern wird unterschiedlich gehandhabt. Außerdem ist Savanne ein Sammelbegriff für die Vegetationszone zwischen dem tropischen Regenwald und der Wüste. Savannen in unterschiedlichen
Ausprägungen sind das am weitesten verbreitete Ökosystem Afrikas, treten aber auch in Indien, Südostasien, Australien und Südamerika auf. Weltweit bedecken sie etwa 15 Prozent der Festlandfläche. Allen Savannen gemeinsam ist
der Wechsel von Regen- und Trockenzeiten, in denen Grasbiomasse vertrocknet und so natürlich auftretende Grasfeuer begünstigt. Sie beherbergen auch global gesehen eine große biologische Vielfalt und versorgen ihre Bewohner
umfassend mit sogenannten Ökosystemdienstleistungen wie Nahrung, Wasser, Energie, Tierfutter, Medizinalpflanzen, Bau- und Werkstoffen etc.
Durch den Klimawandel und eine immer intensivere Landnutzung ist dieses Ökosystem zunehmend bedroht. Der
dritte Global Biodiversity Outlook von 2010 (GBO 2010) nennt die Savanne als einen von neun sogenannten Biodiversitäts-Kipppunkten.
Die Reaktion des Ökosystems Savanne auf den globalen Wandel abschätzen zu können, ist deshalb eine grundlegende Voraussetzung, um nachhaltige Handlungsstrategien zu entwickeln, mit denen die Folgen des Klimawandels
für Savannen und ihre Bewohner – Menschen und Tiere – abgemildert werden und eine Anpassung an die neuen
Verhältnisse erleichtert wird.
Forschung
SENCKENBERG – natur • forschung • museum 142 (9/10) 2012
Die Verschiebungen im „Machtverhältnis“ der Savannenpflanzen, die sich in der Vergangenheit sehr langsam vollzogen,
werden durch den globalen Wandel wahrscheinlich deutlich
schneller ablaufen – vielleicht sogar schlagartig innerhalb nur
weniger Jahre oder Jahrzehnte. Da Savannen sich weltweit
über riesige Flächen erstrecken, wäre hier ein abruptes Kippen
dieses Ökosystems in einen anderen Zustand fatal – insbeson0.0
dere für die Menschen,
die hier leben und wirtschaften.
0.2
0.4
0.6
Schlüsselfaktor
CO2-Gehalt
0.8
1.0
Der CO2-Anteil in1.25
der Atmosphäre ist derzeit in einem raschen
2.5 Dies ist für die Savannenregionen besonAnsteigen begriffen.
ders relevant, da5 CO2 maßgeblich mitbestimmt, ob Gräser
10
oder aber Gehölze
>10in ihrem fortwährenden Konkurrenzkampf
Änderung Baumphotosynthese
Gehölzbestand oder unterschiedlich dichte Waldformationen. In zahlreichen Studien wurde nachgewiesen, dass
Savannen sehr sensibel auf Veränderungen des Klimas und
der Zusammensetzung der Atmosphäre reagieren; sie sind
längst nicht so stabil wie z. B. Wälder und können unter
Umständen sogar ganz zur Seite „Gras“ oder „Wald“ kippen (Scheffer & Carpenter 2003, Liu et. al. 2006, Scheiter
& Higgins 2007, Staver et al. 2011 und Hirota et al. 2011).
In diesem Fall spricht man von „bistabilen“ Savannen, in
denen je nach Auftreten oder Fehlen von Feuern eher
C4- oder C3-dominierte Vegetation überwiegt.
Änderung Baumbiomasse
p
Abb. 2a–d
Vegetationsveränderung für
den Zeitraum 1850–2100.
a: Simulierte Übergänge
zwischen Vegetationstypen
zwischen 1850 und 2100. Die
Prozentangaben geben den
Flächenanteil verschiedener
Vegetationstypen in Afrika
im Jahr 2100 an. Die Breite
der Pfeile stellt die Anzahl
der Übergänge zwischen
Vegetationstypen im
Zeitraum von 1850 bis 2100
dar.
b: Räumliche Verteilung
der am häufigsten auftretenden Übergänge zwischen
C3-dominierter Vegetation
(Waldland, Trockenwald,
immergrüner Wald) und
C4-dominierter Vegetation
(C4-Grasland und Savanne).
c: Verteilung von bistabilen
Regionen in den Jahren 1850
und 2100. Savannen und
C4-Grasländer werden als
bistabil bezeichnet, wenn
sie ohne Feuer in einen C3dominierten Vegetationstyp
übergehen würden.
d: Anzahl der Übergänge von
C4-dominierter Vegetation in
C3-dominierte Vegetation in
verschiedenen Jahrzehnten.
Die Fehlerbalken geben den
Standardfehler des Mittelwertes an (n = 9).
Gehölze um die Vorherrschaft. Ausschlaggebend für die
Dominanz der einen oder anderen Lebensform sind z. B.
Niederschlagsmengen, Bodenbeschaffenheit oder die Häufigkeit von Buschfeuern, ebenso kann Beweidung durch
Wild- oder Nutztiere einen Einfluss haben. Auch der CO2Gehalt in der Atmosphäre ist eine wichtige Einflussgröße.
Gräser und Gehölze passen sich entsprechend den lokalen Gegebenheiten an diese Einflüsse an, deshalb können
Savannenlandschaften sehr unterschiedlich aussehen:
Weite Graslandschaften gehören ebenso zum sogenannten Savannenkomplex wie Grasebenen mit vereinzeltem
Der hohe CO2-Gehalt, der ein Kippen des Systems in Richtung
Bewaldung begünstigt, hat also einen stärkeren Einfluss als
beispielsweise ein Temperaturanstieg oder häufige Feuer.
Abb. 3a/b
Abhängigkeit der Vegetation
von Niederschlag und atmosphärischer CO2-Konzentration. Links: Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von
C4-dominierter Vegetation
(C4-Grasland oder Savanne)
in Abhängigkeit von Niederschlag und atmosphärischer
CO2-Konzentration. Die
Simulationen wurden für
Afrika durchgeführt. Die
Wahrscheinlichkeit für C4dominierte Vegetation bei
niedrigem Niederschlag ist
gering, da dann Wüsten bevorzugt auftreten, bei hohem
Niederschlag ist C3-dominierte
Vegetation wahrscheinlicher.
Rechts: Sensitivität der Biomasseänderung (Quotient
der Baumbiomassen in den
Jahren 2100 und 1850) gegenüber Veränderungen der
Photosynthese (Quotient der
photosynthetischen Raten
von Bäumen in den Jahren
2100 und 1850).
Berechenbarer „Regimewechsel“
q
Der Einfluss eines erhöhten CO2-Gehalts auf das Wachstum von Bäumen wurde bereits experimentell untersucht,
jedoch überwiegend auf der Nordhalbkugel und an kommerziell wichtigen Arten, weshalb die festgestellten geringen
Effekte für die afrikanischen Savannen nur eine bedingte
Abb. 4
Ein lichter Trockenwald
bietet anderen Tierarten
Nahrung und Schutz als eine
offene Grassavanne.
Foto: Susanne Fritz.
die Oberhand gewinnen. Bäume sind sogenannte C3-Pflanzen,
wie die meisten Gefäßpflanzen. Sie fixieren CO2 nach dem
Grundtyp der Photosynthese über den Calvinzyklus. Bei den
C4-Pflanzen ist dem Calvinzyklus noch ein weiterer Stoffwechselschritt vorgeschaltet, bei dem CO2 zunächst vorfixiert wird.
C4-Pflanzen, zu denen die meisten tropischen Gräser gehören,
sind den C3-Pflanzen unter ariden Bedingungen und bei niedrigem CO2-Gehalt in der Atmosphäre überlegen, C3-Pflanzen
wiederum profitieren von höheren Kohlendioxidgehalten
– insbesondere Gehölze, die zum Aufbau ihrer tragenden
Strukturen große Kohlenstoff-Mengen benötigen.
Obwohl ein gleichzeitiger Anstieg von CO2-Gehalt und Temperatur zu Dominanz von C4-Pflanzen führen kann (Ehleringer
et al. 1997), ist es möglich, dass in dieser Situation C3-Pflanzen über C4-Pflanzen triumphieren, denn das durch mehr CO2
ermöglichte schnellere Wachstum der Gehölze macht den Vorteil, den Gräser durch hitzebedingt steigende Feuerhäufigkeit
haben, schneller wett, als diese ihn nutzen können (Bond 2008).
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